Skip to main content

Full text of "Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege 24.1905 Iowa"

See other formats


Google 


Über dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin¬ 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 


Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen. 


















MEDICAL 



Class . 41 . 4.05 


Book 


C.53. 

V 2.4 


Acc. 


2aaaai 



Digitized by t^ooQle 







Digitized by 


Google 


Digitized by v^ooQle 



Centralblatt 

fttr 

allgemeine Gresundheitspiege. 

Organ 

des Niederrheinischen Vereins fttr öffentliche Gesundheitspflege. 

Heraasgegeben 

von 

Dr. Lent, Dr. Stubben, Dr. Kruse, 

Geh. Sanitätsrat, Prof, in Cöln. Ober- und Geh. Banrat in Berlin, a. o. Prof, der Hygiene in Bonn. 



Vierundzwanzigster Jahrgang. 

Mit lt Abbildungen. 


Bonn, 

Verlag von Martin Hager. 
1905. 


Digitized by c^ooQle 





Digitized by 


Googl 













Inhalt. 


614.05 

V- x. f 


Originalarbeiten. 




Die Cölner Kläranlage. Von Stadtbaurat Steuernagel . . . . 
Hygienische Neuigkeiten von der Weltausstellung in St. Louis. Von 

Dr. med. Gustav Heim. 

Bericht über die am 29. Oktober 1904 in M.-Gladbach in der Kaiser- 
Friedrich-Halle stattgehabten General-Versammlung des Nieder- 
rheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege, erstattet 
vom Geheimen Sanitätsrat Prof. Dr. Lent in Cöln . , . . . 

1. Geschäftsbericht. 

2. Erster Vortrag: Über Schwimmhallen und Brausebäder. 

Von Stadtbaurat Schultze in Bonn. 

3. Zweiter Vortrag: Wie ist den Schädigungen, welche die 

Fleisch Versorgung der Städte durch die Freizügigkeit des 
Fleisches erleidet, am wirksamsten zu begegnen? Von 
Schlachthofdirektor Haffner in Düren. 

4. Dritter Vortrag: Inwieweit bedarf die schulärztliche Ein¬ 

richtung noch der Erweiterung? Von Schularzt Dr. med. 
Max Schulte in Cöln. 

Hebamme und Säuglingsernährung. Von Dr. Paul Selter, Kinder¬ 
arzt u. dirig. Arzt des Säuglingsheimes Solingen-Haan . . . . 
Zur Verhütung der Übertragung von Infektionskrankheiten durch 
Trinkbecher in den Schulen. Von Dr. Hugo Laser, Schularzt 

in Königsberg i. Pr. 

Ist ein Einfluss des Rheins auf die Brunnen der Wasserwerke der 
Stadt Cöln zu konstatieren? Von Dr. Bärenfänger in Cöln 
Bericht über die 29. Versammlung des Deutschen Vereins für öffent¬ 
liche Gesundheitspflege in Danzig vom 14. —17. Sept. 1904. 

Von Dr. Pröbsting in Cöln. 

Säuglingssterblichkeit und ihre Bekämpfung. Ein Beitrag von Dr. 

Schlegtendal, Regierungs- und Medizinalrat in Aachen . . 
Wohnungsfrage und Volkskrankheiten. Nachtrag zu dem Bericht 
über den I. allg. Wohnungskongress in Frankfurt a. M. (Schil- 

ling-Cöln). 

Staubversengung bezw. Zersetzung auf Heizkörpern. Von Herbst, 

städt. Heizungsingenieur in Cöln. 

III. Jahresbericht der Heilstätte Holsterhausen bei Werden-Ruhr 
für 1904. Erstattet von Dr. med. F. Köhler, Chefarzt . . . 
XIV. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiter - Wohlfahrts - Ein¬ 
richtungen am 5. u. 6. Juni 1905 in Hamm-W. (Aus dem offi¬ 
ziellen Bericht). 

Bericht über die 6. Jahresversammlung des allgemeinen deutschen 
Vereins für Schulgesundheitspflege in Stuttgart vom 14. und 

15. Juni 1905. Von Dr. Jos. Boden in Cöln. 

Das preussische Gesetz, betr. die Bekämpfung übertragbarer Krank¬ 
heiten. Von Landesrat Schmedding (Münster), Mitglied des 
Hauses der Abgeordneten. 


Seite 

1 

8 

15 

15 

19 

30 

40 

81 

90 

94 

101 

147 

160 

201 

205 

223 

246 

287 




Digitized by 


Google 

















IV 


Seite 


Zweiter Jahresbericht (1904) des Versorgungshauses für Mütter und 
Säuglinge zu Solingen-Haan. (Leiter Dr. Paul Selter, Solingen.) 
Zugleich ein Beitrag zur Hygiene des Keuchhustens und des 
Ammenwesens von Dr. Walther Nebel, ehern. Assistenzarzt. 

(Mit 2 Belegungsplänen). t .309 

Über den Umfang der Säuglingssterblichkeit in der Stadt Dortmund. 
(Studie aus dem städtischen Statistischen Amt.) Von Dr. August 

Busch. Mit 6 Abbildungen.333 

Bericht über die 30. Versammlung des Deutschen Vereins für Öffent¬ 
liche Gesundheitspflege in Mannheim vom 13.—16. September 
1905. Von Dr. Pröbsting in Cöln.360 


Kleinere Mitteilungen. 

Bekämpfung der Kindersterblichkeit im Reg.-Bez. Aachen .... 54 

Das Säuglingsheim zu Dresden. 60 

Der erste Allgemeine Deutsche Wohnungskongress. 65 

Die öffentliche Gesundheitspflege in Gelsenkirchen. 68 

Die Beziehungen zwischen Schulbank und Klassenraum (J. St.) . 126 
Zur Beseitigung des Strassenkehrichts und der Hausabfälle (J. St.) 128 
Gesundheitsstatistik im Grossherzogtum Hessen (Kruse) . . . . 166 

Grossstadthöfe (Encke-Cöln).167 

Der Verein zur Bekämpfung der Volkskrankheiten im Ruhrkohlen¬ 
gebiet .169 

Hygienisches Weihwasserbecken (Heim) ..170 

X. Internationaler Kongress gegen den Alkoholismus.171 

Dreissigste Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Ge¬ 
sundheitspflege .171 

Anstellung eines ärztlichen Beigeordneten in Cöln.267 

Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege.267 

Die Walderholungsstätte der Stadt M.-Gladbach. Mit 2 Abbildungen 

(Schaefer).394 

Zur Müllbeseitigung. Mit Abbildung (Poppe-Kirchberg i. Sachsen) 398 


Literat urbericht. 

Nickel, Die Gesundheitspflege auf dem Lande (Schneider-Arns- 

berg). 74 

von Lindheim, Saluti aegrorum. Aufgabe und Bedeutung der 

Krankenpflege im modernen Staat (H och haus -Cöln) .... 75 

Hecker, Verleihanstalten von Gegenständen zur Krankenpflege 

(Schneider-Arnsberg). 76 

Hoffmann, Ein neues Klär verfahren für städtische Abwässer mit 

gleichzeitiger Fettgewinnung (Grosse-Bohle-Cöln) .... 76 

Tja den, Hygienisch-bakteriologische Untersuchungsstellen in den 

Städten (Grosse-Bohle-Cöln). 77 

Hey mann, Statistische und ethnographische Beiträge zur Frage 
über die Beziehungen zwischen Säuglingsernährung und Lungen¬ 
schwindsucht (Weischer-Rosbach a. d. Sieg). 77 


Digitized by v^ooQle 




















V 

Seite 


Speck, Die Beziehung der Säuglingsernährung zur Entstehung der 

Lungentuberkulose (Weiseher-Rosbach a. d. Sieg). 78 

Grub er, Tuberkulose und Wohnungsnot (Weiseher-Rosbach 

a. d. Sieg). 79 

Noetel, Die Unschädlichmachung des Auswurfs der Phthisiker 

(Weise her-Rosbach a. d. Sieg). 79 

. Pfeiffer, 20. Jahresbericht über die Fortschritte und Leistungen 

auf dem Gebiete der Hygiene (Nauck-Hattingen).131 

Prausnitz, Grundzüge der Hygiene (N au ck-Hattingen) . . . . 131 

Senator u. Kamin er, Krankheiten und Ehe (Schn ei der-Breslau) 132 

Weber, Die Verhütung des frühen Alters (Pelman).134 

Hoff mann, Berufswahl und Nervenleiden (Pelman).134 

Kowalewski, Studien zur Psychologie des Pessimismus (Pelman) 135 
Ruth Br&, Staatskinder oder Mutterrecht (S eit er-Solingen) . . . 136 

Fürst, Die Gesundheitspflege der Mädchen vor und nach der Schul¬ 
zeit (Blumberger-Cöln).136 

Berger, Die Schularztfrage für höhere Lehranstalten (Selter- 

Solingen) .137 

Stadelmann, Schwachbeanlagte Kinder, ihre Förderung und Be¬ 
handlung (Branden berg-Cöln).137 

Twistei, Wasser-, Luft- und Kraft Versorgung kleiner Städte 

(Schultze-Bonn).137 

Nussbaum, Die Schutzmittel gegen aufsteigende Feuchtigkeit und 

Schlagregen (Schultze-Bonn).139 

Schlegtendal u. Peren, Der Unterleibstyphus und seine Be¬ 
kämpfung (Schlegten dal-Aachen).139 

Pi stör, Die Verbreitung des Typhus in Preussen während des Jahr¬ 
zehnts 1892—1901 (Naue k-Hattingen).143 

Gärtner, Leitfaden der Hygiene (Bliesener-Berlin).172 

Schottelius, Bakterien, Infektionskrankheiten und deren Be¬ 
kämpfung (Bliesener-Berlin).172 

v. ßaumgarten u. Tangl, Jahresbericht über die Fortschritte in 
der Lehre von den pathogenen Mikroorganismen umfassend 

Bakterien, Pilze und Protozoen (Bleibtreu-Cöln).173 

Anweisungen des Bundesrats nebst den preussischen Ausführungs¬ 
bestimmungen zur Bekämpfung des Aussatzes, der Cholera, des 
Fleckfiebers, der Pest, der Pocken (Schneider-Breslau) . . . 173 


Kluczenko, Das französische Gesetz vom 15.Februar 1902 betreffend 

die Förderung der öffentlichen Gesundheit (Bliesener-Berlin) 174 
Bloch, Die hygienischen Fortschritte der Stadt Beuthen (Ober¬ 
schlesien) innerhalb des letzten Dezenniums (Nauck-Hattingen) 176 


Schniening, Krieg und Frieden (Graessner-Cöln).177 

Bauer, Der Zug nach der Stadt u. die Stadterweiterung (J.Stübben) 177 

Haase, Gesundheitswidrige Wohnungen (J. St.).178 

Nussbauin, Der Hof des Wohnhauses (Grosse-Bohle-Cöln) . . 178 

Ficker, Über die Aufnahme von Bakterien durch den Respirations¬ 
apparat (Mastbaum-Cöln).179 

Lehmann, Experimentelle Studien über den Einfluss technisch und 
hygienisch wichtiger Gase und Dämpfe auf den Organismus 

(Mastbaum-Cöln). 179 

Stich, Eine neue Methode zur Bestimmung des Luftstaubes und 
ihre Verwendung zur Prüfung eines neuen Wasserspreng- 
apparates (Nauck-Hattingen).180 


Digitized by 


Google 























VI 


Seite 


Herghaus, Der „Vacuumreiniger“, ein Apparat zur staubfreien 

Reinigung- der Wohnr&ume (Mastba um-Cöln). 

Kisskalt, Eine neue Methode zur Bestimmung der sichtbaren Ver¬ 
unreinigung von Fluss- und Abwasser (Grosse-Bo hie-Cöln) . 
Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Schulgesundheits¬ 
pflege (Doutrelepont-Cöln). 

Kotelmann, Schulgesundheitspflege (Brehmer-Solingen) . . . 
Wevgandt, Beitrag zur Lehre von den psychischen Epidemien 

(Pelm an). 

Müller, Mein System (Cramer-Cöln). 

Vierordt, Die Säuglingsabteilung, Säuglingsambulanz und Milch¬ 
küche der Luisen-Heilanstalt (Kinderklinik) zu Heidelberg (N e- 

b e 1-Solingen-Haan). 

Aigre, La „Goutte de lait“ et les „Cousultations de nourrissons“ 

de Boulogne-sur Mer (Schneider-Breslau). 

Albrand, Die Kostordnung an Heil- und Pflegeanstalten (Bleib- 

treu-Cöln). 

Long-P reu sse, Praktische Anleitung zur Trichinenschau (Küh nau) 
Mosnv, La nocivitE des huitres et l’insalubrite des Etablissements 

ostrEicoles (Schneider-Breslau). 

Bö hm er t u. Me inert, Die Alkoholfrage (Fuchs-Cöln). 

Czaplewski, Über Versuche mit einer hygienischen Geschirrspül¬ 
maschine (Nauck-Hattingen) . . 

Lewaschew, Über Vorrichtungen zur raschen Entwicklung von 
Formalindämpfen zur Desinfektion (Czaplewski-Cöln) . . . 

Lewaschew, Über die Gefahr, welche einige zur Entwickelung 
von Formalindämpfen vorgeschlagenen Apparate bieten (Cza¬ 
ple wski-Cöln) . 

Brun8, Versuche zur Frage der Desinfektion bei Ankylostomiasis 

(Bliesener-Berlin). 

Tenholt, Über Anchvlostomiasis mit besonderer Berücksichtigung 
der Loosschen Lehre über die Einwanderung der Larven durch 

die Haut (Bliesener-Berlin). 

Martin i,Sy niptome,Wesen u. Behandlung d. Malaria (Blei b tr eu-Cöln) 
Recueil des actes officiels et documents, interessant 1’hygiEne pu¬ 
blique (Creutz-Eupen). 

Müller, Vorlesungen über Infektion und Immunität (Kr.) .... 
Sperling, Gesundheit und Lebensglück. Ärztlicher Ratgeber für 

Gesunde und Kranke (Dreyer-Cöln). 

Weise, Militär- und Volkshygiene (Grässuer-Cöln). 

Schmidt, Physiologie der Leibesübungen (Kr.). 

Wolf, Die Einwirkung verunreinigter Flüsse auf das im Ufergebiet 
derselben sich bewegende Grundwasser (Czaplewski-Cöln) 
Schubert, Das Schularztwesen in Deutschland (Bermbach-Cöln) 

Bauer, Schulgesundheitspflege (Bermba ch-Cöln). 

Brandeis, Beiträge zur Erzieliungshygieue (Siegert-Cöln) . . . 

Meder. Das Säuglingskrankenhaus als wichtiger Faktor zur wirk¬ 
samen Bekämpfung der hohen Säuglingssterblichkeit (Siegert- 

Cöln). 

Manchot, Die Milchküche der St. Gertrud-Gemeindepflege in Ham¬ 
burg (Siegert-Cöln).. 

Eberths, Ein Beitrag zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit 
(Selter Solingen).. 


180 

181 

181 

183 

183 

186 

187 

189 

190 
190 

190 

191 

19fr 

193 

194 

195 


196 

197 

268 

269 


269 

269 

270 

270 

275 

276 
276“ 


277 

277 

278 


Digitized by v^ooQle 
























VII 

Seite 

Wesen er, Die Resultate der prophylaktischen Impfung mit Diph¬ 


therieheilserum im städtischen Mariahilf-Krnnkenhaus zu Aacheu 

(Dreyer-Cöln).281 

Roepke u. Huss, Untersuchungen über die Möglichkeit der Über¬ 
tragung von Krankheitserregern durch den gemeinsamen Abend¬ 
mahlskelch nebst Bemerkungen über die Wahrscheinlichkeit 
solcher Übertragung und Vorschlägen zu ihrer Vermeidung 

(Dreyer-Cöln).282 

Vogel, Die wehrpflichtige Jugend Bayerns (Graessner-Cöln) . . 321 

Abelsdorff, Die Wehrfähigkeit zweier Generationen mit Rücksicht 

auf Herkunft und Beruf (Graessner-Cöln).321 

Rommel, Zur Leistungsfähigkeit der weiblichen Brustdrüse (Die- 

trich-Cöln).322 

Kümmel, Die progressive Zahnkaries in Schule und Heer und die 
zahnhygienischen Aufgaben der Sanitätsbehörden im Interesse 

der Volkswirtschaft (Graessner-Cöln).323 

Runge, Der Krebs der Gebärmutter (Dietrich-Cöln).323 

A. Wolpert und H. Wolpert, Die Heizung (Herbst-Cöln) . . . 324 

Heim, Der Reinheitszustand künstlicher und natürlicher Mineral¬ 
wässer (Grosse-B oh le-Cöln) .325 

Renk, Untersuchungen u. Gutachten, betreffend den Einfluss der Stadt 

Dresden auf die Beschaffenheit der Elbe [Grosse-Bohle*Cöln) 326 
Kochschinieder, Wärmetechnische Ausnutzung und Vergasung 

der Abfallstoffe (Gr osse-B oh le-Cöln).326 

Renk, Die Verwendung schwefligsaurer Salze zur angeblichen Kon¬ 
servierung von Fleisch (Grosse-Bohle-Cöln).327 

Kirstein, Leitfaden für Desinfektoren in Frage und Antwort 

(Grosse-Bohle-Cöln).327 

Vivaldi u. Rodella, Die Austerninfektionen (Gr osse-Bohle-Cöln) 328 
Dörfler, Zur Verhütung des Puerperalfiebers (Dietrich-Cöln) . . 328 

Schürer von Waldheim, Ignaz Philipp Semmelweis, sein Leben 

und Wirken (Dietrich-Cöln).32b 

Brennecke, Reform des Hebammenwesens oder Reform der ge¬ 
burtshilflichen Ordnung? (Dietrich-Cöln).330 

Weyl, Zur Geschichte der sozialen Hygiene (Herbst-Barmen) . . 400 

Weyl, Assanierung (Herbst-Barmen).401 

Schmedding, Die Gesetze betreffend Bekämpfung ansteckender 

Krankheiten (Sch.) ..402 

Weyl, Die Abwehr gemeingefährl. Krankheiten (H er bst-Barmen) 403 
Nussbaum, Auf welche Weise lässt sich rasche Austrocknung und 
dauernde Trockenerhaltung der Gebäude erzielen? (Schultze- 

Bonn). 404 

Krüss, Beleuchtungsmesser (Selter-Bonn).405 

Schneider, Zur Schulbankfrage (Selter-Bonn).406 

Seiffert, Säuglingssterblichkeit, Volkskonstitution und National¬ 
vermögen (Spiegel-Solingen-Haan).406 

v. Oh len, Die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit durch öffent¬ 
liche Organe und private Wohltätigkeit mittels Beschaffung 
einwandfreier Kindermilch unter spezieller Berücksichtigung 

Hamburger Verhältnisse (Mastbaum-Cöln).407 

Seligmann, Das Verhalten der Kuhmilch zu fuchsinschwefliger 
Säure und ein Nachweis des Fonnalins in der Milch (Mast¬ 
baum-Cöln) . d07 


Digitized by 


Google 
























VIII 

Seite 

Beerwald und Brauer, Das Turnen im Hause (Cramer*Cöln) . 408 

Hermann, Handbuch der Bewegungsspiele für Mädchen (Cramer- 

Cöln) .408 

Marcinowski, Im Kampf um gesunde Nerven (Kühlwetter) . . 408 

Schüle, Über die Frage des Heiratens von früher Geisteskranken 

(Fuchs-Cöln).411 

Stier, Die Bedeutung der Nerven- und Geisteskrankheiten in der 

Armee im Lichte der Sanitätsstatistik (Graessner-Cöln) . . . 414 

Grotjahn, Der Alkoholismus (Her bst-Barmen).414 

v. Schnitzer, Beiträge z. Zahnfrage in der Armee (Graessner-Cöln) 415 
Engels, Einige Versuche zur Wohnungsdesinfektion für stationären 

und transportablen Gebrauch (Selter-Bonn).416 

Prinzing*, Die Verbreitung der Tuberkulose in den europäischen 

Staaten (Mastbaum-Cöln).416 

Brault, Contribution k l’Etude de la Tuberculose chez les Indi- 

genes, Musulmans d’Algerie (Weiseher-Rosbach/Sieg) . . . 417 
Thorn, Betrachtungen und Beiträge zur Frage der Tuberkulose¬ 
ansteckung unter Eheleuten (Weischer-Rosbach/Sieg) . . . 417 

B o eg, Über erbliche Disposition z. Lungenphthisis ((M a s t b au m-Cöln) 418 
Huss, Die desinfektorische Wirkung des Formalins auf tuberkel¬ 
bazillenhaltigen Lungenaaswurf (Seiter-Bonn).418 

Lembke, Eine Typhusepidemie im Kreise Kreuznach (Selter-Bonn) 410 
Richter, Etwas über „Typhushäuser“ u. „Typhushöfe“ (Selter-Bonn) 410 

Friedel, Typhushäuser (Selter-Bonn).420 

Richter, Erwiderung (Se 1 ter -Bonn). 420* 

Dührssen. Influenza und Handkuss (Krautwig-Cöln) .... 421 

Georgii, Über die vermeidbaren Impfschäden (Seit er-Bonn) . . 421 

Hermanides, Bekämpfung der ansteckenden Geschlechtskrank¬ 
heiten als Volksseuche (Zinsser-Cöln).422 

Bett mann, Die ärztliche Überwachung der Prostituierten (Zinsser- 

Cöln) . 423 

Grosse, Schutzmittel gegen Geschlechtskrankheiten (Zinsser-Cöln) 423 

Kirchner, Die Verbreitung der Lepra in Deutschland und den 

deutschen Schutzgebieten (Bleib t reu-Cöln).424 

Di e min ge r, Beiträge zur Bekämpfung der Ankylostomiasis (Bleib- 

treu-Cöln).424 

Schaudinn, Über die Einwanderung der Ankylostomalarven von 

der Haut aus (Bruns-Gelsenkirchen).425 

Thorn, Vorschläge zur Besserung der Frühdiagnose des Krebses 

im Regierungsbezirk Magdeburg (Weischer-Rosbach/Sieg) . 425 

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neuen Bücher etc. 80 

144. 198. 284. 331. 426 


Digitized by v^ooQle 
















4 1 - 


Die Cölner Kläranlage. 

Von 

Stadtbaurat Steuernagel. 


Wie bereits in dem Aufsatz „Die Sedimentierung der suspen¬ 
dierten organischen Substanzen des Kanalwassers und ihr Einfluss 
auf die mechanische Klärung in Flachbecken“ im Jahrgang J903 
dieser Zeitschrift mitgeteilt, war nach längeren Verhandlungen derStadt 
Cöln durch Ministerialerlass aufgegeben worden, ihre Kanalwässer vor 
Einleitung in den Rhein einem gründlichen Reinigungsverfahren zu 
unterziehen. Die Reinigung sollte auf mechanischem Wege in Sedi- 
mentierbecken erfolgen und war nach damaligem Stande der Wissen¬ 
schaft vorgeschrieben worden, dass sämtliches abfliessende Wasser 
Siebe passieren muss, um alle treibenden Körper abzufangen, sowie 
dass, um ein ausreichendes Absetzen der suspendierten Stoffe zu 
erreichen, die Durchflussgeschwindigkeit in den Becken nicht mehr 
als 4 mm betragen darf. 

Für Ausführung der Siebanlage wurde von der Stadt Cöln um 
Ausstand gebeten, da vorerst die Menge und Beschaffenheit der 
Schwimm- und Schwebestoffe beim Cölner Kanalwasser festgestellt 
werden sollte, da diese bei den Abwässern der einzelnen Städte 
erfahrungsmässig recht verschieden ist. 

Bezüglich der Klärgeschwindigkeit erhoben sich gegen das 
Mass von 4 mm, welches etwa 10 Becken von 8 m Breite, 2 m mittlerer 
Tiefe und 45 m Länge erfordert hätte, bedeutende Bedenken, zumal 
über den Kläreffekt bei verschiedener Durchflussgeschwindigkeit 
damals noch keine eingehenden Untersuchungen Vorlagen. Nach¬ 
dem auch Professor Dr. Carl Fraenkel in einem Gutachten der Auf¬ 
fassung der Stadt Cöln beigetreten war und sich dahin ausgesprochen 
hatte, dass bei den Cölner Vorflutverhältnissen mindestens 50 °/ 0 der sus¬ 
pendierten organischen Stoffe abgefangen werden müssten, erklärte 
sich die Königl. Regierung damit einverstanden, dass vorläufig nur 
eines der in Aussicht genommenen Klärbecken angelegt und an 
demselben systematisch Versuche über den Kläreffekt bei verschiedener 
Geschwindigkeit ausgeführt würden. 

Centralblatt f. all*. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 1 


Digitized by t^ooQle 



2 


Nachdem das Probeklärbecken erbaut 1 ), sind unter der Ober¬ 
leitung des Verfassers eine Reibe von Untersuchungen teils chemischer 
Natur von Herrn Dr. Grosse-Bohle, teils technischer Natur voi 
Herrn Ingenieur Schaefer vom Tiefbauamt ausgeführt worden. Als 
wichtigste Ergebnisse sind die folgenden zu verzeichnen: 

Beschaffenheit der Cölner Kanalwässer. 

Dieselben enthalten verhältnismässig wenig suspendierte Sub¬ 
stanzen. Während beispielsweise die Menge derselben im Liter be¬ 
trägt: in Paris 1515 mg, in Frankfurt 1300 mg, in London 614 mg, 
in Danzig 600 mg, in Berlin 1084 mg, in Breslau 405 mg, in Halle 
594 mg, in Dortmund 430 mg, beträgt dieselbe in Cöln nur 303 mg. 

Die Cölner Kanalwässer können daher als verhältnismässig 
nur wenig verunreinigt bezeichnet werden. 

Die Schwankungen der Verunreinigung waren während der 
einzelnen Tageszeiten ziemlich bemerkbar. Es waren an suspen¬ 
dierten organischen Substanzen in dem durch Siebe grob vorge¬ 
reinigten Wasser im Liter enthalten: in den Morgenwässern 311 mg, 
den Abendwässern 219 mg und in den Nachtwässern nur 56 mg, 
Nach den Versuchen enthalten die geklärten Tageswässer durch¬ 
schnittlich noch 88 mg an suspendierten Stoffen. 

Hieraus darf der Schluss gezogen werden, dass es keinen 
Zweck hat die Nachtwässer durch die Kläranlage zu schicken, 
sondern dass es sich vielmehr empfiehlt, dieselben direkt in den Rhein 
abzuleiten. 

Der Kläreffekt bei verschiedener Durchfluss¬ 
geschwindigkeit im Klärbecken. 

Die hierüber vorgenommenen Untersuchungen sind im Jahr 
gang 1903 d. Bl. ausführlich beschrieben wordeu und wird darauf 
verwiesen. Es mögen hier nun die Hauptergebnisse kurz angeführt 
werden, welche in nachstehender Tabelle zusammengestellt sind: 


Durchfluss¬ 

geschwindig¬ 

keit 

Abnahme der suspendierten organischen Bestandteile in % 

nach der 
Klärung 

mit Abzug der 
Nachstunden J 

1 desgl. nach Abzug der 
[ nach 12 Stunden nicht 
sedimentierten Stoffe 

4 mm 

70,90 

72,31 

88,30 

20 , 

68,09 

69,08 

88,06 

40 . 

57,90 

58,90 

80,29 

77 ” 

41,00 

42,00 

66,27 


l ) Vergl. Zeichnung im Jahrgang 1903, S. 270 d. Bl. 


Digitized by 


Google 





3 


Man ersieht hieraus in erster Linie, dass der Kläreffekt im 
Cölner Becken ein sehr günstiger ist. Es wird dieses der Becken¬ 
form zugeschrieben, welche zu Anfang des Beckens einen Schlamm¬ 
sumpf und nach dem Ablauf zu eine steigende Beckensohle auf¬ 
weist. Der Kläreffekt zwischen 4 mm und 20 mm Durchfluss- 
geschwindigkeit schwankt nur wenig, er differiert nur um 72,31 
—69,08=3,23 °/ 0 , während letztere Geschwindigkeit das fünffache 
der ersteren beträgt. Bei der zehnfachen Geschwindigkeit, also bei 
40 mm ist der Kläreffekt nur um 72,31—58,90= 13,41 °/ 0 geringer. 
Da die Durcbflussgeschwindigkcit in umgekehrtem Verhältnis zu 
dem erforderlichen Beckenquerschnitt steht, so sieht man, welche 
Ersparnis eintritt wenn man mit grossen Geschwindigkeiten 
arbeiten kann, weil die Querschnitte bezw. die Becken alsdann 
entsprechend kleiner werden. Nach dem Fraenkelschen Gutachten 
war eine Mindestleistung von 50 °/ 0 der organischen suspendierten 
Stoffe verlaugt worden. Da bei einer Durchflussgeschwindigkeit 
von 40 mm im Cölner Becken noch ein Kläreffekt von 58,90 °/ 0 er¬ 
zielt wird, so reicht also das „eine“ Probebecken selbst bei mehr¬ 
tägigem Betriebe vollständig zur Klärung aus, zumal hierbei die 
Wirkung der provisorischen Siebanlage noch nicht in Rechnung 
gesetzt ist. 

Da ferner während der sechs Nachtstunden das Kanalwasser 
ohne Schaden direkt nach dem Rhein geführt werden soll, so kann 
während dieser Zeit die Beckenreiuigung vorgenoramen werden und 
ist somit vorläufig auch kein zwingender Grund für Anlage eines 
Reservebeckens vorhanden. 

DieMenge und Beschaffenheit des bei verschiedener 
Du rchf lussgeschwindigkeit gewonnenen Klärschlammes. 

Es ergaben sich auf 1000 cbm Kanalwasser an dünnflüssigem Schlamm 
bei 4 mm Durchflussgeschwindigkeit etwa 4,04 cbm 
v ,, ,, ,, 2,4 < ,, 

v dO ,, ,, ,, 1,84 ,, 

Bezüglich des Wassergehaltes und der Trockensubstanz: 

Wasser in °/ 0 Trockensubstanz in °/ 0 
bei 4 mm Durchflussgeschw. 95,57 4,43 

„ 20 „ „ 92,87 7,13 

„ 40 „ „ 91,34 8,66. 

Hieraus geht hervor, dass erstens die Schlammmenge, ohne 
wesentliche Erhöhung des Kläreffekts, bei kleinerer Durchfluss¬ 
geschwindigkeit sich sehr vermehrt und dass zweitens der Schlamm 
einen viel höheren Wassergehalt hat wie bei Klärung mit grosser 
Geschwindigkeit. Es sind dieses Faktoren, welche für den Betrieb 
der Anlage, und die Drainierung und Unterbringung des Schlammes 


Digitized by c^ooQle 



4 


und damit auch für die Höhe der Betriebskosten von allergrösster 
Bedeutung sind. Es ist also auch nach dieser Richtung hin unter 
allen Umständen eine grosse Geschwindigkeit, selbst unter Berücksich¬ 
tigung der kleinen Einbusse im Kläreffekt, einer kleinen Geschwindig¬ 
keit vorzuziehen. 


Rh ein wasser unter Buchung en: 

Es liegen hierfür die nachstehenden Ergebnisse vor: 

1. Es beträgt die Wassermenge des Rheins bei dem abnorm 
niedern Stand von 1,00 m Cöl. Pegel pro Sekunde 783 cbm. 

2. Die durchschnittliche Kanalwassermenge pro Sekunde 0,637 cbm. 

3. Somit das Yerdtinnungsverhältnis des Kanalwassers zum Rbein- 

0,637 1 

wasser 783 - 123() - 


4. 

Der Gesamtrückstand 



für Rheinw. 

für Kanalw, 


im Mittel der Versuche 

im 

Liter 

274 mg 

1195 mg 

5. 

die ges. susp. Substanzen 

r> 

TI 

35 „ 

305 „ 

6. 

„ „ gelösten „ 

TI 

TI 

239 „ 

892 ,, 

7. 

„ org. suspend. „ 

TI 

7J 

3,5 „ 

215 B 

8. 

„ „ gelösten „ 

T) 

n 

40,5 „ 

230 „ 


Es berechnet sich aus diesen Zahlen, wenn man den „abnorm 


niedern 41 Rheinstand von 1.00 m Cöln P. und die für „Mittelwasser 4 ^ 
gefundenen Werte zugrunde legt: 


9. 

Der Gesamtrtickstand pro 

Sekunde 

für Rheinw. 

für Kanalw. 


274.1000.783 ] 






1000.1000 ~~ i 



214,54 kg 

0,76 kg. 


1195.1000.0,637 




1000.1000 





10. 

Die ges. susp. Substanzen pro Sekunde 

27,40 „ 

0,193 „ 

11. 

„ „ gelösten „ 

1J 

77 

187,14 „ 

0,568 „ 

12. 

„ „org. susp. „ 

TI 

77 

2,74 „ 

0,137 „ 

13. 

„ „ org. gel. „ 

71 

77 

31,73 „ 

0,147 „ 


Nach Egger, Notizblatt des Vereins für Erdkunde 1885, Heft 6 
u. s. w. führt der Rhein bei „Hochwasser“ 249,0 mg Schwebestoffe 
und 246,0 mg gelöste Stoffe, zusammen also 495 mg. 

Nach Salomon, Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und 
öffentliches Sanitätswesen 1901, 21, Supplement enthielt der Rhein 
bei gemitteltem Niederwasser bei Koblenz durchschnittlich 53,0 mg 
an suspendierten Substanzen. 

Die Hauptresultate dieser Berechnungen sind in nachstehender 
Tabelle übersichtlich zusammengestellt: 


Digitized by t^ooQle 



5 



! Mengen pro Sekunde in kg 

Verunreinigungs¬ 

verhältnis 

Rhein- 

und Kanalwasser 

Ges. 
j Stoffe 

1 

Gel. 

Stoffe 

Susp. 

Stoffe 

Org. 

susp. 

Stoffe 

1 Ges. 

| Stoffe 

Susp. 

Stoffe 

Org. 

susp. 

Stoffe 

l 

Kanalwasser.... 

0,76 

0,568 

0,193 

1 

0,137 

1/837 

1/3300 

1/4652 

.Rheinwasser. 

Rheinw. nach Ein¬ 
leitung des Kanal¬ 

214,54 

187,14 

27.40 

2,74 

1/3649 

1/28571 

1/285710 

wassers . 

Rbeinniederwasser 

215,30 

187,71 

27,59 

2,88 

1/3637 

1/28400 

1/272124 

nach Salomon.... 
Rheinhochwasser 

— 

— 

41,50 

— 

— 

1/18868 

— 

nach Egger. 

387,59 

192,62 

194,97 

— 

i 1/2020 

1/4016 

— 


Unter Verunreinigungsverhältnis ist dabei das Verhältnis der 
Menge der in dem Wasser enthaltenen betreffenden Stoffe zur 
Wassermenge verstanden. 

Aus vorstehenden Angaben ersieht man in erster Linie unter 3, 
dass das Verdüunungsverhältnis von V1230 e ^ n ausserordentlich 
günstiges ist. Ferner geht daraus hervor, dass die im Kanalwasser ent¬ 
haltenen Mengen an verunreinigenden Substanzen (0,76—0,568—0,193 
und 0,137 kg) zu den im normalen .Rheinwasser bereits vor find liehen' 
Stoffen (214,54—187,14—27,40 und 2,74 kg) geradezu verschwindend 
gering sind, sowie dass bei steigendem Rhein, welcher fast immer 
durch Regenfälle verursacht wird, insbesondere aber bei Hochwasser 
(387,59—192,62 und 194,97 kg) noch eine ganz bedeutend höhere 
Verunreinigung eintritt. Wenn auch der Gehalt an gelösten Stoffen 
auf das Liter berechnet, sich ziemlich gleich bleibt, so weisen nach 
den vorgenommenen Untersuchungen die suspendierten Stoffe doch 
Schwankungen von 14 bis 81 mg oder pro Sekunde von 10,96 bis 
63,42 kg auf, wogegen die im Kanalwasser berechnete Menge von 
0,193 kg verschwindend klein ist. 

Das Verunreinigungsverhältnis bezüglich der Gesamtstoffe steigt 
nach der Einleitung der Kanalwässer von 1 / 8649 auf i l 56S1 ; die Steige¬ 
rung ist also verschwindend gering. Es darf somit wohl der Schluss 
gezogen werden, dass durch die Einleitung der „ungeklärten“ Cölner 
Kanalwässer in den Strom keine nennenswerte Verschlechterung des 
Wassers eintritt und, dass die dadurch bewirkte Verunreinigung 
gegen diejenige, welche durch Regenfälle verursacht wird, erheblich 
zurticktritt. 

Mit Rücksicht darauf, dass die Verhältnisse nach der beab¬ 
sichtigten Klärung der Kanalwässer noch erheblich günstiger werden, 
liegen m. E. die Bedenken einer Einleitung der Cölner Kanalwässer 


Digitized by 


Google 









6 


in den Rhein weniger in der chemischen Verunreinigung des letzteren 
durch die eingeftihrten Schmutzstoffe und der Gefahr einer schädlichen 
Sedimentierung, als vielmehr in der physikalischen Beschaffenheit 
eines Teiles derselben, nämlich der Schwimm- und Schwebestoffe. 
Diese bilden meistens die gröberen Stoffe, haben ein festes Gefüge 
und fallen dadurch weniger leicht und rasch der Zersetzung anheim 
als die fein zerteilten suspendierten Stoffe. Sie schwimmen auf der 
Oberfläche oder doch in der Nähe derselben und können daher 
auf ihrem langen Wege, welchen sie zu Wasser zurücklegen, an 
das Land getrieben werden und unter Umständen belästigende An- 
landungen an flachen Uferstelleu herbeiführen. M. E. ist es daher 
Ptlicht der Gemeinde, diesem Übelstande auf alle Fälle vorzubeugen, 
zumal dieses durch geeignete Siebvorrichtungen, ohne Hervorrufung 
gesundheitlicher Bedenken, mit erschwingbaren Mitteln zu ermög¬ 
lichen ist. 

Die Reinigung der Siebe und die Beseitigung der Schmutz 
Stoffe wird sich möglichst auf automatischem Wege vollziehen müssen. 
Das Quantum der abgefangenen Siebstoffe wird kleiner sein als 
dasjenige des verwässerten Klärbeckenschlammes und es wird da¬ 
bei vor allen Dingen erreicht, dass die Stoffe nicht verwässert 
sind, dadurch viel weniger schnell der Zersetzung anheimfallen, ein 
geringeres Volumen bieten und sich leichter transportfähig erweisen, 
so dass nicht nur finanzielle, sondern auch wesentlich gesundheitliche 
Vorteile erzielt werden. M. E. wird daher auch fürCöln eine Sieb- 
anlage mit 3 mm Gitterabstand unter Fortfall der Klärbeckenreini 
gung vollständig ausreichen. 

Vorstehende Ergebnisse sind von mir in einem umfangreichen 
Berichte zusammengefasst und derselbe mit einer grossen Reihe 
Tabellen über die Versuchsergebnisse sowie den nötigen Plänen ver¬ 
sehen worden. Dieser Bericht ist auf Anordnung der Königlichen 
Regierung der Königlichen Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasser¬ 
versorgung und Abwässerbeseitiguug zu Berlin zur gutachtlichen 
Äusserung zugestellt worden, ln dem Gutachten derselben erklärte 
sich die Anstalt im allgemeinen mit den Ausführungen einverstanden. 
Einige Unklarheiten und kleine Unvollständigkeiten des Berichtes, 
worauf die Prüfungsanstalt aufmerksam machte und wofür ich 
derselben besten Dank sage, sind nachträglich noch ergänzt worden. 

Der Bericht nebst allen Anlagen ist in ganzer Ausführlichkeit 
in den Mitteilungen der Königlichen Prüfungsanstalt für Wasserver¬ 
sorgung und Abwässerbeseitigung Heft 4 von 1894 veröffentlicht 
worden. Derselbe ist sodann der Staatsregierung mit nachstehendem 
Anträge unterbreitet worden: 

„Unter Aufgabe der Beekenklärung wird beantragt, für Cöln 
eine Reinigung zuzulassen, welche nach Abscheidung der groben 


Digitized by 


Google 



7 


Sinkstoffe eine Entfernung der Schwimm- und Schwebestoffe bis zu 
3 mm Grösse durch geeignete Siebanlagen erreicht und bis zur Aus¬ 
führung dieser, die heute bestehende provisorische Siebanlage mit 
einem Klärbecken] mit der Massgabe zum definitiven Betriebe zuzu 
lassen, dass die Kanalwässer während der sechs Nachtstunden direkt 
nach dem Rhein abgelassen werden können, um während dieser Zeit 
eine Reinigung des Beckens zu ermöglichen.“ 

Durch Erlass des Herrn Regierungspräsidenten ist mit Ermächti¬ 
gung der betreffenden Herren Minister der Stadt eröffnet worden, 
dass mit Bezug auf den Bericht und die darin zum Ausdruck gelangten 
Ausführungen der Stadt die einstweilige Genehmigung ihrer Anträge 
unter der Voraussetzung erteilt wird, dass der Betrieb der Kläranlage 
und die Einwirkung der Kanalwässer auf den Rhein einer fort¬ 
dauernden hygienisch sachverständigen Beaufsichtigung unterstellt und 
die Ergebnisse regelmässigmitgeteilt werden. Auch wird noch besonders 
darauf hingewiesen, dass die Stadt verpflichtet ist, falls sich infolge 
einer etwaigen unzureichenden Wirkung der Reinigungseinrichtungen 
Missstände ergeben, die zur Abstellung erforderlichen Massnahmen 
nach der Bestimmung der Aufsichtsbehörde auszuftihren. 

Die Stadt Cöln kann mit dem Ausgang der seit langen Jahren 
schwebenden Klärfrage zufrieden sein, denn dank den Fortschritten 
der Wissenschaft, welche von den Staatsbehörden in vollem Masse bei 
den Verhandlungen gewürdigt wurden, sind derselben durch die 
Verringerung der ursprünglich nötig gewesenen zehn Klärbecken 
auf ein Becken, sowohl an Bau- wie auch Betriebskosten ganz 
namhafte Beträge erspart geblieben. 

Bis zum nächsten Sommer wird die Siebanlage, für welche 
die Mittel schon bereit gestellt sind, beendet und damit die Klärung 
der Cölner Kanalwässer geregelt sein. 


Digitized by 


Google 



Hygienische Neuigkeiten 
von der Weltausstellung in St. Louis. 

Von 

Dr. med. Gustav Heim. 


Nur Deutschland hat in St Louis eine Hygiene-Ausstellung* 
geschaffen, welche diesen Namen verdient. Dieselbe wurde ver¬ 
anstaltet vom Kaiserlichen Gesundheitsamte zum grossem 
Teil aus Modellen, Zeichnungen und Statistiken, welche deutsche 
Städte nebst Erläuterung geschickt hatten, und im Palast der freien 
Künste untergebracht. Doch hat sie noch Erweiterung erfahren, eben¬ 
falls durch das Gesundheitsamt, durch eine Sammelausstellung für 
Seuchenbekämpfung (Bakteriologie und experimentelle Therapie) 
in der grossartigen medizinischen Abteilung der vom preussischen 
Ministerium veranstalteten Unterrichtsausstellung und durch ein 
Laboratorium für Untersuchung von Lebensmitteln und Gebrauchs¬ 
gegenständen im Landwirtschaftsgebäude. 

Der emsigen Tätigkeit des Herrn Regierungsrates Dr. med. 
Breger vom Reichsgesundheitsamt gelang es, die zahlreichen Karten, 
Bilder und Modelle zwischen dem von grünem Weinlaub umrankten 
und von goldigen schweren Fruchtkolben gekrönten blauen Gebälk 
zu einem eindruckvollen Gesamtbilde zu vereinigen. In dem an 
jeder Längsseite von zwei kleineren Abschlägen flankierten Haupt¬ 
saal wurden zum Ruhm deutscher Wissenschaft die Brouzebüsten 
des grossen Bakteriologen Robert Koch und des Altmeisters der 
Hygiene Max v. Pettenkofer auf gestellt. 

Durch die Ausstellung hat man den Amerikanern, die in vielen 
hygienischen Einrichtungen noch sehr im Rückstände sind, Auf¬ 
schluss gegeben über Wasserversorgung, Kanalisation, Strassen- 
reinigung, Vernichtung von Tierkadavern, Desinfektion, Lungen¬ 
heilstätten, Bäder, Volksbelehrung über Gesundheitspflege, ferner 
über Krankheits- und Sterblichkeitsverhältnisse Deutschlands durch 
mannigfache geometrische Körper aus Holz, die entweder durch 


Digitized by v^ooQle 



9 


ihre Grösse oder durch aufgeklebte farbige Streifen die statistischen 
Zahlen vorstellen. Bemerkenswerte Neuheiten seien im folgenden 
mitgeteilt. 

Sterilisierung des Wassers durch Ozon zum Ersätze der 
Filtration bei Wasserleitungen hat die Firma Siemens & Halske 
(Berlin) als ganz neue Methode vorgeführt. Die Anlage besteht 
hauptsächlich aus einer Maschinenhalle mit Dampfmaschinen, elek¬ 
trischen Maschinen, Wasserpumpen und Gebläsen, dem Ozon- 
apparatenraum mit den beiden Batterien von je 24 Ozonapparaten, 
in welchen das Ozon durch elektrische Entladungen aus dem Sauer¬ 
stoff der Luft gebildet wird, und dem Sterilisationsraum. Dieser 
enthält zwei Reihen von je vier Sterilisationstürmen, in welchen das 
nach unten rieselnde Wasser durch innige Berührung mit der nach 
oben streichenden Ozonluft gereinigt und sterilisiert wird und dann 
einem Sammelbassin zufliesst. Nach übereinstimmendem Gutachten 
Sachverständiger vernichtet das Ozon sämtliche etwa im Wasser 
vorhandenen Keime des Typhus, der Cholera und der Ruhr und 
vermindert die harmlosen Wasserbakterien mehr als andere Wasser¬ 
werke. In Wiesbaden, Schierstein und Paderborn hat dieses Ver¬ 
fahren bereits Anwendung gefunden. 


Ein tragbarer Wassersterilisator. 

In manchen Fällen, z. B. bei Truppenexpeditionen, besonders 
in den Tropen, wobei oft nur ganz unreines Wasser zur Verfügung 
steht, kann der tragbare Wassersterilisator von Rietschel und 
Henneberg (Berlin-Dresden) zur Bereitung keimfreien Wassers 
zum Trinken oder zu chirurgischen Zwecken von grossem Werte 
sein. In einem Sterisilierkessel mit Feuerungsvorrichtung wird das 
Wasser durch Erhitzen auf 105° sterilisiert, dann durch Filtration 
geklärt und in einem Kühler abgekühlt, aus dem es etwa 3° wärmer 
hervorgeht, als es den Apparat betreten hat. Schon nach */ 4 Stunde 
ist das erste kalte Trinkwasser fertig. Der Apparat wiegt 45 kg, 
kann leicht von zwei Leuten ganz oder geteilt getragen werden 
und liefert etwa 70 1 Wasser iu der Stunde. 

Doppelfiltration 

hat Bremen durch Modell und Zeichuung demonstriert. Ist ein 
Filter von der Schlammschicht, deren Bildung zur genügenden 
Feinheit der Filtratiou nötig war, gereinigt oder mit neuem Sand 
gefüllt worden, so ist bekanntlich das durchgelaufene Wasser bis 
zur Bildung einer solchen neuen Schicht unbrauchbar. In Bremen 


Digitized by 


Google 



10 


wird daun der Ablauf eines solchen Filters zum Reinwasserkeller 
gesperrt, und durch einem Heber, welcher vorher durch eine auf 
ihm angebrachte Strahlpumpe mittels Druckwassers luftleer gemacht 
wurde, fliesst nun das Wasser von jenem Filter zunächst auf eines 
der benachbarten, noch eine Schlammschicht tragenden, welches so 
vorübergehend als Nachfilter dient. Weil man also das erste Filtrat 
nicht unbenutzt ablaufen zu lassen braucht, werden so erhebliche 
Ersparnisse erzielt. Auch bei Hochwasser wird diese Doppelfiltration 
benutzt, indem bei Beginn des Anschwellens die Filter mit geringeren 
Druckhöhen, als die voraussichtlich schlechter arbeitenden, zu Nach¬ 
filtern gemacht werden. 


Doppelberieselung der Rieselfeder 

ist als neuester Fortschritt der Ausnutzung und Reinigung des 
Kanalinhaltes erschienen. Da das auf den Feldern abfiltrierte Wasser 
noch Stickstoff und Kohlenstoff, welche für Pflanzenernährung be¬ 
sonders wichtig sind, aufgelöst enthält, wird es aus dem Sammel 
graben über ein zweites ebenfalls drainiertes Feld, meist eine Wiese, 
geschickt und dann erst in den Fluss entlassen. 


Apparate für Abdeckereien. 

ln den Abdeckereien werden bekanntlich an ansteckenden 
Krankheiten gestorbene Tiere und mit Infektionsstoff behaftete 
Organe kranker Tiere in eisernen Zylindern durch hochgespannten 
heissen Dampf desinfiziert und ganz zerstört, wobei Fett, Leimstoff, 
Tiermehl und Dünger gewonnen werden, welche, wie z. B. in 
Dresden, die Kosten des Betriebes und die Amortisation des Anlage¬ 
kapitals decken. Um zu vermeiden, dass jene Produkte beim Ein¬ 
fuhren in den horizontalen Zylinder, wobei z. B. Blut umherspritzen 
kann oder Teile auf den Boden fallen können, wiederum infiziert 
werden, hat die Aktien-M asch inen bau-Anstalt vormals Venuleth 
& Ellenberger in Darmstadt den Zylinder in die Wand ein¬ 
gebaut, welche den Apparatenraum von dem Schlachtraum trennt, 
so dass die Kadaver in letzterem in den Zylinder geschoben werden, 
ohne mit ersterem, in welchem die Produkte aus dem Zylinder 
gelangen, in Berührung zu kommen. Aus gleichem Grunde ist im 
Schlachtraum eine Grube angebracht zum Sammeln des beim 
Schlachten gebrauchten Spülwassers, welches durch ein Rohr eben¬ 
falls durch jene Wand in den Verdampfer geleitet und in diesem 
durch Eindampfen unschädlich gemacht wird. Damit der Zer¬ 
störungs-Prozess der Kadaver ohne Unterbrechung weiter gehen 


Digitized by 


Google 



11 


kann, findet das Trocknen des Breies nicht in demselben Zylinder,, 
sondern in besonderem Apparat statt, wodurch angeblich in derselben 
Zeit das doppelte Rohmaterial verarbeitet und die Arbeitsdauer auf 
die Hälfte reduziert wird. Weil nach Versuchen im tierphysio¬ 
logischen Institut der kgl. landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin 
die Leimbrühe des Futtermehls (Tiermehls) überreizende 
Wirkung auf die Verdauungsorgane der Tiere haben soll, 
kann in diesem Apparate dasselbe ohne Leimbrühe verarbeitet 
werden. Der aus den Rückständen mit der Leimbrühe gewonnene 
Dünger ist wertvoll. Er kostet 8—11 Mk. für 100 kg und 
enthält 9°/ 0 Stickstoff, 2°/ 0 Phosphorsäure, 2°/ 0 Kali. Der Kohleu- 
verbrauch wird dadurch erheblich reduziert, dass der durch Ein¬ 
dampfen des Spülwassers (s. o.) und Eindickung der Leimbrühe 
gewonnene Dampf zum Kochen, Trocknen und Absaugen der Gase 
gebraucht wird und der kondensierte Dampf (Kondeuswasser) wieder 
in den Dampfkessel geführt wird. Der Dampfverlust ist so 
gering, dass bei manchen Chargen überhaupt kein Zusatzwasser 
und bei ununterbrochenem Betriebe solches nur einige Male täglich 
notwendig ist. Die schwersten Grossviehkadaver können unzerteilt 
verarbeitet werden. 

Für kleine Abdeckereien liefern Rietschel & Henneberg 
(Berlin) einen einfachen und billigen Apparat (System Bertoldi). 
Die Tierteile werden in einem, durch Deckel geschlossenen Kessel 
ohne Druck gekocht, die übel riechenden Gase durch ein Rohr 
unter den Rost der Feuerung geleitet, wo sie verbrannt werden und 
dann durch den Rauchfang abziehen. Das abgeschiedene Fett wird 
durch eingelassenes Wasser nach oben gedrängt und fliesst durch 
einen Hahn ab. 

R. A. Hartmann (Berlin) hat Heizmaterial dadurch erspart, 
dass er keinen Dampf auf die Kadaverteile leitet, sondern durch 
Erhitzung in geschlossenem Kessel deren Eigenwasser zu ihrer 
Zerlegung in Dampf verwandelt, also nach dem Prinzip des 
Papinschen Topfes. 

In die Wand gemauerter Desinfektionsapparat. 

0. Schimmel & Co. in Chemnitz haben den horizontalen 
Zylinder des Desinfektionsapparates in die Wand, welche 
zwei Zimmer trennt, eingemauert. In einem Zimmer werden die 
Gegenstände in den Zylinder geschoben, darin durch heissen Dampf 
desinfiziert und dann in das andere Zimmer ausgeladen. So ist 
verhindert, dass dieselben gleich nach der Desinfektion wieder 
infiziert werden. 


Digitized by v^ooQle 



12 


Papiertaschentücher, verbrennbare Spnckfläschen 

und Spucknäpfe aus Pappe hat Flügge (Breslau) ausgestellt und 
auch Anleitung zur Anfertigung derselben nebst vier Blechschablonen 
gegeben. 

Schulzahnärzte. 

Eine kleine Broschüre des Privatdozenten Dr. Jessen in 
Strassburg berichtet über Gründung einer Zahnpoliklinik für 
Elementarschuler in einem Gebäude der dortigen Universität, 
zu deren Einrichtung 1902 der Gemeinderat 2500 Mk., ferner 
2400 Mk. für einen Assistenten und 150 Mk. für Heizung, Be¬ 
leuchtung und Wasser bewilligt hat. 

Ein gesundes Gebiss hatten: ' Von allen Zähnen waren krank: 

von 4000 Schulk. nur 104 ( bei den Knaben 30,55°/ o 

u. zwar „ 2000 Knaben „ 62 „ „ Mädchen 31,97°/ 0 

„ 2000 Mädchen „ 42 I 

Es wurden (15. Okt. 1902—1. Aug. 1903) 

im I. Jahre: im II. Jahre: 

untersucht . 5343 2451 Kinder 

behandelt . . 2666 1744 „ 

mit .... 699 1911 Füllungen 

und .... 2912 2066 Extraktionen 

Im zweiten Zeitraum, wo die Einrichtung vervollständigt und 
der Andrang weniger gross war, hat sich also die konservative 
Behandlung ganz bedeutend vermehrt. Jessen hatte ausser Zahn¬ 
ärzten für die Schule auch solche für das Heer ver¬ 
langt. Hier wären sie noch wichtiger, da die Soldaten an Stelle 
ihrer faulen Zähne nicht, wie die Kinder, wieder neue bekommen. 
Zu den bekannten mannigfachen Nachteilen schlechter Gebisse 
möchte ich noch die Möglichkeit anführen, dass bei starken chro¬ 
nischen Fäulnisprozessen in der Mundhöhle Giftstoffe (Ptomaine) 
durch Einatmung und durch Aufsaugung in Mund und Magen ins 
Blut gelangen und die Gesundheit in verschiedener Art schädigen. 

Milchverbrauch in deutschen Städten. 

Aus einigen Tabellen und Karten habe ich darüber folgendes 
zusammengestellt: 


Digitized by Google 



13 




pro 


Stadt- 

i 

Zufuhr durch 

in 


Kopf 

im ganzen 

Pro¬ 
duktion wagen 

Bahn Schiff 

Freiburg i. 
Augsburg 

Br. 

181,2 

178,7 


% 

% 

7o 

°/o 

Lübeck 


168,1 






Frankfurt a. M. 

162,9 

1902: 50 169 000 

8,7 

33,1 

58,2 


Stuttgart 

156,7 

1901: 28 835 000 

5,7 

46,6 

47,7 


Hamburg 


137,5 

1902: 103 000 000 

4,5 

39,9 

44,4 

11,£ 

München 

131,1 

„ 66 969 000 

7,1 

33,9 

59,0 

Bremen 


125,0 

s 23 615 000 

55,6 

18,6 

25,8 


Bonn 

U20.9 

„ 6 409 000 

37,6 

50,3 

12,1 


Mainz 


110,4 

„ 9 775 000 

0,6 

35,8 

63,6 


Posen 


108,5 

13 125 000 

4,9 

79,5 

15,6 


Düsseldorf 


108,2 




Berlin 


106,5 

1903: 255 664 000 

17,4 

10.2 

72,4 


Dresden 


105,9 

1902: 55 704 000 

3,3 

25,4 

70,6 

0,7 

Königsberg 


102,6 


Köln 


102,0 

„ 41975 000 

88,9 

34,0 

33,1 

2,6 

Dortmund 


98,3 





Breslau 


97,3 

1903: 44 074 000 

2,4 

69,9 

07 7 


Münster i. W. 

92,4 




Elberfeld 


90,4 

1901: 15 535 000 

24,4 

49,6 

26,0 


Gera 


86,9 

1902: 4 086 000 

1,7 

47,2 

51,1 


Mülheim a. 

Rhein 

81,3 

i 



Magdeburg 


80,2 

1903: 19 097 000 

9,5 

25,0 

65,5 


Essen 


73,3 

1902: 13 703 000 

5,0 

49,7 

45,4 


Duisburg 
Mylowitz i. 

O.-S. 

71.3 

55.4 




i i 



Demgemäss bestehen im Milchkonsum unter den deutschen 
Städten erstaunliche Unterschiede, indem einige durch¬ 
schnittlich pro Kopf fast das 2—3 fache davon verbrauchen 
als andere. Dass dies nicht immer in der Wohlhabenheit der Be¬ 
völkerung begründet ist, beweist Cöln, welches sich eines tüchtigen 
Mittelstandes erfreut und das vornehme Bonn, welches doch gewiss 
weniger Arme hat als Hamburg. Auch der Stand der Viehzucht 
und Landesgewohnheiten, wie Zubereitung von Speisen, spielen eine 
Rolle. Auffallend ist die fast gänzlich fortfallende Zufuhr durch 
Schiff und die grosse Verschiedenheit der Stadtproduktionen. 
Während Bremen 55,6 °/ 0 , Cöln 33,9 °/ 0 und Berlin 17,4 °/ 0 seines 
Milchkonsums selbst erzeugt, produziert das kleine Gera nur 1,7 °/ 0 
und Mainz 0,6 °/ 0 also fast gar keine Milch. In Berlin geschieht 
die Stadtproduktion der Milch vorwiegend durch die Meierei von 
Bolle, die grösste Deutschlands. 

Kehrapparat fürs Haus mit Staubfänger. 

Bissels Ideal Sweeper, welchen eine amerikanische 
Firma ausstellte, ist eine sehr praktische Erfindung zur staubfreien 
trocknen Reinigung des Fussbodens, namentlich, wenn derselbe mit 


Digitized by t^ooQle 




14 


Teppich belegt ist. Er ist ein auf Rädchen bewegliches Kästchen, 
welches oben den in einem Charnier beweglichen „Besenstiel“, unten 
in einem Ausschnitt eine Bürstenwalze trägt. Längs dieser ist es 
beiderseitig offen, so dass der Staub durch die Bürste hinein¬ 
geschleudert wird. Durch einfachen Mechanismus öffnen sich unten 
Klappen, durch welche der Staub als zusammenhängende Masse 
herausfällt. In dem Hotel, wo ich wohnte, sah ich den Apparat 
gut funktionieren. 


Digitized by t^ooQle 



Bericht 

über die am 29. Oktober 1904 in M.-Gladbach 
in der Kaiser - Friedrich - Halle stattgehabten 
General-Versammlung des Niederrheinischen 
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege, 

erstattet vom 

Geheimen Sanitätsrat Prof. Dr. Lent in Cöln. 


Der Vorsitzende, Landesrat Dr. Brandts, eröffnet die gut 
besuchte Versammlung, begrüsste dieselbe und dankte für die 
freundliche Einladung der Stadt und für ihre Gastfreundschaft, und 
erteilte dem Herrn Oberbürgermeister Piecq das Wort. Derselbe 
sprach dem Verein den Dank der Stadt aus, dass er zum Ort seiner 
Beratungen M.-Gladbach gewählt habe. Die Stadt habe bis jetzt 
mehrere Wohlfahrtseinrichtungen geschaffen, die die Anwesenden 
zu besichtigen Gelegenheit haben werden. Zur allgemeinen Be¬ 
sichtigung sei die Kaiser-Friedrichs-Halle in welcher wir teigen, die 
Badeanstalt, Milchsterilisierungsanstalt, Nahrungsmitteluntersuchungs- 
amt empfohlen; die Badeanstalt sei in fünf Minuten mit der Strassen- 
bahn zn erreichen; die übrigen vorgenannten Anstalten liegen in 
unmittelbarer Nähe der Badeanstalt. Alsdann Besichtigung nach 
Wahl, zu der sich Führer gern zur Verfügung stellten. Er wünschte, 
dass die Beratungen von den besten Erfolgen begleitet sein mögen. 

Der Vorsitzende dankte für die freundlichen Begrüssungsworte 
und empfahl die möglichste Kürze der auf die später folgenden Vor¬ 
träge sich etwa entspinnenden Debatten, um dadurch die nötige Zeit 
für die Besichtigungen der verschiedenen Wohlfahrtseinrichtungen zu 
gewinnen. 

Der ständige Geschäftsführer Geh. Rat. Prof. Dr. Lent trägt 
folgendes vor: 

Bei dem Umfange und der Wichtigkeit der heutigen Tages¬ 
ordnung und bei der liebenswürdigen Einladung des Herrn Ober¬ 
bürgermeisters zu mehrfachen Besichtigungen werde ich mir erlauben, 
nur wenige Bemerkungen aus dem Geschäftsbericht zu machen. 


Digitized by v^ooole 



16 


Leider ist unsere Mitgliederzahl für das Jahr 1903 wieder 
um etwa 70 Mitglieder zurtickgegangen und es ist meine Pflicht, die 
Herren Geschäftsführer und Sie alle, m. H., zu bitten, für einen aus¬ 
gleichenden Zuwachs des Einzelmitgliederbestandes dringend z» 
bitten. Die Stadt- und Landgemeinden 82, bezw. 29 sind uns treu 
geblieben. 

Die Verteilung der Mitglieder auf die Regierungsbezirke un¬ 
serer westlichen Provinzen ist folgende: 


Regierungs¬ 

bezirk 

IHQj 

Stadt¬ 

gemeinden 

Land¬ 

gemeinden 


1902 

1903 

1902 

1903 




Minden. 

23 

20 

2 

2 

_ 



Münster .... 

22 

19 

2 

2 

— 



Arnsberg... 

182 

174 

19 

19 

7 

7 


Düsseldorf . 

496 

467 

36 

36 

15 

15 

Abg. Gemeinde Beeck 
eingemeindet 

Zugang Gemeinde 
Hohenemmerieh 

Aachen .... 

74 

70 

5 

5 

— 

— 


Cöln. 

282 

264 

8 

8 

3 

3 


Koblenz.... 

70 

69 

6 

6 

2 

2 


Trier. 

37 

34 

2 

2 

2 

1 

Abgang Püttlingen 





Kassel. 

6 

5 

i 

1 

— 

— 


Wiesbaden . 

28 

25 

i j 

1 

— 

— 


Auswärtige. 

20 

25 

I 


— 

— 


Zusammen 

1240 

1172 

82 

82 

29 

28 


1901 

1311 







1900 

1358 







1899 

1416 







1898 

1490 





i 



Das Central bl att für allgemeine Gesundheitspflege ist regel¬ 
mässig erschienen und hat eine Fülle anregender Aufsätze und Be¬ 
richte gebracht. 

Die Bibliothek hat fortlaufende Vermehrung erfahren; eine 
neue Folge des Katalogs macht sich notwendig. 

Dem Verein zur Gründung einer Nervenheilstätte 
haben wir die Summe von 500 Mk. zugesandt. 

Auf den verschiedenen hygienischen Kongressen haben wir 
uns vertreten lassen, so auf der 28. Versammlung des deutschen 
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege in Dresden durch Herrn 
Dr. Pröbsting. Auf dem 1. internat. Kongress für Schulhygiene 
in Nürnberg hat Herr Schularzt Dr. Schulte-Cöln uns Bericht 
erstattet. Auf der 6. Generalversammlung des Rheinischen Vereins 


Digitized by t^ooQle 













17 


zur Förderung des Arbeiter-Wohnungswesens vertrat uns Herr 
I)r. Pröbsting. 

Ich darf jetzt wohl sofort den Kassenbericht anschliessen, den 
unser Herr Schatzmeister mir übergeben hat. Derselbe lautet: 

Die Kechnungsrevisoren Herren Dr. med. Schneider, Schrörs 
und Kramer-Crefeld haben den Kassenabschluss für 1903 geprüft 


und mit den Belägen stimmend gefunden. 

Der Kassenbestand betrug Ende 1903 . . Mk. 21 103,40 

Derjenige Ende 1902 .„ 21 795,81 

Der Reservefonds hat sich daher um . . . Mk. 692,41 


gegen das Vorjahr verringert. Dieser Betrag ist ein Teil der ausser 
gewöhnlichen Ausgabe durch Bewilligung von 500 Mk. Beitrag zur 
Errichtung von Nervenheilstätten in der Rheinprovinz und 100 Mk. 
für das R. Virchow-Denkmal. 

Der Etat für 1903 wurde in der Generalversammlung vom 


11. Oktober 1902 wie folgt festgestellt: 

a) Einnahme an Beiträgen etc.Mk. 10 000,— 

b) Zuschuss aus dem Reservefonds ... „ 1 500,— 

Summa Mk. 11 500.— 

Die Einnahmen betrugen.Mk. 9 835,67 

verausgabt wurden.„ 10 528,08 

mithin obige Mehrausgabe von.Mk. 692,41 

oder nach Anrechnung des bewilligten Zuschusses 

aus dem Reservefonds von.Mk. 1 500,— 

eine Minderausgabe von.Mk. 807,59 


Die Ausgaben, auf die verschiedenen Titel verteilt, betrugen 


ira Berichtsjahre: 

a) Bibliothek 

nach dem Anschläge.Mk. 1000,— 

verausgabt.„ 914,59 

weniger Mk. 85,41 

b) Bureaukosten 

nach dem Anschläge.Mk. 700,— 

verausgabt.„ 690,40 

weniger Mk. 9,60 

c) Geschäftsunkosten 

nach dem Anschläge.Mk. 400,— 

verausgabt.„ 352,59 

weniger Mk. 47,41 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 2 


Digitized by v^ooQle 














18 


d) 

Druck statistischer Formulare 





nach dem Anschläge . . . 

.... 

Mk. 

100,— 


verausgabt. 

. . . . 


40,50 



weniger 

Mk. 

59,50 

e) 

Druck des Centralblattes 





nach dem Anschläge . . . 

.... 

Mk. 8000,— 


verausgabt. 

. . . . 

r > 

7870,— 



weniger 

Mk. 

130,— 

n 

ausserordentliche Ausgaben 





nach dem Anschläge . . . 

.... 

Mk. 

800,— 


verausgabt. 

. . . 

71 

659,35 



weniger 

Mk. 

140,05 


Deii Etat für 1905 erlaube ich mir vorzuschlagen: 


I. E i n n a h m e n : 

a) Beiträge etc.Mk. 9 600,— 

b) Zuschuss aus dem Reservefonds „ 1 000,— 

Summa Mk. 10 600,— 
1[. Ausgabe n: 

a) Bibliothek.Mk. 1 000,— 

b) Bureau koste n.„ 700,— 

c) Geschäftsunkosten.„ 400,— 

d) Druck statistischer Formulare . „ 100,— 

c) Druck des Centralblattes . . „ 8 000,- 

f) Ausserordentliche Ausgaben . „ 400,— 

Summa Mk. 10 600,— 


Das Wort zu diesem Bericht wird nicht verlangt; die Ent¬ 
lastung zur Rechnung für 1908 wird erteilt und der Etat für 1905 
genehmigt. 

An Stelle der ausscheidenden Mitglieder und für die Bildung 
des Vorstandes überhaupt, werden vorgeschlagen die Herren: 
Landesrat Dr. Brandts, die Oberbürgermeister Wippermann und 
Pi ecq (Verwaltungsfach), Stadtbaurat Sc hu 11ze, S t euernage 1, 
Winchenbach (Baufach), Pröbsting, lvruse und Selter (Ärzte¬ 
schaft). 

Der Vorsitzende konstatiert die Annahme des Vorschlages. 

Als Rechmingsrevisoren für das Jahr 1905 werden die bis¬ 
herigen Herren Dr. Dr. Schneider, Clären und Schrörs in 
Crefeld durch Zuruf wiedergewählt. 


Digitized by t^ooQle 











19 


Geheimrat Dr. Le nt teilte sodann mit, dass in den letzten 
Jahren die Vergiftungen durch Pilze stark zugenommen haben. Das 
kaiserliche Gesundheitsamt hat sich infolgedessen veranlasst gesehen, 
^in Pilzmerkblatt herauszugeben, um das Volk über essbare und 
giftige Pilze aufzuklären. Es ist die weiteste Verbreitung dieses 
Merkblattes zu wünschen. Der Verein habe sich eine Anzahl dieser 
Blätter verschafft, dieselben werden unter die Anwesenden verteilt. 

Professor Dr. Kr u se kommt auf das im Vorjahre in Anregung 
gebrachte Preisausschreiben betreffend eine Abhaudlung über die 
beste Säuglings-Ernährung zurück und beantragt iu Gemeinschaft 
-mit Dr. Selter dieses Preisausschreiben zu veranlassen. Es wurde 
beschlossen, diese Angelegenheit dem Vorstände zur Erledigung zu 
überweisen. 


Über Schwimmhallen und Brausebäder. 

Vortrag des Stadtbaurats Schultze-Bonn. 

Aus unscheinbarem Samenkorn ist die öffentliche Gesundheits¬ 
pflege seit 30 Jahren zu einem mächtigen Baum erwachsen, der 
weitverzweigt unser ganzes Land überschattet, der seiner Früchte 
reiche Fülle glcichmässig jedem unserer Bürger, dem reichen, wie 
dem armen austeilt, dessen fernere Pflege, dessen Blühen und Ge¬ 
deihen eine unschätzbare Gewähr für die kraftvolle Fortentwicklung 
und den Fortbestand unseres Volkes bildet. Stetig haben sich seit¬ 
dem die Aufgaben der Gesundheitspflege, nachdem sie alle Ver¬ 
hältnisse des Lebens durchdrungen haben, verbreitert und vertieft: 
iius dem grossen allgemeinen Kreise schieden sich mit der Zeit 
Unterabteilungen aus, die unter besonderer Pflege einzelner Zweige 
des grossen Baumes nun mit vermehrter Arbeit, mit erhöhtem Inter¬ 
esse und mit grösseren Mitteln sichtbare und in die Augen springende 
Fortschritte auf ihren Sondergebieten zu erringen suchen. Das Ge¬ 
biet der Körperpflege und der Körperreinigung durch das Bad 
wurde bis vor kurzem im Wesentlichen in den Gesamtvereinen für 
öffentliche Gesundheitspflege behandelt. Seit einigen Jahren haben 
mehrere Vereinigungen diesem Soudergebiet eingehende Fürsorge 
gewidmet, in erster Linie die seit fünf Jahren bestehende Gesell¬ 
schaft für Volksbäder, welche hervorgerufen durch die Tatkraft 
des um die Sache des öffentlichen Badewesens hochverdienten 
Prof. Lassar in regem Meinungsaustausch, sowie durch Veröffent¬ 
lichungen, Preisausschreiben und Wanderversammlungen eifrig be¬ 
strebt ist, die Verbreitung der Körperpflege durch Bäder im Lande 
zu fördern und zu verallgemeinern. 

Auf dem gleichen Gebiete ist gerade unser Niederrheinischer 
Verein seit dem Beginn seines Bestehens hervorragend tätig gc- 


Digitized by 


Google 



20 


wesen. Es ist seiner Wirksamkeit und Mithtilfe doch zweifellos 
zu verdanken, dass nach der Statistik des Dr. Hirschberg vom 
Jahre 1900 der fünfte Teil aller damals in Preussen bestehenden 
Schwimmbassins allein auf den Reg.-Bez. Düsseldorf entfiel, und 
dass die Zahl dieser grösseren Stadtbäder seit jener Zeit in der 
Rheinprovinz erfreulicherweise in weiterer rascher Steigerung be¬ 
griffen ist. 

Aber auch dem Brausebade hat unser Verein seit langen 
Jahren seine Aufmerksamkeit zugewendet: er ist bereits vor zwölf 
Jahren bestrebt gewesen, durch Bekanntgabe von Bauausführungen 
und Betriebsergebnissen solcher Bäder, mit deren Sammlung der 
Verfasser beauftragt war, für ihre Verbreitung und Einbürgerung 
zu sorgen, so dass nach der gleichen Statistik von 1900 auch hierin 
der Reg.-Bez. Düsseldorf an der Spitze stand und eine um mehr 
als das Doppelte höhere Zahl von Brausebädern als irgend ein 
anderer Reg.-Bez. Preussens besass. 

So haben sich denn doch bedeutendere Erfahrungen über 
Zweckmässigkeit, Anlage und Betrieb beider Arten von Bädern in 
unserm rheinischen Bezirk herausgestellt, und es ist von gewissem 
Interesse, diese mit den Anschauungen und Zielen, welche die 
deutsche Gesellschaft für Volksbäder verfolgt, zu vergleichen. Wenn¬ 
gleich nicht in Sondervereinen erörtert, haben doch alle einschlägi¬ 
gen Fragen in vielen unserer städtischen Körperschaften recht häufig 
eingehende und sachgemässe Behandlung gefunden. 

Bei der Übersicht der Veröffentlichungen jener Gesellschaft 
drängt sich die Beobachtung auf, dass bei hoher Wertschätzung 
der Brausebäder, und obgleich es auch nicht an warmen Befür¬ 
wortungen der Schwimmbäder gefehlt hat, doch sich fast von An¬ 
fang an in ihrem Schosse gegen die Schaffung von bedeckten 
Schwimmhallen Bedenken, Zweifel und Widerstand schliesslich fast 
bis zur förmlichen Ablehnung erhoben haben. Wiederholt machte 
u. a. Baurat Herzberg auf die Notwendigkeit einer Individual¬ 
statistik für die Hallenschwimmbäder aufmerksam, aus welcher zu 
ersehen sei, ob nicht die teuren Schwimmhallen — lediglich von 
einer kleinen Zahl von Besuchern sehr häufig benutzt — so zu einer 
Vergnügungsanstalt einzelner junger Leute würden, für welche die 
Aufwendung öffentlicher Mittel ungerechtfertigt sei. Man solle daher 
mit der Anlage von Schwimmbädern, besonders in den grossen 
Städten noch so lange warten, bis die Ergebnisse dieser Statistik 
einmal bekannt seien. 

Auch Professor Lassar scheint dem Schwimmbade nur geringe 
Neigung entgegen zu bringen. 

Er rät in seinen Vorträgen über die Bäderfrage u. a. der 
Stadt Kiel das Brausebad ohne Schwimmbad als das einzig richtige 


Digitized by c^ooQle 



>9391 

— 21 — 


System für ein Volksbad an, er meint bei gleicher Gelegenheit in 
Hamm, man solle auf ein grosses Schwimmbassin ganz verzichten, 
über dessen Wert in gedeckten Hallen man sehr geteilter Meinung 
sei, er spricht in Danzig von den Schwimmbädern als Luxusbedtirf- 
nissen höchster Art, vou den prachtvollen und monumentalen Bauten, 
die sie erfordern. Am entschiedensten kommt Stadtbaurat Peters 
(Magdeburg) in seinem diesjährigen Vortrage in Kassel: Brause¬ 
oder Schwimmbad? — einige Worte über die Ziele unserer Ge¬ 
sellschaft — fast zur Ablehnung der Schwimmhallen mit folgenden 
Schlusssätzen : 

1. Die aus kommunalen Mitteln zu errichtenden Badeanstalten 
sollen in erster Linie nur für Brausebäder, allenfalls mit Wannen¬ 
bädern versehen, eingerichtet sein. 

2. Die Herstellung kostspieliger Hallenbäder bleibt besser der 
Privatindustrie — abgesehen von grossen leistungsfähigen Gemeinden 
und Aktiengesellschaften — überlassen. 

3. Es ist unzweifelhaft, dass die auf solche Weise für Brause¬ 
bäder aufgewendeten öffentlichen Mittel am meisten der badebedürf- 
tigen Bevölkerung zugute kommen. 

4. Für die Verwaltung der Städte sind Schwimmbäder keine 
unbedingte Notwendigkeit, jedoch wünschenswert; wohl aber sind 
Brausebäder im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege unent¬ 
behrlich! Darum haben wir uns weise auf solche beschränkt und 
tun gut daran.“ 

Mit diesen Sätzen werden unsere 22 niederrheinischen Städte, 
die sich bei zum Teil recht kleiner Einwohnerzahl schon mit 
Schwimmhallen versorgt haben, beinahe auf die Verschwenderliste 
gesetzt, und es fehlt nun nur noch seitens der Aufsichtsbehörde 
einer der jetzt in aller Munde befindlichen Eingriffe in die städtische 
Selbstverwaltung, um uns in unnützen Ausgaben Zügel anzulegen. 
Mag man immerhin den Einfluss solcher einseitigen Darlegungen 
nicht überschätzen, so sind doch auch mehrfache deutliche An¬ 
zeichen vorhanden und in den Versammlungen zum Ausdruck ge¬ 
kommen, dass dies unter der Autorität einer solchen Gesellschaft 
stehende Vorgehen keineswegs vorteilhaft für die Sache der Körper¬ 
pflege gewesen ist, indem gute Vorsätze Grösseres zu leisten unter 
den kleineren Vorschlägen verkümmert sind. 

Es dürfte daher, wenn ich auch wohl weiss, dass ich vielen 
meiner rheinischen Mitbürger dam?t Neue» sa^en kann,ydQc^ 

von allgemeinerem Interesse sein, den Weft und die Zweckmässig¬ 
keit der verschiedenen Badeformen ausg^ffend ven deu bei uns im 
Allgemeinen anerkannten Gesichtspunkten r Vergleichsweise^ ^nochmals 
7.vl erörtern, um zu einer unbefangenen Wttrdi’gdng'beider,* und zu 
der Überzeugung zu gelangen, dass beide* in verschiedener Weise 


Digitized by v^ooQle 




dem gleichen Zwecke dienend sich gegenseitig zu helfen und zu¬ 
ergänzen, nicht aber zu bekämpfen haben. 

Als erster und wichtigster Gesichtspunkt in dieser Frage muss 
selbstverständlich der hygienische Wert der Schwimm- und 
Brausebäder erachtet werden. 

Das Brausebad ist ein Reinigungs- und Erfrischungsbad, welche« 
die Hautnerven durch die auffallenden Wasserstrahlen in wohltuender 
Weise erregt und seinem vorstehend begrenzten Zwecken in bester 
Weise zu dienen vermag. Allerdings geschieht der Gebrauch des 
Bades in geschlossener Zelle, und es gibt Fachmänner, die das 
wirkliche Erfolgen der Körperreinigung in jedem Falle bezweifeln. 
Die Benutzung von Brause und Waschbecken ist aber auch die 
Voraussetzung der Benutzung des Schwimmbades; eine Schwimm¬ 
halle ohne dieses Zubehör ist geradezu als unzulässig zu bezeichnen. 
Die Körperreinigung geschieht hier öffentlich und unter Über¬ 
wachung der Bademeister und der Badenden. Der gesundheitliche 
Wert des Schwimmens selbst ist in der ärztlichen Literatur wieder¬ 
holt unter genauer Darlegung der physiologischen Vorgänge in der 
eingehendsten Weise erörtert worden, es ist gekennzeichnet als treff¬ 
liches Mittel der Abhärtung, als mächtigster Erreger der wichtigsten 
Lebeusorgane, an Herz, Atmung und Nerven, als ein körperliches 
Erziehungsmittel der Jugend, das von keinem anderen übertroffen 
wird. Besonders für die weibliche Jugend, der es an anderweitiger 
zweckmässiger Gelegenheit zur Körperübung fehlt, sei das Schwimm¬ 
bad eine der vorzüglichsten Übungsstätten für die körperliche Ent¬ 
wicklung. Schwimmen und Tauchen fördern Mut, Beherztheit, Aus¬ 
dauer und Willenskraft, sie seien Bundesgenossen der Volkswohl¬ 
fahrt und Wehrkraft. Diesen zahlreichen medizinisch häufig ein¬ 
gehend begründeten Zeugnissen der Ärzte, die das Schwimmbad 
als die Krone aller Bäder bezeichnen, weiss ich widersprechende 
Äusserungen kaum entgegenzustellen. Um so wunderlicher, wenn 
der ärztliche Vorsitzende der Gesellschaft für Volksbäder vom 


Schwimmbad als einem „Luxusbedürfnisse höchster Art“ spricht, 
dessen Erbauung in den reicheren Bezirken durch die Interessenten,, 
die Liebhaber, die dafür begeisterten Personen erfolgen möge. 

Die vor einigen Jahren mehrfach erörterte Frage einer An¬ 
steckungsgefahr in Schwimmbassins hat m. W. zu der Überzeugung 


geführt, dass diese Gefahr.bpi. sorgfältigem Betriebe, bei ordnungs- 
Kcfuig-öti^ iuid s}i(3nrn'stäpnr]iger Überwachung so gering, 
• wie lit ii*gefld*eiIier*rneiiscWicl!en Einrichtung nur möglich ist. Pein- 
liehe Onfhkng .•al>Vj’ isMtlie Voraussetzung nicht nur für das Ge¬ 
deihen derXsVhWnhmbätlcV, sondern jeder öffentlichen, besonders 
jeder hygfel\S?cAeKj ^fiA’ichtung, z. B. der Krankenhäuser, Heil- 


Digitized by CsOOQle 



- 23 — 

glätten und vieler anderen, soll sich nicht ihr Segen in das Gegen¬ 
teil umvvandeln. 

Neben dem hygienischen ist es ohne Zweifel auch der soziale 
Wert der mit Schwimmhallen versehenen Stadtbäder gewesen, der auf 
ihre Errichtung in unseren Städten von Einfluss war. Unzweifel¬ 
haft hat die Forderung der ausschliesslichen Errichtung von Volks¬ 
bädern hauptsächlich den Zweck, den Unbemittelten billige Bade¬ 
gelegenheit zu gewähren. Der Name der Volksbäder ist in diesem 
Sinne den Brausebädern im Besonderen beigelegt, obgleich sich 
nirgends herausgestellt hat, dass das Schwimmbad in gedeckten 
Hallen für das Badebedürfnis grösserer Volksinassen etwa ungeeignet 
sei: hat man doch in Cöln, Frankfurt, Hannover und Berlin gerade 
auch Volksschwimmhallen zum besonderen Gebrauche der ärmeren 
Volksklassen errichtet. Ich muss hier auf den beschämenden Miss¬ 
brauch aufmerksam machen, den wir mit Wörtern, wie Volk und 
Arbeiter in Zusammensetzungen, wie Volksbad u. a. unbewusst 
treiben, indem wir eine unbestimmt begrenzte Masse der ärmeren 
Bevölkerung in Gegensatz zu den bürgerlichen, den gebildeten 
und wohlhabenden Kreisen setzen, gleich als ob die letzteren gar 
nicht mehr zum deutschen Volke gehörten und als ob auf die ehren¬ 
volle Bezeichnung eines Arbeiters nur die Handarbeiter Anspruch 
hätten. Für diese unbedacht und künstlich in Gegensatz zu uns 
gebrachten Volksmassen suchen wir dann besondere Wohlfahrts¬ 
einrichtungen zu schaffen, die ihnen ausschliesslich zu Gute kommen 
sollen und trennen dadurch weiter die Unbemittelten und Lohn¬ 
arbeiter von den wohlhabenden Klassen, während alle unsere Mass¬ 
nahmen dahin zielen sollten, die öffentlichen Einrichtungen einer 
Stadt so zu schaffen, dass alle Bürger in gleicher Weise an ihnen 
Teil haben können. Die Erfahrung hat nun aber gelehrt, dass der 
grösste Teil des Mittelstandes: die Gewerbtreibenden, Geschäfts¬ 
leute, die studierende Jugend u. a. sich im eigenen Hause keine 
genügenden Badeeiurichtungen beschaffen kann, während ihnen das 
Volks-Brausebad, welches nur von sog. kleinen Leuten aufgesucht 
wird, nicht genügt, dass sie aber die besten und regelmässigsten 
Besucher der Stadtbäder und Schwimmhallen sind und die Ertrags¬ 
fähigkeit dieser gemeinnützigen Anstalten zu sichern vermögen. 

Unsere rheinischen Stadtgemeinden handelten daher ganz recht 
daran, wenn sie bei Errichtung ihrer Badeanstalten in erster Linie 
für die Gesamtheit ihrer Bürger sorgten, indem sie in ihren Schwimm¬ 
hallen dem Reichen, wie dem Armen das bieten, was sie sich im 
eigenen Hause nicht leisten können, indem sie ferner die Orte der 
öffentlichen Gesundheitspflege auch räumlich eindrucksvoll und er¬ 
hebend auf die Besucher wirken lassen und diese Stätten nicht 
auf den Charakter reiner Bedürfnisanstalten beschränken. 


Digitized by CsOOQle 



24 


Für die Benutzung dieser Einrichtungen mag dann von den 
Wohlhabenden höheres, von den Minderbemittelten geringeres Ent¬ 
gelt genommen werden, hierin hat sich ja eine genügend entwickelte 
Praxis gebildet, welche die verschiedensten Anpassungen nach den 
Eigentümlichkeiten der einzelnen Stadt möglich macht. 

Wie schon erwähnt, hat man in einzelnen Städten besondere 
Volksschwimmhallen erbaut, die zum Teil für den Massenbesuch 
und einen volksmässigen Gebrauch besonders eingerichtet sind. 
Hierzu gehört z. B. der Ersatz getrennter Auskleidezellen durch ge¬ 
meinsame offene Räume mit Bänken und kleinen Kleiderschränken. 
Da muss sich also der etwa das Volksbad besuchende unbemittelte 
Student offen neben dem von beschmutzender Arbeit kommenden Tage¬ 
löhner entkleiden, beide ihre ungelüfteten Kleider in das enge 
Schränkchen schliessen. Noch peinlicher wird das Verfahren, wenn 
es in gleicher Weise dem weiblichen Gesehlechte zugemutet wird. 
Hier scheint mir das Volkstümliche bis zur Verletzung der Selbst¬ 
achtung der Besucher auf die Spitze getrieben und die Forderung 
nach Einrichtungen, die allen Besuchern und allen Bürgern der 
Stadt in gleicher Weise genügen können, erneut begründet. Nur 
für Schüler sollte man die gemeinsamen Auskleideplätze in den 
Schwimmhallen beibehalten. 

Stets wird gegen die Schwimmhallen der Vorwurf ihres hohen 
Preises, die Notwendigkeit für ihre Zwecke prachtvolle und monumen¬ 
tale Bauten zu schaffen, der angebliche Luxus ihrer Einzelheiten 
wiederholt. Nun ist ja zunächst der Begriff dessen, was billig 
und teuer ist, durchaus von den Verhältnissen jedes Einzelnen und 
jedes Gemeinwesens abhängig und danach verschieden zu beurteilen. 
Es kann wohl in der einen Stadt das ein Luxus sein, was einer 
andern als würdige Ausstattung gilt. Die absolute Höhe der Bau¬ 
summe kann hier keinen zutreffenden Massstab abgeben. Selbst 
der Erbauer des grössten deutschen Bades, des Müllerschen Volks¬ 
bades in München, nennt in seinem Bericht die 1650000 Mk. be¬ 
tragenden Kosten seines Werkes eine bescheidene Summe im Ver¬ 
gleich zur Grösse des Gebäudes und seinen hervorragenden bade¬ 
technischen Einrichtungen. Im allgemeinen erfordern alle Bade¬ 
anlagen wegen der steten vereinten Angriffe von Wasser und Wärme 
eine durchaus gediegene Herstellung und nur der technische oder 
Bade-Fachmann wird im Einzelnen ein zutreffendes Urteil darüber 
haben, ob eine Einzelheit luxuriös ist oder nicht. Wer die tatsäch¬ 
lichen Kosten der verschiedenen Schwimmbäder fachmännisch nach 
der Grösse und Ausstattung der Anstalten geprüft hat, wird sich 
der Erkenntnis nicht verschlüsselt können, dass unsere Stadtbau¬ 
meister sich recht oft bei Wahrung von Zweckmässigkeit und Ge¬ 
diegenheit als wahre Meister in der Beschränkung gezeigt und damit 


Digitized by 


Google 



25 


der Sache der Gesundheitspflege mehr gedient haben als durch un¬ 
nötigen Kunstluxus und Ersparnisse am Notwendigen zu Gunsten 
eines schönen Scheins. 

Warum aber zeigt man denn gerade in der Gesellschaft für 
Volksbäder so grosse Bedenken, ausreichende Mittel für Zwecke der 
Körperpflege von den Städten zu fordern? Wir bauen Stadthallen, 
Stadttheater, Museen, Bibliotheken, aufwandreiche Verwaltungs¬ 
gebäude und manches andere, was ebenso viel oder wenig Ertrag 
bringt wie Schwimmhallen. Bei Einsicht von dem Nutzen öffent¬ 
licher Gesundheitspflege, bei gutem Willen und Beschränkung auf 
das Zweckmässige und Notwendige lassen sich der Allgemeinheit 
dienende öffentliche Badeanstalten recht wohl in die Zahl der¬ 
jenigen Anlagen einreihen, welche eine Stadt pflichtmässig für das 
Wohl ihrer Bürger herzustellen hat. Längst hat eine ganze Reihe 
unserer rheinischen Städte durch die Tat bewiesen, dass selbst für 
kleinere Gemeinwesen von weniger als 10000 Einwohnern ein Stadt¬ 
bad mit Schwimmhalle keine unerschwinglichen Opfer fordert und 
dankbar sei dabei besonders des Umstandes gedacht, dass der Ge¬ 
meinsinn und die werktätige Mithülfe der Bürger gerade bei diesen 
Anstalten sich durch Beteiligung an der Schaffung der Mittel und 
durch Schenkungen glänzend betätigt hat. Wenn dabei von anderer 
Seite immer wieder die Frage der Rentabilität und der finanziellen 
Ergebnisse solcher Anstalten in den Vordergrund gerückt wird, so 
haben unsere rheinischen Stadtverwaltungen und Vertretungen darauf 
die Antwort gegeben, dass Badeanstalteu als Wohlfahrts- und Ge¬ 
meinnützigkeitsanstalten, nicht als Erwerbsunternehmungen zu be¬ 
trachten seien. Man begnüge sich für den Anfang mit Deckung 
der Betriebs- und Unterhaltungskosten und suche durch Anregung 
zur häufigen Benutzung das Erträgnis im Laufe der Zeit zu bessern 
und zu erhöhen. 

Wer nun gar unsere 22 niederrheinischen Städte, welche 
Schwimmbäder errichtet haben, etwa alle für grosse leistungsfähige 
Gemeinden hält, die den Stadtgemeinden anderer Landesteile finanziell 
so glänzend gegenüberständen, um sich Luxusausgaben für öffent¬ 
liche Badeanstalten zu gestatten, der irrt sehr: es ist lediglich die 
höhere Auffassung von den Aufgaben der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege, die unsere Massnahmen bestimmt hat. 

Wenn ich mich nun nach der kurzen Besprechung dessen, 
was mir zur Zeit aus dem grossen Gebiete der Schwimmbäder er¬ 
wähnenswert erschien, den Brausebädern zu wende, so verkenne 
ich den überaus grossen Dienst nicht, den ihre Erfindung und Ver¬ 
breitung der Sache der Körperflege und öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege geleistet hat. Wir sehen jetzt auf eine zwanzigjährige Er¬ 
fahrung mit ihrem Betriebe zurück; manche auf sie gesetzte Hoff- 


Digitized by 


Google 



ming hat sich als zu weitgehend erwiesen, manches andere Gebiet 
dagegen haben sie erobert, dessen Besitznahme ihnen nicht an der 
Wiege gesungen war. Der Hauptvorzug der Brausebäder besteht 
in ihrer Kleinheit und Einfachheit, in ihrer Fähigkeit der Dezen¬ 
tralisation und ihrer leichten Verbindung mit anderen Baulich¬ 
keiten. An Orten und in Stadtgegenden, wo das Schwimmbad 
keinerlei Aussicht auf Erfolg hat, ist das Brausebad in Verbindung 
mit Wannenbädern der Pionier der Gesundheitspflege und die ge¬ 
eignete Aushtilfe als öffentliches Bad; fast in noch höherem Masse 
ist es geeignet, sich als Zubehör allen möglichen Arbeitsbetrieben, 
Wohn- und Sammelstätten der Menschen anzuschmiegen und hat 
darin wohl seine Haupterfolge erzielt und seine beste Aussicht auf 
ferneres segensreiches Gedeihen in der Zukunft. Als Kasernen- 
und Schulbad, als Fabrikbad, als Reinigungsbad in zahlreichen 
öffentlichen Betrieben: auf Bahnhöfen, in Gasanstalten, Schlacht¬ 
höfen, Asylen, Feuerwehrgebäuden, Arbeiterkolonien sollte es mit 
allen Kräften gefördert und vermehrt werden. Hier kommen die 
Vorzüge des geringen Raumgebrauchs, des billigen Betriebes, der 
raschen Abfertigung in vollem Masse zur Geltung. In einer Reihe 
von Arbeitsbetrieben, besonders solchen, welche mit erheblicherer 
Beschmutzung des Körpers verbunden sind, liesse sich der Gebrauch 
des Brausebades noch stark verallgemeinern, wenn die Arbeiter, wie 
in den Bergwerksbetrieben, die Gewohnheit annähmen, besondere 
Arbeitskleidung anzulegen und nach Feierabend beim Kleiderwechsel 
das Brausebad so zu nehmen, dass es nur mit ganz unerheblichem 
Zeitverlust verbunden wäre. Fast unbegrenzt ist die Verbindungs- 
tähigkeit der Brausebäder mit anderen Bauanlagen: Turnhallen und 
Feuerwehrgebäude, Desinfektionsanstalten und Strassenreinigungs- 
anlagen, Volksbüchereien, Bedürfnisanstalten u. a. sind mit ihnen 
eine mehr oder minder glückliche Ehe eingegangen. 

Aber eines haben die Brausebäder noch nirgends vermocht 
und werden sic nicht vermögen: nämlich das allgemeine Bade¬ 
bedürfnis einer grösseren Stadt in einer allen Bürgern genügenden 
Weise ausschliesslich zu befriedigen. Die Brausebäder sind bei um¬ 
fangreicheren Anlagen in grösserer Häufung ihrer engen Zellen höchst 
unübersichtlich: die Besucher drängen sich in die Gänge, um leere 
Zellen zu suchen, die Zahl der Wartenden steigt oft in beängstigen¬ 
der Weise und macht es schwer, Ordnung zu halten. iStadtbaurat 
Peters gibt in seinen eingehenden Vorträgen über die Brausebäder 
die zweckmässige Zahl der in einer Anstalt zu vereinigenden 
Brausezellen auf 25—30 an. Stellen Sie jetzt die Aufgabe, dass 
in einer Grossstadt die Losung: „Jedem Deutschen wöchentlich ein 
Bad“ ausschliesslich mit Brausebädern erfüllt werden solle, so würde 
Berlin etwa auch — wie es in Tokio der Fall ist — 800 Bade- 


Digitized by CsOOQle 



anstalteil erhalten müssen. Mein Yorstellungsvermögen reicht vor¬ 
läufig: nicht aus, mir bei unseren Kulturverhältnissen diesen Zustand 
in allen Folgen und Einzelheiten auszudenken. 

Die Brausebäder mit ihren zahlreichen engen Ein/clzellen be¬ 
sitzen ferner den grossen Nachteil, dass es recht schwierig ist, ge¬ 
nügende Tagesbeleuchtung für jede Zelle zu beschaffen. Die Er¬ 
örterungen darüber, ob Oberlicht oder hohes Seitenlicht vorzuziehen 
sei, zeigten, dass beide Beleuchtungsarten Mängel haben, oft ist 
aber keine von beiden in genügender Weise zu schaffen. 

Auch das ist ein Nachteil des Brausebades gegen das Schwimm¬ 
bad, dass es von dem einzelnen Besucher allein in enger Zelle ge¬ 
nommen wird, während in der Schwimmhalle der ganze Badevorgang 
offen unter Ueberwachung stattfindet. Von verschiedenen 
Seiten ist darauf hingewiesen worden, dass in den Brausebädern 
Unfug getrieben wird, dass cs weder medizinisch, noch finanziell 
zu rechtfertigen sei, wenn, wie es tatsächlich geschieht, ein Besucher 
20 Minuten lang das warme und heisse Wasser über sich herab¬ 
rieseln lässt. Ja Dr. Waldschmidt (Charlottenburg) behauptet, das« 
wegen dieser Verschwendung von warmem Wasser die Brausebäder 
sich in der dortigen Anstalt teurer als die Wannenbäder stellten. 
Dass bei alledem auch noch nicht einmal immer der Erfolg der 
Reinigung des Körpers sicher gewährleistet ist, wurde schon vorher 
erwähnt. 

Besondere Freunde der Brausebäder glauben diese noch da¬ 
durch vervollkommnen zu sollen, dass das Brausebaden nicht auf 
die Oberbrause beschränkt bleibt, sondern es müssten gleichzeitig 
Seiten- und Unterbrausen gehen. Nun eine derartige Einrichtung 
erweckt gelegentlich auf einer Gewerbeausstellung einiges Interesse, 
bei ihrer Preisgabe in die geschlossenen Brausezellen zur allgemeinen 
Benutzung würden sowohl der vermehrte Verbrauch von warmem 
Wasser, wie die durch Unfug an allen Ventilen erwachsenden In¬ 
stallationskosten einen wesentlichen Teil zur Vermehrung der Be¬ 
triebskosten beitragen. 

Oft hat sich das Brausebad für Stadtverwaltungen, weiche¬ 
grösseren Ausgaben für öffentliche Gesundheitspflege gleichgültig 
gegenüberstehen, als ein bequemes und billiges Auskunftsmittel er¬ 
wiesen. Man schien mit Schaffung von ein bis zwei sogenannten 
Volksbädern für die Sache etwas getan zu haben und wies darauf¬ 
hin weiter gehende Ansprüche zurück. So wirkte es manchmal 
geradezu als Hinderungsgrund für eine ausreichendere Versorgung 
der Bürgerschaft mit Bädern. 

M. H. Die Förderung der Körperpflege und der Volksgesund¬ 
heit durch die Entwicklung allgemein volkstümlicher Bäder ist ein 
weitgestecktes und grosses Ziel, von dessen Erreichung wir nocli 


Digitized by v^ooQle 



recht fern sind. Aber grosse Ziele können nicht durch kleine, 
sondern nur durch grosse Mittel erreicht werden: der Kern der 
Lösung kann nach den Erfahrungen unserer rheinischen Städte 
doch nur in der Schaffung zweckmässiger Stadtbäder mit Schwimm¬ 
hallen zum Nutzen und Gebrauch für die gesamte Bürgerschaft 
liegen, denen sich aushtilfsweise peripherisch und zwischen ein¬ 
geordnet so viele Brausebäder anschliessen mögen, wie es eben das 
Bedürfnis erfordert. In den Verhandlungen der Deutschen Gesell¬ 
schaft für Volksbäder ist für das Verhältnis der Schwimmhallen 
zu den Brausebädern wiederholt der Vergleich des von Booten um¬ 
ringten Seeschiffs herangezogen worden. Ich möchte diesen Ver¬ 
gleich erweitern: die Badeanstalten sind gleichsam die Kriegsfahr¬ 
zeuge im Kampfe gegen Volkskrankheiten und für Volkswohlfahrt. 
Aber wie es keinem Staate heut einfällt, seine Kriegsflotte ledig¬ 
lich aus Torpedobooten zu bilden, sondern jeder die Gewähr des 
Sieges in erster Linie in der Zahl seiner Schlachtschiffe sucht, so 
sollten auch wir deu Erfolg unserer Bestrebungen für die öffent¬ 
liche Gesundheitspflege in erster Linie in den, den Bedürfnissen 
aller Bürger dienenden Stadtbädern mit Schwimmhalle suchen, 
denen die Brausebäder nach Kräften Beihülfe leisten mögen. 
Fürchten Sie nicht, dass wir mit unseren Bestrebungen die öfters 
zitierten Thermen des Diocletian und Caracalla erreichen und über¬ 
treffen werden. Wer die Grossartigkeit dieser unsere grössten 
modernen Bäder um das Vierzigfache übertreffenden Werke der 
Alten nach Zahl und Mass näher studiert hat, der weiss, dass 
wir gegenüber diesen Riesen an Tatkraft und Mitteln mit allen 
unseren angeblich so monumentalen und luxuriösen Schwimmhallen 
nur winzige Zwerge sind und bleiben werden. Wenn aber die 
ganze Entwicklung unseres öffentlichen Badewesens nun in der 
dürftigsten Form des Brausebades ihren Höhepunkt und ihr Ende 
finden sollte, so würde mir das iin Interesse der deutschen Kultur 
doch tief bedauerlich erscheinen. 

Um nun noch ein Wort über die von Baurat Herzberg an¬ 
geregte interessante Individualstatistik zu verlieren, so ist der Ge¬ 
danke, den Nutzen einer öffentlichen Anstalt hiernach zu bemessen, 
gewiss neu und es läge kein Grund vor, seine Anwendung auf 
Badeanstalten zu beschränken. Es würden sich auch Theater, 
Museen, Konzerthäuser, selbst Kirchen und vieles andere für solche 
nützliche Ermittelungen eignen und vielleicht könnte man dann mit 
<ler Zeit zu der Überzeugung kommen, dass neben den Schwimm¬ 
hallen je nach dem Ausfall der Statistik auch noch manches An¬ 
dere zu entbehren sei. Vorläufig aber sollten wir, denen die Aus¬ 
breitung der öffentlichen Gesundheitspflege und die Verallgemeine¬ 
rung der Körperpflege am Herzen liegt, nicht auf den Ausfall dieser 


Digitized by v^ooQle 



29 


Statistik warten, sondern dafür sorgen, dass die Zahl der schlimmen 
Menschen, die durch häufiges Baden die Besuchsziffern unserer 
Badeanstalten in die Höhe treiben, sich immer mehr vermehrt und 
vergrössert; wir sollten nicht die jetzigen, von allen Seiten als un¬ 
vollkommen anerkannten Zustände dazu benutzen, mn uns dessen, 
was wir glücklich haben, auch noch zu entäussern. In fast allen 
rheinischen Schwimmhallen haben sieh die Besucherziffern im Laufe 
von 10 Jahren verdoppelt; es ist nicht abzusehen, weshalb sie nicht 
einer weiteren bedeutenden Steigerung fähig sein sollten. — 

Möge jede deutsche Stadt daran gehen, die Frage einer zweck¬ 
mässigen Versorgung ihrer Einwohnerschaft mit Bädern erneut zu 
prüfen und möge sie sich ein Programm machen, wie sie plan- 
mässig mit Rücksicht auf das Ziel, jedem ihrer Bürger mindestens 
wöchentlich ein Bad zu gewähren, je nach ihrer Eigenart jetzt und 
in Zukunft diese Frage zu lösen vermag. Gute Lösungen können 
nur für jeden einzelnen Fall passend und individuell gefunden 
werden: die Verschiedenheit unserer Städte nach dem Beruf und 
der Leistungsfähigkeit ihrer Bewohner, nach ihren Ansiedlungs¬ 
und mauchen anderen Verhältnissen müssen zweckentsprechende 
Berücksichtigung finden. Vor allem aber möge das Interesse der 
Bewohner an der Körperpflege durch alle Mittel zu lebhafter Teil¬ 
nahme erweckt werden. Der Zusammenschluss der Badefreunde in 
Schwimmvereinen, die Veranstaltung gemeinsamer Übungen und 
gelegentlicher Schaustellungen haben manche schönen Erfolge in 
unserem Rheinlande aufzuweisen; die Einführung des Schwimm¬ 
unterrichts als notwendiger Teil der Jugcndbildung steht uns als 
erstrebenswertes Ziel noch in Aussicht. Mögen Lehre und Erziehung 
unserer Jugend besonders die Überzeugung beibringen, dass die 
jährliche Ausgabe von drei Milliarden Mark, die unser Volk jetzt 
für die innere Befeuchtung des Körpers mit Alkohol leistet, viel 
besser für das äussere Baden und manche andere nützliche Kultur¬ 
aufgaben erfolgen könnte, dann hätten wir Mittel genug für eine 
vortreffliche Ausgestaltung der Körperpflege. Nicht Schwimmhallen 
oder Brausebäder, sondern Schwimmhallen und Brausebäder sei 
und bleibe die Losung unserer rheinischen und aller deutschen 
Stadtgemeinden; möge jede dieser Badeformen an ihrem Ort, wie 
sie dem öffentlichen Wohle am besten zu dienen vermag, zu ihrer 
vollen Geltung gelangen. — 

Der Vorsitzende dankt dem Redner für den Vortrag. Eine 
Diskussion über den Vortrag wird nicht beliebt, aber es wird durch 
den Vorsitzenden festgestellt, dass die Versammlung den Ansichten 
des Redners in allen Punkten zustimmt. 


Digitized by CsOOQle 



30 


Wie ist den Schädigungen, welche die Fleischversorgung der 
Städte durch die Freizügigkeit des Fleisches erleidet, am 
wirksamsten zu begegnen? 

Vortrag des Schlachthofdirektors Haffner in Düren. 

Meine Herren! Der Verein für öffentliche Gesundheitspflege 
hat schon im Jahre 1880, als über das Schlaehtliofgesetz vom 
Jahre 1881 beraten wurde, durch eine Petition an die Regierung 
um Beschränkung der Einfuhr von Fleisch in die Städte sein Inter¬ 
esse an der Fleischschaugesetzgebung bekundet. Es ist erfreulich, 
■dass er auch bei Schaffung des neuen Gesetzes wieder auf dem 
Plane erschienen ist, um an der Regelung der Fleichversorgung der 
^Städte mitzuwirken, ln dieser Absicht hat im vorigen Monat in 
Danzig der „Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege u nach 
■einem Referate des Herrn Oberbürgermeisters Oehleis-Halberstadt 
gegen den Gesetzentwurf, der die schrankenlose Freizügigkeit des 
Fleisches herbeiführen sollte, Stellung genommen. Leider ist das 
Vorgehen dieses Vereins wie die zahlreichen von anderer Seite ver¬ 
buchten Vorstösse gegen den Entwurf ohne Erfolg geblieben. Der¬ 
selbe ist unter dem Namen „Abänderungsgesetz zum Preussischen 
Ausführungsgesetze am 23. Sept. 1904, Gesetz geworden. Heute 
kann uns daher nur noch die Frage beschäftigen: Wie ist den 
►Schädigungen, welche die Fleischversorgung der Städte durch die 
Freizügigkeit des Fleisches erleidet, am wirksamsten zu begegnen? 

Da viele Herren anwesend sind, welche der Sache ferner 
.stehen, wird es nötig sein, dass ich wenigstens mit ganz kurzen 
Worten darlege, in welcher Weise sieh durch das Abänderungs¬ 
gesetz die Sachlage zu Ungunsten der Städte verändert hat und 
worin die beregten Schädigungen bestehen. 

Bisher konnten die Städte für alles eingeführte frische Fleisch 
auf Grund des Schlachtgesetzes durch Gemeindebeschluss einen Be¬ 
schauzwang in unbeschränktem Umfange auordnen. Das Preus- 
sische Allsführungsgesetz beschränkte nun das Recht das Fleisch 
nachzuuntersuehen, soweit tierzärztlich voruntersuchtes Fleisch in 
Frage kam, auf die Feststellung, ob das Fleisch nachträglich 
verdorben ist, liess aber noch die Möglichkeit offen, einen Beschau¬ 
zwang anzuordnen. Diese letzte Möglichkeit endlich, eine geordnete 
Kontrolle auszuüben, beseitigt das Abänderungsgesetz. 

Tierärztlich voruntersuchtes Fleisch kann also jetzt ohne 
weiteres überall hingebracht werden, auf Märkte, in Gastwirt¬ 
schaften, in Metzgereien etc., ohne dass cs zur Nachuntersuchung 
vorgelegt werden müsste. Eine Untersuchung auf Verdorbensein 
ist zwar noch möglich, aber nur an den Verkaufsstellen und der 
Einbringer braucht diese Untersuchung nicht abzuwarten. 


Digitized by 


Google 



Trotzdem wird behauptet, von einer sanitären Gefahr für die 
Städte könne nicht die Rede sein, da ja das Fleisch tierärztlich 
voruntersucht sei, cs müssten denn die Tierärzte der ländlichen 
Fleischbeschau ihre Pflicht grob vernachlässigen, was doch in dieser 
Allgemeinheit nicht behauptet werden könne. 

M. H. Es ist wohl zweifellos, dass die Tierärzte auf dem 
Lande ebenso bestrebt sein werden, ihre Pflicht zu tun wie die 
städtischen Tierärzte. Dennoch gibt es aber draussen keine voll¬ 
wertige Fleischbeschau, weil dort fast alles fehlt, was in den 
modernen Schlachthäusern erst eine einwandfreie Fleischbeschau 
ermöglicht. 

Es fehlt an ausreichender Beleuchtung, an Kühlhäusern, um 
verdächtiges Fleisch zur Beobachtung aufzubewahren, an Laboratorien, 
um cs gründlich zu untersuchen, au Aufsicht, um Schmuggeleien 
und Unterschiebungen zu verhindern und vielem anderen. Der Wert 
-der Lebendbeschau ist grösstenteils illusorisch, weil zwischen ihr 
uud der Fleischbeschau zwei Tage liegen können etc. Dazu kommt, 
dass gerade auf dem Lande verhältnismässig viel Notschlachtungen 
vorgenommen werden, deren Fleisch besonders beim Mangel ge- 
•eigneter Aufbewahrungsräume schnellem Verderben ausgesetzt ist. 
Deren Fleisch in die Städte hineinzubekommen war ja der einzige 
Zweck des ganzen Gesetzes. 

Der Gefahren für die Städte sind also mancherlei: 

1. können bei dem eingebrachtcn Fleische infolge der mangel¬ 
haften Einrichtungen auf dem Lande erhebliche Mängel übersehen 
worden sein, 

2. kann es nachträglich verdorben sein und 

3. kann es überhaupt gar nicht untersucht sein. 

Denn die Hauptgefahr liegt ja gerade darin, dass die Frei¬ 
zügigkeit des einen Fleisches den Schmuggel mit allem möglichen 
anderen Fleisch nach sich zieht, weil es technisch unmöglich ist, 
eine wirksame Kontrolle über das eine Fleisch auszuüben, wenn 
das andere ohne jede Schranke passieren darf. 

Dieser Gefahr gilt es in allererster Linie zu begegnen, denn 
unter ihr werden die Städte am schwersten zu leiden haben, wenn 
es nicht gelingen sollte, Mittel zu ihrer Abwehr zu finden. 

Herr Sclilachtliofdircktor Külmau-Cöln schlug daher auf der 
Versammlung des Vereins preussischer Schlachthoftierärzte vor, auf 
Drund des Gesetzes über die Polizeiverwaltung eine allgemeine 
Stempelkontrolle einzurichten. Es muss versucht werden, auf Grund 
dieses Gesetzes durch Polizeiverordnung zu bestimmen, dass alles 
eiugeführte frische Fleisch, bevor es feilgeboten werden darf, an 
einer Zentralstelle vorgelegt werden muss, damit festgestellt werde, 


Digitized by CsOOQle 



32 


ob es überhaupt tierärztlich voruntersucht ist, also Freizügigkeit 
geniesst, oder nicht. 

Dem Sinne des Abänderungsgesetzes widerspricht eine der¬ 
artige, durch Polizeiorgane auszuübende, reine Stempelkontrolle 
zweifellos nicht. Dennoch ist es fraglich, ob dieser Weg gangbar 
ist, auf jeden Fall ist er ungewöhnlich; denn in der Regel wird 
die polizeiliche Kontrolle in der Weise ausgeübt, dass der Polizei¬ 
beamte zur Verkaufsstelle der Ware geht, hier soll die Ware zu 
ihm kommen. 

Da indes hierdurch die einzige Möglichkeit gegeben ist, grobe 
Missbräuche des Gesetzes zu verhindern, muss der Versuch wenigstens 
gemacht werden. Es empfiehlt sich daher, möglichst bald Polizei¬ 
verordnungen obigen Sinnes zu erlassen bezw. ihren Erlass, so 
weit staatliche Polizei in Frage kommt, zu erwirken. Es ist an- 
zuuehmen, dass die Regierung dem Bestreben der Städte, die durch 
das Gesetz zweifellos geschaffenen Schwierigkeiten wenigstens in 
dem Rahmen des Gesetzes zu halten, nicht absolut ablehnend gegen¬ 
überstehen wird. Um eine einheitliche Regelung herbeizuftthren, 
wäre es wünschenswert, dass von Seiten der Städte ein entsprechen¬ 
der Antrag an die zuständigen Ministerien gerichtet würde, wie es 
auch vom Vereine preussiscber Schlachthoftierärzte in Berlin be¬ 
schlossen worden ist. Die dort gefasste Resolution lautet: 

„Der Verein preussiscber Schlachthoftierärzte beschliesst in 
der heutigen Versammlung, den Herrn Minister des Innern und den 
Herrn Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zu bitten, 
die ihnen nachgeordneten Behörden anzuweisen, im Wege der Polizei¬ 
verordnung Massregeln zu treffen, die in Gemeinden mit öffentlichen 
Schlachthäusern eine wirksame Kontrolle darüber ermöglichen, dass 
alles eingeführte frische Fleisch, bevor es feilgeboten oder in Gast* 
und Speisewirtschaften zubereitet wird, an bestimmten Stellen vor¬ 
gelegt wird, um festzustellen, ob es amtlich tierärztlich untersucht 
ist oder nicht.“ 

Diese Stempel-Kontrolle würde wenigstens eine gewisse Aus¬ 
siebung des eingeführten Fleisches ermöglichen. Wir wären in der 
Lage, undeutlich gestempeltes und unvorschriftsmässig eingebrachtes 
Fleisch von vorn herein zurückzuweisen. Auch Stempelfälschungen 
könnten hier schon entdeckt werden. Dass dies von grossem Wert 
ist, beweist der Umstand, dass aus letzter Zeit schon zwei Stempel¬ 
fälschungen bekannt sind. 

In den Polizeiverordnungen aber über diese Stempelkontrolle 
hinauszugehen, wie es verschiedentlich beabsichtigt sein soll, halte 
ich nicht für zulässig. Es ist beispielsweise versucht worden, den 
Beschauzwang, den das Gesetz durch Gemeindebeschluss anzuordnen 
verbietet, durch Polizeiverordnung wieder einzuführen. Die Gesetz- 


Digitized by v^ooQle 



33 


Widrigkeit einer solchen Polizeiverordnung scheint mir, abgesehen von 
anderen Gründen, aus dem Wortlaute des § 20, Abs. 2 des Reichs¬ 
gesetzes hervorzugehen, welcher lautet: Landesgesetzliche Vor¬ 
schriften, nach denen der Beschauzwang innerhalb der Gemeinde 
angeordnet werden kann, bleiben unberührt etc. Hieraus geht her¬ 
vor, dass andere Vorschriften über den Beschauzwang, soweit sie 
vorhanden waren, aufgehoben sind lrzw. wo sie erlassen werden, 
ungesetzlich sind. Ebenso halte ich es für verkehrt, andere Dinge 
mit dieser Stempelkontrolle zu verquicken, z. B. die Erhebung von 
Gebühren für das Unterbringen des Fleisches an dem Orte, an 
dem die Kontrolle stattfinden soll, was ich von der Versammlung 
vorschlagen hörte. Diese Dinge könnten nur dazu dienen, die 
ganze Sache von vorn herein zu Falle zu bringen. Wir müssen 
vorläufig froh sein, wenn es überhaupt gelingt, die Stempelkontrolle 
zu erreichen. 

Neben der Einführung dieser Stempelkontrolle müssen die Städte 
natürlich die Bestimmungen des Schlachthofgesetzes, welche durch 
die neuere Gesetzgebung nicht berührt werden, aufrecht erhalten 
und mit aller Strenge ilurchftthren. Hierzu gehört zunächst die 
Aufrechterhaltung aller Verkehrsbeschränkungen für nicht tierärzt¬ 
lich voruntersuchtes Fleisch. Insbesondere muss für dieses die 
Bestimmung beibehalten werden, dass es nur in grösseren Stücken, 
Vierteln, Hälften etc. eingeführt werden darf. 

Ferner muss bestimmt werden, dass alles eingeführte frische 
Fleisch an den Verkaufsstellen gesondert feilgeboten werden muss. 
Diese Bestimmung war schon früher in den meisten Schlachthof¬ 
satzungen vorhanden, es wurde aber auf ihre Befolgung nicht allzu 
streng gesehen, weil doch nur Fleisch feilgeboten werden durfte, 
das auf dem städtischen Schauamte naehuntersneht worden war. 
Heute bietet uns diese Bestimmung die einzige Möglichkeit, die 
noch zulässige Untersuchung auf Verdorbensein an den Verkaufs¬ 
stellen auszuüben, gleichzeitig aber ermöglicht sie uns zu erfahren, 
welche Metzger überhaupt Fleisch einführen und diese cv. einer 
besonderen Kontrolle zu unterwerfen. Ihre Durchführung ist daher 
jetzt von grosser Wichtigkeit. Es kann auch verlangt werden, 
dass an der Verkaufsstelle für eiugeftihrtes Fleisch ein Schild mit 
entsprechender Bezeichnung angebracht wird. 

Nicht zulässig ist es dagegen, dies auch für die Transportmittel, 
Wagen, Körbe etc. zu verlangen, weil das Umhertragen kein Feil¬ 
bieten ist. Es liegen hierüber aus letzter Zeit mehrere Kaunner- 
gerichtsentscheidungen vor. 

Wo städtische Markthallen vorhanden sind, wird es jetzt auch 
angebracht sein, von der Bestimmung Gebrauch zu machen, dass 

Centralblatt f. all*?. Gesundheitspflege. XXIV. Jahr?. 3 


Digitized by 


Google 



in ihnen nur im Schlachthof ausgeschlachtetes Fleisch feilgebotcn 
werden darf. 

Hierbei möchte ich gleich empfehlen, auch von städtischen 
Kühlhäusern eingeführtes Fleisch allgemein auszuschlicssen. Wo 
dies aus besonderen Gründen nicht wünschenswert ist, wird e» 
wenigstens angebracht sein, für das Unterbringen des eingeftihrten 
Fleisches im Kühlbause besondere Gebühren zu erheben. 

Die weitere noch zulässige Verkehrsbeschränkung, dass Metzger 
und Fleischhändler des Gemeindebezirkes Fleisch von auswärts 
nicht feilbieten dürfen, das sie innerhalb eines gewissen Umkreises 
selbst geschlachtet haben oder haben schlachten lassen, hat heute 
wesentlich an Wert verloren. Früher durfte das Fleisch nur in 
grösseren Stücken eingebracht werden, es konnte die Vorlegung 
der Eingeweide verlangt und es konnten Gebühren erhoben werden. 
Durch diese Erschwerungen wurde die Einfuhr in gebührenden 
Grenzen gehalten, es wurde daher der Mangel, der in dem Wort¬ 
laute der Bestimmung liegt, nicht empfunden. Was heisst denn 
selbst schlachten oder schlachten lassen? Meiner Ansicht nach 
kann nach dieser Bestimmung der Metzgei* heute fast unbegrenzte 
Menge von Fleisch einführen, ev. seinen ganzen Bedarf von aus¬ 
wärts decken, wenn es nur tierärztlich voruntersucht ist, ohne dass 
wir ilnn etwas anhaben köunen. 

Hierin liegt natürlich eine ausserordentlich hohe Gefahr. Die 
Metzger sind dadurch in die Lage versetzt, einen Schlachthof zu 
boykottieren, wie es ans fiskalischen Rücksichten schon an ver¬ 
schiedenen Stellen versucht worden sein soll, und ev. einen Ein¬ 
fluss auf die Verwaltung zu gewinnen, den man bisher im Interesse 
einer unabhängigen Fleischbeschau immer möglichst zu beschränken 
bestrebt war. 

Auf jeden Fall ist aus Vorstehendem ersichtlich, dass trotz 
Anwendung aller zulässigen Massregeln die Einfuhr von Fleisch, 
für dessen tadellose Beschaffenheit nur verhältnismässig wenig 
Garantien gegeben sind und dessen Prüfung nur an den Verkaufsstellen 
möglich ist, noch einen recht erheblichen Umfang aunehmen kann. 

Es wird daher das Hauptgewicht aller Schutzmassregeln auf 
eine möglichst häufige und gründliche Kontrolle dieser Verkaufs¬ 
stätten gelegt werden müssen. Die Bestände auf den Flcischmärktcn 
müssen unbedingt an jedem Verkaufstage nutersucht werden und 
es muss eine ständige Kontrolle der Läden der Metzger eingerichtet 
werden, welche Fleisch von auswärts einführen. 

Zweckmässig sind mit diesen Kontrollen besondere Polizei¬ 
beamte zu betrauen und diese womöglich wenigstens so weit in der 
Fleischbeschau auszubilden, dass sie imstande sind, die wichtigsten 
Merkmale des Verdorbenseins zu erkennen. 


Digitized by CsOOQle 



Auch die Zuziehung der städtischen Tierärzte zu diesen Re¬ 
visionen dürfte angebracht sein. 

Leider ist jedoch auch der Nutzen dieser Revisionen nur eiu 
beschränkter. Gerade verdächtiges Fleisch werden die Metzger 
nicht in den Laden hängen, sondern das bleibt hinten in den Vor¬ 
rats- und Betriebsräumen und in diese Räume dürfen wir nicht 
hinein. Das Nahrungsmittelgesetz gestattet nur eine Revision der Ver¬ 
kaufslokale. 

Dieser Umstand wurde schon früher als ein schwerer Mangel 
empfunden, aber es fehlte an der besonderen Veranlassung, einen 
Umschwung herbeizuführen. Ich glaube, dass heute eine besondere 
Veranlassung durch das erleichterte Einschmuggeln von verdächtigem 
Fleische gegeben und dass jetzt der geeignete Zeitpunkt ist, eine 
Remedur anzustreben. Jeder derartige Vorstoss wird natürlich von 
den Gewerbetreibenden als ein Eingriff in die Freiheit des Gewerbes 
heftig bekämpft. Die Freiheit des Gewerbes ist jedoch nicht die 
Freiheit, den Konsumenten zu betrügen. 

Zum mindesten vom Nahrungsmittelfabrikanten muss der Kon¬ 
sument verlangen können, dass er seinen Betrieb so führt, dass er 
keine Kontrolle zu fürchten hat. Dass dies heute noch nicht der 
Fall list, beweisen die skandalösen Zustände, die in zahlreichen 
Fällen bei zufälligen Revisionen aufgedeckt wurden. Wenn ich 
nicht irre, war es in einer Stadt des Rheinlandes, wo bei einer grossen 
Zahl von Metzgereien festgestellt wurde, dass die Geschlechtsteile 
mit zur Wurst verarbeitet worden waren. In zahlreichen anderen 
Fällen wurde hochgradig verdorbenes Fleisch vorgefunden, gar 
nicht zu reden von der unglaublichen Unsauberkeit, die in vielen 
Betrieben konstatiert wurde. Besonders interessant waren in dieser 
Hinsicht ja die erst jüngst in den Vororten von Berlin aufgedeckten 
skandalösen Zustände, von denen man vergeblich eine Einwirkung 
auf die gesetzgebenden Faktoren erwartet hatte. Eine Kontrolle ist 
gerade bei den Fleischereien besonders notwendig, weil inan bei der 
fertigen Fleisch wäre in der Regel nicht wie bei anderen Waren, 
bei Wein, Butter etc., imstande ist, nachträglich Verfälschungen 
oder Verarbeitung ungeeigneten Materiales nachzuweisen. 

Es empfiehlt sich daher dringend, eine Erweiterung der Be¬ 
fugnisse der Fleischschaubeamten in obigem Sinne anzustreben. 

Diese Erweiterung der Fleischbeschau kann natürlich nicht 
ohne weiteres von den Städten angeordnet werden, sondern sic 
muss durch Landesgesetz geregelt werden, wie es in Süddeutsch¬ 
land schon geschehen ist. Dort haben die Fleischbeschauer nicht 
nur das Recht, sämtliche Betriebsräume zur Vornahme von Revi¬ 
sionen zu betreten, sondern sogar die Pflicht, in gewissen Zwischen¬ 
räumen solche vorzunehmen. 


Digitized by c^ooQle 



36 


Ein gewisser Erfolg in dieser Beziehung könnte jedoch viel¬ 
leicht auch heute schon dadurch erzielt werden, dass den städtische» 
Gesundheitskoraraissionen, die auf Grund besonderer Bestimmungen 
Zutritt zu diesen Räumen haben, bei Revisionen von Schlächtereien 
städtische Tierärzte beigegeben würden. 

Als eine weitere Massregel gegen die üblen Folgen des Ge¬ 
setzes wurde verschiedentlich ein Appell an das Publikum empfohlen. 
Da es beim Kaufe des eingeführten Fleisches keine Gewähr für 
tadellose Beschaffenheit hat, soll es nur Fleisch kaufen, das die 
städtische Kontrolle passiert hat. Herr Stadtdirektor Tramm in 
Hannover, glaube ich, hat auch die Bildung von Konsumenten¬ 
vereinigungen empfohlen. Wo die Einfuhr von Fleisch einen zu 
grossen Umfang annehmen sollte, und der Bestand des Schlacht¬ 
hofes in Frage gestellt wird, wird die Bildung derartiger Ver¬ 
einigungen sich gewiss mit Erfolg durchsetzen lassen. 

Ebenso wird es vielleicht, wie vorgeschlagen worden ist, in 
einigen Städten möglich sein, die Metzgerinnungen zum Verzicht 
auf die Einfuhr zu bewegen, denn je mehr eingeführt wird, desto 
mehr müssen auf der anderen Seite die Schlachtgebühren erhöht 
werden. 

Alle unsere Massregeln werden aber nicht imstande sein, dem 
Städten das wieder zu geben, was sie gehabt haben. 

Das Mindeste, das ihnen belassen werden musste, war die Be¬ 
rechtigung, einen Beschauzwang für alles eingeführte Fleisch an¬ 
zuordnen. Wenn dieses nur noch auf Verdorbensein nachuntersucht 
werden sollte und hierfür keine Gebühren erhoben werden durften, 
so war den agrarischen Wünschen gewiss in weitestem Umfange 
Genüge getau, was darüber war, das war vom Übel. 

Das Ziel unserer Bestrebungen muss die Wiederaufhebung des 
Abänderungsgesetzes sein. Es empfiehlt sich daher, weiter Material 
gegen das Gesetz zu sammeln, wie es vom statistischen Amt der Stadt 
Magdeburg geschehen ist, das alle Fälle zusammengestellt hat, in 
denen bereits voruntersuchtes Fleisch nachträglich beanstandet werden, 
musste. Es empfiehlt sich aber meiner Ansicht nach ganz besonders, 
auch alle die Fälle zu sammeln und ihren Ursachen nachzuforschen, in 
denen tatsächlich Gesundheitsschädiguugen durch Genuss von Fleisch 
kranker Tiere oder verdorbener Fleisehwaren erfolgt sind. Bisher 
werden immer nur die Massen Vergiftungen registriert. Für unsere 
Frage wird aber auch die Kenntnis der weniger schweren Fälle,, 
die, wie ich glaube, viel häufiger sind, als man im allgemeinen 
annimmt, von Interesse sein. 

Eine solche Statistik würde am besten geeignet sein, uns über 
die Zweckmässigkeit unserer Massregel und die Notwendigkeit, 
weiterer Massregeln für die Zukunft zu unterrichten. — 


Digitized by 


Google 



37 


An diesen Vortrag, der ebenfalls mit lebhaftem Beifall auf¬ 
genommen wurde, schloss sich eine längere Erörterung, an welcher 
^ich die Herren Schlachthofdirektor Ktihnau-Cöln, Beigeordneter 
Lchwald-Duisburg, Bürgermeister Stern in Viersen, Bürgermeister 
Klotz in Düren, Beigeordneter Weber in Essen, Oberbürgermeister 
Becker in Cüln, Beigeordneter Ottermann in Düsseldorf beteiligten. 

Der erstere hielt eine Stempelkontrolle für undurchführbar. 
Er empfahl namentlich die für Süddeutschland und Sachsen bereits 
bestehende ausserordentliche Fleichbeschau zu erstreben, wodurch 
es ermöglicht werde, nicht nur die Verkaufsräume der Metzger, 
sondern auch die Fabrikationsräume zu inspizieren. 

Andere Redner empfahlen für die schärfere Kontrolle eine 
Kommission zu bilden, auch höhere Marktgebühr für dieses Fleisch 
einzuftthren u. s. w. 

Bürgermeister Stern-Viersen hält den Erlass einer Polizei-Ver¬ 
ordnung, nach welcher eingeführtes Fleisch aus dem Grunde bei 
der Einführung in die Stadt einer nochmaligen Untersuchung unter¬ 
worfen werden dürfe, weil dasselbe erfahrungsgemäss auf dem oft 
weiten Transport zur Stadt, und bei heisser Jahreszeit verdorben 
sein könne, aber die Attestierung eines Tierarztes und die Stem¬ 
pelung enthalte, für gesetzlich zulässig. Er habe eine solche 
Polizei-Verordnung, die der Genehmigung der Königlichen Regierung 
bedürfe, ausgearbeitet und der Königlichen Regierung in Düssel¬ 
dorf zur Genehmigung unterbreitet. Herr Stern teilt die wenige 
Tage nach der Versammlung von der Königlichen Regierung ge¬ 
nehmigte Polizei-Verordnung dem ständigen Geschäftsführer des 
Vereins mit. Dieselbe hat folgenden Wortlaut: 

Polizei-Verordnung. 

Auf Grund der §§ 5 und 6 des Gesetzes über die Polizei- 
verwaltuug vom 11. März 1850 und des § 5 des Preussischen Ge¬ 
setzes vom 28. Juni 1902 betr. Ausführung des Schlachtvieh- und 
Fleischbeschaugesetzes wird für den Umfang der Stadtgeraeindo 
Viersen folgende Polizei Verordnung erlassen: 

§ 1. Von auswärts nach Viersen eingeführtes frisches Fleisch, 
welches einer amtlichen Untersuchung durch approbierte Tierärzte 
nach Massgabe der §§ 8 bis 16 des Reichsgesetzes, betr. die Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900 unterlegen hat, muss, 
bevor es hier in den Verkehr gelangt, einer nochmaligen amtlichen 
Untersuchung zu dem Zwecke unterworfen werden, um festzustellen, 
-ob das Fleisch inzwischen verdorben ist oder sonst eine gesund¬ 
heitsschädliche Veränderung seiner Beschaffenheit erlitten hat. 

Eine nochmalige Untersuchung auf Trichinen findet nicht statt. 

§ 2. Die Untersuchung erfolgt kostenfrei im städtischen 


Digitized by v^ooQle 



Schlachthofe durch den von der Stadt als Schlachthofdirektor an- 
gestellten Tierarzt. 

§ 3. Für die Beförderung des im § 1 bezeichneteu Fleischen 
sind folgende Strassen zu benutzen: a) Von Venlo-Grefrath-Süchteln: 
Süchtelnerstrasse, Rektoratstrasse, Gerberstrasse, b) von Venlo- 
Dülken: Dttlkenerstrasse, Altermarkt, Goetersstrasse, Gerberstrasse, 
c) Von Neuss-M.-Gladbach: Gladbacherstrasse, Neumarkt, grosse 
Bruchstrasse, Bahnhofstrasse, Gerberstrasse, d) Von Krefeld: Kre- 
felderstrasse, Kanalstrasse, Gerberstrasse. 

Das mit der Eisenbahn oder Post ankommende Fleisch ist auf 
dem nächsten Wege zum Schlachthofe zu bringen. 

§ f). Von auswärts nach Viersen eingeführtes frisches Fleisch, 
das nicht einer amtlichen Untersuchung durch approbierte Tierärzte 
unterlegen hat, unterliegt wie bisher der Untersuchung nach dem 
Gemeindebeschluss vom 9. März 1896; die auf Grund desselben 
erlassenen Bestimmungen bleiben unverändert. 

§ 5. Zuwiderhandlungen gegen diese Polizeiverordnung wer¬ 
den mit einer Geldbusse von 1 bis 9 Mk. belegt, an deren Stelle im 
Unvermögensfalle verhältnismässige Haft tritt. 

§ 6. Gegenwärtige Polizeiverordnung tritt sofort in Kraft. 

Viersen, den 3. November 1904. 

Die Polizei Verwaltung. Der Bürgermeister Stern. 

Hiernach empfiehlt es sich, dem Beispiel der Stadt Viersen in 
den Schlachthofgemeinden zu folgen, wo es notwendig erscheint. 
Oberbürgermeister Beeker-Cöln bemerkt, das Gesetz gehe von dem 
idealen Standpunkte aus, dass die Fleischbeschau auf dem Lande 
ebensogut wie in den Städten sei. Würde die Untersuchung in der 
Tat ebenso gründlich sein, so hätte die vollständige Freizügigkeit des 
Fleisches eine gewisse Berechtigung. Die Verhältnisse lägen aber 
anders; die ganze Fleischkontrolle sei auf dem Lande erst seit ver¬ 
hältnismässig kurzer Zeit eingeführt. Bevor sie sich auch durchaus 
zuverlässig gestalten werden, würde man in den Städten manche 
Unzuträglichkeiten haben. Im Übrigen könne man über den jetzigen 
Zustand wohl klagen, aber man müsse ihn auch ertragen lernen. 
Im preussischen Staate habe sich noch immer herausgestellt, dass, 
wenn schwere Missstände entständen, auch eine Abänderung 
erfolge. 

Sodann wurde noch empfohlen, alle aus dem Gesetz sich er¬ 
gebenden Missstände genau zu beobachten und zu registrieren, da¬ 
mit solche für etwa nötig werdende Abänderungsanträge verwertet 
werden können. 

Schliesslich wurden folgenden Schlusssätzen zum Vortrage 
des Herrn Schlachthofdirektors Haff ne r im allgemeinen zugestimmt,. 


Digitized by v^ooQle 



>9 


ohne dass eine Diskussion der meisten Thesen stattfand und un¬ 
beschadet des Ergebnisses, welches die beantragte Viersener Polizei- 
Verordnung haben werde: 

„Das unter dem 23. September 1904 veröffentlichte Ab¬ 
änderungsgesetz zum Preussisehen Ausführungsgesetze vom 28. Juni 
1902 hebt die Vorschriften in Art. I §2 Nr. 2 und 3 des Schlacht¬ 
hofgesetzes, soweit tierärztlich voruntersuchtes Fleisch in Frage 
kommt, auf, und spricht damit die schrankenlose Freizügigkeit dieses 
Fleisches aus. Es bedeutet daher für die Städte mit öffentlichen 
Schlachthäusern einen schweren sanitären Rückschritt. 

Um den hierdueh der Volksernährung drohenden Gefahren zu 
begegnen, muss in erster Linie dafür gesorgt werden, dass die 
Schädigungen wenigstens sicher in dem Rahmen des obigen Gesetzes 
bleiben, d. h., dass nicht auch anderes Fleisch ohne Nachuntersuchung 
eingeschmuggelt wird. Dies lässt sich nur erreichen durch Ein¬ 
führung einer allgemeinen Stempelkontrolle in der Art, dass auf 
Grund des Gesetzes über die Polizeiverwaltung angeordnet wird, 
dass alles eingeführte frische Fleisch nicht eher feilgeboten oder 
zubereitet werden darf, bevor es an einer bestimmten Stelle 
vorgelegt worden ist zur Feststellung, ob es überhaupt tierärztlich 
untersucht und gestempelt worden ist oder nicht. Dem Sinne des 
Ausführungsgesetzes widerspricht eine derartige durch Polizeiorgane 
auszuübende Stempelkontrolle durchaus nicht. 

Ferner müssen die nach § 2 Nr. 4, 5 und 6 des Sehlacht¬ 
hofgesetzes noch zulässigen Bestimmungen aufrecht erhalten und 
streng durchgeführt werden, 

1. dass alles eingeführte frische Fleisch an* den Verkaufsstellen 
gesondert feilzubieten ist, 

2. dass es von städtischen Verkaufshallen ausgeschlossen bleibt, 

3. dass einheimische Metzger das Fleisch von Schlachtvieh, das sie 
ausserhalb des Gemeindebezirkes, aber innerhalb eines gewissen 
Umkreises selbst geschlachtet haben oder haben schlachten 
lassen, nicht feilbieten dürfen. 

Von städtischen Kühlhäusern ist eingeführtes frisches Fleisch 
ebenfalls auszusehliessen. 

Weiter muss die polizeiliche Kontrolle des ganzen Fleisch¬ 
verkehres bedeutend verschärft werden. Zweckmässig sind hiermit 
besondere in der Fleischbeschau auszubildende Polizeibeamtc zu 
betrauen. Wo es möglich ist, empfiehlt sich die Mitwirkung der 
städtischen Tierärzte. 

Das Nahrungsraittelgesetz lässt bisher nur eine Revision der 
Verkaufsräume zu. Liessen indes schon früher die skandalösen 
Zustände, die in zahlreichen Fällen bei zufälligen Revisionen der 
Betriebswerkstätten zu Tage traten, dies als einen Mangel des 


Digitized by e^ooQle 



40 


Gesetzes erkennen, so macht es heute das erleichterte Einschmuggeln 
von Fleisch doppelt erforderlich darauf hinzuwirken, dass die 
Fleischbeschau nicht auf die Untersuchungen im Schlachthofe und 
gelegentliche Ladenrevisionen beschränkt bleibt, sondern dass auch 
die Untersuchung des zur Wurstfabrikation verwendeten Materiales 
in den Fleischereien sowie die Kontrolle dieser letzteren selbst in 
ihren Bereich gezogen werden. 

Neben diesen Massregeln ist es zweckmässig, das Publikum 
darauf hinzuweisen, dass es beim Kaufe des von auswärts ein¬ 
geführten Fleisches eine volle Gewähr dafür, dass es einwandsfreie 
Ware erhält, niemals haben kanu, dass es sich daher empfiehlt, 
nur Fleisch zu kaufen, das die städtische Kontrolle passiert hat. 

In einzelnen Städten wird es auch möglich sein, die Metzger 
selbst durch den Hinweis auf ihr eigenes Interesse zum Verzicht 
auf die Einfuhr von auswärts oder zur freiwilligen Vorlegung des 
eingeführten Fleisches zu bewegen. 

Um schliesslich über die Notwendigkeit dieser und weiterer 
Massregeln für die Zukunft Material zu erhalten, empfiehlt es sich 
festzustellen, ob und in welchem Umfange Erkrankungen — wenn 
auch leichter oder vorübergehender Natur —, die auf den Genuss 
von Fleisch kranker Tiere oder verdorbenen Fleisches zurtickzuführen 
sind, beobachtet werden, alle bekannt werdenden Fälle dieser Art 
zu sammeln, sowie überhaupt dieser Frage mehr Aufmerksamkeit 
zuzuwenden als bisher. 

Es folgt der 3. Vortrag: 

Inwieweit bedarf die schulärztliche Einrichtung noch 
der Erweiterung. 

Von Schularzt Dr. med. Max Schulte-Cöln. 

Seitdem man in Deutschland dem Drängen der Hygieniker 
und nicht weniger dem Drange der Verhältnisse gehorchend das 
System der sogen. Schulärzte in einer Reihe von Städten eingeführt 
hat, will die Frage nach der zweckmässigsten Art dieser Einrichtung 
nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden. — Wir sind in 
Deutschland in diesem Punkte von dem Prinzip ausgegangen, nicht 
dem Beispiele ausserdeutscher Städte oder Länder zu folgen, obschon 
dort manch durchgreifendere Institutionen bestehen, sondern selbst 
die Probe zu machen und nach dem Vorgänge von Wiesbaden 
(1896) analoge je nach den örtlichen Verhältnissen modifizierte 
Einrichtungen zu schaffen, in dem Gedanken, weitere Erfahrungen 
zu sammeln, um schliesslich an der bewährtesten Form festzuhalten 
bezw. an den bestehenden so lange zu verbessern, bis das Brauchbarste 
herausgebildet ist. Halten Sie dies im Auge und bedenken Sie, 
dass seit Einführung des Wiesbadener Systems noch nicht ein 


Digitized by 


Google 



41 


Dezennium verflossen ist, dass ferner eine ganze Reihe von Städten 
noch keine Schulärzte kennt, andere, z. II. Bremen, sich zuwartend 
verhalten, um erst einmal zu sehen, wie anderwärts der Karren 
läuft, so werden Sie verstehen, einmal, dass die gesammelten Er¬ 
fahrungen zumal im Hinblick auf die Kürze der Zeit noch nicht 
abgeschlossen sein können, dass es aber weiterhin Pflicht der Be¬ 
teiligten und Sachverständigen ist, eine kritische Würdigung der 
Angelegenheit nicht ad calendas graecas zu vertagen. 

Es fehlt denn auch nicht an einer Reihe vergleichender Ab¬ 
handlungen, welche teils die historische Entwickelung der Schul¬ 
arztfrage zum Gegenstand haben, teils sich mit den verschiedenen 
Institutionen und Instruktionen der in Betracht kommenden deutschen 
Städte beschäftigen. «Poetter, Schubert, Wex in der Zeitschrift 
für Schulgesundheitspflege u. a.) Wichtiger jedoch m. E. wäre 
es, an der Hand der Erfahrungen das Feld der z. Z. bestehenden 
Einrichtung allmählich zu begrenzen, alles Schematische zu beseitigen 
und so etwas möglichst Abgerundetes, Einheitliches herauszuschälen, 
-das wirklichen Anspruch auf Zweckmässigkeit hätte, ohne dass ihm 
der Staub des grünen Tisches allzusehr anhafte. Und selbst wenn 
wir eines Tages dieser Aufgabe enthoben würden dadurch, dass 
-der Staat — wie in Sachsen-Meiningen — die Sache zu der seinigen 
machte und ihr eine Spitze im Ministerium gäbe, so wären doch 
derartige Reflexionen nicht ganz zwecklos, da durch dieselben 
immerhin eine nicht umgängliche Vorarbeit geleistet wäre. 

Für diejenigen Orte, welche z. Z. eine kommunale Einrichtung 
des Schularztsystems haben, wird übrigens die staatliche Hülfe so¬ 
bald wohl nicht in Frage kommen, während man unbedingt zugeben 
muss, dass für das Land eine Lösung der Schularztfrage auf 
anderer als staatlicher Basis überhaupt nicht möglich ist wegen 
<ler eigenartigen hier nicht näher zu erörternden Verhältnisse. Dass 
aber der Gedanke der staatlichen Regelung bereits die Geister in 
weitem Masse zu beschäftigen beginnt, ersehen Sie aus den Leit¬ 
sätzen, welche Leubuseher, einer der Hauptvertreter der schul¬ 
hygienischen Bestrebungen, für den 1. Internationalen Schulhygiene¬ 
kongress zu Nürnberg 1904 zu Beginn dieses Frühjahrs aufstellte. 

Seine Thesen lauten: 

1. „Die Schularzteinrichtung ist das beste Mittel, Schädigungen, 
die ans dem Schulbesuche entspringen, nach Möglichkeit zu 
mildern und zu beseitigen. Der Staat, der den Schulzwang 
fordert, hat als oberste Schulbehörde deshalb die Verpflichtung, 
Schulärzte für alle Schulen, höhere, mittlere und Volksschulen, 
städtische und Dorfschulen anzustellen. 

2. Das Interesse, welches der Staat an der Schularztorganisation 
hat, beruht nicht auf der Feststellung und Besserung der 


Digitized by 


Google 



42 


Gesundheitsverhältnissc der Schuljugend allein, sondern auch 
auf der Möglichkeit, durch die schulärztlichen Untersuchungen 
Kenntnisse von den Rückwirkungen und Wechselbeziehungen 
zwischen den Wohnungs-, Erwerbs- und Ernährungsverhält¬ 
nissen der Gesamtbevölkerung und den Krankheiten der 
Schüler zu erlangen. 

3. Durch eine staatliche Organisation der Schularzteinrichtung 
wird die Möglichkeit durchgreifender Verbesserungen auf 
dem ganzen Gebiete der Schulhygiene und insbesondere auch 
auf dem Gebiete der Unterrichtshygiene gegeben/ 

Dieselben oder ähnliche Ansichten werden von vielen berufenen 
Schulhygienikern vertreten. — Wir werden indes gut tun, nicht 
solange zu warten, bis Hülfe vom Staate kommt, sondern werden 
am besten gehen, — und dieser Weg ist uns ja z. Z. unbedingt 
vorgeschrieben — wenn wir das einmal bestehende sogen. Wies¬ 
badener System auszubauen suchen. 

Was fordert nun dieses System? 

1. Ärztliche Untersuchung aller neu aufgenommenen Schüler, 

2. Ausstellung und Führung eines Personalbogens für jedes Kind. 

3. Abhaltung von Sprechstunden in der Schule. 

4. Hygienische Revision und Überwachung der Schüler und 
der Schulräuine. 

5. Verpflichtung zur Abhaltung kurzer Vorträge über Schul¬ 
hygiene in den Lehrerversammlungen. 

Ich stelle dem gegenüber die einschlägigen Verordnungen 
eines ausserdcutschen Staatswesens. Die Tätigkeit der Schulärzte 
in Bulgarien (ich habe mit Willen dieses sonst nicht an der Spitze 
der Zivilisation marschierende Ländchen gewählt), deren Prinzipien 
nicdergelegt sind in der Broschüre „Les medeeins scolaires en 
Bulgarie u von Prof. Dr. J. Sehischmanow-Sophia umfasst folgende 
Punkte: 

1. de surveiller les bätiments, mobiliers et Materials des eeoles; 

2. de veiller ä l’etat sanitaire des eleves et de prendre des 
mesures contre les nmladies infectieuses et epidemiques: 

3. de faire certains mensurations anthropologiques: 

4. de faire des Conferences aux instituteurs sur lhygiene scolaire, 
les premiers secours, la medecine populaire; 

5. de donner aux eleves des notions sur l anthropologie, la 
Physiologie, l hygiene generale et scolaire et 

6. de donner un rapport annuel sur tont ce qui a etc fait pour 
ces divers Services pendant l annee scolaire. 

Ein Vergleich der beiden vorliegenden Aufstellungen scheint 
zunächst keine wesentlichen Verschiedenheiten zu ergeben; jedoeU 
bei näherem Zusehen erscheint der graduelle und prinzipielle Unter- 


Digitized by 


Google 



— 43 — 

schied. Denn abgesehen davon, dass es sieh in dem einen Falle 
(Bulgarien) um eine staatliche, in dem anderen (Wiesbadener 
System) um eine kommunale Regelung handelt, tritt eine ganze 
Reihe unterschiedlicher Merkmale zutage, die ich kurz zusamrnen- 
fasse, um Ihnen ein Bild davon zu geben, aut* wie verschiedenen 
Geleisen sich unsere Bestrebungen und diejenigen anderer Völker 
bewegen, zugleich um Sie von der Bescheidenheit unserer Zustände 
zu überzeugen und ein gewisses Relief für etwaige Vorschläge und 
Forderungen zu schaffen. 

1. Bulgarien hat Schulärzte für alle, auch die mittleren und 
höheren Schulen. 

2. Die Ärzte sind vorgebildete Spezialschulärzte bzw. -ärztinnen 
nur mit dieser Funktion unter dem Titel Professeurs mcdecins 
bezw. Professeurs doctoresses, eingeordnet dem Lehrkörper, teil¬ 
nehmend an dessen Beratungen und avancierend wie die Pro¬ 
fessoren der sogen. Mittelschulen (Gymnasien, Realgymnasien etc.). 

3. Die Schulärzte haben Sitz und Stimme in den Kom¬ 
missionen zur Auswahl des Ortes der Gebäude; sie haben ihre 
Ratschläge zu erteilen bezüglich Einrichtung der Schulgebäude, 
z. B. der Wasserversorgung, Heizung, Ventilation, Schulhofanlage etc. 

4. Die Schülerkontrolle wird ausgeübt: 

a) durch Führung von Personalbogen, ähnlich wie bei uns. 

b) durch Belehrung und Unterricht. Es stehen dem Arzte 
allgemeine Prüfungen zu über Hygiene, welche zu verschärfen sind 
im Falle von Epidemieen. Im einzelnen erstreckt sich der sanitäre 
Unterricht auf 1. allgemeine und Schulhygiene, Anthropologie und 
Physiologie; 2. die Lehre von den Symptomen ansteckender Krank¬ 
heiten; 3. Ratschläge bezüglich Reinlichkeit und guter Führung an 
die einzelnen Schüler. 

c) durch Abhaltung von Sprechstunden. Dieselben finden in 
einem besonders eingerichteten Saale statt, welcher ausgerüstet ist 
mit den nötigen Instrumenten, Medikamenten für dringende Fälle, 
unter anderen mit Dynamometer, Desinfektionsmitteln, Verband¬ 
stoffen, einem Apparat zur Bestimmung des Kohlensäuregehaltes 
der Luft, Hygrometer, Thermometer etc. etc. 

d) Bei ansteckenden Krankheiten hat der Schularzt für Iso¬ 
lierung und Desinfektion zu sorgen. Letztere kann sich erstrecken 
auf die Gebäudeteile, die Schüler selbst und deren Unterrichts¬ 
materialien. 

e) Dem Schularzt liegt die Überwachung der Entwickelung 
der Schuljugend in physischer, intellektueller und moralischer Be¬ 
ziehung ob. Der Schularzt nimmt teil an den gemeinsamen Aus¬ 
flügen und wohnt den Kommissionen zur Ausarbeitung der Schul- 


Digitized by c^ooQle 



44 


Programme bei. Er gibt seine Ratschläge bezüglich Schtiler- 
bestrafungen. 

f) Der Schularzt behandelt die armen Schüler in der Scliul- 
sprechstunde ohne Entgelt, ebenso in deren Hause, wo dies er¬ 
forderlich. Nahrung und Medikamente werden durch die 
Schulkasse fcaisse seolaire) zur Verfügung gestellt. 

Der Schularzt hat die Impfung nicht geimpfter Schüler vor¬ 
zunehmen. 

5. Dort wo mehrere Schulärzte sich befinden, müssen dieselben 
einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten unter Be¬ 
teiligung der Stadt-, Kreis- oder Bezirksärzte. Die Beschlüsse 
dieser Versammlungen werden an die Direktoren unter der Be¬ 
zeichnung: Desiderata eingereicht. Die Rechte und Pflichten dieser 
Beratungen werden durch eine spezielle Instruktion geregelt. 

M. H. Wir haben hier eine bis ins einzelne ausgearbeitete 
Institution vor uns, der wir in der Tat unsere Anerkennung nicht 
versagen können, und wenn auch die Ungleichheit der in Betracht 
kommenden Verhältnisse eine Adoptierung eines solchen Systems 
nicht gestattet, so lässt sich doch schon allein in bezug auf die 
Frage der „Durchführbarkeit“ aus demselben eine Reihe wertvoller 
Gesichtspunkte ableiten, wenn wir die Hauptunterscheidungsfragen 
herausgreifen und auf unser System anzuweuden suchen. Diese 
aber umfassen m. E. vorzüglich folgende Punkte: 

Schularzt und schulärztliche Vorbildung; Schülerbchandlung; 
Spezialisten als Schulärzte; 

Schulärztliche Organisierung; einheitliche Regelung des schul¬ 
ärztlichen Dienstes, sowie Ausdehnung desselben auf Mittel- und 
eventuell höhere Schulen. 

I. 


Die Frage „Wer wird Schularzt?“ wäre wohl leicht zu be¬ 
antworten, wenn es sich bei dem schulärztlichen Amte nur um die 
Behandlung oder Feststellung von Schülererkrankungen handelte 
oder doch wesentlich um diese. Der „praktische Arzt“ als solcher 
wäre dann eben der geborene Anwart auf die schulärztliche Stellung. 
Da aber nun in den sogen. „Dienstordnungen“ eine Reihe von Ver¬ 
pflichtungen übernommen wird, welche das Gebiet praktisch ärztlicher 
Ausbildung nur lose berühren, so ist die Forderung einer speziellen 
Ausbildung nicht von der Hand zu weisen. Schon die rein soma¬ 
tischen, physiologischen wie pathologischen Verhältnisse der Schul¬ 
jugend haben eine Menge Eigentümlichkeiten, welche das Schulkind 
auch für den Arzt zu etwas Besonderem, Speziellem stempeln. 
Zieht man aber erst die psychologischen und pädagogischen Gebiete, 
ferner die Materien der Unterrichtshygiene, die speziell pathologischen 


Digitized by 


Google 



45 


Verhältnisse für die Hilfsschulen, Stotterer, Krüppel, weiterhin die 
weitverzweigte Gebäudehygiene in Betracht, so wird die Forderung 
einer gewissen Schulung und Vorbildung der praktischen Schulärzte 
auf um so fruchtbareren Boden fallen. So wie die Dinge z. Z. in 
manchen Städten Deutschlands liegen, darf man wohl behaupten, 
dass im Grunde nur wenig mehr erreicht ist, als zu einer Zeit, da 
der schulhygienische Dienst ausschliesslich im Nebenanite von be¬ 
amteten, Armenärzten oder ähnlichen Ärztekategorien ausgeübt wurde* 
Vor allem dürfte folgender Gesichtspunkt hier leitend sein. Soll 
man dem Schularzt eine wirklich positive eingreifendere Tätigkeit 
anvertrauen, so muss die anstellende Behörde denselben als einen 
Fachmann sui generis betrachten können, mit andern Worten der 
Schularzt muss in seinem Fache Autorität beanspruchen und abuötigen* 
Dies kann er aber nur, wenn er mit speziellen Kenntnissen ausgerüstet 
ist. Das eine ist eben die notwendige Voraussetzung des anderen* 
Nur dann werden aber auch wichtige und wichtigste Funktionen 
des Schularztes nicht mehr allein auf dem Papiere stehen, noch 
werden ihm ganze Gebiete der Schulhygiene verschlossen bleiben 
und wird man seine Tätigkeit in der Gebäudehygiene nicht mehr 
auf eine Einladung zur Besichtigung fertiggestellter Schulneubauten 
beschränken. 

Die Übermittlung der einschlägigen Kenntnisse könnte erfolgen 
sowohl durch entsprechende Kurse in der Schulhygiene während 
des Universitätsstudiums oder auf dem Wege ärztlicher Fortbildung y ) 
oder, was wohl am zweekentspechendsten wäre, auf beide Arten; 
und Anregungen in dieser Hinsicht von seiten der leitenden Stellen 
würden wohl Lehrer und Schüler auf den Plan bringen. 

Es liegt nun auf der Hand, dass auch eine entsprechende 
Vorbildung nicht ohne weiteres den Arzt in den Stand setzt, das 
weite Feld der Schulhygiene dauernd zu beherrschen; denn es 
handelt sich ja für unser System um eine nebenamtliche Tätig¬ 
keit, und zwar bei Männern, deren verfügbare Zeit grösstenteils 
durch eine mühevolle Praxis absorbiert wird. Daher empfiehlt sich 
für grössere Kommunen neben dem aus praktischen Ärzten zu 
bildenden Kollegium die Schaffung einer spezialschulärztlichen 
Stellung. 

M. H. Ich bin nicht der Vater dieses Gedankens; vielmehr 
ist ein solcher bereits hier und da aufgetaucht, ohne jedoch je zur 
Tat geworden zu sein; und dennoch wird jedem praktizierenden 
Schularzt das Bedürfnis schon gekommen sein, seine Erfahrungen 


1) Die Ungarische Regierung lässt jährlich 3 monatliche Kurse ab¬ 
halten, an welchen sich diejenigen zu beteiligen haben, welche Schulärzte 
werden wollen. 


Digitized by 


Google 



und Beobachtungen und damit seine Vorschläge und Forderungen 
an einer Stelle niederzulegen, von wo aus sie gesichtet und wohl¬ 
abgewogen weitergereicht werden, nicht um in „wohlwollende Er¬ 
wägung gezogen 44 sondern um mit Nachdruck geltend gemacht zu 
werden. Dass aber eine Behörde sich mit einer Reihe von Schul¬ 
ärzten zumal im Hinblick auf die oft weit divergierenden Ansichten 
benehmen soll, halte ich für kleinere Vorschläge zwar nicht für 
undurchführbar, bei wichtigeren Neuerungen für kaum zu ermöglichen 
und bei prinzipiellen Forderungen (z. B. Lehrplanänderungen) für 
gänzlich undenkbar. Man wird, wie so häufig, alle hören und 
keinem folgen, und der so notwendige Einfluss des ärztlichen Ele¬ 
mentes wird für die zukünftige Regelung der wichtigsten Fragen 
ausgeschaltet bleiben. 

Das Bedürfnis einer schulärztlichen Spitze hat in manchen 
grösseren Städten bereits Ausdruck gefunden durch die Wahl eines 
sogen, „ältesten 14 oder „ersten 44 Schularztes — um den „Schulober¬ 
arzt 44 ist man bisher fürsorglich herumgegangen, um nicht zu all 
den Oberärzten auch noch neue zu schaffen — oder auch durch 
die Creierung eines vorhandenen „Stadtarztes 44 zum Vorsitzenden der 
Schulärzte. Solcherlei Einrichtungen bleiben vielleicht vorläufig 
als Übergangsstadium überall da erstrebenswert, wo bisher der Zu¬ 
sammenhang unter den Schulärzten völlig fehlte, dienen aber offen¬ 
bar mehr der Organisation der Schulärzte an sich als dem so not¬ 
wendigen Fortbau der Schulhygiene und dem Einfluss des ärztlichen 
Elementes auf die letztere, ohne unserem Gedanken nahe zu kom¬ 
men, dass alle Fäden in der Hand eines S pezial s ch ulhygieni- 
kers zusammenlaufen sollten, der sein Amt nicht als Nebenamt be¬ 
kleidet, sondern das Gebiet der Schulhygiene beherrscht, in direktem 
Verkehr mit der leitenden Behörde steht, Sitz und Stimme in den 
Sehuldeputationen hat und der daneben die Ausbildung oder Fort¬ 
bildung neuer Schulärzte sich angelegen sein Hesse *). 

Man hat sich nun dort, wo die Frage sog. Schuloberärzte 
auftanchte, bereits damit beschäftigt, denselben als besondere Funk¬ 
tion die Unterrichts und Gebätidehygiene zu übertragen; man hat 
auch, das Fell des Bären verkaufend, ehe man den Bär erlegt hat, 
Amts-, Bezirks-, Stadtärzte als die geeignetsten Sachwalter bezeichnet. 


1) unbeschadet der Tätigkeit der Dozenten der Hygiene auf den 
Universitäten, welche zunächst für die Studierenden der Medizin in Be¬ 
tracht kämen, während die obigen Spezialschulärzte die Ausbildung prak¬ 
tizierender Ärzte zu leiten hätten. 

Wenn die Vorlesungen, welche Prof. Gärtner in Jena während einer 
Reihe von Jahren über Schulhygiene- hielt, schliesslich wegen mangelnder 
Beteiligung eingestellt werden mussten, so ist dies erklärlich, da eine 
entsprechende Vorbildung z. Z. nicht gefordert war. 


Digitized by CsOOQle 



47 


Zu letzterer Ansicht möchte ich jedoch bemerken, dass selbstredend 
auch die genannten, aber nicht allein oder vorzüglich oder weil 
sie in beamteter Stellung sind, in Betracht zu ziehen wären, sondern 
dass nur die spezielle Fachkenntnis hier ausschlaggebend sein 
-dürfte. 

Ich wende mich nun zu der V rage, ob die Zahl der bestellten 
Schulärzte den an sie gestellten Anforderungen genügt. Wenn man 
die von Wex-Lübeek in der Zeitschrift für Schul-Gesundheitspflege 
1903 (Heft 12) veröffentlichte Tabelle zu Rate zieht, so ergibt sich, 
dass ausserordentliche Unterschiede je nach den einzelnen Städten 
vorliegen. Es gibt Städte, in denen auf den einzelnen Schularzt 
4000 Kinder entfallen. Als niedrigste Angabe wird eine zu ver¬ 
sorgende Anzahl von 900 Kindern für jeden Schularzt aufgeführt. 
Das Mittel ergibt 2400. Wir kennen jedoch auch aus den nächst- 
liegenden Vergleichungen solche Schularztstellen, für welche das 
angeführte Mittel bedeutend überschritten wird. Dass natürlich da¬ 
bei der Überblick über das ganze sehr erschwert ist, ein wirkliches 
„zu Hause sein w in den anvertrauten Systemen aber fast unmöglich 
wird, bedarf wohl keiner besonderen Beweisführung. Der Schul¬ 
arzt sollte mit Ruhe seiner Tätigkeit nachgehen können, so dass 
er neben seiner ärztlieheu Praxis Zeit genug findet, da, wo es not 
tut, seine Schutzbefohlenen Schulkinder gründlich und zugleich 
freudig zu untersuchen. Überlastung aber und Abmüdung verdirbt 
Lust und Liebe zur Sache und stellt damit ein gutes Teil des zu 
hoffenden Erfolges in Frage. Wie können aber vollends Unter¬ 
suchungen z. B. auf ansteckende Erkrankungen, die jedesmal nach 
<Ien grösseren Ferien anzustellen sind und deren Wichtigkeit ausser 
Frage steht, bei einem Schülermatcrial von 2000 und darüber in 
dem vorgeschriebenen Termin gewissenhaft und mit Erfolg betrieben 
werden? — Es ist natürlich schwer, das Gebiet der Leistungsfähigkeit 
des einzelnen mathematisch abgrenzen zu wollen, aber soviel hat 
die Erfahrung doch schon bis jetzt gelehrt, dass selbst bei den 
jetzigen Anforderungen die Arbeit beginnt stürmisch zu werden, 
wenn die Grenze von 1500 Überwiesenen wesentlich überschritten 
wird, und dabei ist zu bedenken, dass die schulärztlichen Leistungen 
sich doch nach oben und nicht nach unten entwickeln sollen, dass 
insbesondere mehr zu verlangen ist in der Untersuchung von Auge 
und Ohr, mehr auch in der Fürsorge für die Stotterer, Krüppel 
u. dgl. Durchaus gerechtfertigt erscheint deshalb die Forderung, 
dass auf einen praktizierenden Schularzt nicht mehr als 
1500 Kinder entfallen sollen. (Leubuscher u. a.) 

Erleichtern würde man übrigens die schulärztliche Tätigkeit, 
auch abgesehen von der Reduzierung der Schülerzahl, wenn man 
von dem hier und da befolgten System ablassen wollte, den Ärzten 


Digitized by 


Google 



möglichst entfernte Reviere anzuweisen. Schafft man doch dadurch 
künstliche Verhältnisse, welche auf dem Lande so sehr zu beklagen 
sind und dort eines der Haupthindernisse für die Einführung des 
Schularztes bilden. Man hat den angedeuteten Modus geglaubt aus 
weiser Rücksicht gegen die ortsansässigen praktischen Ärzte ein¬ 
führen zu sollen, dabei aber augenscheinlich zu wenig geltend ge¬ 
macht, dass die Tätigkeit der Schulärzte in der Hauptsache eine 
überwachende ist. Dort aber, wo in der Tat Behandlung unum¬ 
gänglich, kann es sich nur um die armen und ärmsten der Schüler 
handeln, eine Klientel, die für privatärztliche Tätigkeit mit Hono¬ 
rierung überhaupt nicht in Betracht kommt. In Berlin ist man 
denn auch über derartige Strohhalme nicht gestolpert und verbindet 
so mit dem Angenehmem das unschätzbar Nützliche, dass der Arzt 
als Kenner seines Reviers bessere Einsicht in die hygienischen 
Verhältnisse des Hauses und der Familie erhält, eine Einsicht,. 
die zur Erkennung und Abstellung so mancher Schäden den Schlüssel 
bietet. 

II. 

M. H. Der schulärztliche Dienst ist ein Überwachungsdienst: 
irgend eine Form der Behandlung steht dem Schulärzte 
nicht zu. 

So lautete der Grundsatz bei Einführung unseres Systems, 
und dieser Grundsatz gilt auch heute noch bei der Mehrzahl der 
Schulhygieniker als Axiom. Und dennoch ist derselbe sowohl theo¬ 
retischen Erwägungen gegenüber als zufolge praktischer Über¬ 
schreitungen bedenklich ins Wanken geraten. Besonders Lieben¬ 
mann (Budapest, und Richter (Remscheid) waren es, welche auf 
dem 1. Internationalen Schulhygienekongress energisch für Behand¬ 
lung erkrankter Schüler bezw. Schülerinnen eintraten, ohne frei¬ 
lich mit ihren Ansichten besonders Schule gemacht zu haben, viel¬ 
leicht aus dem Grunde, weil die Forderung der Schülerbehandlung 
ganz allgemein, ohne die nötige präzise Abgrenzung, gestellt wurde* 
Liebermann fordert die Behandlung, ausgehend von dem Grund¬ 
sätze, dass der Staat, der das Kind in die Schule zwinge, aueli 
die Pflicht habe, für Abstellung aller gesundheitlichen Schädigungen 
Fürsorge zu treffen, welche der Jugend durch die Schule erwüchsen. 
Nun ist bekannt, dass wir Schulärzte schon seit langem und mit 
wahrem Eifer den theoretischen Kampf kämpfen gegen eine Reihe 
der erbittertsten Feinde unserer Schuljugend, mit manchem bemerkens¬ 
werten Erfolge zwar, im grossen aber, um mit statistischem Material 
die Stadtarchive zu beglücken. 

Ich greife nur zwei der nächstliegendeu Sehulplagen heraus, 
die in den Volksschulen geradezu bedenklich verbreitete Pediculosis 


Digitized by CsOOQle 



49 


und die Zalmkaries. Mit Ratschlägen, mündlichen und gedruckten, 
rücken wir diesen Übeln zu Leibe, um immer wieder das Längst¬ 
bekannte zu konstatieren, dass es eben eine ganze Anzahl von 
Kindern gibt, welche daran leiden. Freilich, steter Tropfen höhlt 
den Stein; aber die schier unglaubliche Gleichgiltigkeit und Wursch¬ 
tigkeit (sit venia verbo) gewisser Volksschichten, die in ihren Alltags¬ 
sorgen Kopf lind Zähne, Reinlichkeit und Körperpflege für Lappalien 
halten, verhindert jeden nachhaltigen Erfolg. Will man hier etwas 
erreichen, so muss man dem Volke die Wohltaten der Hygiene 
anfnötigen oder wenigstens auf dem Präsentierteller bieten. Zürich 
stellte denn auch eine besondere Pflegerin für die mit Pediculosis 
behafteten Schulkinder an und Darmstadt und Strassbnrg besitzen 
bereits ihre Schnl-Zahnkliniken. Hier haben wir also schon Schüler¬ 
behandlung im eigentlichen Sinne, offenbar hervorgegangen aus 
der Erfahrung, dass man ohne eine solche nichts wesentliches er¬ 
reicht. Was aber dem Kopf und den Zähnen recht ist, dürfte 
den Augen billig sein. Dass eine grosse Anzahl von Schulkindern 
an Refraktionsanomalieen, katarrhalischen Prozessen der Bindehaut, 
der Lidränder, entzündlichen Veränderungen der Hornhaut leidet, 
ist eine bekannte Tatsache. Ebenso ist bekannt, dass eine Reihe 
von Schülern, durch den Schularzt auf ihr Leiden aufmerksam 
gemacht, bei einem Arzte wenn auch oft nach langem Zögern und 
auf Umwegen mancherlei Art Hülfe sucht und findet. Unbekannt 
darf aber nicht bleiben, dass ein grosser Teil mit Erkrankungen 
oft schwerster Art (ich erinnere nur an die Mittelohreiterungen > 
hülflos bleibt, entweder durch Vernachlässigung oder Leichtsinn 
der Eltern oder auch infolge absoluter Notlage. Der Weg zum 
Armenarzt ist nicht immer gangbar und wird erfahrungsgemäss von 
vielen auch notorisch Armen verschmäht. Ich könnte weiter gehen 
und an die vielen Veränderungen in Hals, Nase, Rachen, Ohr er¬ 
innern, um mit ähnlichen Erfahrungen aufzuwarten. 

Man hat nun diese Lücke in der hygienischen Versorgung 
der Schulkinder wohl eingesehen, sowohl seitens der Pädagogen 
als der Ärzte, und schüchterne Ratschläge sind bereits hier und da 
gemacht. Poetter wirft in einem längeren Artikel »1902, Zeitsehr. 
für Schulgesundheitspflege) die Frage auf, wie der Nichtbefolgung 
ärztlicher Ratschläge, über welche er zahleninässig quittiert, in der 
Folge zu begegnen sei und erinnert an die Polikliniken der Gress¬ 
städte, die Krankenkassen, Armenverbände mit einem zaghaften 
Appell an die öffentliche Wohltätigkeit. — Ich gehe hierüber hin¬ 
weg, obgleich m. E. in diesem Hinweis eine Verkennung der an¬ 
gezogenen Verhältnisse liegt. — Indem Poetter sodann auf die 
Schwierigkeit der Beschaffung verordneter Heilmittel (Brillen, Ban¬ 
dagen, Medikamente) übergeht, sagt er: „Als weitere Konsequenz 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jalirg. 4 


Digitized by 


Google 



der Untersuchungen stellt sich die Notwendigkeit heraus, die kränk¬ 
lich befundenen Kinder im Auge zu behalten, eventuell nachzu¬ 
untersuchen, bis das Übel, soweit möglich, behoben bezw. gebessert 
ist.“ Ganz richtig und zugegeben! Aber dennoch ist mir un¬ 
verständlich, wie durch Untersuchungen, und mögen sie noch 
so oft angestellt werden, eine Besserung oder Heilung zu er¬ 
möglichen ist. Nur Behandlung kann hier zum Ziele führen. 
Diese aber ist nicht überall oder, sagen wir besser, nicht einmal in 
den meisten Fällen soweit es sich um die Volksschule handelt, auf 
dem Wege privater Ärztefürsorge durchzuführen, und ich stehe nicht 
an zu behaupten, dass die hygienischen Bestrebungen zu Gunsten 
der Schuljugend erst dann beginnen namhaftere äussere Erfolge 
zu zeitigen, wenn die notorisch Armen und verwahrlosten 
Kinder, welche infolge ihrer Wohnungs- und Familienverhältnisse 
wohl auch die grössten „Infektionsträger“ darstellen dürften, in 
Zukunft einer frühzeitigen Behandlung entgegengeftihrt werden. 
Armenarzt und Armenfürsorge reichen hier nicht aus. Dem Schul¬ 
arzt muss vielmehr die Möglichkeit geschaffen werden, für 
arme Schulkinder überall da behandelnd tätig zu sein, 
wo auf anderem Wege eine Behandlung nicht durch¬ 
zusetzen, und es müssten die Mittel für etwa erforder¬ 
liche Verordnungen auf irgend einem Wege unentgeltlich 
bereit gestellt werden. Vor allem käme hier natürlich in 
Betracht: ambulante Behandlung und die Möglichkeit erleichterter 
oder direkter Überweisung an die Krankenanstalten zu unentgeltlicher 
Behandlung. Hierdurch würde manche Infektionsquelle, die unter 
den derzeitigen Verhältnissen lustig weiter sprudelt, versiegen und 
es würde neben dem hygienischen Zwecke auch für die Volks¬ 
schule das sozial Gute erwachsen, dass dem stets sich mehrenden 
Fortzug der besseren Elemente Einhalt getan und so das Niveau 
der Volksschule möglichst vor dem Sinken bewahrt bliebe. Alle 
anderen Wege aber würden verfehlt sein; zumal der Hinweis auf 
Polikliniken und unentgeltliche Spezialistenbehandlung würde die 
berechtigte Kritik namentlich seitens des Ärztestandes herausfordern. 

M. H. Unter diesem Gesichtswinkel gewinnt auch eine andere 
Frage, welche bereits vielfach diskutiert wurde, eine audere Be¬ 
deutung, ich meine die Frage nach der Anstellung besonderer 
Spezialisten, insbesondere zunächst der Schul-Augenärzte. 

Wie H. Cohn z. Z. mit seiner Forderung der Schulärzte immer 
und immer wieder auf dem Plaue war, so fordert er jetzt mit aller 
Entschiedenheit den Schul-Augenarzt. Und mit Recht! schon aus 
dem Grunde, weil die Augencrkrankungen mit das grösste Kontingent 
unter allen Schulerkrankungcn stellen. Das Bedürfnis, für die 
Gesundung der Augen der lernenden Jugend zu sorgen, ist ein 


Digitized by v^ooQle 



51 


grosses, ebenso gross sind die Bestrebungen, Abhtilfe zu schaffen. 
Aber H. Cohn gesteht selbst, dass trotz aller Verbesserung der 
Lichtverhältnisse durch Photometrie, trotz aller Verbesserungen der 
Schulbank und der Druckschrift ein Zurtickgehen der Refraktions- 
anomalieen nicht stattgefunden bat. Das gibt doch in der Tat 
zu denken und beweist, dass unsere bisherige Fürsorge für die 
Augen noch nicht als eine genügende zu bezeichnen ist. Es ist nun 
leicht zu ersehen, dass die üblichen Massenuntersuchungen mittels 
Cohnscher Gabel, Heymannscher Sehtafel etc. wesentlich nur auf 
die Bestimmung der Sehschärfe hinauslaufen, ohne Rücksicht 
auf den Grad der Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit oder gar der kom¬ 
plizierteren Verhältnisse des Astigmatismus; und letzteres ist doch 
-das ungleich wichtigere. Die nun folgende Benachrichtigung der 
Eltern hat den Effekt, dass eine gewisse Anzahl den Augenarzt 
zu Rate ziehen. Ich selbst aber kann bezeugen, dass eine ganze 
Reihe nach wiederholten Ermahnungen und der Aufforderung, im 
Falle des Unvermögens, auf dem Wege der Armenuntersttitzung 
für geeignete Abhtilfe (durch Gläser etc.) zu sorgen, mit oft schweren 
Formen von Augenanomalien sich weiter quälen muss. Also der 
Schul-Augenarzt ist nötig. Aber auch hier bleibt bestehen, was ich 
oben bereits entwickelte, es muss dafür gesorgt werden, dass 
•derselbe Erkrankungen nicht nur feststellt, denn damit sind wir 
erst den halben Weg gegangen, sondern auch da, wo es Not tut, 
Verordnungen trifft, und dass für die Beschaffung der erforderlichen 
Heilmittel Sorge getragen wird. 

Dass natürlich Kautelen geschaffen werden müssen, um Miss¬ 
brauchen vorzubeugen, bedarf nur der Erwähnung, und es liegt 
kein Grund vor, an der relativen Leichtigkeit dieser Aufgabe zu 
zweifeln. 

Sollen die schulärztlichen Untersuchungen und Anordnungen 
ungestört und exakt vorgenommen werden können, so muss dem 
Arzte ein hierzu geeigneter Raum zur Verfügung stehen. Häusliche 
Untersuchungen sind zu vermeiden, damit der Schein jeder privat¬ 
ärztlichen Tätigkeit vermieden wird. Wenn man aber die herrlichen 
Schulneubauten und -Paläste betrachtet und mit innerer Freude 
sieht, wie dieselben von Jahr zu Jahr an äusserer Formschönheit 
und innerer Vervollkommnung fortschreiten, so darf doch auch 
wohl die angeborene Bescheidenheit des Arztes einmal die Frage 
wagen: Sollten denn von all den geräumigen mächtigen Hallen 
nicht ein paar Quadratmeter Luft und Raum für ein einfach und 
zweckmässig herzurichtendes ärztliches Sprech- und Untersuchungs¬ 
kabinett zu erübrigen sein ? Man sollte meinen : diese Frage stellen 
hiesse sie beantworten. Durch Einrichtung eines solchen Raumes 
müssten die Untersuchungen an Genauigkeit und Schärfe bedeutend 


Digitized by 


Google 



52 


gewinnen, kleinere nötig dünkende ärztliche Verrichtungen könnten 
sozusagen unter der Hand ohne Aufbietung eines grösseren Apparates^ 
erledigt werden, der Schulunterricht endlich würde vor mannig¬ 
fachen z. Z. nicht zu vermeidenden Störungen bewahrt sein. 

III. 

M. H. Zu den noch erübrigenden Punkten muss und kann 
ich mich kurz fassen. Denn die einheitliche Regelung des schul¬ 
ärztlichen Dienstes ist grösstenteils eine so interne Angelegenheit 
der Schulärzte, dass sie hier kaum interessieren möchte, weshalb 
ich mir Vorbehalte, an anderer Stelle darauf zurückzukoramen. 
Dasselbe, freilich in geringerem Masse, gilt von der schulärztlichen 
Organisation, unter welcher wesentlich der engere Zusammenschluss 
der Schulärzte in den einzelnen Kommunen und auch der weitere, 
umfassendere zu provinziellen oder territorial anders abgegrenzten 
Vereinen zu fassen wäre. Auch hier mag es genügen, die un¬ 
bedingte Notwendigkeit derartigen Zusammenwirkens betont zu 
haben, durch das allein ein regerer Gedankenaustausch und die so 
notwendige Diskussion schwebender Fragen und damit auch eine 
grössere Fruchtbarkeit auf schulhygienischem Gebiete zu erhoffen 
ist. Dadurch würde dann auch die Lösung der Frage nach dem 
Ob und Wie der Ausdehnung des Schularztsystems auf die mittleren^ 
eventuell höheren Schulen uäher gerückt sein, eine Frage, die für 
die Mittelschulen unbedingt in bejahendem Sinne und zwar gemäss 
den für die Volksschulen massgebenden Normen zu entscheiden 
wäre. Für die Gymnasien, Realgymnasien u. a. sind indes andere 
Gesichtspunkte massgebend, insofern hier der Schularzt als Schüler¬ 
arzt nur wenig iu Betracht käme, wegen der Grundverschiedenheit 
der Schttlerqualität (vergl. Roller in der Zeitschr. für Schul¬ 
gesundheitspflege, 1901), während die Gebäude- und Unterrichts¬ 
hygiene, ich möchte fast sagen, in noch höherem Masse schulärztliches 
Auge und schulärztlichen Massstab verlangt als für die Volksschulen. 

M. H. Schulhygiene ohne Arzt ist nicht denkbar. Meine 
Ausführungen aber, für welche ich mir auch in manchen Punkten 
der Beweisführung äusserste Einschränkung habe auferlegen müssen 
wegen der Kürze der mir zu Gebote stehenden Zeit, dürften gezeigt 
haben, dass dem ärztlichen Element sicher nicht ein zu weit gehender 
Einfluss eingeräumt ist. Das Gegenteil davon ist die Wahrheit. 
Es ist jedoch zu erhoffen, dass auch hier die Entwickelung keinen 
Stillstand zu verzeichnen haben wird — an der Arbeit der Schul¬ 
ärzte soll es dabei nicht fehlen —; dann nun wird der Schularzt 
in dem wahrhaft erhebenden Berufe aufgehen können, der gedeih¬ 
lichen Entwickelung und Gesundung der kommenden Generationen 
zu dienen. 


Digitized by 


Google 



53 


Der Vorsitzende dankt auch diesem Redner für den sehr an¬ 
regenden Vortrag, eröffnet die Diskussion darüber und bittet, sich 
wegen der vorgerückten Zeit möglichst kurz zu fassen. Nach einer 
Mitteilung des Stadtarztes Dr. Schrakamp in Düsseldorf über die 
dortigen praktischen Schularzt-Einrichtungen beantragt Dr. Selter- 
Solingen, da keine völlige Klärung über die Frage, wie sich die 
Versammlung im ganzen zu der Sache stelle, die Schularztfrage 
demnächst nochmals auf die Tagesordnung einer General-Versamm¬ 
lung zu stellen. 

Der Vorsitzende schloss dann die Versammlung mit herzlichen 
Dankesworten für die Referenten, für die Stadt Gladbach und ihren 
Oberbürgermeister. 

Die Teilnehmer folgten hierauf einer Einladung des Ober¬ 
bürgermeisters Piecq zur Besichtigung einiger städtischen Anstalten 
und Anlagen. Die Kläranlagen, die Badeanstalt, das Nahrungsmittel¬ 
untersuchungsamt und die neue städtische Milchsterilisierungsanstalt 
wurden einer eingehenden Besichtigung unterzogen. 

Oberbürgermeister Piecq bemerkte dazu, dass die gerade ani 
Vormittag erfolgte Eröffnung der Milchsterilisierungsanstalt durch 
diesen Besuch erst die richtige Weihe erhalte. Die Anwesenden 
sprachen sich über die praktischen Einrichtungen und die peinliche 
Sauberkeit in der Anstalt anerkennend aus, ja, man kann sagen, 
dass die Anstalt bei den Besuchern, die zum grössten Teil Fach¬ 
leute waren, Aufsehen erregten. Von verschiedenen Seiten wurde 
betont, dass M.-Gladbach die erste Stadt in Deutschland ist, welche 
in dieser Weise für eine einwandfreie Säuglingsnahrung sorgt. Die 
Anstalt sei für andere Städte vorbildlich. 

Weitere Einrichtungen konnten leider wegen vorgeschrittener 
Zeit nicht besichtigt werden. 

Das darauf folgende Festmahl nahm unter gleich reger Be¬ 
teiligung einen schönen Verlauf und bildete einen angenehmen Ab¬ 
schluss der Versammlung. 


Digitized by 


Google 



54 


Kleine Mitteilangen. 

Bekämpfung der Kindersterblichkeit im Reg.-Bez. Aachen. 

Der Herr Regierungs-Präsident von Hartmann in Aachem 
übersendet nachstehende Übersicht über das, was im laufenden 
Jahre zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Regierungs¬ 
bezirk Aachen geschehen ist. 

Die Massnahmen, die zur Herabminderung der Säuglingssterb¬ 
lichkeit im hiesigen Bezirke getroffen worden sind, wurden im 
laufenden Jahre weiter gefördert und teilweise in erfreulicher 
Weise erweitert und ausgedehnt; teilweise sind solche Massregeln 
immerhin bestimmter ins Auge gefasst worden. 

I, Beschaffung guter Säuglingsmilch. 

1. Stadt Düren. Die bereits im Jahre 1903 gegründete 
Veranstaltung ist auch im laufenden Jahre durchgeführt worden. 
Es besteht ein Komite zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, 
dem es gelungen ist, die Aufmerksamkeit und die tatkräftige Unter¬ 
stützung weitester Kreise zu gewinnen; die städtische Verwaltung 
hatte sich sofort beteiligt. Da die Ergebnisse der Milchversorgung 
so zufriedenstellend sind, wird die Einrichtung wohl zu einer dau¬ 
ernden werden, sei es, dass sie eine eigene feste Gestaltung erhält, 
sei es, dass sie einer bestehenden Anstalt angegliedert wird. Es sind 
dieserhalb bereits seit einiger Zeit Verhandlungen im Gange. Da 
die Unkosten infolge der grösseren Inanspruchnahme stiegen, hat 
die Stadt in Aussicht genommen, ihren Zuschuss von 1000 auf 
1500 Mk. zu erhöhen und ausserdem einen Teilbetrag von 750 Mk. 
eines Legates zur Verfügung zu stellen. Der freiwillige Armenverein 
hat statt 600 Mk. jetzt 1000 Mk. beigetragen; aus freiwilligen Gaben 
standen etwa 2000 Mk. zur Verfügung. Die Milch wurde bisher 
als sogenannte Backhausmilch bezogen, in vier Sorten, deren Preis 
8 bis 15 Pfg. betrug, in Einzelportionen von 50—200 Gramm; das 
Liter kostete durchschnittlich 75 Pfg., worauf allerdings 30 v. H^ 
Nachlass gewährt wurde. Es wird jetzt erwogen, andere Milch zu 
beziehen und die Sterilisierung derselben selbst zu übernehmen. 

Die Zahl der versorgten Kinder betrug 


im 

Juni 

1903 

. . . . 12 (im Beginn), 

V 

Juli 

7) 

täglich . 30 

7) 

August 

?? 

„ • 84 

n 

September 

7) 

„ • 94 


Digitized by v^ooQle 



ßie fiel dann bis März 1904 auf 16 und erhöhte sich im Sommer 1904 
wieder auf 60—80 täglich. 

Anfang November werden die kräftigen Kinder von der Ver¬ 
sorgung ausgeschlossen, während die schwächeren nach Erfordernis 
weiter teilnehmen. Ebenso werden während des Winters auch nur 
der Milchversorgung wirklich bedürftige Kinder neu zugelassen. 

Die Mitwirkung der Armenpflegerinnen und anderer Damen 
der Stadt hat sich als so segensreich erwiesen, dass sie den 
Wünschen der Ärzte entsprechend noch möglichst ausgedehnt werden 
soll. Die Tätigkeit der Damen hat sich namentlich nach folgenden 
Richtungen bewährt: sie überwachen die Säuglinge, die Behandlung 
der überwiesenen Milch und ihren Verbrauch; sie wirken erziehlich 
auf den Reinlichkeitssinn und zwar bezüglich der Körperpflege 
ebenso wie der Säuberung der Wohnungen u. s. w. 

Die Säuglinge werden in bestimmten Fristen in dem Saale 
des freiwilligen Armenvereins in Gegenwart der Aufsichtsdamen 
ärztlich untersucht. 

Um die richtige Milchversorgung der Säuglinge schon von 
Anfang an zu sichern, werden jetzt die Namen der Neugeborenen 
armer Familien dem Komitö vom Standesamte mitgeteilt. Die be¬ 
treffende Aufsichtsdame besucht alsdann sofort die Wöchnerin und 
hält sie nach Möglichkeit zum Selbststillen an; sie bewilligt ihr 
dazu die Verabreichung von Suppe und Milch aus der Vereinsküche; 
erforderlichenfalls wird auch die Pflege der Wöchnerin durch die 
Wochenbettpflegerin des Vaterländischen Frauenvereins besorgt; 
insbesondere veranlasst die Dame noch, dass schwächlichen Kindern 
ärztliche Behandlung zuteil werde und — falls die Mutter nicht zu 
stillen vermag — ihnen die nötige Milch zukomme. 

Um die gesamten Milchverhältnisse der Stadt zu bessern, soll 
demnächst ausser der regelmässigen Markt- und Handelskontrolle 
eine fortlaufende Beaufsichtigung der Ställe und Milchabgabestellen 
stattfinden. Die bisher eingeleitete erstmalige Revision durch den 
Kreistierarzt hat fast überall zu polizeilichen Auflagen geführt. 

Die Verhältnisse des Milchverkehrs und der Versorgung der 
Kinder und Säuglinge mit guter Milch gehen mithin in der Stadt 
Düren einer so zielbewussten und alles umfassenden Ausgestaltung 
entgegen, dass sie bald vorbildlich werden dürften. 

2. Stadt Malmedy. Infolge der grossen Schwierigkeiten, 
namentlich betreffs der Geldbeschaffung, sind die Pläne, die bereits 
1903 ernstlich erwogen wurden, erst mit dem 1. Februar 1904 
ausgeführt worden. Der Zweigverein des Vaterländischen Frauen¬ 
vereins hat unter Beteiligung der städtischen Armenverwaltung hier 
ebenfalls eine Milchversorgungsanstalt für Säuglinge errichtet und 
in Betrieb gesetzt. Sie wird von dem genannten Verein beaufsichtigt; 


Digitized by v^ooQle 



56 


sie befindet sich in einem Raume der früheren Mädchenschule. Die 
Milch wird teilweise gegen Zahlung des ganzen oder halben Selbst¬ 
kostenpreises, grösstenteils aber unentgeltlich verabfolgt. Die Zahl 
der Kinder betrug anfangs zehn, späterhin 17 täglich; im ganzen 
waren bis zum 1. Oktober 27 Kinder unter 1 Jahre mit sterilisierter 
Milch versorgt worden. Die Milch wird nach ärztlichen Vorschriften 
und nur in Einzelgaben verabfolgt, je zu 6—8 Fläschchen täglich; 
im ganzen waren es in 9 Monaten 1945 einzelne Gaben. 

Der Sterilisierapparat von Trimpe in Magdeburg ist für 
250 Flaschen eingerichtet. In demselben Raume befindet sich noch 
eine Kinderwage, womit die Gewichtsverhältnisse der Kinder von 
Zeit zu Zeit festgestellt werden. Die Milch wird von einem dortigen 
Landwirt geliefert; ihr Fettgehalt wird täglich bestimmt. 

Dem ordnuugsmässigen Betriebe stellten sich anfänglich noch 
Schwierigkeiten insofern entgegen, als von einzelnen Familien die 
Vorschriften über Abholen und Aufbewahrung der Milch, Reinigung 
der Flaschen u. s. w. nicht immer streng beobachtet wurden; hierin 
hat sich aber eine erfreuliche Besserung bemerkbar gemacht. Auch 
hier geht offenbar von der Anstalt ein erziehlicher Einfluss auf die 
gesundheitlichen Anschauungen und Betätigungen der Bevöl¬ 
kerung aus. 

3. Landkreis Aachen. An die arme Bevölkerung wird 
von einzelnen Gemeinden unentgeltlich gute Milch verabreicht. 

4. Kreis Düren. In einzelnen Gemeinden ist die Einrichtung 
getroffen, dass den Hebammen der Auftrag erteilt ist, dafür Sorge zu 
tragen, dass, falls eine Wöchnerin nicht selbst stillt, regelmässig ein 
Arzt zugezogen wird. Bei den armen Wöchnerinnen, welche nicht oder 
doch nicht genügend stillen können, wird der Gemeindearzt zuge¬ 
zogen. Für den Säugling wird alsdann auf Rechnung der Ge¬ 
meinde von einem zuverlässigen Ackersmann gute Kuhmilch ge¬ 
liefert, und die Hebamme überwacht die Wöchnerinnen insbesondere 
darauf, dass die Milch in entsprechender Verdünnung und nur abge¬ 
kocht verabfolgt wird, dass Kessel, Milchflaschen und Sauger stets 
gründlich gereinigt werden u. s. w. 

5. Auch im Kreise Erkelenz wird den ärmeren Leuten 
gute Milch zur Ernährung der Säuglinge beschafft. 

In der Stadt Erkelenz hat es der Oberpfarrer im Verein 
mit den Mitgliedern des Elisabeth- und Frauenvereins übernommen, 
den armen Wöchnerinnen durch Vermittlung des Krankenhauses 
entprechende Nahrung zukommen zu lassen, sei es gegen eine 
kleine Entschädigung, sei es unentgeltlich. 

I a. Auf dem Gebiete der Milchversorgung ist weiterhin 
folgendes geplant oder auch in Vorbereitung: 

1. Stadt Aachen. Es sind mit dem Pächter des der Stadt ge* 


Digitized by 


Google 



57 


hörenden Gates im Siisterfelde Verhandlungen dahin eingeleitet 
worden, dass dort möglichst einwandfreie Milch produziert werde, 
um sie an Unbemittelte zu billigen Preisen verabfolgen zu lassen. 
Ausserdem soll eine dauernde Aufsicht über die Verwendung der 
Milch eingerichtet werden ähnlich der Kontrolle, wie sie in Frank¬ 
reich und Belgien in den sogenannten laiteries materneiles üblich 
ist. Der Vaterländische Frauenverein hat sich der städtischen Ver¬ 
waltung gegenüber bereit erklärt, hieran mitzuwirken. 

2. In der Stadt Eschweiler haben eingehende Verhand¬ 
lungen der Gesundheitskommission das Ergebnis gehabt, dass be¬ 
schlossen wurde, eine städtische Sterilisieranstalt zu errichten; es 
soll hier Milchproduzenten, Händlern und Konsumenten Gelegenheit 
geboten werden, Milch sterilisieren zu lassen. Die Einzelheiten 
sind weiterer Beschlussfassung Vorbehalten. 

3. In der Stadt Eupen wird geplant, eine Kindermilch¬ 
anstalt einzurichten, sobald die pekuniären Grundlagen beschafft 
sein werden. Dieserhalb soll bei der nächsten Etatsaufstellung 
ein jährlicher Kredit von Seiten der Stadt beantragt werden. 
Ausserdem haben die Vorstände der dortigen Krieger vereine be¬ 
schlossen, einen Teil des Überschusses, der von im laufenden Monat 
stattfindenden Kriegerfestspielen erwartet wird, für diesen Zweck 
zur Verfügung zu stellen. Auch in Eupen sollen Armenpflegerinnen 
beschäftigt werden. 

4. In Stollberg ist versucht worden, eine Einrichtung zur 
Beschaffung von Kindermilch zu billigen Preisen zu treffen. Die 
Pläne gingen dahin, dass die Schwestern, die in dem Hospitale 
sind, die Säuglingsmilch zubereiteten und abgäben; man musste 
hiervon aber Abstand nehmen, als den Schwestern die Genehmigung 
zur Übernahme dieser Tätigkeit von der Generaloberin versagt 
wurde. Es wird nunmehr ein anderer Weg gesucht. 

II. Förderung der Ziegenzucht. 

Von den Bestrebungen auf dem Gebiete, dem kleinen Manne 
die Anschaffung guter Ziegen zu ermöglichen und die Zucht dieses 
Milchviehes zu fördern, seien folgende erwähnt: 

1. Im Landkreise Aachen ist die Ziegenzucht durch Unter¬ 
stützung des Kreises und auch einzelner Gemeinden mit gutem 
Erfolge wesentlich gefördert worden. 

2. Düren. Die Kreisverwaltung hat in Gemeinschaft mit 
der Lokalabteilung des landwirtschaftlichen Vereins systematisch 
und unter Aufwendung erheblicher Mittel auf die Ausdehnung und 
Verbesserung der Ziegenzucht hingewirkt; die Zahl der Ziegen hat 
infolgedessen hier in den letzten Jahren um etwa 1000 zugenommen. 

3. Der Kreis Erkelenz ist hierin seit 1898 tätig gewesen; 


Digitized by v^ooQle 



es sind bereits 88 Saanentiere (Böcke, Lämmer und Ziegen) slu& 
der Schweiz bezogen worden; der Kreis hat beim Verkauf etwa 
1770 Mk. zugesetzt. 

4. Im Kreise Geilenkirchen sind Verhandlungen mit dem 
Direktor der Lokalabteilung des landwirtschaftlichen Vereins einge¬ 
leitet worden. In Gang eit ist bereits ein Ziegenzuchtverein 
erstanden. 

5. Kreis Heinsberg. Auch hier wird seit 1903 vom 
Kreise eine Summe zur Beschaffung guter Rasseziegen zur Verfügung" 
gestellt. 

6. Kreis Schleiden. Die Ausbreitung der Ziegenzucht¬ 
vereine und die durch Zuschüsse ermöglichte Beschaffung von 
Ziegen aus Saanen haben viele arme Familien in Stand gesetzt,, 
sich gute IVlilch zu beschaffen. 

III. Verteilung gedruckter Merkblätter mit Lehren 
für die Mütter. 

Die Verteilung derartiger Merkblätter, auf denen die Not¬ 
wendigkeit des Selbststillens an erster Stelle betont wird, erfolgt 
in den meisten Kreisen auf dem Standesamt bei der Anmeldung 
der Geburt; so im Landkreise Aachen in den Städten Eschweiler 
und Stolberg und in sämtlichen Landgemeinden; hier sind die 
Blätter auch den Ärzten und Hebammen übergeben, um erforder¬ 
lichenfalls bei ihren Besuchen noch ein Stück aushändigen zu 
können. Der Kreisausschuss in Düren hat 3000 Stück bezogen 
und den Standesämtern zugestellt. In den übrigen Kreisen — ab¬ 
gesehen von Jülich — sind es ebenfalls alle oder doch die meisten 
Bürgermeistereien, die diesen Weg betreten haben. 

IV. Besondere Massnahmen der Hebammen. 

Unter I, 4 ist bereits angegeben, wie in einigen Gemeinden 
des Kreises Düren die Hebammen zur tätigen Unterstützung der 
Bestrebungen herangezogen werden. 

Die Hebammen werden ferner überall bei Gelegenheit der 
Vereinsversammlungen u. s. w. daran erinnert, dieser Frage dauernd 
ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. 

In den Kreisen Eupen, Jülich, Montjoie und Schleiden sind 
sie ausserdem gehalten, in ihrem Tagebuche anzugeben, ob die 
Mütter selbst gestillt haben, gegebenenfalls warum nicht. 

In Eschweiler hat die Gesundheitskommission beschlossen,, 
das Formular, das bei der obligatorischen Leichenschau zur ärzt¬ 
lichen Bescheinigung dient, abzuändern, d. i. dahin zu vervollstän¬ 
digen, dass eine neue Frage eingefügt werde: 

,,11. Bei Todesfall von Säuglingen an Brechdurchfall: 


Digitized by t^ooQle 



59 


Ist Muttermilch, sterilisierte oder nicht sterilisierte Milch ver¬ 
wandt worden?“ 

In der Stadt Aachen schweben zurzeit ebenfalls Verhand¬ 
lungen, die eine mehrfache Erweiterung des bisherigen Formulars 
betreffen. Auch hier sollen mehrere Fragen bezw. Unterfragen 
bezwecken, dass die Ursache des Todes von Säuglingen möglichst 
einwandfrei klargestellt werde. 

Dies ist wohl als eine höchst bedeutungsvolle Massregel zu 
begrüssen; die zifferraässigen Feststellungen längerer Beobachtungs¬ 
reihen werden für alle Schritte auf diesem Gebiete eine wertvolle 
Unterlage bieten. 

V. Erfolge der Massnahmen. 

Wenn auch die Bestrebungen, die Säuglingssterblichkeit 
herabzumindern, im hiesigen Bezirke erst im Jahre 1903 ange¬ 
fangen haben, und die bisherigen Beobachtungen demgemäss erst 
wenig umfangreich sind und ihrem Werte nach vielleicht zweifel¬ 
haft sein mögen, so sind die Erfahrungen doch derartig, dass sie 
einer Wiedergabe wert sind. Die allgemeinen Eindrücke und Ur¬ 
teile, es hätten die Sterbefälle bereits abgenommen, kommen, so 
richtig sie sein mögen, nicht in betracht; von Wert sind nur die 
genaueren Feststellungen, wie sie an den unter I, 1 und 2 ge¬ 
nannten, bestens eingerichteten und unter steter, sorgfältiger Auf¬ 
sicht von bestimmten Ärzten geleiteten eigentlichen Milchversor¬ 
gungsanstalten gemacht worden sind. 

1. Düren. Im Jahre 1903 sind von den überhaupt mit 
Milch versorgten 150 Kindern nur 10 gestorben ; hiervon gehen 
fünf ab, die von vornherein keine Aussicht auf Erfolg boten oder 
nur ganz kurze Zeit von der Milch erhalten haben; zwei andere 
Todesfälle fanden darin eine genügende Erklärung, dass die Mütter 
den Säuglingen entweder nur einen Teil der guten Milch oder 
aber daneben auch schlechte Milch verabfolgt hatten. Nur bei 
drei Todesfällen hat sich nicht nachweisen lassen, dass ein der¬ 
artiger Fehler unterlaufen war. 

Im laufenden Jahre sind einige Kinder gestorben, die bereits 
totkrank waren, als sie der Milchbeschaffung überwiesen wurden; 
sie fanden lediglich aus dem Grunde noch Zulassung, dass die An¬ 
stalt nicht in den Verdacht der Hartherzigkeit geriete. Von allen 
übrigen Kindern ist k e i n s an Magendarmkrankheiten gestorben, 
Einige Fälle von vorübergehender Darmstörung waren meistens auf 
nachweisbare vorschriftswidrige Behandlung der gelieferten Milch 
zurückzuführen. 

Der Kreisarzt machte hierzu noch folgende Angaben. Es hat 


Digitized by 


Google 



60 


die Sterblichkeit im ersten Lebensjahr innerhalb des Stadtbezirk» 
Düren auf 100 Lebendgeburten betragen: 

ehelich unehelich 
im Jahre 1901 .... 24,0 51,5 

„ „ 1902 ... . 21,2 50,0 

„ „ 1903 .... 19,9 31,0 

Es wird hierzu bemerkt, dass die Ziffern des Jahres 1902 
auf dem Lande wie in der Stadt gleichmässig günstig waren, und 
die Ziffern für’s Land 1903 wieder gestiegen sind. Wenn dieselben 
für den Stadtbezirk weiter gesunken sind, so ist hierfür ein 
lediglich in der Stadt vorhandener begünstigender Umstand zu 
suchen. Es liegt mindestens nahe, hierbei an die Milchver¬ 
sorgungsanstalt zu denken. 

2. M a 1 m e d v. Der Kreizarzt weist darauf hin, dass die 
Zahl der versorgten Kinder zu gering sei, als dass sich schon aus 
der Kindersterblichkeit der Stadt ein sicherer Einfluss der Milcli- 
anstalt erkennen lassen könne. Im einzelnen dagegen sei von einem 
günstigen Erfolge bereits jetzt zu reden. Die Milch würde im 
allgemeinen gut vertragen und von den Kindern gern genommen. 
Es sind ferner in den heissen Monaten, soweit dem Kreisärzte be¬ 
kannt geworden ist, bei den mit der Anstaltsinilch genährten 
Kindern weder heftigere Darmkatarrhe noch gar Todesfälle vor¬ 
gekommen. Auch der Landrat bestätigt, dass die bisherigen Err 
fahrangen gut sind. 


Das Säuglingsheim zu Dresden. 

Unser Zeitalter hat die Heil Wissenschaft und die von ihr be¬ 
gründeten Lehren auf einem unaufhaltsamen Siegeszuge gesehen. 
Es werden allwärts Wohlfahrtseinrichtungen geschaffen, von denen 
unsere Vorfahren sich nichts hätten träumen lassen. So ist (seit 
zehnjährigem Bestehen in ermieteten Räumen) zu Anfang d. J. 
eine Anstalt in Dresden eröffnet worden, deren edler Zweck einem 
ganz besonderen Akt der Nächstenliebe geweiht ist: der Pflege 
des Säuglings in gesunden und kranken Tagen. Uralt wie das 
Menschengeschlecht sind auch die Lehren und Winke für Mutter 
und Kind; zu allen Zeiten gab es kundige Frauen, die sich die 
Pflege der zartesten Menschenblüten zur Lebensaufgabe gemacht 
haben, oft unter Hinzuziehung wunderlicher, abergläubischer Miss¬ 
bräuche, die sich in ihren letzten Spuren bis in die Gegenwart 
verfolgen lassen. Trotz der aufklärenden Leuchtkraft moderner 
Bildung herrschen auf dem Gebiete der Kindererziehung leider in 
allen Kreisen hin und wieder Unkenntnis und Vorurteile, die das 
Wohl unserer Allerkleinsten durchaus nicht fördern. Man* denke 


Digitized by 


Google 



61 


nur an die Obhut halbwüchsiger Schulmädchen, unzuverlässiger 
Dienstpersonen oder schwacher, alter Frauen, die bei den Kindern 
zur Aufsicht bleiben sollen! 

Das „Dresdener Säuglingsheim“ bildet Kinderpflege rinnen in 
allen theoretischen und praktischen Kenntnissen, besonders am 
Krankenbett der Kleinen in wahrhaft vorzüglichem Lehrgang aus. 
Eine Anstalt, die jederzeit nahezu 50 Patienten, im Jahre ca. 500 
solcher Säuglinge beherbergt, bietet hierzu ein reiches, vielseitiges 
Lehrmaterial. Überdies ist dem Institut eine Poliklinik ungegliedert, 
in welcher Kinder bis zu 14 Jahren, unbemittelte kostenlos Hilfe 
finden. Dem dirigierenden Arzte, Prof. Dr. Schlossmann, dem 
chirurgischen Mediziner, stehen iür die Behandlung von Krankheiten 
der Augen, der Ohren und der Nase, des Zahnwuchses, der Haut 
und der Nerven vier Spezialärzte und ein Assistent zur Seite. 
Im chemischen Laboratorium arbeitet ein akademischer Fachmann 
mit Hilfe einer Dame als Assistenz. Die Poliklinik hat eine jährl. 
Frequenz von 6000 Fällen zu verzeichnen, viele davon, z. B. nach 
Operationen werden nachträglich klinisch, d. h. im Krankenbett der 
Anstalt gepflegt. Doch ausser kranken Kindern finden auch 
schwächliche, zu früh geborene und einer sorgfältigen Ernährung 
bedürftige hier Aufnahme. Deshalb nimmt die Anstalt jederzeit 
12 Ammen in Anspruch und vermittelt deren Dienstleistung, ebenso 
wie die der Pflegerinnen für Privathäuser nach auswärts. Die 
Kontrolle über den Gesundheitszustand der Ammen ist die denkbar 
vollkommenste. Gleich beim Eintritt in die Anstalt hat sich eine 
jede der Wohltat eines Bades zu erfreuen, auch wird sie auf das 
Genaueste gewogen. Neu aufgenoramene Säuglinge werden diesen 
beiden Maassregeln übrigens auch sofort unterzogen. Ebenso 
werden sie täglich sechsmal, nach jeder Füttermahlzeit, gewogen. 
Das Quantum einer solchen Mahlzeit beträgt etwa 150 Gramm 
Voll- oder verdünnte Milch, „Niederländische Milch“, d. i. keim¬ 
freie abgekochte Buttermilch, ferner mit Zusätzen von Sahne, Milch¬ 
zucker, Theinhardtschem Nährpulver u. s. w. Sogar für Kinder, 
welche der Amme anvertraut sind, bereitet die Zentrifuge aus 
dieser natürlichen Nahrung ein Sahnenprodukt, das bei schwäch¬ 
lichen Patienten mit Erfolg verwendet wurde. 

Mit frischer Luft und hellem Licht ist in den freundlichen 
Räumen nirgends gespart, besonders die Krankenzimmer bieten 
zu vollkommenster Ventilation um so mehr Gelegenheit, als das 
Haus nach 4 Seiten freiliegt und mit grossen Balkons versehen 
ist. Die letzteren kommen dem Pflegepersonal wie auch den 
kleinen Patienten in jeder Jahreszeit zu gute. Selbst jetzt noch, 
im späten Herbst, werden die Bettchen täglich, wenn es die 
Witterung zulässt, von 11—3 Uhr, oft auch länger, ins Freie 


Digitized by 


Google 



62 


gestellt, natürlich treu behütet von den aufopfernden gewissenhaften 
Schwestern. Auch in allen übrigen Maassnahmen der Oberleitung 
offenbart sich der Zweck, die Kinder gelinde abzuhärten und 
nicht in allzu warmen Steckkissen und Betten zu verweichlichen, 
wie sie leider so manche Familie noch für nötig hält. Sogar ein 
kräftiger Durchzug frischer Luft, allerdings nicht ohne sorgfältige 
Bedeckung aller Patienten mit Laken, führt zu den glücklichsten 
Heilresultaten. Besonders schwächliche und zu früh erschienene 
Weltbürger bewohnen bisweilen tagelang, wohl auch mehrere 
Wochen hindurch die „Couveuse 44 , den „Wärmeschrank 4 * oder, wie 
es der Volksmund nennt, den „Kiuderbrut-Apparat“. Während 
das Normalgewicht eines gesunden Neugeborenen etwa 3500 gr 
beträgt, sind der Anstalt auch schon kleine Wesen von 1000 oder 
1200 gr zugewiesen worden. Bei solchem kläglichen Körpergewicht 
wäre ein Gedeihen ohne das Pflegen im „Wärmeschrank“ nicht 
zu denken. In diesen Glashäuschen werden die Schützlinge bei 
einer Temperatur von gleichmässig 30 Grad, die allerschwächsten so¬ 
gar bei 33 Grad Celsius erhalten, bis ihre Lebensfähigkeit gesichert 
erscheint. Daneben kann auch zu gewissen Zeiten der Aufenthalt 
im Bett ermöglicht werden und eine kräftigende Milchnahrung 
verordnet sein. Die Wärmeschränke werden mit Gas geheizt und 
eine sinnreiche Vorrichtung macht durch verdunstendes Wasser 
die Luft der kleinen Lunge zuträglich. Einer von diesen Apparaten 
wird elektrisch erwärmt und ist mit einem Lichtbad kombiniert. 
Die Weltfirma Knoke & Dressier, Dresden, hat mit der Lieferung 
dieser, wie überhaupt aller hygienischen Einrichtungen der ganzen 
Anstalt etwas Mustergiltiges geschaffen. Mit aufrichtiger Be¬ 
wunderung betritt der Beschauer die Krankenzimmer im zweiten 
Stock, wo z. Z. 47 solcher kleiner Pfleglinge und Patienten liegen. 
Mit Spitzen, Tüllgardinen, Himmelbcttchen und blau-rosa Schleifchen 
sind diese Betten zwar nicht geziert, aber jede verständige Mutter 
kann hier unendlich viel wichtiges für ihr eigenes Heim lernen. 
Tatsächlich macht die Anstalt bei Rückgabe der als geheilt Ent¬ 
lassenen den Eltern manche Mitteilung über vernunftgemässe Pflege 
des Kindes und wirkt so recht eigentlich auch mit zur Belehrung, 
fast möchten wir sagen „Erziehung 44 der jungen Mütter. 

Einer Ansteckungsgefahr ist durch die denkbar grösste Um¬ 
sicht in idealster Vollkommenheit vorgebeugt. Unter dem Bettchen 
jedes Kindes ist dessen Badewanne und Seifennapf, daneben der 
luftdicht verschlossene Windeleimer. An der Wand auf einem 
Glasbrett stehen seine Toiletten-Utensilien. Puderstreubüchse etc. 
und das Reinigungsbesteck für Augen, Mund und Ohren, ferner 
Thermometer und Schüsselchen für die Füttermahlzeiten, sowie 
das Fläschchen mit genau bezcichneter Aufschrift über Zusammen- 


Digitized by 


Google 



63 


Setzung der Milchnahrung auf farbig unterschiedener Etiquette. 
Alles das ist, konform der Nummer des Bettchens, nur für diesen 
-einen Patienten bestimmt. Ein Vertauschen der Geräte ist aus¬ 
geschlossen. Überdies wird alles sorgfältig desinfiziert. Für 
medizinische Bäder, Kräuterabkochung u. Einläufe aller Art be¬ 
steht ein gesonderter Baderaum. 

Mit einiger Verwunderung und angenehmer Überraschung 
-empfindet der Besucher die allgemeine Ruhe und Artigkeit der 
winzigen Spitalbewohner. Wenn in manchen Familien schon 
-ein einziger Kindermund bei Tag und Nacht zu lautem Klage¬ 
geschrei sich öffnet, so wäre man vielleichl geneigt, gewaltigen 
Lärm vorauszusetzen in einem Hause, wo gegen 50 kleine Wesen 
untergebracht sind, noch obendrein schwere Operationen und 
orthopädische Massregeln vorgenommen werden. Wenn trotzdem 
die matten Gesichtchen ruhig und mit Geduld, bei der Rekon¬ 
valeszenz sogar mit offenbarer Heiterkeit in die Welt schauen, 
so stellt das der ärztlichen Oberleitung und der Arbeitsfreudigkeit 
des gesamten Pflegepersonals ein ehrenvolles Zeugnis aus. So lesen 
wir denn auch im Treppenhause den edeln und gehaltreichen Wahl¬ 
spruch: „In der treuen Pflichterfüllung jedes einzelnen liegt die 
Gewähr für das Wohl der Gesamtheit“. Im Hauptsaale der Klinik, 
wo 15 Betten aufgestellt sind, steht das Bibelwort geschrieben, 
Evang. Matth. 18, V. 10: „Sehet zu, dass ihr nicht jemand von 
diesen Kleinen verachtet!“ So manche verzweifelte Mutter wird 
hoffnungsfreudig hier die Überzeugung gewinnen, dass ihr geliebtes 
Kind in kranken Tagen nicht besser gepflegt werden kann, als bei 
•den treuen Schwestern im „Säuglingsheim“. Die Pflegekosten be¬ 
tragen in 4. Klasse, die aber nur den nachweislich Unbemittelten 
gewährt wird, 1,50 Mk. pro Tag. Bei Krankenkassenmitgliedern 
zahlt die Ortskrankenkasse noch 60 Pfg. hinzu, so dass die geringe 
Summe von 90 Pfg. bleibt. Für die allerärmsten Mütter ist jede 
•Zahlung auch für Operationen erlassen. Hier entrichtet das städ¬ 
tische Armenamt 1,10 Mk. pro Tag. Besser begüterte und wohl¬ 
habende Kreise haben in 3. bis 1. Klasse die Wahl zwischen täg¬ 
lichen Pflegekosten von 3, 6 und 10 Mk., bei Anwendung des 
Wärmeschrankes täglich noch 1 Mk. mehr. Die Zuweisung einer 
individuell zum Kinde passenden Amme erfolgt unter strengster 
Ärztlicher Aufsicht auch nach auswärts. Ebenso ist der Milch¬ 
versand in Portionsfläschchen, sterilisiert und abgekocht zu 10 Pfg. 
in die Wohnung ein vielbegehrtes Erleichteruugsmittel häuslicher 
Kinderpflege. Die musterhaft eingerichtete, mit allen technischen 
Apparaten versehene Milchküche verarbeitet für den Bedarf im 
Hause wie für den Versand täglich über 250 Liter Vollmilch. Von 
strahlender Reinlichkeit und zweckmässigster Anordnung, wie dieser 


Digitized by 


Google 



64 


Kaum, sind auch alle übrigen. Im Erdgeschoss sind Poliklinik r 
Operationssaal und chemisches Laboratorium, im 1. Stock die Warte - 
und Sprechzimmer des dirigierenden Arztes und der Frau Oberin 
nebst dem Sekretariat, ferner die Aufenthaltsräume für 22 Schwe¬ 
stern, bezw. für die 12 Ammen, wo diese ihre Mahlzeiten ein¬ 
nehmen und den Feierabend behaglich geniessen. Nirgends waltet 
Luxus, doch überall freundliche Helle und wohnliche Sauberkeit. 
Stammhafte Eichenmöbel zeigen ein behagliches Graugrün, alle 
Tische sind mit hübschen Decken belegt, die Wände in lichten 
Farben gehalten und alle Räume elektrisch erleuchtet. Im dritten 
Stock sind W T olin- und Schlafräume für die Schwestern und eben¬ 
solche Räume für Ammen und Dienstpersonal. Schwere Arbeiten 
und überhaupt Nebenbeschäftigungen im Wirtschaftsbetrieb werden 
den Schwestern in keiner Weise zugemutet; ihre ganze Kraft in 
theoretischer und praktischer Hinsicht bleibt also der Kinderpflege 
erhalten. Von den Elevinnen wird höhere Töchterschulbildung 
verlangt, da der Lehrgang ganz bedeutende Ansprüche an das 
Fassungsvermögen der jungen Damen stellt. 

Im Erdgeschoss sind neben der Hausmannswohnung und den 
Zentralheizanlangen besonders die Waschküche und eine umfang¬ 
reich angelegte Dampfwaschanstalt interessant. Die Spülung und 
Reinigung, das Trocknen und die Bearbeitung mittels der Dreh¬ 
mangel, alles geht mit Dampf und macht sogar das Aufbängen 
der Wäsche überflüssig, da in dem Gewebe nach beendeter Wäsche 
kein Tropfen Wasser mehr enthalten ist. In diesem Waschraum 
werden ausser all den andern grossen Leinenstücken täglich allein 
1500 Windeln gesäubert. Im Souterrain befinden sich auch die 
Desinfektionsriiume und Lagerkeller' für Milchzucker, chemische 
Nährpräparate etc. Das gesamte Personal der Anstalt zählt 57 
Kräfte: Den Oberarzt (Prof. Dr. Schlossmann) mit 4 Spezialärzten, 

1 Assistenten und einer Frauenärztin, die Frau Oberin mit 22 
Schwestern und 2 Pflegerinnen, 12 Ammen, 11 Dienstpersonen 
und einen Milchträger. Das Dresdener „Säuglingsheim“ hat in 
seinem Fremdenbuche als Besucher medizinische Autoritäten aller¬ 
ersten Ranges von Weltruf eingezeichnet. Die Träger der Wissen¬ 
schaft und Pioniere der öffentlichen Wohlfahrt aus allen Kultur¬ 
staaten, auch jenseits des Ozeans haben mit aufrichtiger An¬ 
erkennung sich überzeugen können, dass unsere sächsische Residenz 
in diesem „Säuglingsheim“ eine Musteranstalt von höchster Be¬ 
deutung geschaffen hat, der Mitwelt zur Freude und Hoffnung, 
den kommenden Generationen zum Heil und immer wachsendem 
Segen und Wohlergehen. Fr. von Haefen. 


Digitized by 


Google 



65 


Der erste Allgemeine Deutsche Wohnungskongress 

fand vom 16. bis 19. Oktober vor. Js. in Frankfurt a. M. statt. 
Über seinen Verlauf können wir leider nur mit sehr gemischten 
Gefühlen berichten. Nach dem vor Jahresfrist von den vorbereiten¬ 
den Vereinigungen versandten Aufruf wurde die Hoffnung aus¬ 
gesprochen: „dass der Kongress einen kräftigen Ruck nach vorwärts 
in der Richtung bedeuten wird, die Wohnungsreform allmählich 
auf die der Grösse ihrer Aufgabe allein entsprechende Höhe eines 
grossen organischen Gesamtvorgehens aller zuständigen Stellen, 
von Reich, Einzelstaaten, Gemeinden, Selbsthilfe u. s. w. zu heben.“ 
Heute kann man im Zweifel darüber sein, ob der Kongress den 
Fortschritten einer Wohnungsreform in Deutschland genützt oder 
geschadet hat. Es sei daher verstattet, einige kritische Bemerkungen 
zum Gesamtverlaufe zu machen, eine ausführliche Wiedergabe der 
Verhandlungen wird demnächst im Verlage von Vandenhoeck und 
Ruprecht in Göttingen erscheinen. 

Die Vorbedingung für das Gelingen eines derartigen Kon¬ 
gresses, von dem man das Ausgehen fruchtbringender Impulse 
erhofft, ist eine gewisse einheitliche Grundstimmung der Versammlung, 
die — unbeschadet von Meinungsdifferenzen über Mittel und Wege — 
auf ein gemeinsames Gesamtziel hinaus will. Hieran haperte es 
zunächst. Man wollte möglichst weitherzig seine Arme öffnen für 
alle, die mittagen wollten. Das ist schön und gut. Dass man 
darin aber so weit ging, auch solchen Kreisen die Tür zu öffnen, 
deren grundsätzliche Gegnerschaft gegen alle Wohnungsreform¬ 
bestrebungen bekannt ist und die schärfsten Formen angenommen 
hat, musste dem Kongress verhängnisvoll werden und ihm den 
billigen Spott der sozialdemokratischen Teilnehmer eintragen, dass 
von einer Sozialreform auf dem Boden unserer heutigen Gesellschafts¬ 
verhältnisse nichts zu erhoffen sei. Oder hatte man auf den Takt 
vertraut, der die Teilnahme an einem Kongresse, zu dessen Grund¬ 
tendenz man in innerem Widerspruch steht, nur gestatten sollte 
zur eigenen Information, allenfalls auch zur ruhigen sachlichen 
Darbietung des abweichenden Standpunktes, hatte man auf den 
Takt vertraut, der es verbietet, auf einem solchen Kongresse mit 
geschlossener Truppe aufzumarschieren und durch provozierendes 
Verhalten „Radau in die Bude“ zu bringen, so hatte man — auch 
das ist betrübend verzeichnen zu müssen — das Taktgefühl weiter 
Kreise zu hoch eingeschätzt. 

Bot schon die Zusammensetzung der etvya tausendköptigen 
Versammlung genug „latente Spannungen“, so fehlte es gerade 
noch, dass der erste Verhandlungstag mit einem Referate begann, 
das auf eine Verneinung der inneren Berechtigung des ganzen 

Ccntralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 5 


Digitized by CsOOQie 



66 


Kongresses hinauslief. Prof. Pohle von der jungen Frankfurter 
Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften hatte es über¬ 
nommen, mit einem Vortrage über „die tatsächliche Entwickelung 
der Wohnungsverhältnisse in Deutschland in den letzten Jahrzehnten“ 
die wissenschaftliche Arbeit eines Kongresses einzuleiten, auf dem 
sich „die gesamten Anhänger und Freunde der Wohnungsreform 
in ganz Deutschland zusammenfinden“ sollten, um der Wohnungs¬ 
reform „einen kräftigen Ruck nach vorwärts“ zu geben. Nach 
den grosszügigen Ausführungen, mit denen Prof. Fuchs-Freiburg 
sich der gleichen Aufgabe auf der Münchener Versammlung des 
Deutschen Vereins für Sozialpolitik 1901 und auf dem Internationalen 
Wohnungskongress 1902 in Düsseldorf entledigt hatte, nach dem 
reichhaltigen Material, das zwischenzeitig hinzugekommen, — es sei 
nur an die zweibändigen Schilderungen des Reichstagsabgeordneten 
Jäger-Speyer und die Veröffentlichung des Reichsamts des Innern 
erinnert — durfte man auf eine informatorische Übersicht grossen 
Stils hoffen. Nicht nur hierin bot Prof. Pohle eine Enttäuschung, 
er verblüffte die Versammlung mit der immer deutlicher aus seinen 
Ausführungen hervortretenden Gesamtauffassung, dass es mit den 
WohnungsVerhältnissen nicht schlechter, sondern besser geworden, 
dass das freie Spiel der Kräfte genügt habe, den Riesenanforderungen 
auf dem Wohnungsgebiet zu genügen, man solle dieses freie Spiel 
der Kräfte nur ruhig weitergewähren lassen, es werde dann auch 
weiter alles gut gehen. Das war, um mit der Frankfurter Zeitung 
zu reden, schon mehr als ein „Zwischenfall“, das war ein „Eklat“. 
„Man darf es ruhig aussprechen, dass das Referat Pohles nicht 
hätte gehalten werden dürfen. Man kann dies sagen, ohne die 
Meinungsfreiheit irgendwie einschränken zu wollen. Prof. Pohle 
mag über die Wohnungsfrage denken, was er will, und er mag 
es aussprechen, wann und wo er will, aber einen Kongress, der 
Zusammentritt, um die Wohnungsreform zu betreiben, mit einem 
Vortrag eröffnen, der besagt, dass diese Wohnungsreform eigentlich 
nicht nötig sei — ein solches Verhalten ist dem Kongress gegen¬ 
über illoyal. Wenn das Organisationskomitee es unterlassen hat, 
Herrn Prof. Pohle über seinen Vortrag vorher zu befragen, so 
hätte er selber dem Komitee sagen müssen, er könne das Referat 
nicht übernehmen, da er nach seine Überzeugung einen Vortrag 
halten müsse, der darauf ausgeht, den Ast abzusägen, auf dem 
der Kongress sitzt.“ 

Kein Wunder, wenn der streitlustige Führer des Zentral¬ 
verbandes der städtischen Haus- und Grundbesitzervereine, Herr 
Baumeister Hartwig-Dresden, ob dieser „richtigen und korrekten 
Darlegung der Sache“ jubilierte und „Hallelujah“ rief. Kein Wunder, 
wenn sein Aufruf „zum Kampf gegen das verschuldete Wohnungs- 


Digitized by 


Google 



67 


«elend bei mangelnder sittlichen Qualifikation einzelner Mieter, als 
da sind: Spiel, Trunk, Lust nach Frauenzimmern, Verwendung von 
Geldern für Streikkassen“, die anwesenden Vertreter des Arbeiter- 
Standes aufreizte und dazu verleitete, in den Protesten den an¬ 
geschlagenen Ton weiter zu verschärfen, so dass es zeitweise zu 
unwürdigen, von persönlichen Invektiven durchzogenen Lärmszenen 
kam. Kein Wunder, wenn eine unbehagliche Stimmung alle die 
-ergriff, denen es um die Weiterbringung der Wohnungsfrage ernst¬ 
lich zu tun ist und diese Stimmung keine rechte Arbeitsfreude an 
den weiteren Verhandlungen mehr aufkommen liess, mochten diese 
auch im einzelnen noch recht viel Gutes bringen. Verdorben war 
auch der weitere Verlauf für den, der sich die unfruchtbaren Dis¬ 
kussionen gerne geschenkt und zu den ihn interessierenden Referaten 
mit Frische wieder eingefunden hätte, hielt er nicht einfach durch 
dick und dünn durch, so riskierte er, gerade das, was er gern gehört 
hätte, zu verpassen, so erging es Schreiber dieses mit dem Referate 
Sinzheimers. Das Niveau des ganzen Kongresses war zu sehr 
bergab geglitten, die Stimmung war zu gereizt, der Anmeldungen 
zum Wort waren zu viele, als dass man sich von den weiteren 
Verhandlungen noch versprechen konnte, dass viel dabei herauskam. 
Wir bedauern insbesondere, dass darunter eine allseitige und genügend 
sachliche Behandlung der vielen Fragen, die der preussische 
W T ohnungsgesetzentwurf bietet, leiden musste. 

Ein Trost mag es sein, wenn auch ein schwacher, dass der 
so wenig befriedigende Kongress mit einer Veranstaltung abschloss, 
die auf der Höhe stand und ihren Zweck, weiteren Kreisen Ver¬ 
ständnis und Stimmung für die Wohnungsfrage zu vermitteln, glänzend 
erfüllte. Das war die grosse Volksversammlung am Abend des 18. 
Dr. Franz Oppenheimer-Berlin und Prof. Neisser-Frankfurt sprachen 
über Wohnungsfrage und Volkskrankheiten in leichtfasslicher, über¬ 
zeugender und eindrucksvoller Weise. Da diese Ausführungen 
auf Gebieten lagen, die den besonderen Zwecken dieser Zeitschrift 
angehören, erscheint ein näheres Eingehen am Platze, das einer 
eigenen Besprechung nach Erscheinen des offiziellen Kongressberichtes 
Vorbehalten sei. Nachdem dann noch Gonser-Berlin, Generalsekretär 
des Deutschen Vereins gegen den Missbrauch geistiger Getränke» 
über den Alkoholismus in seiner Beziehung zur Wohnungsfrage, 
gesprochen, kam der Höhepunkt des ganzen Kongresses in den 
Reden des Dominikaner-Paters Dalmatius und des Pfarrers a. D. 
Naumann ti^er Wohnungsfrage und Familie. Um „sich annähernd 
eine Vorstellung vom Auftreten des Dominikaners zu machen “ 
exemplifiziert Lujo Brentano ip einer Besprechung des Wohnungs¬ 
kongresses in der Freistatt auf das Auftreten der Eysoldt in der 
Elektra, „und doch trat gleichzeitig der gewaltige Unterschied 


Digitized by v^ooQle 



68 


zwischen den vom Sprechenden im Augenblicke selbst erzeugtem 
Gedanken und Worten und dem bloss nachgesprochenen und nach¬ 
empfundenen zu Tage.“ Wir wurden bei dem Auftreten des 
Dominikaners vor dieser gemischten, nur zum kleinsten Teil aus 
seinen Glaubensgenossen zusammengesetzten Versammlung mit seiner 
erschütternd eindringlichen Aufrüttelung des sozialen Pflichtgefühls 
der besser gestellten Klassen unwillkürlich an Bilder Savonarolas 
erinnert. Nach solchem Vorredner war es keine Kleinigkeit für 
Dr. Naumann, in elfter Abendstunde noch die hochgespannte Stimmung 
zu erhalten. Dass ihm dies vollauf gelungen, stellt seiner glänzen¬ 
den Volksberedtsamkeit kein geringes Zeugnis aus. Erleichtert 
konnte man nach Hause gehen, dass der Kongress wenigstens eine 
durchschlagende Kundgebung gezeitigt. „Es war — um mit den 
Worten Lujo Brentanos zu schliessen — ein glänzender Sonnen¬ 
untergang nach trübseligem Tage. Wäre so der Sonnenaufgang 
gewesen, hätte der Kongress mit den Reden des P. Dalmatius und 
Naumanns begonnen, statt zu enden, der Verlauf wäre ein anderer 
gewesen.“ B. Schilling, Stadtbauinspektor*Köln. 


Die öffentliche Gesundheitspflege in Gelsenkirchen. Der Pro¬ 
zess gegen das Gelsenkirchener Wasserwerk ist jetzt endlich — 
drei Jahre nach der Typhusepidemie, die ihn veranlasst hat — zu 
Ende geführt worden. Es läge nahe, vom Standpunkt der öffent¬ 
lichen Gesundheitspflege, daran einige Betrachtungen zu knüpfen. 
Wir verschieben das auf später, ^vollen aber heute eine Forderung der 
Gerechtigkeit erfüllen, indem wir einen Vertreter der Stadt Gelsen¬ 
kirchen, deren hygienische Verhältnisse von seiten eines der Sach¬ 
verständigen im Prozess eine sehr harte Beurteilung erfahren haben, 
zu Worte kommen lassen. Um so lieber tun wir das, als die 
folgenden Ausführungen einen nicht uninteressanten Beitrag zur 
Geschichte der Gesundheitspflege im Industriegebiet darstellen. 

Nach dem Protokoll der Stadtverordnetenversammlung zu 
Gelsenkirchen vom 1. Dezember 1904 nahm der Vorsitzende vor 
Eintritt in die Tagesordnung das Wort zu folgenden Ausführungen: 

„In dem Strafverfahren, das sich soeben vor dem Landgericht 
Essen gegen die Direktoren des Wasserwerkes für das nördliche 
westfälische Kohlenrevier abgespielt bat, hat Professor Emmerich 
ein Gutachten erstattet, das meines Erachtens in unserer Versamm¬ 
lung nicht unerörtert bleiben kann. 

Herr Emmerich hat in seinem schriftlichen Gutachten gesagt: 

„Ich habe die hygienischen Verhältnisse in Neapel, Palermo 
„und Konstantiaopel während der in diesen Städten 1884, 1886 
„und 1895 herrschenden Choleraepidemien untersucht und dabei 


Digitized by 


Google 



69 


„habe ich sehr schlimme sanitäre Zustände gesehen, namentlich 
„in Konstantinopel, wo ich in Begleitung eines persönlichen 
„Adjutanten Sr. Majestät des Sultans die Cholerahäuser, Kasernen 
„u. s. w. besuchte; ich kenne ferner sehr genau die hygienischen 
„Verhältnisse in Oporto, Lissabon, Funchal auf Madeira, ferner 
„jene in Marseille, in Sofia und in vielen anderen Städten — 
„aber so grauenhafte und barbarische Zustände in Bezug auf 
„Hausabwässer, Fäkalien und Müllbeseitigung, wie in Gelsen- 
„kirchen und einen so enormen Grad der Bodenverunreinigung, 
„wie in dieser Stadt, habe ich nirgends gefunden. Nach Rück¬ 
sprache mit viel gereisten Kollegen kann ich sagen, dass man 
„schlimmere und bedenklichere Zustände, wie jene in Gelsen- 
„kirchen, auch in den schmutzigsten Städten und Ortschaften 
„der Welt nicht leicht wieder finden wird“ 

*ind weiter im Anschluss an eine Schilderung der Schlachtstätten 
in München: 

„In Gelsenkirchen und Umgebung sind diese Verhältnisse noch 
„viel schlimmer. Ich habe z. B. in Schalke den Hof einer Metz¬ 
gerei gesehen, in welchem der Darmkot der geschlachteten 
„Tiere und allerlei Schlachtabfälle herumlagen und eine Blut¬ 
lache auf dem Boden stand. In der Grube nebenan waren 
„grosse Massen von stinkenden Schlachtabfällen und in deren 
„Umgebung Rattenkot an mehreren Stellen. Die zahlreichen 
„Schlächtereien, welche im Jahre 1901 in Gelsenkirchen, Schalke, 
„Ueckendorf, Wattenscheid, Wanne etc. vorhanden waren, sind 
„noch in anderer Beziehung geeignet, die Entstehung und Ver¬ 
breitung von Typhus zu befördern. Blut von Schlachttieren, 
„welches in den Boden sickert, ist ein ausgezeichnetes Nähr- 
„mittel für Typhusbazillen“. 

In seinem mündlichen Gutachten endlich hat Herr Emmerich 
folgendes ausgeführt: 

„Die verseuchten Orte hatten alle keine Müll- und Kehricbt- 
„abfuhr. Er habe ganze Hofräume gefunden, die einen halben 
„Meter mit Kehrichtinhalt aufgehöht waren. In diesem Keh¬ 
richt lagen die scheusslicbsten Dinge. Wenn man das bezweifeln 
„sollte, so würde er die Verteidigung bitten, eine Besichtigung 
„zu veranlassen. Man werde dann Zustände finden, so scbeuss- 
„lich, dass sie die beste diplomatische Seife nicht rein waschen 
„könnte. In Schalke und anderen Orten habe er Zustände ge¬ 
bunden, wie er sie in der ganzen Welt noch nie gefunden habe. 
„Er übertreibe nicht, und möchte diese Tatsache mit Donner¬ 
stimme ins Land rufen, damit es überall gehört werde, und 
„auch zum Reichstag und an die Stufen des Thrones dringe. 
„Man sollte in einem Lande, in dem so reiche Schätze gewonnen 


Digitized by 


Google 



70 


„werden, auch etwas Geld darauf verwenden, dass die Mortalitäts- 
„Verhältnisse günstiger werden, damit die Menschenmassen, die 
„des schnöden Mammons wegen hier aus aller Welt zusammen- 
„strömen, nicht unter der Erde durch die Wurmkrankheit und. 
„über der Erde durch die Typhusbazillen dezimiert werden.“ 

M. H.! Die sieben Orte, aus denen am 1. April 1903 die 
jetzige Grossstadt Gelsenkirchen gebildet ist, waren in der ersten 
Hälfte des vorigen Jahrhunderts kleine Ackerbaudörfer mit nur 
wenigen hundert Einwohnern. Von der Mitte des Jahrhunderts 
ab beginnt infolge des einsetzenden Bergbaues ihre überaus schnelle 
Entwickelung. 

Nach der Personenstandsaufnahme im November 1901 hatten 


die damalige Stadt Gelsenkirchen 

... 37 784, 

die 

Gemeinde 

Schalke 

. . . 27 221, 

r, 

n 

Ueckendorf 

. . . 22 080, 

r> 

71 

Bismarck . 

. . . 21697, 

7) 

T) 

Bulmke 

. . . 11589, 

n 

TI 

Hüllen . . 

. . . 6 719, 

r> 

7) 

Hessler . . 

. . . 6 061, 


und nach der diesjährigen Personenstandsaufnahme hat die jetzige 
Stadt 142 519 Einwohner. 

Gelsenkirchen ist landschaftlich durchaus nicht bevorzugt und' 
hat, das kann, und wird niemand leugnen, vollkommen das Äussere 
einer schnell gewachsenen Industriestadt. Aber darum ist Gelsen¬ 
kirchen durchaus nicht die schmutzige Stadt, als welche Professor 
Emmerich sie in teilweise geradezu falschen Behauptungen hin¬ 
gestellt hat. 

Die Bebauung der Stadt ist in ihrer Anlehnung an die ver¬ 
schiedenen Arbeitsstätten, wie Zechen u. s. w. teilweise verstreut, 
aber nirgends ungeregelt, sondern überall nach geordneten Be¬ 
bauungsplänen und Bauordnungen in genügend breiten, vielfach 
mit — insgesamt über 12000 Stück — Bäumen bepflanzten Strassen r 
ohne Gassen und Gässchen, unter völliger Vermeidung von Keller¬ 
wohnungen und Hinterhäusern und vielfacher Darbietungen von 
Gärten — namentlich in den Arbeiterkolonien — erfolgt. 

In allen geschlossen bebauten Teilen der Stadt besteht eine 
geordnete Strassenreinigung. Das Oberverwaltungsgericht hat hin¬ 
sichtlich der alten Stadt und der früheren Gemeinde Ueckendorf 
Gelegenheit gehabt, sogar auszusprechen, dass durch Observanz 
eine Reinigungspflicht der Anlieger entstanden sei. In Alt-Gelsen¬ 
kirchen hat vor 12 Jahren die Stadt die Müll- und Kehrichtabfuhr 
übernommen; ihr sind zunächst Schalke und Ueckendorf, später, 
aber auch noch vor 1901 Bismarck, Bulmke und Hüllen gefolgt.- 
Die ebenfalls eingerichtete Fäkalienabfuhr wird zwar durch Privat- 


Digitized by c^ooQle 






71 


Unternehmer besorgt, ist aber durch Polizei-Verordnungen geregelt. 
Die zahlreichen Schlachtstätten in Alt-Gelsenkirchen und Ueoken- 
dorf sind ein Phantasiegebilde des Herrn Emmerich. Seit 1886 
besteht für Alt-Gelsenkirchen, seit 1897 für Ueckendorf der Schlacht¬ 
hofzwang. Die nicht sehr zahlreichen Schlachtstätten in den übrigen 
Stadtteilen sind sämtlich nach bau- und gewerbepolizeilichen Vor¬ 
schriften angelegt und unterstehen behördlicher Aufsicht. Dass in 
der einen oder anderen Schlächterei Unreinlichkeiten Vorkommen, 
mag sein; aber das ist wohl in der ganzen Welt so und dafür 
kann die Allgemeinheit nicht verantwortlich gemacht werden. 

Das Fehlen landschaftlicher Schönheiten hat die Verwaltung 
sowohl der Stadt, wie des Landkreises Gelsenkirchen und seiner 
Gemeinden zur Anlegung von Volksgärten veranlasst. Solche be¬ 
stehen schon in der alten Stadt Gelsenkirchen in Grösse von 
13 Hektar und in den früheren Gemeinden Ueckendorf in Grösse 
von 7 Hektar, Bismarck in Grösse von 16 Hektar, Bulmke in Grösse 
von 6 Hektar, und kommen in kurzem in den Stadtteilen Schalke 
und Hessler zur Ausführung. Die Anlagekosten der vier ersteren 
Gärten belaufen sich auf mehr als 1 Million Mark, für ihre Aus¬ 
gestaltung und Unterhaltung werden jährlich rund 100000 Mark 
ausgegeben. Zu den städtischen Anlagen tritt noch eine grosse 
Zahl ähnlicher Anlagen von industriellen Werken hinzu. Ausserdem 
darf ich verweisen auf unsere guten, überall auch mit Bäumen 
bepflanzten Schulhöfe und daran anknüpfend einmal für den Fern¬ 
stehenden einen Fingerzeig geben über die hiesige Entwickelung 
und die Art, wie die berufenen Lokalbehörden ihr gerecht geworden 
sind, durch den Hinweis nämlich, dass im Gebiete der Stadt vor 
ihrer Entwickelung vier, jetzt 427 Volksschullehrer und Lehrerinnen 
tätig sind. Im Durchschnitt des ganzen Zeitraumes sind alljährlich 
8 neue Stellen geschaffen und neue Schulklassen gebaut. In den 
letzten Jahren ist die Zahl auf 24 gestiegen. Und das alles ist 
geschehen, ohne dass hierher je eine Zwangsverfügung der Aufsichts¬ 
behörden gelangt ist. 

Um ein anderes Gebiet zu berühren, so möchte ich hinweisen 
auf die vorzüglichen, meist mustergültigen Bade- und sanitären 
Einrichtungen auf allen hiesigen Zechen und anderen Werken. 
Sie stehen weit z. B. über den Einrichtungen in den Staatsbetrieben 
des Saargebietes. Auch die Stadt selbst ist auf diesem Gebiete 
gefolgt. Sie hat in diesem Jahre ihre mit einem Aufwande von 
900000 Mark erbaute Badeanstalt in Betrieb gesetzt. Die Anstalt 
ist mit den vorzüglichsten Einrichtungen, zwei Schwimmhallen, 
Wannen- und Brausebädern ausgestattet, und es ist ein Tarif ein- 
geftihrt, der auch dem Unbemitteltsten die Benutzung der Anstalt 
ermöglicht. 


Digitized by 


Google 



72 


Dass die Gesundheitsverhältnisse im Ganzen keine allzu¬ 
schlechten sind, das zeigt übrigens auch die Sterblichkeitsstatistik. 
Nach der mir vorliegenden Statistik von 53 Städten in Rheinland 
und Westfalen für 1903 steht Gelsenkirchen mit einer Sterblichkeits¬ 
ziffer von 20,2 auf 1000 zwischen Cöln und Koblenz mit je 19,6 
und Münster mit 20,5. Höher sind folgende Ziffern: Bochum 22,2, 
Hamm 22,4, Duisburg21, Oberhausen21,9, Meiderich21, Neuss 24,6, 
Eschweiler 21,1, Kalk 21,4. 

M. H.! In einem müssen wir dem Herrn Professor Emmerich 
zustimmen. Das ist die unglücklich tiefe Lage unseres Geländes. 
Klagen über die ungünstigen Vorflutverhältnisse in der ganzen 
Emscherniederung kennen wir schon aus dem 16. Jahrhundert. 
Sie haben die Gesundheitsverhältnisse in hiesiger Gegend schon 
früher sehr beeinflusst. Vor allem herrschte früher die Malaria. 
Diese Krankheit ist dank den gerade von der Industrie geschaffenen 
Einrichtungen, die uns zudem einen sicheren Schutz gegen die 
Wiederkehr von Überschwemmungen gegeben haben, völlig aus 
unserer Gegend geschwunden. 

Schwierig ist nur noch immer stellenweise infolge der Boden¬ 
senkungen in erhöhtem Masse die Beseitigung der Abwässer. Das 
und das Zusaminenströmen grosser Arbeitsmassen aus allen Teilen 
des Reiches bieten — es wird dies niemand leugnen, er mag es 
mit Pettenkofer oder Koch halten — günstige Gelegenheit für Elin¬ 
schleppung und Verbreitung ansteckender Volkskrankheiten. 

Wenn nun aber Professor Emmerich unter Hinweis darauf 
und unter Aufstellung der schon vorhin als unrichtig bezeichneten 
Behauptungen sagt, er wolle mit Donnerstimme die hiesigen 
Zustände schildern, damit es überall gehört werde und auch zum 
Reichstag und an die Stufen des Thrones dringe; man solle in 
einem Lande, in dem so reiche Schätze gewonnen werden, auch 
etwas Geld darauf verwenden, dass die Mortalitätsverhältnisse 
günstiger werden u. s. w., dann halte ich mich vollkommen be¬ 
rechtigt, diesen schweren Vorwurf, den er gegen unsere Industrie, 
die örtlichen Behörden und die Regierungsaufsichtsbehörden erhebt, 
dass sie über alles das bis auf den heutigen Tag weggesehen, 
nichts getan und, die Industrie sogar aus Eigennutz, ihre Pflichten 
vernachlässigt hätten, mit Entschiedenheit und Entrüstung zurück¬ 
zuweisen. 

M. H.! Aus den vielen durch die Industrie geschaffenen An¬ 
lagen für Abwässerung will ich diejenigen des Schwarzbach Verbandes 
hervorheben. Diesem Verbände gehören nur Bergwerksgesellschaften 
an. Er hat den Schwarzbach, der Vorfluter ist für Alt-Gelsenkirchen, 
Ueckendorf und Teile von Bulmke und Schalke begradigt und ver¬ 
tieft und ihm in der tiefen Talentwässerung einen Seitenkanal 


Digitized by 


Google 



73 


-gegeben. Aufgewendet sind schon mehrere Millionen. Im Anschluss 
m diese Arbeiten ist der südliche und mittlere Teil ( 2 / s ) der alten 
Stadt mit einem Teile von Bulmke 1892/93 und danach der be¬ 
baute TeiJ von Ueckendorf mit einer guten, bestens arbeitenden 
Kanalisation versehen. Auch andere Teile von Bulmke, Bismarck 
und Hüllen sind vor 1901 kanalisiert. Überhaupt sind alle Teile 
der Stadt, deren Verhältnisse die Kanalisation fordern, mit solcher 
versehen, ausgenommen: die frühere Gemeinde Schalke und der 
nördliche Teil der Altstadt. Für diese Gebiete befinden sich Pro¬ 
jekte seit 1895 in Arbeit. Dass sie erst in diesem Jahre genehmigt 
sind und zur Ausführung kommen — Sie haben, m. H., bereits 
als erste Rate mir 1500000 Mk. zur Verfügung gestellt — hat an 
Umständen gelegen, die Ihnen bekannt und in Kürze nicht dar¬ 
zustellen, die aber, das muss ich bemerken, nicht von uns zu ver¬ 
antworten sind. Sehr hinderlich war unter anderem die Gemeinde¬ 
grenze, die am 1. April 1903 gefallen ist, und ein Hauptgrund, 
m. H., aus dem die grosse Vereinigung der sieben Orte betrieben 
und beschlossen ist, war die Erkenntnis, das auf dem Gebiete der 
Abwässerung wirksam nur gemeinsam vorgegangen werden könne, 
und der Wille, dieses gemeinsame Vorgehen zu ermöglichen. 

Eine völlig einwandfreie Entwässerung des gesamten Industrie¬ 
bezirkes kann nur in gemeinsamem Zusammengehen eben des 
ganzen Bezirkes erfolgen, und was ist da geschehen? M. H.! Der 
Bergbau und die übrige Industrie und die Stadt- und Landkreise 
des Emschergebietes haben sich zusammengefunden, sie haben sich 
einmütig entschlossen, die gewaltigen Kosten für eine gemeinsame 
Abwässerung — auf rund 40 Millionen Mark ist die Herstellung 
nur der gemeinschaftlichen Anlagen vorveranscblagt — zu über¬ 
nehmen und haben zur Durchführung ihrer Absichten das Gesetz 
vom 14. Juli 1904 (Gesetz-Sammlung S. 175) erwirkt. M. H.! Das 
redet eine laute Sprache. 

M. H.! Als wir 1901 von der schweren Typhusepidemie be¬ 
troffen wurden, da haben alle Berufenen, Behörden, Ärzte, Kranken¬ 
häuser und die gesamte Bürgerschaft gewetteifert, der Not zu 
steuern und der Seuche Einhalt zu gebieten. Es ist damals alles 
Menschenmögliche geschehen und das gerade in Gelsenkirchen eiD 
schneller Erfolg in Bekämpfung der Epidemie erzielt ist, dass ist 
seinerzeit allseitig, namentlich von dem öfter hier erschienenen 
Herrn Professor Robert Koch und auch an Allerhöchster Stelle 
anerkannt worden. Wir haben uns aber nicht mit der Bekämpfung 
dieser Epidemie begnügt, sondern aus ihr wiederum gelernt, und 
viele segensreiche Einrichtungen in ihrer Folge geschaffen. Lassen 
.Sie mich eins anführen. Am 18. Oktober regte Professor Robert 
Koch die Gründung eines bakteriologischen Instituts zur Bekämpfung 


Digitized by 


Google 



74 


von Volkskrankheiten an, am nächsten Tage schon war sie ge¬ 
sichert und in kürzester Frist hatten die Knappschaft, die Industrie,, 
Kreise und Städte des Emschergebietes die Kosten der ersten Ein¬ 
richtung — etwa 50000 Mark — und die jährlichen Unterhaltungs¬ 
kosten— 40000 Mark — sofort für zunächst fünf Jahre zur Ver¬ 
fügung gestellt. 

Und wie ist es mit der Wurmkrankheit? Wie ein Dieb iir 
der Nacht ist auch diese Krankheit, begünstigt durch die zur* 
Sicherheit und Wohlfahrt der Bergleute eingeführte Berieselung r 
hereingebrochen. Aber auch sie ist erfolgreich bekämpft. Auf 86 
untersuchten Schachtanlagen mit 70000 Mann starker unterirdischer 
Belegschaft sind 13 621 Wurmkranke ermittelt. Diese Zahl ist nach; 
Aufwendung von drei Millionen Mark seitens des Bergbaues inner¬ 
halb nicht eines Jahres auf 3000, also um 73 °/ 0 herabgemindert 
worden. 

M. H.! Sie wissen, dass diese meine Ausführungen, in denen 
ich nur einige wenige unser kommunales Leben betreffende Gegen¬ 
stände berührt habe, mit den wahren Tatsachen übereinstimmen.“ 

Nach unserer eigenen Kenntnis der Dinge möchten wir una 
im wesentlichen dieser Darstellung anschliessen. Man sollte ein¬ 
zelne Vorkommnisse nicht in der Weise, wie Emmerich es getan, 
verallgemeinern. Aber freilich, wenn man der Pettenkoferschen 
Typhustheorie, die in den letzten Zügen liegt, wieder auf die Beine 
helfen will, bleibt logischerweise nichts anders übrig. Damit soll 
natürlich nicht geleugnet sein, dass viele Missstände in Gelsenkirchen, 
wie im ganzen Industriegebiet, vorhanden sind. Man ist aber — dar¬ 
über kann gar kein Zweifel sein — schon seit langer Zeit, nicht 
erst seit der Gelsenkirchener Epidemie, ehrlich — und zum grosser* 
Teil auch mit Erfolg — bestrebt gewesen, sie zu beseitigen. Kr. 


Literaturbericht. 

Nickel, Die Gesundheitspflege auf dem Lande. [Veröff. des Dt sch. 
Vereins f. Volks-Hygiene, Heft VII.] (München u. Berlin, Verlag von 
R. Oldenbourg.) 

Die nur 66 Seiten umfassende Schrift behandelt in knapper, all¬ 
gemeinverständlicher Darstellung das für den Landmann aus der 
Hygiene Wissenswerteste. Eine möglichst grosse Verbreitung unter 
der Landbevölkerung wäre der Schrift sehr zu wünschen; denn 
dadurch könnte manche Menschen- wie Tierkrankheit vermieden^ 
werden. Schneider (Arnsberg). 


Digitized by 


Google 



von Lindheim, Saluti aegrorum. Aufgabe und Bedeutung der 
Krankenpflege im modernen Staat (Leipzig u. Wien 1905. Deuticke.) 

Mit den Fortschritten der Heilkunde und der Ausdehnung 
humanitärer Bestrebungen auf immer weitere Volkskreise hat die 
Krankenfürsorge in den letzten Jahrzehnten eine Ausdehnung und 
Bedeutung gewonnen, von der auch viele der Sache Nahestehenden 
keine richtige Vorstellung haben. Der Verf. hat es unternommen, 
an der Hand genauer statistischer Daten den Umfang der Kranken¬ 
pflege in Oesterreich und Deutschland zu schildern mit bedeutsamen 
Vorschlägen für die Verbesserung und weitere Entwickelung der¬ 
selben. Bei dem Interesse, das der Gegenstand für Ärzte und 
Hygieniker hat, heben wir aus dem Werke, das mit grossem Fleisse 
ausgearbeitet ist, einige Daten hervor. 

In Oesterreich waren im Jahre 1897 604 Krankenanstalten 
mit 41705 Betten, in denen 427 472 Kranke von 6469 Pflege¬ 
personen gepflegt wurden; in Privatpflege waren noch tätig 3560 
Personen; so dass im ganzen 9929 Personen die Krankenpflege 
ausübten; rechnet man von den vielen Ordensgenossenschaften, die 
neben anderen Beschäftigungen auch noch zeitweise der Pflege sich 
widmen, noch etwa 5000 hinzu, so ergäbe sich eine Summe von 
15000 Pflegepersonen. 

Viel günstiger liegen die Verhältnisse im Deutschen Reich; 
es gab dort im Jahre 1900 6300 Krankenanstalten mit 370 000 
Betten und im ganzen an 40 000 Pflegepersonen; eine Zahl, die von 
keiner andern Nation erreicht wird. 

Die Gesundheitsverhältnisse der Ärzte und der Pflegepersonen 
hat L. von Oesterreich genau untersucht und festgestellt, dass bei 
den Ärzten die Sterblichkeit keine grössere ist, als bei andern 
Berufen, die häufigste Todesursache sind Herz- und Gefässkrank- 
heiten. Bei den Krankenpflegern sind die Genossenschaften kon¬ 
fessioneller Natur, besonders die katholischen Schwestern, sehr viel¬ 
fach der Tuberkulose ausgesetzt, 66,20°/ 0 gehen daran zugrunde; 
nicht, wie Verf. ausdrücklich hervorhebt, weil die Ansteckungs¬ 
gefahr bei der Pflege so gross ist, sondern weil sich darunter viele 
schwächliche und hereditär Belastete finden, die den Anstrengungen 
des Dienstes nicht gewachsen sind. Die Ansteckungsgefahr bei 
Tuberkulose schlägt er überhaupt gering an und beweist das durch 
eine Anzahl von Sterbestatistiken aus solchen Kurorten, in denen 
schon seit Jahrzehnten eine stärkere Anhäufung Tuberkulöser statt¬ 
findet (Davos, Soden etc.). In den Schlusskapiteln finden sich 
beherzigenswerte Vorschläge, wie der Pflegedienst zu reformieren 
und organisieren ist, um ein geschultes und ausdauerndes Pflege¬ 
personal zu erhalten. 


Digitized by t^ooQle 



76 


Das Werk ist für jeden, der sich mit Krankenpflege beschäftigt, 
eine reiche Fundgrube zur Informierung und Belehrung. 

Hochhaus (Köln). 

Hecker, Verleihanstalten von Gegens tAnden zur Krankenpflege 

(Schriften des Vereins vom Koten Kreuz, Heft 3.] (Berlin, C. Heymanns 
Verlag.) 

Der Verf. schildert seine Gründung einer Verleih-Anstalt von 
Gegenständen zur Krankenpflege in Weissenburg i. E. Er hat sie sogar 
mit einer Bücherei verbunden. Wir erfahren dabei, dass es solche 
Anstalten, d. h. ohne Bücherei, in der Schweiz schon seit 100 Jahren 
gibt. So nützlich sie auch sein mögen, so bedürfen sie doch einer 
sehr sorgfältigen Überwachung, um nicht zur Verbreitung der In¬ 
fektionskrankheiten beizutragen. Schneider (Arnsberg). 

Hoffmann, Ein neues KlArverfahren für städtische Abwässer mit 
gleichzeitiger Fettgewinnung. (Gesundheit 1904, Nr. 16.) 

Es handelt sieh um das Verfahren von Chr. Kremer, welches 
in dieser Zeitschrift bereits besprochen wurde. Die Wirkung des 
Verfahrens ist inzwischen eingehender geprüft worden. Kremer 
bedient sich zur Abwasserklärung eines 5 m langen, 3 m breiten 
und 2 m hohen Kastens, der so eingerichtet ist, dass das ihn 
durchfliesseude Wasser gezwungen wird, mehrfach auf- und abzu¬ 
steigen. Die Schwebestoffe setzen sich im Kasten ab und zwar 
die schweren Teile am Boden, das Fett an der Oberfläche. Wenn 
nur eine gewisse Klärwirkung erzielt werden soll, kann das Wasser 
den Apparat uunterbrochen durchfliessen, ist aber eine durchgreifende 
Reinigung erforderlich, so muss der „intermittierende Betrieb“ ein- 
treten, d. h. das Wasser wird mit Unterbrechungen von etwa 
10 Minuten eingeleitet, damit sich in den Ruhepausen die Schwebe¬ 
stoffe vollständiger absetzen können. Aus Berliner Abwasser 
wurden bei ununterbrochenem Betriebe 19,4 °/ 0 , bei unterbrochenem 
Betriebe 74,2—69,7—92,6 °/ 0 der suspendierten organischen Stoffe 
ausgeschieden. 

Aus 1 cbm Abwasser setzen sich im Winter 300—500 g als 
Fettschicht ab. Die Fettschicht enthielt 81—86 °/ 0 Wasser und in 
der Trockensubstanz 44—49 °/ 0 Fett. Im Sommer war der relative 
Fettgehalt der Fettschicht geringer, die Menge der letzteren aber 
doppelt so gross als im Winter. 

Um eine Reinigung zu erzielen, welche der durch Klärbecken 
bewirkten annährend gleichkommt, sind für eine Stadt von 10 000 
Einwohnern 20 Apparate erforderlich, zu deren Bedienung drei 
-Mann genügen sollen. Grosse-Bohle (Cöln). 


Digitized by CsOOQle 



Tjaden. Hygienisch-bakteriologische Untersuchungsstellen in den 
Städten. (Hyg. Rundschau 1904, S. G09.) 

Die erste Aufgabe der bakteriologischen Untersuchungsstellen 
ist die Bekämpfung der Seuchen, insbesondere der Diphtherie, des 
Typhus und der Tuberkulose. Verf. berichtet über die hierauf 
bezügliche Tätigkeit des hygienischen Institutes zu Bremen. Die 
Untersuchungen geschehen dort für Angehörige des Bremischen 
Staates grundsätzlich unentgeltlich, jedoch wird nur auf Antrag von 
Behörden oder Ärzten untersucht. In sämtlichen Apotheken be¬ 
finden sich Niederlagen von postversandfertigen Aufnahmegefässen 
für die Untersuchungsgegenstände, die auf Verlangen der Ärzte 
unentgeltlich abgegeben werden. Diese Einrichtung hat sich so 
bewährt, dass die jährliche Inanspruchnahme des Institutes rund 
4000 Nummern beträgt. Schulpflichtige Kinder, die an Diphtherie 
erkrankt waren, werden erst dann wieder zur Schule gelassen, 
wenn eine Bescheinigung des hygienischen Institutes vorliegt, dass 
ansteckungstüchtige Diphtheriebazillen in ihren Hälsen nicht mehr 
vorhanden sind, und wenn die sachgemässe Desinfektion der 
Wohnungen stattgefunden hat. 

Eine nicht minder wichtige Aufgabe der bakteriologischen 
Institute ist die Bearbeitung von Fragen der allgemeinen Hygiene. 
Man ist sich wohl darüber einig, dass die zentralen Wasserver¬ 
sorgungsanlagen einer ständigen Kontrolle bedürfen. Dasselbe gilt 
auch für die Milch. Die Verkehrsmilch untersteht zwar in den 
meisten Städten einer mehr oder minder weitgehenden Kontrolle, 
aber diese geht in erster Linie darauf aus. den Konsumenten vor 
Verfälschungen der Milch zu schützen. Viel wichtiger ist es, dass 
die Milch unzersetzt, frei von Krankfieitskeimen und möglichst 
schmutzfrei ist. Der Sachverständige muss die chemischen und die 
bakteriologischen Untersuchungsmethoden heranzuziehen verstehen 
und über die Verhältnisse an der Milchproduktionsstelle sich Klar¬ 
heit verschaffen. Grosse-Bohle (Cöln). 

Heymann, Statistische und ethnographische Beiträge zur Frage 
über die Beziehungen zwischen Säuglingsernährung und Lungen¬ 
schwindsucht. (Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 48, Heft I. 1904.) 

Als Argumente gegen die Behringsche Behauptung, „die Säug¬ 
lingsmilch ist die Hauptquelle der Schwindsuchtsentstehung a führt 
Flügge u. a. an : 

„Die statistischen Berichte über Gegenden und Orte, in 
welchen die Kinder mehr als in anderen Gegenden an der Brust ge¬ 
nährt werden, in denen die Tuberkulosesterblichkeit dennoch nicht 
zurücksteht hinter Lokalitäten, wo die Ernährung mit Kuhmilch 
vorherrscht“ und „die Tuberkulosefrequenz in solchen Ländern, in 


Digitized by t^ooQle 



7 * 


denen Rindvieh oder Tiermilch überhaupt nicht existieren, oder in 
denen letztere doch nicht in breiteren Volksschichten zur Ernährung 
der Säuglinge benutzt werden kann. u 

Nach beiden Richtungen hin hat Heymann ein sehr interessantes 
Material gesammelt und festgestellt, dass in Japan, der Türkei und 
in Grönland — in beiden letztgenannten Ländern durch die sehr 
ungünstigen hygienischen Verhältnisse zweifellos begünstigt — die 
Tuberkulose ganz enorm verbreitet ist, trotzdem die Säuglings¬ 
ernährung ausschliesslich durch die Brust erfolgt und Milch und 
Butter als Nahrungsmittel kaum oder gar nicht in betracht kommen. 
Es besteht auch in sehr vielen anderen Ländern, Bezirken und 
Städten, wie statistisch festgestellt, durchaus kein Parallelismus 
zwischen Ausdehnung der Kuhmilchernährung und Phthisesterb¬ 
lichkeit, welch’ letztere eine stetig fallende Tendenz zeigt. Es 
ergibt sich demnach, dass die Kuhmilch als Säuglingsnahrung 
nur einen sehr geringen Anteil an der Entstehung der Tuberkulose 
haben kann. Weise her (Rosbach a. d. Sieg). 

Speck, Die Beziehung der S&uglingsern&hrung zur Entstehung 
der Lungentuberkulose. (Ztschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 48, Heft 1. 1904.) 

Den von Flügge gegen die Behringsche Hypothese „die Säug- 
Tingsmilch ist die Hauptquelle für die Schwindsuchtsentstehung“ vor¬ 
gebrachten Einwand, dass nämlich gegen die Behringsche Behauptung 
alle Beobachtungen sprechen über Vorkommen von Phthise bei Men- 
. sehen, die im Säuglingsalter Tiermilch überhaupt nicht getrunken ha¬ 
ben, hat Speck durch eine sorgfältige Enquete und Beschaffung eines 
grossen Zahlenmaterials nachgeprüft. Unter Zugrundelegung der 
in der Literatur vorhandenen und durch diese Enquete erhobenen 
Zahlen sind unter 8010 Phthisikern, welche genaue Auskunft geben 
konnten, 5854 = 73°/ 0 gewesen, die im Säuglingsalter nur mit 
Frauenmilch genährt wurden, bei denen also eine infantile Auf¬ 
nahme von T. B. aus Kuhmilch ausgeschlossen war, und bei denen 
andere Entstehungsursachen — Inhalation oder Kontakt — gewirkt 
haben müssen. „Die Kuhmilch ist daher als gar keine oder als 
eine äusserst geringfügige Quelle der Schwindsuchtsentstehung beim 
Menschen anzusehen. u Weise her (Rosbach a, d. Sieg). 

Gruber, Tuberkulose und Wohnungsnot. (Soz. Zeitfragen. Beiträge 
zu den Kämpfen der Gegenwart von A. Damaschke. Verlag Boden¬ 
reform. 1904.) 

Den drei wichtigsten Marschrouten im Kampfe gegen die 
Tuberkulose: Der individuellen Prophylaxe, der Heilstättenbehand¬ 
lung und der von den Dispensaires aus geleiteten praktischen Haus* 
pflege werden unübersteigliche Grenzen gezogen durch die un 


Digitized by v^ooQle 



79 


günstigen Wohnungsverhältnisse der breiten Schichten des Volkes. 
Da die Herausnahme des Tuberkulösen aus seiner Wohnung und 
seine Absonderung nie der normale Weg zur Bekämpfung des 
Wohnungselendes werden darf, so ist die unentbehrliche Vorbe¬ 
dingung für einen durchgreifenden Feldzugsplan gegen die Tuber¬ 
kulose die Wohnungsreform, diese letztere aber nur möglich auf dem 
Wege der Bodenreform. Weischer (Rosbach a. d. Sieg). 

Noetel, Die Unschädlichmachung des Auswurfs der Phthisiker. 

(Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., 48. Bd., 1. Heft. 1904.) 

Der Schutz gegen die Infektion mit tuberkulösem Sputum, 
• die teils durch Kontakt, teils durch Einatmung getrockneter und 
-verstäubter Sputumteile erfolgt, muss sich erstrecken: auf die Samm¬ 
lung und Beseitigung ausgespuckter Sputumteile und auf die Un¬ 
schädlichmachung der mit Sputumresten beschmutzten Kleider und 
'Taschentücher. — Da die gebräuchlichen Methoden der Desinfek¬ 
tion des Sputums durch Kochen, durch stömenden Dampf, durch 
Chemikalien nach Ansicht des Verfassers u. a. nicht ohne Mängel 
sind, empfiehlt er als das sicherste — wie schon früher Flügge (Ref.) — 
das Verbrennen des Sputums in und mit den Speigefässen. Da 
dies nur möglich ist bei Füllung der Speigefässe mit trockenem 
oder nahezu trockenem Material, so empfiehlt Verf. auf grund seiner 
Versuche, die eine Verstaubung des auf trockenes Füllmaterial 
(Sand, Sägemehl, Sägespreu, Holzwolle, Kaffeesatz) deponierten 
.Sputums bezweckten, als trockenes Füllmaterial Sand, feine Holz¬ 
wolle und Kaffeesatz. Nach weiteren Versuchsergebnissen N.’s 
haften Phthisikerkleidern reichlich virulente Tuberkelbazillen an. Die 
Kleider Tuberkulöser bedürfen also, um weiterer Infektion vorzu¬ 
beugen, unbedingt periodisch wiederholter Desinfektion. Eine fünf¬ 
stündige Formalindesinfektion hält Verf. für diese Zwecke für 
^ausreichend. Weischer (Rosbach a. d. Sieg). 


Digitized by 


Google 




Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neueir 

Bücher etc. 


Altschul, Dr. Th., Die Bekämpfung der Tuberkulose in Theorie u. Praxis^ 
Dux 1904. C. Weigend. Preis 20 Pfg. 

Bauer, Dr. L., Der Zug nach der Stadt und die Stadterweiterung. Eine- 
rassenhygien. Studie. Stuttgart 1904. W. Kohlhammer. Preis 3,50 Mk. 
Bau mann, J. F., Spezial-Buchhaltung für Ärzte. Zürich, Th. Schröter. 
Fink eist ein, Dr. H., Fürsorge für Säuglinge. Jena 1904. Gustav 
Fischer. Preis 75 Pfg. 

Gärtner, Prof. Dr. A., Leitfaden d. Hygiene f. Studierende, Ärzte, Archi¬ 
tekten, Ingenieure und Verwaltungsbeamte. Mit 175 Abbildgn. 4. Aufl. 
Berlin 1905. S. Karger. Preis 6 Mk. 

Grotjahn, A., Der Alkoholismus. Jena 1904. Gustav Fischer. Preis 
50 Pfg. 

Mir, G., Moleküle, Atome, Weltäther. M. 27 Textfig. Leipzig 1904. 
B. G. Teubner. Preis 1,25 Mk. 

Müller, J. P., Mein System. 15 Minuten täglicher Arbeit für die Gesund¬ 
heit. Mit 42 Illustr. Kopenhagen-Leipzig 1904. K. F. Koehler. Preis 
2 Mk. 

Proceedings and Addresses of the seventh General Conference of the 
Health Officials in Michigan, Ann. Abor Michigan, Jannary 7 and 8 1904. 
Rapport, Annuel, Demographie. Hygiene, Salubrit6Publique, Statistique 
medicale. Annee 1903. Ville de Bruxelles. Bruxelles 1904. E. Guvot. 
Statistiek der Bevolking van Amsterdam en eenige voorname Steden 
der wereld in de Jaren 1899—1903. Amsterdam 1904. Johannes Müller. 
Preis 50 Pfg. 

Schwiening, Dr. H., Krieg und Frieden. Mit 11 Kurven. Jena 1904. 
Gustav Fischer. Preis 2,50 Mk. 

Thirtv-fifth Annual Report of the State Board of Health of Massachusetts. 
Boston 1904. Wright & Potter Printing Co , State Printers, 18 Post 
Office Square. 

Trüper, J., Zur Frage der ethischen Hygiene unter besonderer Berück¬ 
sichtigung der Internate. Altenburg 1904. Oskar Bonde. 

Weyl, Dr. Th., Assanierung. Die Abwehr gemeingefährlicher Krankheiten. 

Mit 19 Tafeln. Jena 1904. Gustav Fischer. Preis 5 Mk. 

— — Mit Beiträgen von Marg. Weinberg. Zur Geschichte der sozialen 
Hygiene. Mit 2 Tafeln und 8 Abbild, im Text. Jena 1904. Gustav 
Fischer. Preis 6 Mk. 

Wilheim, Dr. J., Führer für Nervenkranke. Wien 1905. Georg Szelinski. 

NB. Die für die Leser des „Centralbiattes für allgemeine Gesundheits¬ 
pflege“ interessanten Bücher werden seitens der Redaktion zur Besprechung 
an die Herren Mitarbeiter versandt und Referate darüber, soweit der be¬ 
schränkte Raum dieser Zeitschrift es gestattet, zum Abdruck gebracht. Eine 
Verpflichtung zur Besprechung oder Rücksendung nicht besprochener Werke 
wird in keinem Falle übernommen; es muss in Fällen, wo aus besonderen 
Gründen keine Besprechung erfolgt, die Aufnahme des ausführlichen Titels,. 
Angabe des Umfanges, Verlegers und Preises an dieser Stelle den Herren- 
Einsendern genügen. Di , Veriag8tand | u „ g 


Digitized by v^ooQle 



Hebamme und Säuglingsernährung. 

Von 

Or. Paul Selter, 

Kinderarzt u. dirig. Arzt des Säuglingsheimes Solingen-Haan. 


Das neue Hebammenlehrbuch für Preussen ist erschienen. Es 
stellt nach den Mitteilungen des Verfassers 1 ) den ersten Schritt 
dar der von der königl. Staatsregierung in Aussicht genommenen 
Hebammenreform. — Alle die sehenden Auges die öffentlichen und 
privaten Bemühungen zur Verminderung der Säuglingssterblichkeit 
verfolgt haben, erwarten bei dieser Hebammenreform, dass auch die 
Ausbildung der Hebammen in der Säuglingsernährung wesentlich 
verbessert werde; denn es dürfte wohl überall unbestritten aner¬ 
kannt werden, dass gerade aus den minderbemittelten Bevölkerungs¬ 
schichten, also denjenigen mit grösster Säuglingssterblichkeit, die 
Hebamme in erster Linie um Rat über die Ernährung des kleinen 
Kindes angegangen wird, nicht nur während des Wochenbettes, auch 
in späteren Monaten und nicht zuletzt bei Erkrankungen des Säug¬ 
lings. Diese Beratung ist aber durchaus nicht etwas unerlaubtes 
von Seiten der Hebamme gewesen, und ist es, wie ich gleich hier 
vorausschicken will, nach dem neuen Hebammenlehrbuch auch nicht, 
wie aus § 4 der Dienstanweisung, dem § 249 des Lehrbuches (Be¬ 
ratung der Stillenden) und § 259 ff. (über künstliche Ernährung, 
Entwöhnung) hervorgeht. Nun ist aber der Rat der Hebamme bei 
der Säuglingsernährung durchaus nicht immer ein guter. Jeder 
Pädiater, ja jeder mit Säuglingsernährung sich beschäftigende Arzt 
weiss ein Liedchen davon zu singen, wie oft gerade auf Rat der 
Hebamme ein Stillungsgeschäft unterbrochen, wie oft gerade auf 
Rat der Hebamme eine für den betr. Säugling recht unzweck¬ 
mässige, künstliche Ernährung eingeleitet wird. — Der Verf. hat 
als Referent auf der Versammlung des niederrheinischen Vereins für 
öffentliche Gesundheitspflege 1902 über das Thema: „Dringende Auf- 


1) Runge, Deutsche med. Wochenschr. 1904, S. 1652. 
Ccntralblatt f. all?. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 6 


Digitized by v^ooQle 



82 


gaben der privaten und öffentlichen Wohlfahrtspflege auf dem Ge¬ 
biete der Säuglingsernährung“ folgendes ausgeführt 1 ): 

In Solingen war in */ 3 der Fälle von Nichtstillen die Hebamme 
die Beraterin, in Cöln in 1 j 1 der Fälle. Nun, meine Herren, Sie 
alle, auch die Nichtärzte, werden mir zugeben, dass die Hebamme 
ihrer ganzen Ausbildung nach nicht die geeignete Person ist, in 
einer Angelegenheit, von der unter Umständen das Leben eines 
Kindes abhängig ist, Rat zu erteilen; und. man sollte deshalb er¬ 
warten, dass das preussische Hebammenlehrbuch der Hebamme einen 
derartigen Rat untersage. Aber nichts von dem ist der Fall. Im 
Gegenteil, viel eher wird die Hebamme zum Darreichen künstlicher 
Nahrung ermuntert, z. B. sagt der § 168: „Hat die Wöchnerin in 
den ersten Tagen noch nicht genug Milch, so gebe die Hebamme 
dem Kinde mit dem Teelöffel etwas verdünnte Milch.“ 

Ja, wer entscheidet denn, ob die Wöchnerin genügend Milch 
hat? Die Hebamme oder die Wöchnerinnen selbst, oder gar die 
Grossmutter? Wieviel ist denn „etwas“ verdünnte Milch? Bekommt 
der kleine Mann dann nicht soviel, dass er nun an der Mutterbrust 
überhaupt nicht mehr saugt. Und weiter in § 172 und 173 heisst 
es: „Kann die eigene Mutter ihr Kind nicht mehr stillen, so ist die 
Amme der geeignete Ersatz. Kann eine Amme nicht geschafft 
werden, so ist das Kind mit Kuhmilch aufzufüttern.“ Wer soll denn 
hier entscheiden, ob die Mutter stillen kann? — Nun, verehrte An¬ 
wesende, Sie werden, glaube ich, mir zustimmen und geeigneten 
Ortes mit befürworten, dass es zweckentsprechend ist, wenn statt 
aller dieser Paragraphen der einzige geschaffen wird: „Glaubt die 
Hebamme, dass die Wöchnerin oder stillende Frau ihr Kind nicht 
stillen oder nicht mehr stillen kann, so ist ein Arzt zu Rate zu 
ziehen. Selbständig Rat zu erteilen, ist der Hebamme verboten.“ 
Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmung sollten ebenso bestraft 
werden, wie die selbständige Behandlung und Nichtaumeldung 
einer Wochenbetterkrankung. Oder ist es etwas anderes, ob ein 
Säugling an fehlerhafter Ernährung oder eine Frau an Wochenbett¬ 
erkrankung stirbt?! 

Tn derselben Frage äusserte sich der 2. Referent Dr. Paffen¬ 
holz, wie folgt: Ähnlich verhält es sich auch mit der Wirksam¬ 
keit der Hebammen, die dem Umfange nach sogar noch schlimmer 
ist, weil diese die Beraterinnen der ärmeren Bevölkerung sind, auch 
für das Kind bis weit in das Säuglings-Alter desselben hinein. Es 
wird wohl kaum gelingen, das Vertrauen dieser Bevölkerungsklasse 
zu den Hebammen auch in Bezug auf die Säuglings-Ernährung zu 
erschüttern; man muss sich also damit abfinden. Und gerade dieses 


1) Centralbl. f. allg. Ges. 1902, S. 377 ff. 


Digitized by 


Google 



83 


Vertrauen könnte die Quelle einer segensreichen Wirkung werden, 
wenn den Hebammen die allgemeinen Regeln der Diätetik des ge¬ 
sunden Kindes während ihrer Ausbildungszeit mit demselben Nach¬ 
druck eingeprägt würden, wie die der Wochenbettpflege, und wenn 
sie die Ausbildungs-Anstalt mit demselben Gefühl der Verantwort¬ 
lichkeit für das Kind verliessen, das sie für die Mutter in so hohem 
Grade besitzen, und das durch sehr strenge Kontrolle stets wach 
erhalten wird. Weil jede, auch die scheinbar leichteste Verdauungs¬ 
störung eines Säuglings im Sommer von den schlimmsten Folgen 
sein kann und schon den Arzt vor eine schwierige Aufgabe stellt, 
so muss den Hebammen streng verboten werden, bei solchen Er¬ 
krankungen Rat zu erteilen; Übertretungen dieses Verbotes müssen 
ebenso zur Verantwortung gezogen werden, wie dies bei ähnlichen 
Verfehlungen gegen das Wohl der Mutter schon jetzt geschieht. 
Wir sehen aus allem, und auch der erste Herr Referent hat ein 
Beispiel hierfür gebracht, dass das Wohl des Kindes bei der Aus¬ 
bildung der Hebammen kaum berücksichtigt wird, wahrscheinlich 
deshalb, weil man den Einfluss der Hebammeu auf das Schicksal 
des Kindes nicht gebührend einschätzt, dass also diese Ausbildung 
mit Rücksicht auf die natürliche und künstliche Ernährung der 
Säuglinge reformbedürftig ist. Man möge die Wirkungen einer 
solchen erweiterten Ausbildung und späteren Beaufsichtigung der 
Hebammen besonders wegen der günstigen Gelegenheit, die An¬ 
schauungen weiter Volkskreise über die Säuglings-Ernährung zu 
beeinflussen, nur ja nicht unterschätzen, sondern als wichtige Auf¬ 
gaben der öffentlichen Wohlfahrtspflege betrachten. 

In der Diskussion wurde diesen Ausführungen von keiner Seite 
widersprochen. Im Gegenteil äusserten sich folgende Herren zu¬ 
stimmend dazu: 

Frauenarzt Dr. Cr am er, Bonn: Was weiter die Gegenarbeit 
der Hebammen in dieser Frage angeht, so kann ich die Schlüsse, 
die Kollege Selter aus den Erfahrungen der Praxis gezogen hat, 
nur bestätigen. Gerade in letzter Zeit ist die Bewegung in Bezug 
auf eine Reform des Hebammenwesens besonders lebhaft. Man muss 
sagen, dass das Bildungsniveau der Hebammen nicht genügt, um 
ermessen zu können, welche Nahrung dem Kinde bekömmlich ist, 
und um Verdauungsstörungen des Kindes richtig zu beurteilen. Ich 
kann es deshalb nur freudig begrttssen, dass Kollege Selter den 
Vorschlag gemacht hat, den betreffenden Passus im Hebammen* 
Lehrbuch dahin abzuändern, dass die Hebammen, wenn sie glauben, 
dass nicht genügend Milch vorhanden ist, verpflichtet sind, einen 
Arzt zu Rate zu ziehen. Es ist mir vielfach der Einwand gemacht 
worden, wir hätten gesetzlich nicht die Möglichkeit, den Hebammen 
<las vorzuschreiben. Ich glaube aber doch, dass eine solche Mög- 


Digitized by 


Google 



84 


lichkeit vorhanden ist, die Hebammen zu zwingen, bei Nicht-Stillen 
einen Arzt zuzuziehen. 

Oberbürgermeister Dr. Lentze, Barmen: Man weiss in den 
breiten Schichten des Volkes tatsächlich gar nicht, welche grosse 
Bedeutung das Selbststillen hat. Darin sündigen auch die Warte¬ 
frauen und Hebammen sehr viel. Tatsächlich sind sie vielfach die 
alleinigen Berater der Frauen. 

Im Anschluss an die Verhandlungen dieses Vereins 1 ) hat der 
Aachener Regierungspräsident von Hartmann eine Verfügung an die 
Hebammen erlassen, aus der ich folgendes hervorhebe 2 ): 

„Durch neuere Untersuchungen ist festgestellt, dass die Ursache 
der meisten im Säuglingsalter vorkommeuden Todesfälle eine Er¬ 
krankung des Magens und Darmkanales ist, dass diese Erkrankung 
fast ausschliesslich durch unrichtige Ernährung bedingt ist, dass alle 
diejenigen Kinder, welche mehrere Monate lang ausschliesslich die 
Mutterbrust erhalten, dieser Gefahr fast gar nicht ausgesetzt sind, 
dass aber die Gefahr sofort, namentlich während der Sommermonate 
ausserordentlich steigt, wenn dem Kinde verdünnte Kuhmilch gegeben 
wird, und dass alle anderen Nahrungsmittel noch gefährlicher sind. 

Die Hebammen haben oft Gelegenheit, den Müttern zu raten. 
Es ist bei der grossen Kindersterblichkeit, wie sie namentlich 
auch im Regierungsbezirke Aachen herrscht, ihre Pflicht, diejenigen 
Ratschläge zu erteilen, die für Mutter und Kind am besten sind und 
die dem Volke eine grosse Zahl von Kindern erhalten können, deren 
Verlust bisher unvermeidlich schien. 

Im Anschluss an das Hebammenlehrbuch und um der Verant¬ 
wortung willen, die die Hebammen in dieser Sache tragen, ordne 
ich hiermit Folgendes an: 

1. Die Hebammen haben in jedem Falle mit ernster Ent¬ 
schiedenheit darauf zu dringen, dass die Mütter ihre Kinder so 
lange wie möglich und, wenn es eben geht, mindestens 3 Monate 
lang ausschliesslich selbst stillen. 

2. (Zu §317 des Lehrbuches.) Kann die Wöchnerin anscheinend 
ihr Kind nicht selbst stillen, so hat die Hebamme sich eigener Rat¬ 
schläge zu enthalten, sie hat vielmehr dahin zu wirken, dass ein 
Arzt zugezogen werde. 

3. (Zu § 328.) Stellen sich bei dem Kinde Verdauungsstörungen, 
insbesondere Erbrechen und Durchfall ein, oder tritt in Folge 
mangelhafter Ernährung ein anhaltender Gewichtsverlust oder deut¬ 
liche Abmagerung des Kindes ein, so hat die Hebamme sofort und mit 
aller Bestimmtheit darauf zu dringen, dass ein Arzt zugezogen werde. 


1) Vgl. Centralbl. f. allg. Gesundheitspflege 1903, S. 240. 

2) Ebenda 1902, S. 428. 


Digitized by 


Google 



85 


4. Kann die Matter überhaupt nicht stillen, oder kann sie 
nicht genügend Milch geben, oder treten die vorstehend unter 
Ziffer 3 beschriebenen Erscheinungen von Abmagerung auf, und 
kann es die Hebamme dabei nicht durchsetzen, dass ein Arzt zu¬ 
gezogen wird, so soll sie ausschliesslich gute, gekochte Kuhmilch in 
entsprechender Verdünnung als Nahrung für das Kind anordnen. 
Sie hat dabei die Mutter oder Pflegerin des Kindes zu beraten, wie 
der Kochkessel, die Milchflaschen und der Sauger nach jedesmaliger 
Benutzung gründlich gereinigt werden müssen. 

5. Die Behandlung kranker, inbesondere an Brechdurchfall 
erkrankter Kinder, darf die Hebamme niemals übernehmen, schon 
deshalb nicht, weil die Verantwortung, die sie damit auf sich nehmen 
würde, viel zu gross ist. 

Wir ersehen daraus, dass die Staatsregierungen wohl willens 
und in der Lage sind, alle zur Verminderung der Säuglingssterblich¬ 
keit notwendigen und zweckmässigen Schritte zu tun. Das gleiche 
Bestreben dürfte nicht minder in dem Kultusministerium der Fall 
sein, in dessen Auftrag das neue Hebammenlehrbuch herausgegeben 
wurde. Erklärte doch der Minister der geistlichen, Unterrichts- und 
Medizinalangelegenheiten am 16. Mai 1904 in einer Sitzung des 
Herrenhauses antwortlich einer Rede des Grafen Oppersdorf: „Ich 
möchte mich zunächst gegen den Vorwurf wenden, als ob eine 
traditionelle Vernachlässigung der Kinderheilpflege inPreussen statt¬ 
fände. Ich wende der Sache persönlich meine grösste Aufmerksamkeit 
zu u. s. w. u 

Nach allen diesen Auslassungen durften wir eine gründliche 
Änderung der für die Hebammen gegebenen Vorschrift beztigl. der 
Säuglingspflege und Ernährung in dem neuen Lehrbuch wohl er¬ 
warten. — Sehen wir uns dieses nun einmal daraufhin an: Hervor¬ 
gehoben sei vor allem, dass sich ein Verbot der Einleitung künst¬ 
licher Ernährung, wie in der vorzttgl. Aachener Verfügung, nicht 
findet, dagegen finden sich folgende Belehrungen: 

Endlich kann der Grund, dass das Kind nicht trinkt und 
dauernd unruhig bleibt, an Milchmangel liegen. Die Brüste sind 
weniger prall, und es lässt sich auch am Ende der 1. Woche Milch 
nicht im Strahle, sondern nur in Tropfen ausdrttcken. Dann muss 
das Kind anders genährt werden. In solchen Fällen soll man zu¬ 
nächst neben der Muttermilch Kuhmilch, von der wir unten sprechen 
werden, geben, und zwar abwechselnd mit der Muttermilch, des Nachts 
aber womöglich nur die Brust. Erweist sich auch jetzt die Menge der 
Muttermilch als ungenügend, oder greift die Frau selbst dieses ge¬ 
ringe Stillen stark an, so dass sie schwach wird, oder den Appetit 
verliert, so muss das Kind abgesetzt werden, ebenso wie bei schlechten 
oder kranken Warzen, wovon später gehandelt wird (§262). 


Digitized by 


Google 



86 


Es ist sehr bedauerlich, dass heute eine grosse Anzahl von 
Müttern, besonders in Grossstädten, ihr Kind nicht stillen können. 
Die Milchabsonderung ist zu gering, oder die Frauen kommen beim 
Stillen herunter. Sie magern ab, verlieren den Appetit, werden 
nervös. Besonders oft treten dann heftige Kopf- und Rückenschmerzen 
auf, zumal nach jedesmaligem Anlegen des Kindes. Andere können 
wegen wunder Warze nicht weiter stillen (§ 250). 

Kann die Mutter ihr Kind nicht nähren und kauu auch eine 
Amme nicht beschafft werden, so muss das Kind künstlich genährt 
werden. Hierzu nimmt die Hebamme nur die Kuhmilch (§ 264). 

Ich muss meine früher erwähnten Einwendungen auch dieser 
veränderten Fassung gegenüber aufrecht erhalten. Die Hebamme 
kann nicht entscheiden, ob die Warzen genügend oder ungenügend. 
Sie ist ihrer ganzen Ausbildung nach dazu nicht in der Lage, sicher¬ 
lich auch nicht nach obiger, nicht überall einwandfreier Vorschrift. 

Ich sehe einmal ganz davon ab, dass es sachverständiger Be¬ 
ratung der stillenden Frau möglich ist, selbst die unscheinbarste 
Brust noch zur genügenden oder wenigstens teilweise genügenden 
Milchsekretion zu bringen, sehe davon ab, dass es noch angesichts 
der Wichtigkeit des Stillens richtiger wäre, bei Schrunden der 
Warzen zu ärztlicher Behandlung zu raten. — Ich möchte an dieser 
Stelle auch nicht darauf eingehen, dass die in den §§ 265 bis 267 
geschilderte Bereitung der künstlichen Nahrung schwerlich zweck¬ 
mässig ist, da diese z. B. für den ersten Monat eine Flüssigkeits¬ 
menge von 110 bis 145 ccm pro dosi, also bei den vorgeschriebenen 
7 Mahlzeiten s / 4 bis 1 1 pro Tag angeben, eine Menge, die die 
wenigsten Säuglinge im ersten Monat ohne Schaden zu trinken 
vermögen. Und endlich möchte ich bezüglich der Verdauungs¬ 
störungen mit Einwänden zurückhalten, z. B. bei der Unter¬ 
scheidung von Speien und Erbrechen und dergl. Nur das eine 
möchte ich durch diese Bemerkungen feststellen, dass in diesem neuen 
Lehrbuche prinzipiell bezüglich der Säuglingsernährung alles beim 
alten geblieben ist. Liess sich denn zu all den Fachleuten nicht 
auch ein einziger Pädiater, Leiter eines Säuglingsheims, Direktor 
einer Kinderklinik oder ein pädiatrischer Praktiker zuziehen? Nein, 
auch dieses neue Lehrbuch, sonst ein Meisterwerk nach Inhalt und 
Darstellung (zumal wenn man bedenkt, für welche Kreise es ge¬ 
schrieben ist), beweist wieder, dass die heutige Hebamme, die 
Hebamme des neuen Lehrbuches, ihrer ganzen Ausbildung, ihrer 
ganzen Stellung nach, nicht geeignet ist, in einer Angelegenheit, 
von der unter Umständen das Leben eines Kindes abhängig ist, Rat 
zu erteilen. — Also weg mit der Beratung der Hebamme bei der 
Ernährung des Säuglings und zurück zu den schönen Aachener Vor¬ 
schriften! Die nicht natürliche Ernährung ist doch auch etwas regel- 


Digitized by v^ooQle 



87 


widriges. Und wenn bei Geburt und Wochenbett nur regelmässige 
Vorgänge der Hebamme zufallen, warum nicht auch bei der Er¬ 
nährung des Neugeborenen und Säuglings (vergl. § 312)? 

Wie schön würde da die Schlussmahnung des Lehrbuches 
(§ 515) lauten: Sie vergesse nie: „Muttermilch ist unter allen Um¬ 
ständen die beste Ernährung für das neugeborene Kind. Sie muss 
daher stets auf das Selbststillen halten; reicht die Muttermilch nicht 
aus, so ist der Arzt zu Rate zu ziehen“ (statt: dann wird Kuhmilch 
zu Hilfe genommen u. s. w.). 

Aber wir haben von erster Stelle gehört, dass der Kinderpflege 
die grösste Aufmerksamkeit zugewendet' werde. — Nun gut! Dann 
gebe man der Hebamme eine geeignete Ausbildung auch in der 
Pflege und Ernährung des Kindes, damit auch sie eventuelle Regel¬ 
widrigkeiten erkenne und deuten könne, deren Behandlung Aufgabe 
des Arztes ist. (Vergl. § 312 d. Heb.-Lehrb.) — Kann man 6 und 
demnächst sogar 9 Monate auf den Ausbildungskursus in Schwanger¬ 
schaft-, Geburts- und Wochenbettskunde mit etwas Pflege des Neu¬ 
geborenen verwenden, so dürften sicherlich einige wenige Monate 
für die Säuglingspflege nicht zu viel verlangt sein! — Nach Ahlfeld 1 ) 
starben in den Jahren 1883—96 in einer Zusammenstellung für das 
Königreich Sachsen bei über 2 Mill. Geburten 12594 Frauen im 
Wochenbett oder etwa 0,6°/ 0 und davon 0,25°/ 0 an Infektionen im 
Wochenbett. Übersehen \vir gar einmal diesen Zeitraum von 14 Jahren 
in Ahlfelds Statistik, so finden wir sowohl eine Abnahme der im 
Anschluss an eine Geburt eingetretenen Todesfälle, als vor allen 
Dingen eine regelmässige, fortlaufende Abnahme der Todesfälle in 
Folge von Infektionen im Wochenbett (0,3°/ 0 im Jahre 1883 auf 
0,15°/ 0 im Jahre 1896». Wie in Sachsen verhält sich die Sterb¬ 
lichkeit in Folge der Geburt mutatis mutandis auch in den übrigen 
Gegenden des Deutschen Reiches, spez. in Preussen. Hierfür stehen 
mir leider genauere Zahlen zur Zeit nicht zur Verfügung. — Wie 
aber verhält es sich mit der Sterblichkeit der Säuglinge infolge 
von Ernährungsstörungen? Die Frage ist in den letzten Jahren so 
oft und so vielseitig erörtert worden, dass es Eulen nach Athen 
tragen hiesse, darauf noch einmal genauer einzugehen. So viel steht 
fest, dass wir bezttgl. der Kindersterblichkeit erst an 11. Stelle 
unter den zivilisierten Völkern kommen, und dass wir seit 2 Dezennien 
eine fast stets gleichbleibende Sterblichkeit von 20°/ 0 der Lebend¬ 
geborenen und höher haben 2 ). Angesichts dieser Tatsachen meine ich, 
müsste nachgrade der grösste Wert auf die Ausbildung der Hebamme 


1) Ahlfeld, Lehrb. d. Geburtshilfe 1K98. 

2) Centralhl. f. allg. Ges. 1902, S. 377, und Geh.-Rat Kirchn er, Sitz, 
d. Herrenhauses v. Iß. V. 04. 


Digitized by 


Google 



88 


in Säuglingsernährung und -Pflege gelegt werden, wenn die Hebamme 
hiermit überhaupt zu tun hat oder zu tun haben soll. Nun sind es 
aber, wie vorhin erwähnt, grade die Kreise mit grösster Säuglings¬ 
sterblichkeit, die minderbemittelten, die den Rat der Hebamme in 
erster Linie bezüglich der Säuglingsernährung in Anspruch nehmen. 
Das wird sich auch nicht vermeiden lassen, solange wenigstens 
nicht, bis wir öffentliche Beratungs-Anstalten für Säuglinge haben, 
und auch dann noch nicht, weil eben die Hebamme für die niederen 
Bevölkerungsschichten, denen sie entstammt, die Vertrauensperson 
bleiben wird. So gut, wie es aber feststeht, dass grade die Tätig¬ 
keit der Hebamme von massgebendem Einfluss auf die Statistik der 
Wochenbetts-Erkrankungen und -Todesfälle ist, so gut wird meines 
Erachtens ihre gute oder schlechte Wirksamkeit sich auf dem Ge¬ 
biete der Säuglingsernährung und -Pflege ausdrücken. Aus diesem 
Grunde muss die Ausbildung der Hebamme auch in der Säuglings¬ 
ernährung und -Pflege vertieft werden, nicht damit sie in die Lage 
kommt, auch die künstliche Ernährung des Neugeborenen und 
Säuglings zu leiten, sondern damit sie die Schwierigkeiten und 
Gefahren der künstlichen Ernährung kennen lernt, damit sie, wie 
bei Geburt und Wochenbett, auch bei der Säuglings-Ernährung die 
natürliche Ernährung, das Stillgeschäft, selbständig in Gang bringe, 
leite und fördere, jede Abweichung hiervon aber, weil regelwidrig, 
kenne und deute, um sie unverzüglich zum Arzte zu schicken. 

Wo soll aber die Hebamme die Säuglingspflege und Ernährung 
lernen? An den Hebammenlehranstalten in ihrer jetzigen Beschaffen¬ 
heit ist das nicht möglich! In den 10—12 Tagen, die die Wöchnerin 
in diesen Anstalten weilt, ist es nicht einmal immer möglich, das Still¬ 
geschäft in gehöriger Weise einzuleiten. Wissen wir doch, dass selbst 
der Milcheiuschuss bei Erstgebärenden oft genug erst am 5. oder 
6., ja 8. Tage erfolgt. Ist es doch bekannt, dass grade bei in 
letzter Zeit schlecht genährten Frauen, zu denen auch das Material 
der Entbindungsanstalten, weil uneheliche Mütter, vielfach zählt, 
dass grade bei den unter der Geburt mehr leidenden Erstgebärenden 
die Milchsekretion erst bei zunehmender Kräftigung und Erholung 
in gehörigen Masse einsetzt, so dass anfangs vielfach gezwungener 
Weise Beikost gegeben werden muss. Selbst wo aber frühzeitige 
und genügende Milchsekretion vom 3. oder 4. Tage ab vorhanden 
ist, kann von einem „Einstillen 44 , von einer Beobachtung von „Still¬ 
fehlern 44 und „Stillkrankheiten 44 in den wenigen Tagen des Anstalts¬ 
aufenthaltes keine Rede sein. Eine Beobachtung der künstlichen 
Ernährung aber, eine Kenntnisnahme von deren Gefahren und 
Schwierigkeiten ist in diesen Wochenbettstagen für die Hebamme 
völlig unmöglich, ganz abgesehen davon, dass die weitaus meisten 
Hebammenlehrer, als Frauenärzte, nicht die genügenden speziellen 


Digitized by v^ooQle 



89 


Kenntnisse hiervon haben dürften. Also die Hebainmenlebranstalten, 
wie sie jetzt sind, können die Aufgabe, in Säuglingspflege und 
-Ernährung auszubilden, nicht erfüllen. Und so kommen wir 
denn zu dem Schlüsse, entweder den Hebammenlehr¬ 
anstalten Säuglingsheime (Pflegeanstalten für Säuglinge 
mit Müttern) unter eigener pädiatrischer Leitung anzu¬ 
gliedern oder die Hebammen bereits bestehenden An¬ 
stalten dieser Art zu einem Kursus zu überweisen. 

Die königliche Regierung hat eine Hebammenreform in Aus¬ 
sicht genommen, sie will das Wissen der Hebammen vertiefen, statt 
ihre Befugnisse zu erweitern. — Möge sie im Gegenteil die Be¬ 
fugnis derselben streichen, selbständig künstliche Ernährung des 
Säuglings einzuleiten! Möge sie dagegen ihre Kenntnisse über die 
Säuglingsernährung in Säuglingsheimen vertiefen! 

Der erste Schritt einer Hebammenreform ist durch das neue 
Lehrbuch, dessen Wert auch die vorliegenden Bemerkungen in keiner 
Weise verringern können, getan. Möge der zweite Schritt bald 
folgen zum Wohl der Säuglinge, der Zuknnft unseres Volkes! 


Digitized by 


Google 



Zur Verhütung der Übertragung von Infektions¬ 
krankheiten durch Trinkbecher in den Schulen. 

Von 

Dr. Hugo Laser, Schularzt in Königsberg i. Pr. 


Heute noch in einer wissenschaftlichen Zeitschrift über den 
Nutzen der Institution der Schulärzte schreiben zu wollen, hiesse 
Eulen nach Athen tragen. Es steht jetzt fest, dass die Gegnerschaft, 
welche anfangs sehr gross war, sowohl unter den Ärzten als auch 
ganz besonders unter der Lehrerschaft, von Jahr zu Jahr abge- 
uommen hat. Die Schulärzte haben wohl überall ihre Existenz¬ 
berechtigung gezeigt und haben durch ihre Tätigkeit viel Erspriess- 
liches zum Wohle der Lehrer, der Schüler und der Schule im all¬ 
gemeinen geleistet. 

Eine der wichtigsten Aufgaben des Schularztes ist es, die 
Ausbreitung von Infektionskrankheiten unter den Schulkindern zu 
bekämpfen, der Entstehung von Epidemien vorzubeugen. Wenn es 
glückt, durch irgend eine hygienische Massnahme hierzu auch nur 
ein wenig beizutragen, vielleicht nur ein Kind oder wenige derselben 
vor Krankheit und Tod zu bewahren, dann muss man diese Mass¬ 
nahme praktisch eiuführen und konsequent durchführen. 

Die Anregung zu einer solchen Massnahme verdanke ich Herrn 
Prof. Dr. Pfeiffer, welcher gelegentlich einer Sitzung der Schul¬ 
ärzte darauf hinwies, dass eine Quelle von Übertragungen von 
Infektionskrankheiten von Kind auf Kind sicher die Trinkbecher 
sein können, deren nur einer oder einige wenige allen Schülern zur 
Verfügung stehen. Wenn man sieht, wie in einer Pause die Kinder 
haufenweise auf den Wasserhahn zustürzen, um eines nach dem 
anderen aus dem daselbst befestigten Metallbecher zu trinken, be¬ 
sonders an heissen Sommertagen, dann muss einem allerdings der 
Gedanke kommen, wie leicht wohl durch dieses Inventar Krank¬ 
heiten von einem Kinde auf andere übertragen werden können; 
man denke nur an Masern, Scharlach, Keuchhusten Diphtherie, 
Tuberkulose und Syphilis. 

In der Diskussion, die sich an diese Anregung seitens des 


Digitized by e^ooQle 



91 


Herrn Prof. Pfeiffer anschloss, stimmten alle der Richtigkeit seiner 
Ansicht zu, doch konnte man einen passenden Ausweg nicht gleich 
finden. Mir fiel nun ein, dass es Tascbentrinkbeeber gibt, die aus 
wasserdichtem Papierstoff hergestellt sind, und sich vielleicht zur 
allgemeinen Einführung in den Schulen eignen könnten. 

Ich habe mir vier solcher Becher verschaffen können; die¬ 
selben fassen 4 / 10 , 3 / 10> */ 4 und 2 / 10 Liter, es sind flache zusammen¬ 
geklappte Becher, die bequem in jeder Tasche getragen werden 
können, der grösste 14 cm, der kleinste 11 cm hoch; die Breite 
des grössten Bechers ist 12 cm, die des kleinsten 10 cm. 

Sollen solche Becher eiugeführt werden, dann müssen sie vor 
allem zwei Anforderungen entsprechen: 

1. müssen sie billig sein, so dass jedermann imstande ist, seinen 
Kindern einen resp. im Laufe des Jahres einige Becher zu kaufen, und 

2. müssen sie dauerhaft und widerstandsfähig sein, damit eine 
Neuanschaffung nicht zu oft erfolgen braucht. 

Diesen beiden Postulaten entspricht nun unser Becher voll¬ 
kommen. Was den Preis anbetrifft, so dürfte sich derselbe bei 
grösserem Bedarf, also etwa bei offizieller Einführung in den Schulen 
anf circa 4 Pfg. per Stück (3—5 Pfg.) stellen, wie mir die Fabrik von 
Schmidt u. Comp., G. m. b. H. in Elberfeld, mitteiltc, welche die 
Trinkbecher herstellt. 

Was die Dauerhaftigkeit der Becher betrifft, so habe ich 
folgendes Experiment gemacht. Ich habe die Becher täglich zwei¬ 
mal und zwar im Zwischenraum von 2 Stunden mit Wasser gefüllt, 
dasselbe circa */* Minute lang — soviel Zeit wird etwa zum Trinken 
gebraucht, — im Becher gelassen, dann ausgegossen und die Becher 
zusammengelegt in die Brusttasche gesteckt, wo ich sie stets bei 
mir trug. 

Nach 40 Tagen begann der grösste Becher zu lecken, jedoch 
so wenig, das er als noch gebrauchsfähig betrachtet werden konnte, 
erst nach weiteren 8 Tagen lief das Wasser an einer Ecke durch 
so dass ein fernerer Gebrauch nicht mehr möglich war. 

Der zweitgrösste Becher Hess vom 45. Tage ab tropfenweise 
Wasser an einer Ecke austreten, ist in diesem Zustand dann aber 
bis zur Beendigung des Versuchs (60 Tage Dauer) geblieben. Der 
dritte und vierte Becher sind in der ganzen Zeit, also 2 Monate lang, 
unversehrt geblieben. 

Sicher haben wohl die kleineren Becher länger gehalten als 
die grossen, weil der Druck, d. h. das Gewicht des Wassers bei 
jenen ein geringerer ist; bemerkt sei jedoch noch, dass nicht etwa 
die Papiermasse wasserdurchlässig wurde, sondern dass die Klebe¬ 
masse, mit welcher die Ränder des Bechers zusammengeklebt sind, 
für die Dauer der Feuchtigkeit nicht standhielt. 


Digitized by v^ooQle 



92 


Jedenfalls sind also die Becher leistungsfähig und entsprechen 
den an sie gestellten Anforderungen. 

Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich behaupte, dass jeder Becher 
2—3 Monate haltbar ist bei täglichem mehrmaligen Gebrauch. Da 
das Schuljahr nur 9 Monate hat und die Kinder wohl nicht täglich 
mehrmals Wasser trinken, kann jedes Kind mit 2—3 Bechern im 
Jahr auskommen, das entspricht einer Ausgabe von circa 10—15 
Pfennigen, eine Summe, die besonders bei der Wichtigkeit der 
Tatsache, dass dann jedes Kind einen eigenen Trinkbecher besitzt, 
wohl jeder, selbst der ärmste Mann erschwingen kann, eventl. 
könnten ja die absolut unbemittelten die Becher aus dem Schul¬ 
fond erhalten. 

Gut wäre es noch, wenn jeder Becher einen Aufdruck erhalten 
würde, der die Kinder resp. die Eltern auf die Bedeutung der 
Becher aufmerksam macht, etwa in folgendem Wortlaut: „Die Er¬ 
reger vieler Krankheiten sitzen in der Mundhöhle und werden leicht 
durch den gemeinsamen Gebrauch von Trinkbechern von kranken 
auf gesunde Kinder übertragen, z. B. Diphtherie, Keuchhusten, 
Masern, Scharlach, Tuberkulose, Syphilis. Es besitze daher jedes 
Kind einen eigenen Becher, den es nie verbergen darf.“ 

Der Preis wird durch einen derartigen Aufdruck, wie mir die 
Fabrik mitteilte, nicht wesentlich erhöht, bei grösserem Absatz soll 
der Druck sogar gratis geliefert werden. 

Nach diesen Ergebnissen möchte ich die Einführung des Trink¬ 
bechers den Schulbehörden warm empfehlen. In diesem Sinne sprach 
ich mich auch vor kurzem in einer Versammlung der hiesigen 
Schulzärzte aus, welche Herr Prof. Pfeiffer einberufen hat. Wie 
letzterer mitteilte, hat sich trotz der Wichtigkeit der Frage bisher 
keine Stadt mit derselben beschäftigt. Obgleich die anwesenden 
Schulärzte wiederum wie in der ersten Sitzung davon überzeugt 
waren, dass es sehr wünschenswert wäre, jedem Kinde einen eigenen 
Trinkbecher zu geben, fand mein Vorschlag doch Widerspruch, auch 
konnte man sich auf ein anderes System noch nicht einigen. 

Ein Vorschlag z. B. lautete, dass jedes Kind einen Becher 
aus Glas, Metall oder Ton erhalten soll und denselben stets an einen 
bestimmten numerierten Nagel aufhängen solle, event. in einem 
extra dazu bereitgestellten Schrank. 

Erwähnt wurde ferner, ob es nicht anginge, die Industrie für 
die Frage zu interessieren; es Hessen sich vielleicht die Brottaschen 
ao herstellen, dass in jeder derselben ein Raum zur Aufnahme eines 
Trinkgefässes sich befinde; dieses System würde jedoch nur den 
kleinsten Kindern Nutzen bringen, da die grösseren bekanntlich nicht 
mehr Brottaschen benutzen. 


Digitized by t^ooQle 



93 


Gegen meinen Vorschlag wurde folgendes vorgebracht: 

Die wenigsten Kinder würden mit den Bechern so sorgsam 
umgehen, dass dieselben*so lange halten wie bei meinem Versuch; 
die kleineren, welche noch nicht Böcke oder Jacken, sondern Blusen 
tragen, müssten die Becher in die Hosentasche stecken, wo sie 
sicher schnell zerrissen und leicht beschmutzt werden. Ein Vor¬ 
schlag schien mir ziemlich annehmbar: jeder Papierbecher wird in ein 
Kouvert gelegt, welches mit dem Namen des Kindes versehen wird; 
alle Kouverts einer Klasse werden alphabetisch geordnet und auf 
Wunsch den Kindern, falls sie Wasser trinken wollen, von dem 
Lehrer resp. einem Schulkind, das die Becher in Verwahrung hat, 
ausgeliefert. Hierdurch würde auch vermieden, dass die Kinder 
ihre Becher nach Hause mitnehmen, wo sie wiederum von andern 
Personen benutzt werden könnten. 

Als Resum6 kann man wohl folgendes sagen: 

Es ist dringend erforderlich, dass jedes Schulkind einen eigenen 
Trinkbecher besitzt, um die leicht mögliche Übertragung von Infek¬ 
tionskrankheiten von Kind zu Kind durch gemeinsamen Gebrauch 
von Trinkgefässen zu verhüten. 

In welcher Weise dieses Erfordernis am zweckmässigsten 
seine Lösung findet, welches System des Einzel-Trinkbechers ein¬ 
zuführen ist, diese Frage ist noch nicht mit Bestimmtheit zu beant¬ 
worten. 


Digitized by 


Google 



Ist ein Einfluss des Rheins auf die Brunnen der 
Wasserwerke der Stadt Cöln zu konstatieren? •) 

Von 

Dr. Bärenfänger in Cöln. 


Der Gelsenkirchencr Wasserwerksprozess hat das Interesse 
weiterer Kreise auf die Wasserversorgung der Städte gelenkt, ins¬ 
besondere auf solche, die ihr Wasser in der Nähe von Flüssen 
entnehmen. Ein Durchtreten von Flusswasser in den Untergrund 
wird meistens ohne weiteres in Laienkreisen angenommen, aber 
auch in Fachkreisen ist man oft über den Einfluss des Flusses auf 
das Grundwasser recht verschiedener Ansicht. Das kommt wohl 
daher, weil exakte Messungen und Untersuchungen selten sind und 
sich dann nur über kurze Zeit erstrecken. Bei den Cölner Wasser¬ 
werken wird das Wasser seit Jahren chemisch un^ bakteriologisch 
untersucht, desgleichen wird der Grund- und Flusswasserstand ge¬ 
messen, ebenso die Temperatur von Grund- und Flusswasser. Hier 
war also das Material vorhanden, um die Frage, ob ein Einfluss 
des Rheins auf die Brunnen der Wasserwerke vorhanden sei, zu 
prüfen. Sollte ein solcher nachzuweisen sein, dann konnte man 
auch gleich feststellen, in welcher Art sich derselbe bemerkbar 
macht. 

Der Einfluss eines Flusses nun, der sich auf Brunnen bzw. 
Grundwasser bemerkbar machen kann, ist oft recht verschieden. 
Tritt Flusswasser in den Untergrund ein, dann verändert sich nicht 
nur die chemische Zusammensetzung des Grundwassers, sondern 
der Flusswasserstand wird auf den Grundwasserstand ebenfalls ein¬ 
wirken. Steht das Flusswasser hoch, dann wird auch das Grund¬ 
wasser steigen und umgekehrt. Wie weit in das Land hinein sich 
der Eintritt von Flusswasser bemerkbar macht, hängt von den Um¬ 
ständen ab, denn die Durchlässigkeit des Bodens und die Mächtig- 


1) Unter obigem Titel im Journal für Gasbeleuchtung und Wasser¬ 
versorgung, Heft 2, Jahrgang 1905, Seite 28 mit 8 Figuren im Text er¬ 
schienen. 


Digitized by v^ooQle 



95 


keit des Grund- und Flusswasserstromes sind hier die herrschenden 
Faktoren. vSchwankungen des Grundwasserspiegels abhängig von 
dem Flusswasserspiegel werden sich noch oft weit in das Land be¬ 
merkbar machen, wenn von einer chemischen Einwirkung längst 
keine Rede mehr ist. Es kann sogar der Fall eintreten, dass sich 
das Grundwasser an dem Flusswasser gewissermassen staut, dass 
nur das Grundwasser entsprechend dem Flusswasserstande schwankt, 
ohne dass von einem Eintritt von Flusswasser ausserhalb natürlich 
einer Grenze, die in diesem Fall sein* scharf ist, die Rede ist. Je 
weiter man von dem Flusse entfernt den Grundwasserstand misst, 
um so länger wird es dauern, bis sich die Schwankung des Fluss¬ 
wasserspiegels auf das Grundwasser bemerkbar macht. Es kann 
der Unterschied eine Woche und mehr betragen. Auch die Inten¬ 
sität wird abnehmen. Steigt der Fluss um 2 m, dann wird in 
2 km Entfernung vielleicht das Grundwasser nach 1 Woche nur 
um 1—1,50 in steigen. 

Was nun die chemische Zusammensetzung des Grundwassers 
angeht, so kann eine Einwirkung des Flusses zu konstatieren sein, 
die mit der Entfernung immer mehr abnimmt, bis sie schliesslich 
aufhört, unabhängig von dem jeweiligen Wasserstande, von ausser* 
gewöhnlich hohen oder niedrigen Wasserständen abgesehen. Oder 
aber es können Schwankungen in der Zusammensetzung entsprechend 
hohem oder niedrigem Wasserstande eintreten. In dem einen Fall 
tritt viel, in dem andern wenig Flusswasser in den Untergrund. 

Bakteriologisch wird eine Einwirkung des Flusses auf das 
Grundwasser nur auf kürzere Entfernungen bemerkbar sein, da 
eine Filterwirkung leichter eintritt, als eine Diffussion aufhört. 

Unter Umständen wird man schliesslich sogar eine Temperatur- 
Schwankung des Gruudwassers bemerken können, die sich auf Durch¬ 
treten von Flusswasser in den Untergrund zurückführen lässt. 
Im Sommer und Winter, wenn der Temperaturunterschied von Grund- 
und Flusswasser stark ist, wird sich am ehesten eine Differenz 
nachweisen lassen. Wenn auch in 3—4 m Tiefe ein Unterschied 
»wischen Sommer und Winter im ruhenden Boden nicht mehr 
nachweisbar ist, so kann sich der Untergrund in noch grösserer 
Tiefe dem Durchströmen von Grund- und Flusswasser ausgesetzt, 
doch etwas erwärmen oder abkühlen. 

Je grösser die durchströmenden Wassermengen sind und je 
länger die Temperaturdifferenz besteht, um so eher wird sich die¬ 
selbe nachweisen lassen, besonders dann noch wenn sie gross ist. 

Es ist jedoch noch möglich, dass im Laufe der Jahre Ver¬ 
änderungen eintreten. In dem Untergrund können sich kleine 
Kanäle ausgesptilt haben, besonders wenn die vorhandenen Brunnen 
stark abgepuinpt werden, wodurch sich eine stärkere Einwirkung 


Digitized by 


Google 



96 


des Flusses auf das Grundwasser bemerkbar macht. Andererseits 
kann aber der Fluss im Laufe der Zeit eine Schlammschicht ab¬ 
setzen, die ein Durchtreten in den Untergrund wenn auch nicht 
verhindert, so doch stark abschwäcbt. 

Um ein klares Bild über obige Fragen überhaupt erhalten zu 
können, ist es erforderlich, zunächst kurz die Lage der Cölner 
Wasserwerke festzustellen. Das im Jahre 1872 in Betrieb ge¬ 
kommen älteste Pumpwerk Alteburg besitzt 3 Schöpfbrunnen von 
5,5 m lichter Weite und 18 m Tiefe. Es liegt, wie auch Pump¬ 
werk Severin und das neue Wasserwerk Hochkirchen, im Alluvium 
der sogenannten Cölner Bucht, die als ein Einsturzfeld grossen 
Massstabes anzusehen ist und deren Bildung in die nachpliocäne 
Zeit fällt. Es sind in der Cölner Bucht, wie auch im Mtinsterschen 
und Neuwieder Becken, grosse Mengen von Quarzgeröllen, von Sand 
und Ton, vor allem aber auch Braunkohlen zur Ablagerung gelangt. 
Durch diese alluvialen Anschwemmungen strömt von Süd nach Nord 
ein mächtiger Grundwasserstrom, der bei allen 3 Werken zur 
Wasserentnahme dient. In wieweit nun dieser Grundwasserstrom 
vom Rheinstrom beeinflusst wird, soll durch nachstehende Unter¬ 
suchung festgestellt werden. 

Die bereits vorher erwähnten 3 Brunnen des Pumpwerks 
Alteburg liegen in folgender Entfernung vom Rhein. Brunnen I in 
75,70, Brunnen II in 84,7 m und Brunnen III in 127 m Entfernung. 
Es ist noch ein vierter Brunnen vorhanden, der sogenannte Rhein¬ 
brunnen, der jedoch nicht zur Wasserentnahme dient und 43,5 m 
vom Rhein liegt. Der untere Brunnenkranz der 3 Schöpfbrunnen 
liegt 8 m unter Null Cölner Pegel. Das Rheinufer ist aus Basalt¬ 
blöcken gemauert, deren Fugen mit Zement wasserdicht verstrichen 
sind. Wasser kann also nur unter der Unterkante, die etwa 1,4 in 
unter Mittelwasser = + 2,87 m Kp. liegt und durch die aus 
gewaschenem Rheinkies bestehende Brunnensohle durchtreteu, da 
auch die Brunnenwandung kein Wasser durchlässt. Wie die ein¬ 
zelnen Bodenschichten, aus denen das Ufergelände besteht und 
in die auch die Brunnen niedergebracht wurden, auf einander folgen, 
zeigt nachstehende Tabelle. 

0— 1,50 m Mutterboden 

1.50— 5,10 „ feiner Sand 

5.10— 5,30 „ sandiger Lehm 

5,30— 5,50 „ feiner Sand 

5.50— 5,90 „ Lehm 

5,90— 6,80 „ Sand und Bimsstein 

6,80— 7,10 „ Ton 

7.10— 10,60 „ scharfer Sand 

10,60—20,50 „ grober Kies u. Sand als wasserführende Schiebt 


Di ized by v^ooQle 



97 


20,50—21,40 m scharfer Sand mit gelbem eisenhaltigem Kies 
21,40—25,60 „ grober Sand und Kies 
25,60—29,10 „ gelber eisenhaltiger Kies und Sand fest 
zusaminengebacken 

29,10—30,0 „ roter Sand und Kies 
30,0 —33,0 „ feiner weisser Sand 

33,0 —39,70 „ schwarzer Sand 
39,70—39,80 „ Braunkohlen. 

Das Pumpwerk Alteburg konnte den Wasserbedarf jedoch 
bald nicht mehr liefern und deshalb wurde das Pumpwerk Severin 
erbaut, das im Jahre 1885 in Betrieb kam. Es besitzt 6 Brunnen 
von je 20 m Tiefe und 5,5 m lichter Weite in einem jeweiligen 
Abstand von 50 m. Die Bodenverhältnisse sind ganz ähnlich wie 
an der Alteburg. 

Die in den Jahren gemachten chemischen Untersuchungen 
wurden nun in Kurven (Coordinatensystem) aufgetragen, desgleichen 
der zur Zeit der chemischen Probenahme gemessene Grund- und 
Flusswasserstand. Die bakteriologischen Werte von Pumpwerk 
Alteburg wurden ebenfalls zum Vergleich mit dem Grund- und 
Flusswasserstand aufgetragen. Da an Seherin der Bakteriengehalt 
sehr gering ist, im Mittel 10 Keime pro 1 ccm, so wurden diese 
Zahlen überhaupt weggelassen, da die Unterschiede zu gering waren, 
denn wenn man einmal 6 Keime findet und das andere mal 
9 Keime, so wäre es töricht, hieraus überhaupt Schlüsse ziehen zu 
wollen. 

Alle 4 Wochen wurde von den Cölner Werken eine Unter¬ 
suchung vorgenomraen, zum Vergleiche wurden die Jahre 1891— 
1903 genommen. Wenn nun auch die Kurven der Wasserstände 
nicht das absolute Steigen und Fallen des Grundwassers und des 
Rheines anzeigten, da die einzelnen Kulminationspunkte 4 Wochen 
auseinander lagen, das Wasser kann ja innerhalb der Zeit, die die 
einzelnen Untersuchungen auseinander lagen, gestiegen und gefallen 
sein, so ergibt sich doch ein ziemlich richtiges Bild, wenn man 
bedenkt, dass Wasserentnahme und Messung zur gleichen Zeit er¬ 
folgte. Was nun den Grund- und Rheinwasserstand angeht, so er¬ 
gibt sich aus obiger Zusammenstellung, dass der Grundwasserstand 
von Hoch- und Niedrigwasser abgesehen durchschnittlich höher steht 
als der Rhein, ferner dass das Grundwasser alle Schwankungen 
des Rheinwasserspiegels mitmacht, nur nicht so schnell. Um die 
Schwankungen von Grund- und Flusswasser ganz genau klar zu 
stellen, wurde ein volles Jahr jeden Tag morgens um 7 Uhr und 
abends um 7 Uhr bei Wechsel der Tag- und Nachtschicht der 
Grund- und Flusswasserstand gemessen und die erhaltenen Zahlen 
geordnet aufgetragen. Der Grundwasserstand wird, um es noch 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 7 


Digitized by t^ooQle 



98 - 


nachzutragen, in einem Bohrloch 331,70 m vom Rhein entfernt ge¬ 
messen, um Schwenkungen des Grundwasserspiegels durch Abpumpen 
der 3 Schöpfbrunnen zu vermeiden. In einem Bohrloch in dem 
Gebäude des neuen Wasserwerks Hochkirchen, 1,6 km vom Rhein, 
wurde ebenfalls ein Jahr lang der Grundwasserstand jeden Tag 
gemessen, desgleichen der Rbcinwasserstand gegenüber demselben. 
Hier sowohl wie an der Alteburg tritt mit voller Deutlichkeit die 
Analogie zwischen Grund- upd Fluss wasserstand zu Tage. Jede 
Schwankung des Rheines macht sich im Grundwasserstand bemerk¬ 
bar, nur später. An der Alteburg dauert die Verzögerung etwa 
18 Stunden, bei Hochkirchen etwa 1 Woche. An Pumpwerk Severin 
fehlt ein Bohrloch, in dem-man den Grundwasserstand unabhängig 
von dem Abpumpen der Brunnen einwandsfrei messen konnte, doch 
werden hier die Verhältnisse analog sein. Was nun die chemischen 
Werte angeht, so ergibt sich an der Alteburg eine Beeinflussung 
durch den Rhein, im allgemeinen aber unabhängig von dem Rhein¬ 
spiegelstand. Nur in einigen Jahren kann man bei besonders hohem 
oder niedrigem Wasserstand bemerken, dass mehr oder weniger 
Rheinwasser als sonst in den Untergrund eingetreten ist. Der Rhein 
enthält im Durchschnitt pro 100 000 Teile: 

20—30 Teile Rückstand 
7—8° Härte 
2—3 Teile Chlor 
1—2 Teile organischer Substanz 
Salpetersäure in Spuren. 

Die 3 Schöpfbrunnen der Alteburg und der sogenannte Rhein¬ 
brunnen verhalten sich etwa wie folgt. Pro 100 000 Teile ent¬ 
halten : 



Brunnen 

Brunnen 

Brunnen 

Rheinbrunnen 


I 

II 

III 


Rückstand 

25—35 

30-40 

35—45 

20-30 

Härte 

10-12 

10-13 

13—14 

7-8 

Chlor 

3 

3 

3 

2—3 

Organ. Subst. 

0,2- 0,3 

0,2—0,3 

0,2—0,3 

0,3 

Salpetersäure 

0,2—1,5 

0,5—2,5 

1—3,5 

Spuren —0,8 


Die 6 Brunnen an Severin schwanken untereinander wenig, 
so dass hier nur das Mittel folgen mag: 

Rückstand 50 

Härte 15 

Chlor 3 

Organ. Subst. 0,2—0,3 
Salpetersäure 3—4. 

Vergleicht man nun die chemischen Werte der Brunnen, so 
findet man, dass Severin nicht vom Rhein beeinflusst wird, denn 


Digitized by v^ooQle 



99 


die Zahlen sind die gleichen, die auch bei Wasser aas Bohrlöchern 
2—3 km vom Rhein erhalten wurden und man kann das Wasser 
von Severin ohne weiteres als reines Grundwasser ansprechen, da 
sich seine Zusammensetzung nicht merklich im Laufe der Jahre 
verändert hat und auch gänzlich unabhängig vom Rheinwasserstande 
ist. An der Alteburg zeigt sich der sogenannte Rheinbrunnen am 
stärksten durch den Rhein beeinflusst, sein Wasser hat fast dieselbe 
Zusammensetzung wie das Rheinwasser. Dann folgt Brunnen I, 
dann Brunnen 11 und endlich Brunnen III, dessen Wasser sich seiner 
Zusammensetzung nach schon sehr dem von Severin nähert. In 
keinem der Alteburger Brunnen, selbst im Rheinbrunnen nicht, 
wie auch an Severin nicht, wurde je Ammoniak oder Salpetrige 
Säure uachgewiesen. Der hohe Salpetersäuregehalt des Grund¬ 
wassers stammt von den in den Untergrund eingestreuten Braun- 
kohlenresten her und hat so, nachdem man seinen Ursprung kennt, 
keine Bedeutung. Je weiter die Alteburgerbrunnen vom Rhein 
entfernt liegen, um so grösser wird der Rückstand und die Härte, 
desgleichen nimmt der Salpetersäuregehalt zu. Der Chlorgehalt 
und der Gehalt an organischen Substanzen schwanken in ihren 
Mengenverhältnissen nicht derart, dass man einen Einfluss des 
Rheines ohne weiteres aus ihnen konstatieren kann. 

Bakteriologisch ist Pumpwerk Severin wie schon bemerkt 
vollständig unabhängig vom Rhein, aber auch beim Pumpwerk 
Alteburg ist eine Einwirkung des Rheins nicht vorhanden, weder 
absolut noch entsprechend hohem oder niedrigem Wasserstand. Der 
Bakteriengehalt ist zwar höher wie der an Severin, doch hat dies 
andere Gründe als die Nähe des Rheins, was sich schon daraus er¬ 
gibt, dass der dem Rhein zunächst liegende Schöpfbrunnen I die 
wenigsten Keime pro 1 ccm enthält. Der Bakteriengehalt der 
3 Brunnen schwankte im Laufe der Jahre zwischen 5 und 80 Keime 
etwa pro 1 ccm. Der Bakteriengehalt ist höher als der von Severin, 
weil die Brunnen der Alteburg mit nicht ganz dicht schliessenden 
gusseisernen Platten zugedeckt waren, durch die Luftkeime durch- * 
treten konnten. Durch diese jahrelangen Versuche wurde aber klar 
die ausgezeichnete Filterwirkung des Bodens festgestellt, die eine 
Beeinflussung des Grundwassers durch den Rhein in bakteriologischer 
Beziehung illusorisch macht. Eine Versuchsreihe sei aber noch 
besonders hier erwähnt. Während der Rhein stieg und wieder fiel, 
wurde das Grund- und Rheinwasser täglich chemisch und bakterio¬ 
logisch untersucht. Der mehrere Wochen dauernde Versuch ergab 
die gleichen Resultate, wie die im Lauf der Jahre erhaltenen 
Schwankungen des Grundwassers abhängig vom Rheinwasserstand. 
Die chemische Veränderung blieb unabhängig vom Rheinwasserstand, 
ebenso zeigte der bakteriologische Befund keinerlei Einwirkung der 


Digitized by 


Google 



100 


Rheinnähe, Doch Veränderungen entsprechend dem Rheinwasserstand. 
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass eine Einwirkung des Rheins,, 
was die Temperatur anlangt, bei dem Brunnen der Alteburg vor¬ 
handen ist. Das Grundwasser hat eine Temperatur von etwa 10°. 
In den Monaten Dezember bis März etwa sinkt in den Alteburger 
Brunnen die Temperatur gleichmässig auf 9 0 und steigt dann wieder 
an auf 10° C. An Severin bleibt die Temperatur immer gleich,, 
etwa 10° Sommer und Winter, wie es ja auch vorauszusehen ist, 
denn die Entfernung 900 m vom Rhein ist zu gross, als dass sich 
ein Temperaturunterschied bilden könnte. 


Digitized by t^ooQle 



Bericht über die 29. Versammlung des Deutschen 
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 
in Danzig vom 14.—17. Sept. 1904. 

Von 

Dr. Pröbsting in Cöln. 


Es war im Jahre 1874, als der Deutsche Verein für öffent¬ 
liche Gesundheitspflege zum ersten Male in Danzig seine Tagung 
abhielt. An der Spitze der Stadt stand damals der Oberbürger¬ 
meister v. Winter, ein Mann, der mit weitschauendem Blick und 
mit grossem Verständnis für die hygienischen Aufgaben der Städte 
Bewunderungswertes und auch für heute noch Musterhaftes geschaffen 
hat, so dass man ihn den ersten hygienischen Oberbürgermeister ge¬ 
nannt hat, ein Ehrentitel, den er im vollsten Umfange verdiente. 

Nach 30 Jahren hatte der Verein seine Mitglieder zum zweiten 
Male nach Danzig geladen, und die Anziehungskraft des Namens 
Danzig hatte sich auch dieses Mal bewährt, über 350 Mitglieder hatten 
dem Ruf Folge geleistet. 

Nachdem im herrlichen altehrwtirdigen Artushof am 13. September 
ein Begrüssungsabend stattgefunden hatte, begannen am 14. im 
Friedrich-Wilhelm-Schützenhause die Verhandlungen. 

Der Vorsitzende Oberbürgermeister Fuss-Kiel begrtisste mit 
herzlichen Worten die Versammlung und widmete dann dem lang¬ 
jährigen Sekretär und Ehrenmitglied des Vereins, dem verstorbenen 
Geheimrat Dr. Spiess, ehrende Worte des Gedenkens. An seine 
Witwe und treue Mitarbeiterin wurde zum Ausdruck der Teilnahme 
ein Telegramm gesandt und weiterhin beschlossen, als bleibendes 
Zeichen der Verehrung für den Entschlafenen und als Dank für die 
vielen und treuen Dienste, welche die Witwe dem Verein geleistet 
hat, ihr auch fernerhin sämtliche Drucksachen des Vereins zukommen 
zu lassen. Dann begrüsste im Namen des Ministers der geistlichen 
und Medizinalangelegenheiten Oberpräsident Delbrück die Ver¬ 
sammlung, namens der Stadt Oberbürgermeister Ehlers. Nach Bildung 
des Bureaus erstattete der ständige Sekretär des Vereins Dr. Pröb*- 


Digitized by v^ooole 



102 


sting-Cöln den Jahresbericht. Danach beträgt die Einnahme dea 
Rechnungsjahres 1903 im ganzen 15308, die Ausgaben stellen sich 
auf 5572, so dass am Schlüsse des Jahres ein Kassenbestand von 
8635,76 Mk. vorhanden war. 

Der Verein zählt zur Zeit 1736- Mitglieder und hat 27 Mit¬ 
glieder durch den Tod verloren. Das Andenken an diese ehrte die 
Versammlung durch Erheben von den Sitzen. 

Der Vorsitzende teilte darauf mit, dass von den 69 Männern, 
die im Jahre 1873 den Aufruf zur Gründung des Vereins Unter¬ 
zeichneten, nur noch Geheiinrat Prof. Dr. Lent-Cöln dem Verein, 
angehöre. Namens des Ausschusses schlage er vor, Herrn Geheim¬ 
rat Lent zum Ehrenmitgliede zu ernennen. Einstimmig nahm die Ver¬ 
sammlung diesen Vorschlag an. In bewegten Worten dankte der 
Gefeierte für diese grosse Ehrung und wünschte dem Verein noch 
ein langes, segensreiches Leben. 

Dann ergriff Prof. Dr. Kruse-Bonn das Wort zum ersten 
Thema: Die Ruhr und ihre Bekämpfung. Man ist nur zu sehr 
geneigt, so führte der Vortragende aus, die Ruhr als eine sehr 
harmlose Krankheit anzusehen, die eigentlich nur noch historisches 
Interesse hat. Das ist aber durchaus irrig, die Ruhr ist auch heute 
noch eine sehr ernsthaft zu nehmende Volkskrankheit, die immer 
noch zahlreiche Opfer fordert; kamen doch in Preussen in den 
letzten 30 Jahren 64000 Todesfälle an dieser Krankheit vor. Ganz 
besonders werden die Provinzen West- und Ostpreussen von dieser 
Krankheit heimgesucht, aber neuerdings haben wir auch in den 
westlichen Provinzen z. B. in Barmen Ruhr-Epidemien, die wohl auf 
polnische Arbeiter zurtickzuftihren sind. 

In allererster Linie ist aber die Ruhr eine Kriegskrankheit, die 
zu allen Zeiten schwere Opfer gefordert hat, auch noch in jüngster 
Zeit z. B. während der bekannten Expedition in China wurden 
zahlreiche Ruhrerkrankungen und Todesfälle beobachtet. 

Ganz zweifellos ist die Ruhr eine ansteckende Krankheit, und 
diesen infektiösen Charakter haben auch schon die Alten erkannt, 
ohne sich aber den Weg und die Art und Weise der Ansteckung 
klar zu sein. Man meinte, dass sie durch Tiere ähnlich den Käse¬ 
milben verbreitet würde und nannte die Krankheit direkt eine Krätze 
des Darms. 

Neuere bakteriologische Untersuchungen haben 4 verschiedene 
Erreger der Ruhr festgestellt nämlich Amöben und Bazillen. Dass 
diese letzteren die wirklichen Erreger der Ruhr sind, konnte Vor¬ 
tragender vor einiger Zeit direkt nachweisen. Er hatte seinen Zu¬ 
hörern eine Reinkultur dieser Bazillen gezeigt, eine Zuhörerin hatte 
etwas von dieser Reinkultur verschluckt, um am eigenen Körper die 
Natur der Bazillen zu erproben. Der Versuch bestätigte in glänzender 


Digitized by v^ooQle 



103 


Weise.die Theorie, denn nach 5 Tagen erkrankte die Zuhörerinan 
typischer Ruhr. 

Der Ansteckungsstoff wird durch den Stuhlgang aus dem 
Körper ausgeschieden und wird in erster Linie durch direkte Be¬ 
rührung mit erkrankten Personen bez. deren Abgänge übertragen, 
selten durch verunreinigte Nahrungsmittel oder Wasser. Ansteckung 
durch die Luft ist nicht möglich oder doch nur durch Vermittelung 
von Fliegen oder dergleichen. 

Ortschaften oder Häuser mit schlechten Abwässerverhältnissen 
sind durch die Ruhr viel stärker gefährdet als solche mit guten. 
In Städten mit guter Kanalisation kann sich die Ruhr nicht ein¬ 
nisten. Auch von atmosphärischen Verhältnissen ist die Ruhr sehr 
abhängig, da sie, wie bekannt, fast immer im Spätsommer oder 
Herbst auftritt. In der Zwischenzeit kommen Erkrankungen nur ver¬ 
einzelt vor, sie sind jedoch als Verbindungsglieder zwischen den 
einzelnen Epidemien von grosser Wichtigkeit. Schliesslich hob 
Referent einige allgemeine Gesichtspunkte betreffend die Bekämpfung 
der Ruhr hervor, wobei er in erster Linie auf die Verbesserung der 
Wohnungs- und Abwässerverhältnisse hinwies. Er warnte jedoch 
davor, die Erfolge der bisherigen Massnahmen zu überschätzen; wenn 
in den beiden letzten Jahren die Krankheit wesentlich nachlicss, so 
ist dies wohl in erster Linie der niedrigen Temperatur zuzuschreiben. 

Der Korreferent Regierungs- und Medizinalrat Dr. Doepner- 
Gumbinnen führte aus, dass er in einem Bezirk tätig sei, in dem 
die Ruhr ausserordentlich häufig auftrete. Man hat vielfach an¬ 
genommen, dass die Krankheit von Russland eingeschleppt werde, 
aber die Beobachtung hat doch ergeben, dass diese Annahme nicht 
in allen Fällen zutreffend ist. Da die Krankheit nicht in das Reicbs- 
seuchegesetz aufgenommen ist, so fällt ihre Bekämpfung den Einzel¬ 
staaten zu, die denn auch in den einzelnen Staaten sehr von einander 
abweicht. Redner gab eine ausführliche Darstellung der verschiedenen 
Bekämpfungsmassregeln und stellte alsdann eine Reihe von Forde¬ 
rungen auf, die für Bekämpfung der Krankheit notwendig seien. In 
erster Linie forderte er die Anzeigepflicht eines jeden Falles von 
Ruhr, dann die Absonderung der Erkrankten, wenn möglich in 
Krankenhäusern und die genaue bakteriologische Untersuchung der 
Abgänge. Um die Weiterverbreitung der Krankheit zu verhindern, for¬ 
derte er eine Reihe von Massregeln, wie Verbot von Ansammlung von 
Menschenraassen, Beschränkung von Gewerbebetrieben, Schliessung 
von Schulen u. s. w. Eine Reihe weiterer Massregeln soll einer 
gründlichen Vernichtung aller etwa vorhandenen Kranklieitskeime 
durch Desinfektion dienen. 

In der anschliessenden Diskussion nahm zuerst Kreisarzt Dr. 
Kriege Barmen das Wort. Er schilderte die Ruhrepidemien in 


Digitized by 


Google 



104 


Barmen, deren Verlauf er durch graphische Tabellen erläuterte; 
hiernach sind auch in Barmen August und September die Hauptmonate 
für die Ruhrerkrankungen. Einzeichnungen auf einen grossen Stadt¬ 
plan von Barmen Hessen sehr deutlich die Verbreitungsweise der 
Krankheit von ihren Herden aus erkennen. Das Wasser hat wohl 
in der Verbreitung der Krankheit keine Rolle gespielt und ebenso 
hat sich kein Grund für die Annahme finden lassen, dass Nahrungs¬ 
mittel die Krankheitserreger übermittelt haben. Wohl aber ist an¬ 
zunehmen, dass die Krankheit eingeschleppt ist, und zweifellos haben 
die Abwässer zur Verbreitung der Krankheit beigetragen, da in 
Barmen noch nicht alle Häuser an die Kanalisation angeschlossen 
sind. Zum Schluss besprach Redner noch die von ihm mit Erfolg 
angewandten Schutzmassregeln und verbreitete sich kurz über die 
sonstigen vorgeschlagenen Massregeln, wobei er jedoch betonte, dass 
diese oft sehr schwer durchzuführen seien. 

Geheimrat Prof. Dr. Gärtner-Jena dankte zunächst dem 
freiwilligen Auxiliarreferenten Kriege, dessen reiche Erfahrungen auf 
diesem Gebiete von besonderem Werte seien. Auch er forderte 
Anzeigepflicht, die er aber auch auf die verdächtigen Fälle ausgedehnt 
wissen will. Als eine Hauptbekämpfungsmassregel bezeichnete er 
die Isolierung der Erkrankten in Krankenhäusern. Aufklärung der 
Bevölkerung über die Art der Übertragung der Krankheit sei not¬ 
wendig, aber in erster Linie müsse sich diese Belehrung an die Frauen 
wenden, da diese ja in erster Linie bei der Krankenpflege in Be¬ 
tracht kommen. Dann besprach Redner noch die Kanalisation; es 
sei nicht allein notwendig, dass die Häuser an eine solche ange¬ 
schlossen seien, sondern es müssten auch zahlreiche und bequeme 
Ausgussstellen vorhanden sein, damit das Schmutzwasser leicht fort¬ 
geschafft werden könnte. Für die bakteriologische Untersuchung 
empfahl er bakteriologische Untersuchungsämter, da man solche 
schwierige Untersuchungen von den praktischen Medizinalbeamten 
nicht verlangen könne. 

Stadtrat Hartwig-Dresden meinte, dass es im Zuge derZeit 
liege, alle Übelstände auf die schlechten Wohnungen zu schieben, 
und er fragte daher bei den Referenten an, wie denn die Wohnungen 
beschaffen sein müssten, um die Ruhr erfolgreich zu bekämpfen. 
Das Übermass an Teppichen, Stores u. s. w. in den Wohnungen der 
Wohlhabenden sei nach seiner Meinung für die Verbreitung der 
Krankheit besonders gefährlich. 

Geh. Obermedizinalrat Dr. Pistor-Berlin machte einige Be¬ 
merkungen über eine ausgiebige Desinfektion. Er empfahl den Ge¬ 
brauch von grüner Seife, die wertvoller sei wie die ,3°/ 0 Karbol¬ 
säurelösung, Sublimat möchte er nicht angewandt wissen. Dann wies 
er noch auf den Staub als Verbreiter der Krankheiterreger hin. 


Digitized by v^ooQle 



105 


In seinen Schlussworten sprach Prof. Kruse noch über den 
grossen Wert der Isolierung von Ruhrkranken in Krankenhäusern. Die 
Frage der Seruratherapie erklärte er für noch nicht spruchreif, sie müsse 
noch viel eingehender an einem grossen Material geprüft werden. 
Was die Teppiche u. 8. w. angehe, so seien diese am wenigsten 
zu fürchten, denn die Ruhr sei fast ausschliesslich eine Krankheit 
der Armen, bei denen keine Teppiche zu finden seien. 

Daran schloss sich noch eine ganz kurze Bemerkung der Kor¬ 
referenten über die Benutzung von Sublimat als Desinfektionsmittel. 

Den Ausführungen der Referenten lagen folgende Leitsätze zu 
Grunde: 

1. Die Ruhr (Dysenterie), früher eine der häufigsten Volkskrank¬ 
heiten, dann fast vergessen, hat sich in der neuesten Zeit dadurch 
bemerkbar gemacht, dass sie in Form von grösseren Streifzügen 
(Epidemien) aufgetreten ist, oder sich in manchen Bezirken 
dauernd (endemisch) eingenistet hat. Sie verdient aber auch 
deshalb Beachtung, weil sie zu allen Zeiten eine gefürchtete 
Kriegskrankheit gewesen und eine gewöhnliche Krankheit der 
Kolonialländer ist. 

2. Neue Untersuchungen haben ergeben, dass die Ruhr eine an¬ 
steckende Krankheit ist, die auf mehrere, von einander ver¬ 
schiedene Erreger zurückgeführt werden muss. Es ist Aussicht 
vorhanden, dass es gelingen wird, ähnlich wie bei der Diph¬ 
therie, auch bei der Ruhr geeignete Schutzimpfungs- und Heil¬ 
verfahren zu finden. Doch ist dazu erforderlich, dass die 
wissenschaftliche Ruhrforschung durch Gewährung reichlicherer 
Mittel unterstützt wird. 

3. Der Ansteckungsstoff wird durch den Stuhlgang aus dem er¬ 
krankten Körper ausgeschieden. übertragen wird er in erster 
Linie durch Berührung mit erkrankten Personen und deren Ab¬ 
gängen, selten durch verunreinigte Nahrungsmittel oder Wasser. 
Kranke, die umherlaufen, sind besonders gefährlich, weil sie 
die Krankheitskeirae weit verstreuen. Ansteckung durch die 
Luft ist nicht möglich oder doch höchstens durch Vermittelung 
von Fliegen oder dergl. 

4. Eine örtliche Empfänglichkeit besteht insofern, als Ort¬ 
schaften oder Häuser mit schlechten Wohnungs- oder Abwässer¬ 
verhältnissen durch die Ruhr viel stärker gefährdet sind. In 
gut kanalisierten Städten vermag sich die Ruhr nicht einzu¬ 
nisten. 

5. Epidemien entstehen fast immer im Spätsommer oder Herbst. 
In der übrigen Zeit kommen zwar Erkrankungen nur vereinzelt 
vor, sie sind aber deshalb wichtig, weil sie anscheinend die 
Verbindungsglieder zwischen den Epidemien bilden. 


Digitized by 


Google 



106 


6. Vorbeugende Massnahmen allgemeiner Natur bestehen darin, 
dass man 

a) die Wohnungs- und vor allem die Abwässerverhältnisee 
verbessert; 

b) die einzelnen Erkrankungsfälle, die in der epidemiefreien 
Zeit Vorkommen, abfängt; 

c) die Überbleibsel der Epidemien recht gründlich unschäd¬ 
lich macht. 

7. Besondere Schutzmassregeln: 

a) Jede Erkrankung — auch die ambulanten Fälle — und 
jeder Todesfall an Ruhr sind anzeigepflichtig; 

b) Bei der Ermittelung der ersten Fälle der Ruhr durch den 
Medizinalbeamten ist nicht allein der Krankheitsverlauf 
zu berücksichtigen, sondern es muss in jedem Falle die 
bakteriologische Untersuchung der Darmentleerungen und 
möglichst auch die Serumprobe ausgeführt werden; 

c) Absonderung der Erkrankten, wenn irgend möglich in 
Krankenhäusern; 

d) Verbot der Ansammlung grösserer Menschenmassen, sowie 
der Einquartierung von Truppen: 

e) Beschränkung des Gewerbebetriebes; 

f) Fernhaltung erkrankter, krankheitsverdächtiger und an¬ 
steckungsverdächtiger Personen vom Schulbesuch; 

g) Desinfektion der Leib- und Bettwäsche, Kleidungsstücke 
und der Wohnräume; 

h) Vorsichtsmassregeln bezüglich der Leichen; 

i) Räumung von Wohnungen und Häusern; 

k) Verbot der Benutzung ungeeigneter Wasserentnahmestellen; 

l) Sorge für Aborte; 

rn) Prophylaktische Serumeinspritzung. 

Das zweite Thema des ersten Verbandlungstages lautete: 
Die Kältetechnik im Dienste der öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege. Referent für diesen Gegenstand war Dipl. Ing. 
S t e t e f e 1 d-Pankow-Berlin. 

Der Redner besprach zunächst den Bau und den technischen 
Betrieb von Maschinen für Kältererzeugung. Diese künstlich erzeugte 
Kälte bietet gegenüber der Benutzung von Natureis sehr grosse Vorteile. 
Die verschiedenen Methoden der Kälteerzeugung beim Trocken- wie 
beim Nasskühlverfahren geben gleich gute Resultate, wie die Unter¬ 
suchungen ergeben, dieder Referent in Gemeinschaft mit3 Fachgelehrten 
ein Jahr laug anstellte. Wir dürfen wohl mit Sicherheit behaupten, 
dass die vielseitige Anwendung der künstlichen Kälte bei der Kon¬ 
servierung von Nahrungsmitteln von weittragender Bedeutung für 
den allgemeinen Gesundheitszustand ist. Ganz besonders trifft dies 


Digitized by 


Google 



107 


auch für die Kinderernährung zu durch die Anwendung der künst¬ 
lichen Kälte in den Molkereien und beim Milchtransport. Die Ver¬ 
teuerung der Nahrungsmittel ist so geringfügig — beim Fleisch 
beträgt sie nur etwa 1 j 2 Pf. p. Pfund — dass sie gar nicht in Be¬ 
tracht kommen kann. Zum Transport grösserer Fleischmassen über 
See ist eine Abkühlung auf mehrere Grad unter 0, also ein direktes 
Einfrieren erforderlich. Die Fleischmassen müssen für diesen Zweck 
bis 75 Stunden dem Gefrierprozess ausgesetzt werden. 

Zuweilen wird durch die künstliche Kälte auch eine qualitative 
Verbesserung der Produkte hervorgebracht, z. B. beim Bier. 

In seinen weiteren Ausführungen ging der Vortragende auf 
die Ktihlprozesse ein, die zur Gesundheitserhaltung von aussen nach 
innen dienen. Er erwähnte hier besonders die Kühlung von Arbeits¬ 
und Versammlungsräumen in heissen Zeiten, wodurch die Schaffungs¬ 
kraft des Einzelnen erhöht werde. Auch die Verwendung der künst¬ 
lichen Kälte beim Sport — künstliche Eisbahnen — ist von wohltätigem 
Einfluss auf den Gesundheitszustand des einzelnen gewesen und hat 
dadurch auch den allgemeinen Gesundheitszustand gehoben. 

Eine Diskussion fand nicht statt. 

Die Leitsätze des Referenten lauteten: 

1. Die Erzeugung und Verwertung künstlich erzeugter Kälte bietet 
gegenüber der Benutzung des Natureises weitgehende Vorteile. 

2. Insbesondere die Nahrungsmittelkühlung und Kunsteiserzeugung 
in ihren Anwendungen in Schlachthäusern, Brauereien, Kühl¬ 
häusern für allgemeine Benutzung, Proviantkammern in Hotels, 
auf Schiffen, Eisenbahnwaggons, Privathäusern u. s. w. hat 
den allgemeinen Gesundheitszustand sichtbar gefördert und den 
Wohlstand gehoben. Die Einführung künstlicher Kälte in 
Molkereien und für den Milchtransport ist ein wesentlicher 
Faktor insbesondere für die Kinderernährung, und die Anwendung 
daher in noch weitgehenderem Masse anzustreben. 

3. Die Verwertung künstlicher Kälte zur Kühlung von Arbeits¬ 
und Versammlungsräumen in heissen Zeiten fördert die indivi¬ 
duelle Schaffenskraft und dient folglich auch der Allgemeinheit. 
Auch die Einstellung der Kältetechnik in die Dienste des Sports 
— künstliche Eisbahnen — fördert den Gesundheitszustand des 
einzelnen und somit wiederum den der Allgemeinheit. 

Das letzte Thema betraf eine Frage, die augenblicklich im 
Vordergründe des Interesses steht, es lautete: Wie weit darf die 
Freizügigkeit des Fleisches gehen ohne die Fleisch¬ 
versorgung der Städte in hygienischer Hinsicht zu ge¬ 
fährden ? 

Der erste Referent Oberbürgermeister Dr. Oehler Halberstadt 
besprach zunächst das Gesetz betr. die Schlachtvieh- und Fleisch- 


Digitized by 


Google 



108 


beschau und die Verhandlungen in den beiden preussischen Kammern 
über den Fortfall der Nachuntersuchung des eingeführten Fleisches 
in den städischen Schlachthäusern. Über 400 Städte mit 11 Mil¬ 
lionen Einwohnern haben Schlachthäuser, diese Städte können gewiss 
auf Berücksichtigung Anspruch machen. In Bayern, Sachsen, 
Württemberg und Baden wird auch weiterhin in Städten mit 
Schlachthäusern das eingeführte Fleisch nachuntersucht, nur in 
Preussen soll dies in Zukunft nicht mehr gestattet sein, wenn das 
Fleisch von einem Tierarzt untersucht war. Da das bezügliche 
Gesetz zwar von den beiden Häusern angenommen, aber noch nicht 
veröffentlicht ist, so würde es sehr wertvoll sein, wenn der Deutsche 
Verein für öffentliche Gesundheitspflege sich in seiner objektiven 
Weise mit dieser Frage beschäftigte. Da in dem Gesetzentwürfe 
ausgesprochen ist, dass nur solches Fleisch zur Nachuntersuchung 
gelangen dürfe, welches nicht von Tierärzten, sondern nur von Laien 
untersucht ist, so fehlt den Städten jede Kontrolle, und damit die 
Möglichkeit, die Bevölkerung vor gesundheitsschädlichem Fleisch zu 
bewahren. 

Der zweite Referent Dr. Bündle-Karlshorst-Berlin schloss 
sich diesen Ausführungen an und verlangte ebenfalls eine Ein¬ 
schränkung der Freizügigkeit des Fleisches. 

In der anschliessenden Diskussion erwähnte Oberbürgermeister 
Körte - Königsberg einen Vortrag von Prof. Hirschberg - Berlin, 
wonach die Zahl der Erkrankungen an Augen-Finnen in Berlin seit 
20 Jahren ausserordentlich abgenommen hat. Während nach den 
früheren Beobachtungen auf circa 1000 Augenkranke ein Fall von 
Augen-Finnen kam, wurde in den Zeitraum von 86—94 nur noch 
ein Fall auf 25000 Augenkranke beobachtet. 

Seit 1894 ist aber überhaupt kein Fall mehr von Finuen- 
erkrankung des Auges zur Beobachtung gekommen. Ganz ähnliche 
Beobachtungen werden auch aus Göttingen und Halle mitgeteilt. 
Ebenso ist es beim Bandwurm, auch bei diesem Schmarotzer ist eine 
ganz enorme Abnahme zu konstatieren. Wir gehen sicherlich nicht 
fehl, wenn wir diese Abnahme auf die strenge Fleischbeschau zurück¬ 
führen, und es steht zu fürchten, dass sich diese Verhältnisse wieder 
verschlechtern werden, wenn die Fleischbeschau nachlässiger wird. 

Oberbürgermeister Schneider - Magdeburg trat entschieden 
den Ausführungen der Referenten bei. Auch das von ländlichen 
Tierärzten untersuchte Fleisch müsse nachuntersucht werden, da 
diesen Tierärzten sehr oft die wirtschaftliche Unabhängigkeit fehle, 
welche die notwendige Voraussetzung für eine objektive Untersuchung 
bilde. Ferner besässen diese Tierärzte nicht die Übung und die 
wissenschaftlichen Hilfsmittel wie die städtischen Tierärzte. 

Zum Schluss sprach noch Geheimrat Prof. Dr. Gärtner- 


Digitized by 


Google 



109 


Jena als Angehöriger eines kleinen Bandesstaates sich gegen den 
preussischen Gesetzentwurf aus. 

Die Referenten hatten folgende Schlusssätze aufgestellt: 

Die durch das Reichsgesetz vom 3. Juni 1900 angeordnete 
allgemeine Schlachtvieh- und Fleischbeschau ist zwar als ein er¬ 
freulicher Fortschritt auf dem Gebiete der Nahrungshygiene zu be- 
grtissen, bildet aber eine gewisse Gewähr nur dafür, dass das unter¬ 
suchte, nicht beanstandete frische Fleisch zur Zeit und am Orte der 
'Schlachtung tauglich zum Genuss für Menschen ist. Die aus volks¬ 
wirtschaftlichen Gründen erwünschte Freizügigkeit des frischen 
Fleisches, d. i. die Zulassung des im Inlande geschlachteten frischen 
Fleisches zum Genuss an einem anderen Ort als dem Schlachtort 
birgt, wenn sie ohne ausreichende amtliche Kontrolle gestattet wird, 
grosse Gefahren für eine gesunde Volksernährung in sich. 

Die Kontrolle ist notwendig, um festzustellen, dass das ein- 
zuftihrende frische Fleisch beim Schlachten amtlich untersucht ist, 
dass es hierbei als tauglich zum Genuss befunden und mit ent¬ 
sprechendem Stempel versehen ist, dass es nicht inzwischen verdorben* 
ist oder sonst eine gesundheitsschädliche Veränderung seiner Be¬ 
schaffenheit erlitten hat. Eine wirksame Kontrolle lässt sich aber 
nur durchführen, wenn vorgeschrieben wird, dass alles einzuführende 
Fleisch, welches feilgehalten oder in Gast-, Schank- und Speise¬ 
wirtschaften verwendet werden soll, bevor es feilgehalten oder in 
die genannten Wirtschaften gebracht werden darf, zu einer amtlichen 
Untersuchung durch einen approbierten Tierarzt an bestimmten Unter- 
suchnngsstellen vorgelegt werden muss. Ergibt der Stempel de& 
Fleisches, dass dasselbe bereits beim Schlachten von einem appro¬ 
bierten Tierarzt untersucht worden ist, so kann die Untersuchung 
zur Not auf die Feststellung beschränkt werden, ob das Fleisch in¬ 
zwischen verdorben ist oder sonst eine gesundheitsschädliche Ver¬ 
änderung seiner Beschaffenheit erlitten hat. Auch genügt im 
Interesse der Freizügigkeit des von einem approbierten Tierarzt 
bereits unterguchten Fleisches, dass dasselbe in beliebigen Stücken 
zur Nachuntersuchung vorgelegt werden darf, wenn nur jedes Stück 
den amtlichen Stempel darüber trägt, dass es von einem approbierten 
Tierarzt untersucht und für gesund befunden ist. 

Die Gemeinden mit Schlachthauszwang können von der Pflicht, 
solche Untersuchungsstellen für einzuftihrendes frisches Fleisch ein¬ 
zurichten, nicht entbunden werden, weil sonst durch die ohne eine 
solche Kontrolle gebotene Möglichkeit und den darin liegenden 
Anreiz, Fleisch einzuftihren, welches gar nicht untersucht oder welches 
zwar untersucht, aber für untauglich zum Genuss oder für bedingt 
tauglich befunden ist oder welches zwar tauglich war, aber in¬ 
zwischen verdorben ist, der segensreiche Erfolg des Schlachthaus*- 


Digitized by 


Google 



110 


zwangs zum Schaden der Volksgesundheit gefährdet wird, und weil 
gerade in grösseren Gemeinden die Organe der Gesundbeits- und 
Marktpolizei gar nicht imstande sind, das eingefübrte Fleisch in 
den Läden der Fleischer und Fleiscbbändler, sowie in den Räumen 
der Schank- und Gastwirtschaften, zumal wenn es bereits zerlegt 
ist, zu kontrollieren. 

Der Ausschuss des Vereins hatte zu diesen Schlusssätzen folgen¬ 
den Antrag gestellt: 

„Die Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Ge¬ 
sundheitspflege billigt die Schlusssätze der Berichterstatter und be¬ 
auftragt den Ausschuss des Vereins mit der schleunigen Einreichung 
einer Petition an die zuständigen Organe der Königlichen Preussischen 
Staatsregicrung des Inhalts, dass aus dringenden Gründen der öffent¬ 
lichen Gesundheitspflege dem aus der Initiative des Hauses der Ab¬ 
geordneten hervorgegangeuen Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung 
des Gesetzes betreffend Ausführung des Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
schaugesetzes vom 28. Juni 1902 die Allerhöchste Sanktion versagt 
werden möge.“ 

Dieser Antrag des Ausschusses wurde einstimmig angenommen. 

Es mag bemerkt werden, dass inzwischen der Gesetzentwurf 
leider veröffentlicht worden ist und dadurch Gesetzeskraft erlangt bat. 

Das erste Thema des zweiten Tages lautete: Die hygie¬ 
nischen Anforderungen an zentrale Heizanlagen. 

Hierfür waren zwei Referenten bestellt: Prof, von Esmarch- 
Göttingen und Geheimer Regierungrat Prof. Rietschel• Berlin. 
Der erste Referent präzisierte die Forderungen, welche die Hygiene 
an jede Heizanlage stellen müsse. Darnach muss verlangt werden, 
dass die Temperatur in den Räumen gleichmässig und der Be¬ 
stimmung der Räume entsprechend sei und weiterhin, dass durch 
die Heizung eine Verschlechterung der Luft in den Räumen nicht 
herbeigeführt werde. 

Was den ersten Punkt angeht, so dürfen unabsichtliche 
Schwankungen von höchstens 1 0 vorkommeu, und es muss dahin¬ 
gestrebt werden, dass die Temperatur durch automatisch wirkende 
Vorrichtungen reguliert wird. Wenn in Räumen durch Ansammlung 
von Personen oder durch die Beleuchtung eine Erhöhung der Tempe¬ 
ratur entsteht, so muss durch Steigerung der Ventilation oder durch 
künstliche Kühlung eine Herabsetzung der Temperatur herbeigeführt 
werden. 

Auch auf ein altes und weitverbreitetes Vorurteil kam Referent 
zu sprechen, nämlich auf die „trockene Hitze“. Man hört so häufig, 
dass eiserne Heizkörper eine trockene Hitze geben, und man sucht 
diese durch Aufstellen von Schalen mit Wasser zu mildern. Dahin¬ 
gegen glaubt man, dass der Kachelofen eine solche trockene Hitze 


Digitized by 


Google 



111 


nicht erzeuge. Aber diese Ansicht ist eine durchaus irrige. Woher 
soll denn die Feuchtigkeit beim Kachelofen kommen? Die durch 
ihn erwärmte Luft ist ebenso trocken wie beim eisernen Ofen. Aber 
der Kachelofen hat eine viel grössere Heizoberfläche wie der Eisen¬ 
ofen und das hat zwei Vorteile. Erstens ist die strahlende Wärme 
beim Kachelofen sehr viel geringer wie beim eisernen Ofen. Diese 
strahlende Wärme ist uns aber höchst unangenehm und lästig. Dann 
hat zweitens der eiserne Ofen eine viel kleinere Heizfläche, er muss 
somit sehr viel stärker erwärmt werden, und die Folge davon ist, 
dass der Staub auf dem Ofen verbrennt. Die dabei entstehenden 
Stoffe üben auf unsere Atmungsorgane eine reizende, kratzende 
Wirkung aus, sc» dass uns die verunreinigte Luft „trocken“ scheint. 
Wasserverdunstung nutzt hiergegen nichts. Die Temperatur, bei 
welcher diese Verbrennung stattfindet, wurde früher auf 100—150° 
angegeben, neuere Untersuchungen von Nussbaum und vom Vor¬ 
tragenden haben jedoch ergeben, dass die Grenze bei 70° liegt. 
Wenn sich die Temperatur 80° näherte, konnte immer Ammoniak 
als Zersetzungsprodukt von organischen Stoffen nachgewiesen werden. 
Die Hygiene hat somit den Heizsystemen den Vorzug zu geben, 
die bei genügender Wärmeabgabe eine Erhitzung über 70° nicht 
erfordern. Nach dieser Richtung hin ist die Warmwasserheizung 
als das beste Zentralheizsystem zu bezeichnen, wobei jedoch nicht 
in Abrede gestellt werden soll, dass auch andere Systeme bei ge¬ 
eigneter Ausführung durchaus gute Resultate geben können. 

Der zweite Referent besprach die technische Ausführbarkeit 
dieser hygienischen Forderungen. In längerer Ausführung erörterte 
er die Temperaturschwankungen, die Anforderungen in Bezug auf 
die Beseitigung von Staub und schlechter Luft, weiter die Not¬ 
wendigkeit eines geräuschlosen, leicht zu regulierenden Betriebes. 
Der Redner tadelte scharf die übliche Art der Ausschreibung und 
Vergebung von Heizanlagen für öffentliche Gebäude im Wege der 
Submission, wie sie besondere bei Stadtverwaltungen üblich sei. Die 
Heiztechnik sei heute durchaus in der Lage, den Forderungen der 
Hygiene Genüge zu leisten. Falsch angebrachte Sparsamkeit und 
mangelndes Verständnis Hessen es aber häufig nicht zu, dass sie 
ihren Aufgaben gerecht würde. Ganz besonders fehle noch manchen 
Stadtverwaltungen die Erkenntnis für die Wichtigkeit der Heiz¬ 
technik. Während der Staat nur tüchtige, akademisch gebildete In¬ 
genieure hierfür anstelle, begnügten sich die Stadtverwaltungen sehr 
oft mit Praktikern, denen ein Urteil über die zu prüfenden Kon¬ 
struktionen und ein Einblick in die zu Grunde liegenden Natur¬ 
gesetze abginge. 

In der Diskussion machte Sanitätsrat Dr. T ornwaldt-Danzig 
auf die Bedeutung des Windes. für den Luftwechsel in Häusern 


Digitized by 


Google 



112 


aufmerksam. Er zeigte, dass durch die Erwärmung der Luft eine 
Verdünnung derselben eintrete und dass diese Verdünnung durch 
die saugende Wirkung des Windes «och vergrössert werde. Dadurch 
werde dann die Luft in den geheizten Räumen weniger atembar 
und machte den Eindruck von schlechter Luft. Bei der Heizungs¬ 
und Ltiftungs-Anlage in seinem Hause, werde dieser Übelstand ver¬ 
mieden und er lade zur Besichtigung dieser ein. 

Professor Nuss bäum-Hannover betonte, dass ein Feuch¬ 
tigkeitsgehalt von 30—40 °/ 0 als Bestmass anzuseheu sei. Auch 
nach seinen eingehenden und lange Zeit fortgesetzten Studien be¬ 
ginne eine Zersetzung des organischen Staubes auf den Heizkörpern, 
wenn die Temperatur derselben 70° übersteige. 

Oberbürgermeister Schneider-Magdeburg legte Verwahrung: 
ein gegen die Vorwürfe, die der zweite Referent gegen die Stadt¬ 
verwaltungen erhoben hatte. Es mangele diesen keineswegs an 
Verständnis für die Aufgaben und Bedeutung der Heiztechnik, und 
es sei falsch, dass man ohne eingehende Prüfung nur in einem 
schematischen Submissionsverfahren solche Arbeiten vergebe. Auch 
die wichtigen Posten der Heizingenieure würden von tüchtigen 
Leuten besetzt, die sowohl praktisch wie auch theoretisch gut vor¬ 
gebildet seien. Solche Zustände, wie Referent sie geschildert habe, 
möchten früher und vielleicht auch jetzt noch in kleinen Städten 
vorhanden sein, für die grossen Städte aber seien die Ausführungen 
nicht mehr zutreffend. 

Ingenieur Kirchner-Steglitz wehrte auch für die kleinen 
Stadtverwaltungen die erhobenen Vorwürfe ab. Er zeigte an einem 
Beispiel der Stadt Steglitz, dass auch hier volles Verständnis für 
die Bedeutung der Heiztechnik t vorahnden sei. 

In seinem Schlussworte kam Prof. v. Esmarch noch kurz auf 
die Rauchschieber und den Feuchtigkeitsgehalt der Luft zu sprechen. 
Geheimrat Rietschel besprach nochmals die Stellung der Stadt¬ 
verwaltungen gegenüber der Heiztechnik, wobei er betonte, dass er 
durch die Darlegungen der Diskussionsredner nicht überzeugt sei. 
Vor Ausarbeitung des Referats habe er sich von 50—60 Städten 
das Verfahren, wie es bei Arbeiten auf dem Gebiete der Heiztech¬ 
nik gehandhabt werde, geben lassen, und darauf habe er seine Aus¬ 
führungen aufgebaut. 

Der Vorsitzende Oberbürgermeister Fuss nahm dann noch zu 
einigen Bemerkungen das Wort. Es wies darauf hin, dass man 
früher nur einen Oberbeamten für die Leitung der Baugeschäfte 
gehabt habe, einen Architekten. Als dann die grossen hygienischen 
Aufgaben an die Stadtverwaltungen herangetreten seien, kam der 
Leiter des Tiefbauwesens hinzu, und jetzt dränge alles dahin, noch 
eine dritte Spitze zu schaffen, nämlich für das Maschinenfach. Aber 


Digitized by 


Google 



113 


wir befänden uns noch in der Übergangszeit, und daher seien die 
Vorwürfe nicht ganz berechtigt, wenn nicht alle Städte diesem 
Drängen nachgäben. Bezüglich der Vergebung von städtischen Heiz¬ 
anlagen möge man bedenken, dass solche Anlagen nicht von der 
Verwaltung allein vergeben würden, sondern dass die Stadtverord¬ 
neten mitberaten und für Heizungsanlagen sei jeder Stadtverordnete 
sachverständig. Um aber Klarheit und Wahrheit in dieser wich¬ 
tigen Sache zu bekommen, schlage er eine Enquete bei den Stadt¬ 
verwaltungen durch den Ausschuss vor, Geheimrat Rietschel möge 
hierfür die Fragen formulieren. 

Die Referenten hatten ihre Ausführungen in folgenden Leit¬ 
sätzen zusammengefasst: 

An eine jede Heizanlage — gleichgültig ob Einzelheizung 
oder Zentralheizung — hat die Hygiene folgende Forderungen zu 
stellen: 

I. Die Temperatur in den Räumen soll unabhängig von 
Witterungseinfltissen eine durchaus gleichmässige und der Be¬ 
stimmung der Räume entsprechende sein. 

II. Die Erwärmung der Räume darf eine Güteverminderung 
der Luft nicht bedingen. 

III. Der Betrieb der Anlage muss einfach, zuverlässig, ge¬ 
fahrlos und ohne Belästigung für die Bewohner oder die weitere 
Umgebung sein. 

Diese Forderungen sind in der Praxis nicht immer in vollem 
Masse einzuhalten; eine richtig berechnete und fachgemäss aus- 
geftihrte Zentralheizung soll aber folgende Bedingungen erfüllen: 

ad I. 

1. Die für die Räume in Kopfhöhe festzusetzenden Temperaturen 
dürfen — von Ausnahmefällen abgesehen — bei sachgemässer 
Bedienung unabsichtlich um höchstens 1° über- oder unter¬ 
schritten werden. Bei vorhandenen Galerien, Rängen, Emporen 
(Festsäle, Theater, Kirchen) ist in diesen ein Überschreiten der 
geforderten Temperaturen in Kopf höhe bis um 2° zu gestatten. 

2. Die den Räumen zugeführte Wärmemenge muss in den weitesten 
Grenzen regelbar sein. 

a) Die Regelung hat, soweit durch sie der Einfluss der 
Witterungsverhältnisse ausgeglichen werden soll, möglichst 
zentral (generell), soweit den wechselnden Anforderungen in 
den einzelnen Räumen Genüge geschehen soll, dezentral 
zu erfolgen. 

b) Es muss dahin gestrebt werden, die Temperaturregelung 
durch selbständig wirkende Einrichtungen erzielen zu 
können. 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. B 


Digitized by 


Google 



114 


c) In Räumen, in denen sich zur bestimmten Zeit eine grössere 
Anzahl Personen ansammeln (Schulen, Theater, Ver¬ 
sammlungsräume u. s. w.) oder in denen durch die Be¬ 
leuchtung noch weitere Wärmequellen entstehen, muss die 
zugeführte Wärme eine der Wärmeabgabe dieser Wärme¬ 
quellen entsprechend schnelle Regelung erfahren können. 
Ist für solche Fälle durch Verminderung oder Unter¬ 
brechung des Heizbetriebs ein Überschreiten der zulässigen 
Temperaturen nicht zu verhindern, so muss dieses durch 
Steigerung des Luftwechsels bezw. durch eine andere 
Wahl und Anordnung der Beleuchtung oder durch künst¬ 
liche Kühlung angestrebt werden. 

3. Die durch die Heizanlage bewirkte Verteilung der Wärme in 
den Räumen soll eine derartig gleichmässige sein, dass in 
horizontaler Beziehung, soweit der Aufenthaltsort von Personen 
in Frage kommt, in Kopfhöhe kein nennenswerter Temperatur¬ 
unterschied, in vertikaler Beziehung ein solcher von höchstens 
1—2° zwischen Fussboden und Kopf höhe eintreten kann. 

ad II. 

4. Eine Güteverminderung der Luft darf durch die Heizanlage 
weder durch Schaffen von Ablagerungsstätten für Staub oder 
durch Versengen des in der Luft enthaltenen organischen 
Staubes oder durch Entwickeln von Gasen aus den dem Staube 
anhaftenden Körpern, noch durch Einführen von Rauch, Russ, 
wesentlichen Staubmengen, Gerüchen oder Infektionsstoffen in 
die Räume, noch durch wesentliches Über- oder Unterschreiten 
eines Feuchtigkeitsgehalts von 40—60 °/ 0 absoluter Sättigung 
der Luft bewirkt werden. 

ad III. 

5. Die Bedienung aller in den Räumen befindlichen Heizkörper 
und Apparate muss so einfach und zuverlässig sein, dass sie 
besondere Sachkenntnis nicht erfordert. Dasselbe gilt von 
den Feuerungsanlagen, sofern der Umfang der Anlagen be¬ 
sonderes Dienstpersonal nicht gestattet. Bei grösseren Anlagen 
ist sachkundiges Dienstpersonal anzustellen, die Bedienung 
solcher Anlagen im Nebenamt ist auszuschliessen. 

6. Die Anlagen müssen geräuschlos arbeiten; annähernd rauchfreie 
Verbrennung ist zu fordern. 

7. Die Art und Weise des Ausschreibens einer zentralen Heiz¬ 
anlage ist für die Erzielung der hygienischen und technischen 
Anforderungen von grösster Wichtigkeit. Zu empfehlen ist 
jederzeit ein Wettbewerb auf Grund eines Programms, das die 
Ausführenden auf gleiche Grundlage ohne Beschränkung der 


Digitized by v^ooQle 



115 


freien Entfaltung ihrer Kenntnisse und Erfahrungen stellt, zu 
bekämpfen dagegen ist das besonders bei Stadtverwaltungen 
vielfach übliche Submissionsverfahren. 

Auch das zweite Thema: Die Ausbildung und Organisation 
•des Krankenpflegepersonals behandelten zwei Berichterstatter, näm¬ 
lich Dr. Mugdan-Berlin und Prof. Dr. Meyer-Berlin. 

Der erste Referent stellte in den Vordergrund seiner Be¬ 
trachtungen die Frage, ob die Krankenpfleger eines Befähigungs¬ 
nachweises bedürfen. Nur diejenigen Personen, welche sich als 
geprüfter Krankenpfleger oder geprüfte Krankenpflegerin be¬ 
zeichnen bedürfen nach Meinung des Referenten einer Approbation, 
welche auf Grund eines Nachweises der Befähigung erteilt wird. 
Aber jedes Krankenhaus soll für je 10 Betten eine geprüfte Kranken¬ 
pflegeperson, mindestens aber 2 anstellen. Die Krankenpflege¬ 
personen müssten reichsgesetzlich gegen Krankheit versichert sein, 
und jede geprüfte Krankenpflegeperson, die 10 Jahre hintereinander 
im Dienste der öffentlichen Krankenpflege gestanden hat, soll, 
wenn sie dienstunfähig wird, Anspruch auf ein Ruhegehalt von 
500 bis 600 Mk. jährlich haben. Körperliche Schädigungen, die 
infolge eines Betriebsunfalles entstehen, sichern den Anspruch auf 
eine nach den Bestimmungen des Unfallversicherungsgesetzes ähnlich 
zu bemessende Entschädigung. 

Um die hierfür nötigen Mittel aufzubringen schlägt Referent 
eine Genossenschaft vor, die aus sämtlichen öffentlichen Kranken¬ 
häusern des Reichs zu bilden sei. Ein Beitrag von 5 Pfg. für den 
Tag und das Bett dürfte nach den Berechnungen des Referenten 
genügen, um die erforderlichen Mittel aufzubringen. Nach 10jähriger 
in öffentlichen Krankenhäusern oder in der Gemeindekrankenpflege 
geleisteter Dienstzeit bleibt das Recht auf Ruhegehalt bestehen, 
auch wenn die Krankenpflegeperson zur selbständigen Kranken¬ 
pflege oder in eine Privatheilanstalt tibergeht. 

Der Korreferent, Prof. Dr. G. Meyer, führte aus, dass die Fort¬ 
schritte in der Krankenpflege sehr erhebliche seien, aber dennoch 
bleibe noch recht viel für die Hebung des Standes und für die Aus¬ 
bildung der Krankenpflegepersonen zu tun. Diese Ausbildung muss so¬ 
wohl eine theoretische wie auch eine praktische sein. Für eine ge¬ 
nügende theoretische Ausbildung sind wenigstens 6 Monate erforder¬ 
lich; sie soll sich auf die Lehre vom Körperbau und von den Ver¬ 
richtungen der Organe erstrecken, soll allgemeine Gesundheitspflege 
und Diätetik in sich fassen und ganz besonders auch die Zeichen 
der Krankheiten berücksichtigen. Die übrige Zeit der auf minde¬ 
stens 2 Jahre berechneten Ausbildung ist für die praktischen 
Übungen zu benutzen. Hier ist besonderer Wert auf die Ausbildung 
in der Massage, auf die erste Hilfeleistung bei Unglücksfällen und 


Digitized by 


Google 



116 


gefahrdrohenden Zuständen zu legen. Die praktische Ausbildung^ 
hat sich auf sämtliche Fächer der Heilkunde zu erstrecken. Über die 
sittlichen Aufgaben des Krankenpflegeberufes sind besondere Kurse 
von dem leitenden Arzt und der Oberin der Anstalt zu erteilen. 
Am Schlüsse der Ausbildung findet eine Prüfung statt, der Ge 
prüfte erhält ein Diplom, welches zur Ausübung der Krankenpflege 
berechtigt. 

Besonders eingehend behandelte der Redner die Ausbildung 
des männlichen Pflegepersonals, das niemals entbehrt werden könne. 
Das oft gehörte Wort „die Krankenpflege ist ein echt weiblicher 
Beruf“ ist nur zum Teil richtig, sicher aber gänzlich falsch, wenn 
damit gesagt werden soll, dass nur weibliche Personen zur Kranken¬ 
pflege zugelassen werden sollen. Für gewisse Zweige der Kranken¬ 
pflege seien Männer nicht zu entbehren. 

In der anschliessenden Diskussion schildert zunächst Geheim- 
rat Ptitter, Verwaltungsdirektor der Charite in Berlin, die Ver¬ 
hältnisse des Pflegepersonals in der Charite. Neben den verschiedenen 
geistlichen Schwestern sind dort weltliche Schwestern beschäftigt, 
die aber nicht denselben Rang einnehmen wie die geistlichen. Er 
habe sich bemüht, die Stellung dieser weltlichen Krankenpflegerinnen, 
der sogenannten Charite-Schwestern zu verbessern und zwar mit 
gutem Erfolg, indem er 28 Schwestern aus guten Kreisen ein¬ 
stellen konnte. 

Was die Ruhegehälter, die Kranken- und Unfallrenten der 
Krankenpflegepersonen angehe, so sei eine gesetzliche Regelung in 
Vorbereitung. 

Das männliche Krankenpflegepersonal, das sich in der Charite 
zum Dienst melde, sei ausserordentlich minderwertig, und ebenso 
sei es in anderen Berliner Krankenhäusern. Es sei die höchste Zeit 
hier bessernd einzugreifen. Man komme aber auch ohne männliche 
Pfleger fast immer aus, solche seien nur in ganz vereinzelten Fällen 
nötig. In Dänemark, Schweden und Norwegen liege fast die ganze 
Krankenpflege in weiblichen Händen, nur auf den Abteilungen für 
geisteskranke Männer und auf der für geschlcchtskranke Männer 
seien männliche Pfleger angestellt. 

In den deutschen Krankenhäusern gab es im Jahre 1900 im 
ganzen 12 000 Krankenpflegerinnen und 2500 Krankenpfleger. 

Dr. Jacobsohn -Berlin, Herausgeber der Krankenpfleger¬ 
zeitung, war der Ansicht, dass männliche Pfleger nicht zu entbehren 
seien, das beweise der Zentralkrankenpfleger-Nachweis in Berlin, 
wo immer eine grosse Nachfrage nach guten männlichen Kranken¬ 
pflegern sei. In vielen Fällen sei eben ein kräftiger Mann für die 
Pflege notwendig. Er sei aber durchaus damit einverstanden, dasa 


Digitized by v^ooQle 



117 


mehr für die Ausbildung der männlichen Krankenpfleger geschehen 
müsse. 

Prof. Dr. Peters'en-Kiel erklärte sich gegen eine Prüfung 
der ausgebildeten Pflegerinnen, denn eine solche gäbe kein richtiges 
Bild von ihrer Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit. Viel wichtiger 
als das Wissen sei das Können, auf das Wissen lege er bei den 
Krankenschwestern gar keinen Wert. Hauptsächlich komme es aber 
auf die sittlichen Eigenschaften der Krankenpflegepersonen an, und 
diese könnten doch niemals durch eine Prüfung festgestellt werden. 

Sanitätsrat Dr. Fr eymuth-Danzig hielt dahingegen eine 
Prüfung für notwendig, namentlich für das nichtorganisierte Kranken¬ 
pflegepersonal, denn hier liege noch alles im Argen. Der Staat 
müsse hier helfend eingreifen und müsse ebenso, wie er das ja 
schon durch die Errichtung von Hebammenlehranstalten getan habe, 
Ausbildungsschulen für das Krankenpflegepersonal schaffen. 

Im Schlusswort erklärte Dr. Mugdan die Anregungen von 
Dr. Freymuth für sehr beachtenswert. Wenn die Universität bisher 
sich mit der Krankenpflege als Lehrgegenstand noch nicht beschäftigt 
habe, so sei das gewiss zu bedauern, vielleicht würden die neuen 
Akademien für praktische Mediziner diesem Gegenstand grössere 
Beachtung zuwenden. 

Prof. Dr. Mayer verteidigte gegeuüber Prof. Petersen die 
Schlussprtifung. Gewiss könne ein bestandenes Examen keine Ge¬ 
währ für die sittlichen Eigenschaften geben, aber in diesem Punkte 
könne überhaupt nichts Sicherheit leisten. 

Er war weiterhin der Ansicht, dass das theoretische Wissen 
für die Krankenpflegepersonen von Wert sei, denn nur auf Grund 
von theoretischem Wissen lasse sich in vielen Fällen praktisches 
Können aufbauen. 

Die Leitsätze der Referenten waren folgende: 

1. Einer Approbation, welche auf Grund eines Nachweises der Be¬ 
fähigung! erteilt wird, bedürfen diejenigen Personen, die sich 
als geprüfte Krankenpfleger, geprüfte Krankenpflegerinnen 
oder Krankenschwestern bezeichnen. 

Jedes öffentliche Krankenhaus und jede Privatheilanstalt muss 
für je 10, zur Belegung Kranker bestimmter Betten eine ge¬ 
prüfte Krankenpflegeperson, mindestens aber zwei anstellen; 
ebenso dürfen in der Gemeindekrankenpflege nur geprüfte 
Krankenpflegepersonen beschäftigt werden. 

2 . Alle Krankenpflegepersonen müssen reichsgesetzlich gegen Krank¬ 
heit versichert werden. 

3. Jede geprüfte Krankenpflegeperson, die 10 Jahre hintereinander 
ununterbrochen im Dienste öffentlicher Krankenhäuser der 
Reichs- oder der Gemeindekrankenpflege gestanden hat, er- 


Digitized by 


Google 



118 


wirbt, wenn sie dienstunfähig wird, den Anspruch auf ein 
Ruhegehalt von 500 bis 600 Mk. pro Jahr. 

4. Jede in einem öffentlichen Krankenhause der Reichs- oder Ge¬ 
meindekrankenpflege beschäftigte, geprüfte Krankenpflegeperson 
erwirbt, vom Tage des Eintritts in die Beschäftigung an, für 
eine körperliche Schädigung, die sie in Folge eines Betriebs¬ 
unfalls erleidet, den Anspruch auf eine den Bestimmungen 
des Gewerbe-Unfallversicberungsgesetzes nach ähnlich zu be- 
messende Entschädigung. 

5. Zur Aufbringung der Mittel für die Gewährung der Ruhe¬ 
gehälter und der Unfallentschädigungen wird aus sämtlichen 
öffentlichen Krankenhäusern des Reiches eine Krankenhaus- 
Genossenschaft gebildet. Die Mittel werden einmal durch Bei¬ 
träge aufgebracht, welche auf die Krankenhäuser nach Mass- 
gabe der zur Aufnahme von Kranken in ihnen verfügbaren 
Betten umgelegt werden. Ausserdem haben an die Genossen¬ 
schaft zu zahlen: die in öffentlichen Krankenhäusern oder der 
Gemeindekrankenpflege beschäftigten Pflegepersonen einen 
vierteljährigen Beitrag von 4 bis 5 Mk., die Orts- und Kirchen¬ 
gemeinden, die geprüfte Krankenpflegepersonen ausserhalb des 
Krankenhauses beschäftigten, einen jährlichen Beitrag für jede 
derart beschäftigte Krankenpflegeperson in einer Höhe, als der 
Umlage für ca. 5 Betten entspricht. 

Bei Mitgliedern katholischer Orden und evangelischer Diakonissen¬ 
häuser wird der Beitrag der Pflegepersonen von dem Orden, 
bezw. dem Diakonissenhaus bezahlt; auf diese geht dafür der 
Anspruch der dienstunfähigen zum Ruhegehalt oder zur Unfall¬ 
entschädigung berechtigten Pflegepersonen über. 

6. Das Recht auf Ruhegehalt bleibt bestehen, wenn eine Kranken¬ 
pflegeperson nach 10-jähriger, in öffentlichen Krankenhäusern 
oder Gemeindekrankenpflege geleisteter Dienstzeit zur selb¬ 
ständigen Krankenpflege übergeht oder in Privatheilanstalten 
ihren Beruf ausübt. 

7. Es ist anzustreben, dass die Pflege von Kranken hauptsächlich 
durch weibliche Pflegekräfte stattfindet. Für bestimmte Fälle 
ist die Pflege durch männliche Pflegepersonen nicht zu ent¬ 
behren. 

8. Es ist dahin zu wirken, dass möglichst viele Personen mit 
entsprechender Vorbildung sich dem Krankenpflegeberufe widmen. 

9. Die Ausbildung der Pflegepersonen hat in Krankenhäusern zu 
geschehen, welche mindestens über 20 Betten verfügen, und 
in welchen ständig ein Arzt anwesend ist. 

10. Die Ausbildung der Pflegepersonen hat nach theoretischer und 
praktischer Richtung zu erfolgen; beide Richtungen müssen 


Digitized by 


Google 



119 


einander ergänzen. Die theoretische Ausbildung, welche min¬ 
destens 6 Monate dauert, hat sich auf den Unterricht in der 
Lehre vom Körperbau, von den Verrichtungen der Organe, 
den Zeichen der Krankheiten, der Gesundheitspflege und der 
Ausübung der Krankenwartung zu erstrecken. Besonderer 
Wert ist auf Ausbildung des Pflegepersonals in der Massage 
und dem hydro-therapeu tischen Verfahren, ferner in der Leistung 
erster Hülfe bei gefahrdrohenden Zuständen und Unglücksfällen, 
in der Lagerung und Beförderung der Kranken zu legen. 

11. Der theoretische Unterricht wird im Krankenhause selbst vor¬ 
genommen, in welchem auch der praktische Unterricht stattfindet. 

12. Die praktischen Übungen dauern mindestens solange, dass die 
Gesamtausbildung 2 Jahre währt. Die praktischen Übungen 
müssen sich auf Ausbildung in der Pflege in sämtlichen Sonder¬ 
fächern der Heilkunde erstrecken, also: die Pflege bei inner¬ 
lich Kranken, chirurgisch Kranken, bei Augen- und Ohren¬ 
kranken, gynäkologisch Kranken, Haut- und Geschlechts¬ 
kranken, Geisteskranken, ferner die Pflege im Wochenbett und 
die Pflege kranker Kinder umfassen. 

13. Während der Ausbildung sind besondere Kurse über die Ethik 
des Krankenpflegeberufes vom Arzt in Gemeinschaft mit der 
Oberin der Anstalt und von dieser allein in der Ausführung 
aller speziell weiblichen Betätigungen der Krankenpflege zu 
erteilen. 

14. Zum Schluss der Ausbildung findet unter Vorsitz eines Re¬ 
gierungsvertreters eine Prüfung statt. Der Prüfungskommission 
gehören ausserdem der leitende oder ausbildende Arzt des 
Krankenhauses, ^owie eine geprüfte Krankenpflegeperson (Oberin, 
Oberpfleger) an. Die Mitglieder der Prüfungskommission 
werden von den Regierungspräsidenten (in Berlin Polizeipräsi¬ 
denten, sonst Bezirkspräsidenten, Kreishauptmännern) ernannt. 
Über das Ergebnis der Prüfung wird ein Zeugnis ausgestellt. 
Die für fähig befundenen Pflegepersonen erhalten ein Diplom 
für die Ausübung der Krankenpflege. 

15. Dieses Diplom für die Krankenpflege berechtigt gleichzeitig 
zur Bezeichnung als „Geprüfter Heilgehülfe(in) und Masseur(in) a . 

16. Pflegepersonen, welche sich dem freien Pflegeberufe widmen, 
oder in der Gemeindepflege tätig sind, müssen nach bestimmter 
Zeit zur beruflichen Fortbildung mindestens 2 Monate lang in 
Krankenhäusern beschäftigt werden. 

Für den dritten und letzten Tag war ein Thema bestimmt: 

Städtische Kläranlagen und ihre Rückstände. 

Auch hierüber berichteten zwei Referenten: Stadtbaurat Bredt- 

schneider-Charlottenburg und Prof. Proskauer-Charlottenburg. 


Digitized by v^ooQle 



120 


Der erste Referent verbreitete sich zunächst über die Art der 
Verunreinigung städtischer Abwässer. Diese Verunreinigungen sind 
organischer oder anorganischer Natur, sind nach ihrem Gewicht 
als Sink-, Schwebe- und Schwimmstoffe und nach ihrer Masse als 
grobe, feine und feinste Stoffe zu unterscheiden. 

Für die Reinigung der Abwässer kommen 2 Methoden in 
Betracht: das Riesel verfahren und das biologische Verfahren. Wenn 
auch beide Verfahren gute Resultate geben, so ist doch das Riesel¬ 
verfahren als das bessere und sichere zu bezeichnen. 

Das biologische Verfahren, oder wie es besser genannt wurde, 
die Behandlung in Brockenkörpern kann ein kontinuierliches oder 
ein intermittierendes sein, in beiden Fällen aber muss eine Vor¬ 
reinigung dem eigentlichen Verfahren vorausgeschickt werden. 

Bei dem Rieselverfahren kann man mehr Gewicht auf die land¬ 
wirtschaftliche Benutzung der Abfallstoffe oder auf die hygienische 
Entfernung derselben legen. Mit Rücksicht auf die Landwirtschaft 
rechnet man auf 250 Einwohner 1 Hektar Rieselfeld, doch kann 
man bei durchlässigem Boden etwa 1000 Einwohner per Hektar an- 
nebmen. Bei geeignetem Boden ist ein guter Reinigungserfolg noch 
bei 2000 Einwohnern per Hektar gesichert. Ein wirtschaftlicher 
Erfolg ist bei dem Rieselverfahren nur dann zu erwarten, wenn 
ein geeigneter Boden vorhanden ist, und wenn sich die Transportkosten 
in massigen Grenzen halten. Allgemeine Zahlen anzuführen hält 
schwer, da sie zu starken Schwankungen unterliegen, besonders in 
Bezug auf den Erwerb des Bodens. Aber das Rieselverfahren em¬ 
pfiehlt sich im allgemeinen bezüglich der Kosten, denn es ist billiger 
wie das biologische Verfahren. Daher soll man, wenn irgendwie 
angängig, Rieselfelder für die Reinigung der Abwässer anlegen. 

Wie die Reinigung bei dem biologischen Verfahren zustande 
kommt, ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt. Englische Forscher 
nehmen an, dass kleinste Lebewesen hierbei eine Hauptrolle spielen; 
diese Hypothese wird aber in Deutschland bezweifelt, da hierfür 
die Zeit, in welcher das Wasser durch die Brockenkörper läuft, zu 
kurz ist. Dass aber die Tätigkeit dieser kleinsten Lebewesen in 
dem Wasser, nachdem es die Brockenkörper passiert habe, sehr 
hoch anzuschlagen ist, bezweifle man auch in Deutschland nicht. 
Wie weit Algen und sonstige Wasserpflanzen an der Reinigung 
beteiligt sind, kann noch nicht mit Sicherheit bestimmt werden. 

Der Korreferent, Prof. Proskauer-Charlottenburg erörterte 
zuvörderst das Verfahren, die Abwässer auf chemischem Wege zu 
klären. Mehr und mehr ist man von diesem Verfahren abgekommen, 
da es zu kostspielig und in der Wirkung zu unsicher ist. Nament¬ 
lich gilt dies vom Kalk, auf den man zuerst so grosse Hoffnung 
gesetzt hatte, 


Digitized by t^ooQle 



121 


Eine allgemein gültige Methode der Abwässerreinigung gibt 
es nicht, die Wahl des Systems muss vielmehr von Fall zu Fall 
genau erwogen werden. Das Kohlenbrei verfahren kann als geeignetes 
Reinigungsverfahren angesehen werden, wenn Kohlenbrei von be¬ 
stimmter Beschaffenheit und in genügender Menge zugesetzt wird. 
Vom hygienischen Standpunkt aus ist aber das Riesel verfahren un¬ 
bedingt als die beste Methode der Abwässerreinigung anzusehen. 
Wenn aber aus irgend welchen Gründen die Anlage von Riesel¬ 
feldern nicht möglich ist, so soll man zum biologischen Verfahren 
übergehen. Die Abwässer ungeklärt der Vorflut zuzusenden ist 
durchaus zu verbieten, auf alle Fälle müssen sie vorher von ihren 
schwebenden Stoffen gereinigt werden. Wenn irgend möglich soll 
man aber die Abwässer von allen ungelösten Stoffen reinigen. 

Was die Rückstände, die Plage aller Orte angeht, so ist 
man ja zuweilen in der glücklichen Lage, den Schlamm für land¬ 
wirtschaftliche Zwecke los zu werden, aber für die grösseren Orte 
trifft dies nicht zu. Der Landwirtschaft stehen so viele andere 
Düngemittel zu Gebote, dass sie den Schlamm aus den städtischen 
Abwässern, wie er jetzt geliefert werden kann, gar nicht mehr 
braucht. Die grosse Schwierigkeit, den Schlamm in einen transport¬ 
fähigen Zustand zu bringen, kommt noch hinzu. Die in den Rück¬ 
ständen ruhende mechanische Kraft durch Verbrennung oder Ver¬ 
gasung nutzbar zu machen, ist ein noch ungelöstes, aber wohl nicht 
unlösbares Problem. 

Eine erhöhte Aufmerksamkeit hat man in jüngster Zeit dem 
hohen Fettgehalte des Schlammes zugewandt. Besonders beachtens¬ 
wert sind die Versuche, welche in Kassel angestellt wurden. Die 
Gewinnung von Fett geschieht hier nach dem Degenerschen Ver¬ 
fahren, die tägliche Produktion beläuft sich auf 450 kg Reinfett, 
daneben noch 225 kg Goudron und 4885 kg Poudrette. Der Wert 
beträgt 45 Mk. pro 100 kg Fett, 2 Mk. pro 100 kg Goudron und 
3 Mk. pro 100 kg Poudrette, somit einen Tagesertrag von 353,55 Mk. 
oder bei 300 Arbeitstagen eine jährliche Einnahme von 10H 065 Mk. 
Die täglichen Ausgaben der Anlage betragen 230 Mk., so dass 
also ein jährlicher Gewinn von 37 000 Mk. für Verzinsung ufnd 
Amortisation übrig bleibt. 

Zweifellos ist das Verfahren noch ganz erheblicher Verbesserung 
und Vervollkommnung fähig. Auch kann die Qualität des ge¬ 
wonnenen Fettes noch sehr verbessert werden. Ob sich aber die 
daran geknüpften Hoffnungen erfüllen werden, bleibt abzuwarten. 
Noch sei das Bestreben erwähnt aus den Rückständen Spiritus zu 
gewinnen. Genaue Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass 
die Angaben über beträchtliche Mengen von Spiritus in den Fäkalien 
falsch waren. 


Digitized by 


Google 



122 


Id der anschliessenden Besprechung hob zunächst Baurat 
Prof. Genzmer-Danzig hervor, dass die Forderungen in bezug 
auf die Fortschaffung der Abwässer nicht zu weit gehen dürften. 
Schon heute seien die Aufwendungen hierfür sehr bedeutend und 
man dürfe durch übertriebene Forderungen die Ausführungen von 
Kanalisatiousanlagen in kleinen Städten nicht erschweren. 

Ingenieur Rothe- Berlin trat für das Kohlenbreiverfahren 
ein. Das biologische Verfahren sei zu verwerfen, da es wirtschaft¬ 
liche Werte vernichte. 

Oberbürgermeister Dr. Lentze - Barmen glaubte, dass in 
manchen Fällen Kläranlagen ausreichend seien, und dass man auf 
Reinigungsanlagen verzichten könne. Es sei aber zu befürchten, 
dass die Regierung den Orten, die Neuanlagen machen, solche 
Reinigungsanlagen vorschreiben, wenn ein hygienischer Kongress 
solche als notwendig bezeichne. 

Um die Situation zu klären und die Gegensätze auszugleichen, 
schlug der Vorsitzende folgende Resolution vor: 

„Die Versammlung nimmt mit Dank von den Vorträgen und 
Leitsätzen der beiden Herren Berichterstatter Kenntnis. Sie erkennt 
die in den Leitsätzen dargelegten Vorzüge an, die aus der An¬ 
wendung des Riesel- und des biologischen Verfahrens für die 
Reinigung der aus den Städten zu entfernenden Schrautzwässer 
erwachsen. Sie ist aber mit Zustimmung der Berichterstatter auch 
heute noch der von dem Verein für öffentliche Gesundheits¬ 
pflege schon wiederholt in seinen Beschlüssen ausgedrtickten Über¬ 
zeugung, dass es sich nicht empfiehlt, die überall wünschenswerte 
schleunige Entfernung der Schmutzwässer und Fäkalien aus den 
Städten durch die grundsätzliche Forderung des vollkommensten Reini¬ 
gungsverfahrens zu erschweren, dass vielmehr überall da, wo grössere 
Wasserläufe oder die offene See mit ihren Buchten und Häfen die 
Reinigung der eingeftihrten Schmutzwässer genügend unterstützen, 
und wo Schädigungen der Unterlieger von Flussläufen nicht zu be¬ 
fürchten sind, eine den örtlichen Verhältnissen anzupajssende 
mechanische Klärung, ausnahmsweise sogar die ungeklärte Einführung 
des Inhalts der Schwemmkanäle zugelassen werden kann. 

Baurat Herzberg-Berlin; drückte seine Freude darüber aus, 
dass das Rieselverfahren von den Referenten als die beste Reinigungs¬ 
methode der städtischen Abwässer bezeichnet worden sei, denn 
es bestehe bei vielen Gemeinden eine ganz unbegründete Abneigung 
gegen diese Einrichtung. In sehr vielen Fällen sei es recht gut 
möglich Rieselfelder anzulegen und mit Vorteil zu betreiben, aber 
der gute Wille fehle. Bei geeignetem Boden und guter Aufsicht 
könnte ein Hektar Rieselfeld die Abwässer von 500—1000 Menschen 
reinigen. 


Digitized by 


Google 



123 


Oberbürgermeister Piecq-M.-Gladbacb meinte, dass es keines¬ 
wegs böser Wille der Gemeinden sei, wenn sie keine Rieselfelder 
anlegen, sondern der Grund hierfür liege lediglich in den Verhältnissen. 
In Rheinland und Westfalen sei die Bebauung so dicht, dass es 
nicht möglich sei, entsprechend grosse Rieselfelder zu erwerben. Er 
warnte ebenfalls vor zu weitgehenden Forderungen und war auch 
mit der Resolution des Ausschusses nicht einverstanden, da er das 
biologische Verfahren durchaus nicht für ein vollkommenes halte. 

Die Einleitung der ungereinigten Abwässer direkt in die See 
bezeichnete er als sehr bedenklich, indem er auf das belgische See¬ 
bad Heyst hinwies, wo die Abwässer von Brüssel und Brügge in 
die See geleitet würden, und wodurch die ganze Gegend verpestet 
würde. 

Stadtbaurat Eisenlohr-Mannheim stellte eine irrige Mit¬ 
teilung in Betreff Mannheims richtig. Die Stadt Mannheim begnüge 
sich nicht mit einer Reinigung der Abwässer ausschliesslich durch 
Rechen, sondern es seien auch Klärbecken vorgesehen, welche das 
Abwasser mit einer Maximalgeschwindigkeit von 20 mm in der 
Sekunde durchfliesse. 

Stadtbaurat Schönfel der-Elberfeld bezeichnete die Theorie 
über die Wirksamkeit der Brockenkörper, wie sie von Baurat Bredt- 
schneider aufgestellt sei, als höchst beachtenswert und geeignet an¬ 
regend für die weitere Forschung zu wirken. 

Bauinspektor Merkel- Hamburg besprach die Reinigungs¬ 
anlagen der Stadt Hamburg und berichtete über die Verbrennungs¬ 
versuche der Rückstände in der Müllverbrennungsanlage. 

Damit war die Diskussion erschöpft, eine Beschlussfassung 
über die Resolution des Ausschusses fand jedoch nicht statt. In 
einem kurzen Schlusswort verteidigen beide Referenten die von 
ihnen aufgestellten Leitsätze: 

1. Die Verunreinigungen des städtischen Abwassers, sowohl die 
organischen als auch die unorganischen, lassen sich ihrem 
spezifischen Gewichte nach als Sink-, Schwebe- und Schwimm¬ 
stoffe und ihrer Masse nach als grobe, feine, bis zur Emulsion 
verteilte und feinste (bezw. gelöste) Stoffe unterscheiden. Die 
organischen Verunreinigungen sind in dem Abwasser in steter 
Umwandlung begriffen, teils in Folge von Fäulnis und Ver¬ 
wesung, teils mechanisch in Folge von Zerreibung und Zer¬ 
kleinerung der Massen. 

2. „Kläranlagen“ entfernen aus dem Abwasser die Verunreinigungen 
nur bis zu einem bestimmten Grade und lassen in demselben 
den grössten Teil der feinsten (bezw. gelösten) Stoffe zurück; 
„Reinigungsanlagen“ befreien das Abwasser von seinen Ver- 


Digitized by 


Google 



124 


unreinigungen in weitgehendster, die Ansprüche der Hygiene 
befriedigender Weise. 

4k Als Mittel zur Reinigung des Abwassers kommen nach dem 
heutigen Stande der Wissenschaft und Technik das Riesel¬ 
verfahren und das sogenannte biologische Verfahren (Behand¬ 
lung in Brockenkörpern) in Betracht. Bei beiden Verfahren 
ist es möglich, die Gesamtmenge der groben und feinen und 
einen verhältnismässig grossen Teil der feinsten (bezw. gelösten) 
Stoffe auszusondern, jedoch ist die Ausscheidung der letzteren 
beim Rieselverfahren mehr gesichert als bei der Behandlung 
in Brockenkörpern. 

4. Obwohl die genannten Reinigungsverfahren das städtische 
Abwasser im Allgemeinen ohne Weiteres zu reinigen vermögen, 
ist es doch praktisch und mit Rücksicht auf die Kosten zweck¬ 
mässig, das Abwasser in einer Vorreinigungs-Anlage einer Vor¬ 
behandlung zu unterziehen. Dabei kann man mit Gittern und 
Rechen im allgemeinen nur die groben Schwimmstoffe, mit 
Sandfängen nur die groben Sinkstoffe zurückhalten; Klärbecken 
oder -brunnen oder -türme vermögen nur als Kläranlagen in 
dem unter Nr. 2 angedeuteten Sinne zu wirken, wobei so¬ 
genannte chemische Zusätze oder Zuschläge anderer Art die 
Wirksamkeit der Vorreinigung unter Umständen in kräftiger 
Weise zu unterstützen vermögen. 

Das Kohlebreiverfahren kann als Reinigungsverfahren angesehen 
werden, wenn Kohlebrei von bestimmter Beschaffenheit und in 
genügender Menge zugesetzt wird. 

5. Ob und inwieweit Algen und Wasserpilze die in den gereinigten 
Abflüssen noch enthaltenen feinsten (bezw. gelösten) Stoffe 
organischer Natur zu verzehren vermögen, ist zur Zeit noch 
nicht erwiesen; da sie aber im abgestorbenen Zustande das 
Wasser von Neuem zu verunreinigen und dadurch Missstände 
hervorzurufen imstande sind, so können sie vorläufig als End¬ 
ziel der Wasserreinigung nicht in Betracht kommen. 

<6. Da die aus dem Abwasser durch Klär- nnd Reinigungsprozess 
ausgeschiedenen Stoffe (Rückstände) bis zu ihrem vollendeten 
Abbau in steter Umsetzung begriffen sind, so sind sie im 
hygienisch-ästhetischen Sinne bedenklicher Natur und müssen 
auf dem schnellsten Wege unschädlich gemacht werden: 
a) Die Verwertung der Rückstände im wasserreichen oder 
wasserarmen Zustande für die Landwirtschaft als Düng¬ 
mittel ist zweckmässig und anzustreben, ein wirtschaft¬ 
licher Erfolg wird aber nur bei geeigneter Beschaffenheit 
des Bodens erzielt, wenn ausserdem die Transportweiten 
sich in mässigen Grenzen halten. 


Digitized by 


Google 



125 


b) Die Ausnützung der den Rückständen innewohnendem 
mechanischen Kraft durch Verbrennen oder Vergasen 
ist technisch möglich; der wirtschaftliche Erfolg erscheint 
aber noch nicht nachgewiesen. 

c) Durch die Aufschliessung der Rückstände auf chemischem 
Wege, namentlich durch die Entziehung des Fettes, können 
wertvolle Handelsobjekte gewonnen werden; aber auch 
hierbei ist der wirtschaftliche Erfolg zur Zeit noch immer 
zweifelhaft. 

d) Das Versenken der Rückstände in die offene See, wo 
solches nach der örtlichen Lage überhaupt in Frage kommen 
kann, vernichtet die wirtschaftlichen Werte, ohne andere 
Werte zu schaffen, ist aber bei Anwendung ausreichender 
Vorsichtsmassregeln aus Gründen der öffentlichen Ge¬ 
sundheitspflege nicht zu beanstanden. 

Eine Abstimmung über die aufgestellten Leitsätze fand auch 
hier wie bei den anderen Referaten nicht statt. 

Das Programm der Tagung war damit erledigt. Mit herz¬ 
lichen Worten des Dankes an die Referenten, an die Behörden und 
ganz besonders an die gastliche Stadt Danzig schloss der Vorsitzende 
die Versammlung. Oberbürgermeister Lentze stattete den Dank der* 
Versammlung für die vorzügliche Leitung durch den Vorsitzenden 
ab. Zum Zeichen des Dankes erhob sich die Versammlung vom 
den Sitzen. 

Der Ausschuss des Vereins setzt sich für das Geschäftsjahr 
1904/1905 folgendermassen zusammen: Oberbürgermeister Beck- 
Mannheim, Präsident des Medizinalkollegiums Geh. Medizinalrat 
Dr. Buschbeck-Dresden, Oberbürgermeister Fuss-Kiel, Geh. 
Hofrat Prof. Dr. Gärtner-Jena, Baurat Prof. Genzmer-Danzig, 
Ober- und Geh. Baurat Dr. ing. Sttibben-Berlin. Zum Vorsitzenden 
wurde Geheimrat Gärtner gewählt. 

Ausser den Vorträgen fanden noch zahlreiche Besichtigungen 
von hygienischem Interesse statt. 

Von Seiten der Stadt fand eine Bewirtung im prächtigen 
alten Franziskanerkloster statt. 

Erwähnt sei noch die hübsche Festschrift, welche die Stadt darbot. 


Digitized by 


Google 



126 


Kleine Mitteilnngen. 


Die Beziehungen zwischen Schulbank und Klassenraum. 

Das technische Gemeindeblatt (Nr. 20 vom 20. Januar d. J.) 
enthält einen sehr lesenswerten Aufsatz über „ Techniker und Schul¬ 
bank“, in welchem auf die Beziehungen zwischen dem Schulbank¬ 
system und den Abmessungen der Klassenräume mit Recht hin¬ 
gewiesen wird. Für den Entwurf eines Schulhauses sollte nicht 
der Klassenraum als Element der Grundrissgestaltung betrachtet 
werden, sondern die Schulbank. Von dieser und der Schülerzahl 
sind die Abmessungen der Klassenräume und infolge dessen erst 
die Gestaltung des Gebäudegrundrisses abhängig. Es bedarf also 
einer sorgfältigen Erwägung des anzuwendenden Banksystems, be¬ 
vor der Bau selbst entworfen wird. 

Zu unterscheiden sind 1) mehrsitzige Schulbänke; 2) zwei¬ 
sitzige Gruppenbänke, bei denen Pultplatte und Sitzbrett gleich 
lang sind; 3) zweisitzige Gruppenbänke, deren Sitz gegen die Pult¬ 
platte verkürzt (einspringend) ist; 4. zweisitzige Bänke, die für ver¬ 
schiedene Körpergrössen einstellbar hergestellt sind, die also eine 
Individualisierung des Gestühls anstreben (Universalbank), während 
die Gruppenbank je für eine bestimmte Grössengruppe der Schüler 
dient, demnach in verschiedenen Grössennummern angewandt wird. 

Es ist ersichtlich, dass bei Anwendung des mehrsitzigen 
Banksystems die Zahl der Zwischengänge kleiner wird, diese aber 
breiter anzulegen sind, als bei den andern drei Systemen; dass 
ferner bei der dritten Bankart die Zwischengänge infolge des 
zurückspringenden Sitzes etwas schmaler bemessen werden 
können als bei der zweiten Bankart, dass sonach die Gruppenbank 
mit verkürztem Sitze die geringste Tiefe des Klassenraumes be¬ 
ansprucht. Der Lichteinfall auf den Arbeitsplätzen der innersten 
Sitzreihe zeigt folglich eine geringere Reklination; der Winkel 
der grössten Elevation dieser Arbeitsplätze ist um etwa 4 Grad 
grösser als bei Gruppenbänken mit unverkürztem Sitze, was für 
die Hygiene der Tagesbelichtung von Bedeutung ist. In dem Vor¬ 
trage von Max Gruber über die Versorgung der Schulzimmer mit 
Tageslicht auf dem Nürnberger Internationalen Kongress für Schul¬ 
hygiene (1904) ist dieser Gegenstand lehrreich behandelt. Das 
vierte Banksystem endlich, die sogenannte Universalbank, erfordert 
die grösste Länge des Klassenraumes, weil diese von vorherein 
so bemessen werden muss, dass das Gestühl noch für die den 


Digitized by t^ooQle 



127 


grössten Schülern entsprechende Tiefe eingestellt werden kann; 
und zwar ergibt sich, da die verschiedenartige Einstellung einen 
Unterschied der Gestühltiefen bis zu 10 cna veranlasst, bei zehn 
hintereinanderstehenden Bankreihen eine Mehrlänge des Klassen¬ 
raumes von 1 m, oder für die normale Klassentiefe von 6 m eine 
Flächenvergrösserung des Klassenraumes von 6 qm. Nimmt man 
die zulässige Verschmälerung des einzelnen Zwischenganges infolge 
der Sitzverkürzung zu 10 cm an, bei drei Bank reihen in der Klassen¬ 
tiefe also eine Breitenersparnis von 4X10 = 40 cm, so ergibt sich 
für die normale Klassenlänge von 9 m eine Flächenverminderung 
des Klassenraumes von 9X0,40 = 3,60 qm. Bei einem Einheits¬ 
preise von 100 Mk. für das qm bebauter Fläche, werden im ersteren 
Falle 600 Mk. Mehrkosten, im zweiten Falle 360 Mk. Minderkosten 
des Klassenraumes verursacht, was für einen Schulbau mit 10 
Klassen schon einen ansehnlichen Betrag ergibt. 

Tiefe und Länge des Klassenraumes ändern sich also je nach 
dem zur Verwendung kommenden Schulbanksystems und wirken 
auf die Kosten des Baues nicht unerheblich ein. Es ist jedenfalls 
vorteilhaft, die Grundfläche des Klassenraumes zu verkleinern und 
statt dessen seine Höhe zu vergrössern. Dadurch gewinnt sowohl 
die Luftversorgung als die Tagesbelichtung; der hygienische Zu¬ 
stand der Schule wird also ohne Kostenvermehrung verbessert. 

Die für das Studium der Schulbankfrage und ihrer Entwicklung 
wichtigen amtlichen Anordnungen sind folgende: 1. die Verfügung 
des Württembergischen Ministeriums für Kirchen- und Schulwesen 
vom 29. März 1868, 2. die Verordnung des Sächsischen Ministeriums 
für Kultus und Unterricht vom 3. April 1873, 3. die Verordnung 
des Österreichischen Kultusministeriums vom 9. Juli 1873, 4. und 5. 
die Erlasse des Preussischen Kultusministeriums vom 21. März 
und 11. April 1888, 6. die Verordnung des Badischen Ministeriums 
für Kultus und Unterricht vom 14. November 1898. Aus diesen 
amtlichen Aktenstücken ergeben sich die an ein möglichst voll¬ 
kommenes Schulbanksystem zu stellenden allgemeinen Anforde¬ 
rungen Domitrovich’s, die wir schon im vorigen Jahrgange 
mitteilten. Die etwas ausführlichere Wiederholung sei hier ge¬ 
stattet: 

1) Die Bank soll nicht mehr als zweisitzig sein; 2) sie soll 
keine beweglichen Teile haben; 3) sie soll ein geschlitztes oder ge¬ 
rilltes Fussbrett haben, dessen Breite mindestens der Fusslänge ent¬ 
spricht; 4) der Abstand der Lehne muss für das Schreiben im sitzen¬ 
den Zustande bemessen sein; 5) die Bank muss so beschaffen sein, 
dass das Aufstehen der Schüler durch Heraustreten aus dem Ge- 
stühle erfolgt; 6) sie muss das Aufstehen ohne hygienische Be¬ 
anstandung leicht und bequem ermöglichen; 7) sie soll eine mög- 


Digitized by 


Google 



128 


liehst vollkommene Freilegung des Fussbodens gestatten; 8) die 
verschiedenen Bankgrösssen müssen leicht ausgewechselt werden 
können; 9) eine willkürliche Änderung der Aufstellungsordnung* 
muss unmöglich sein; 10) Pult und Sitz sollen fest verbunden sein 
(sog. deutsche Bank); 11) jeder Sitz soll eine Einzellehne für sich 
haben; 12) das Sitzbrett soll sich der Sitzfläche des Körpers so eng“ 
wie möglich anpassen; 13) das Sitzbrett soll eine voll anschliessende 
Lehne haben, deren unterster Teil für das Gesäss ausgerundet ist, 
während der mittlere Teil für den Kreuzwirbel nach vorn ge¬ 
bauscht und der obere Teil nach hinten geneigt ist, 14. die Pult¬ 
platte soll etwas geneigt sein, und 15. darf die Möglichkeit der 
Herstellung und Einführung des Systems nicht durch finanzielle 
oder andere Hindernisse erschwert oder gar hinfällig gemacht 
werden. 

Hiernach entspricht den hygienischen, pädagogischen und 
technischen Anforderungen am vollkommensten die zweisitzige 
feste Gruppenbank mit verkürztem Sitze, mit Fussbrett 
und Einzellehne und mit einem für das Schreibsitzen 
bemessenen Lehnenabstand. Sowohl die Referate für den 
Nürnberger Internationalen Kongress als die Verhandlungen auf 
der Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Schul- 
Gesundheitspflege (Bern 1904) sprechen für die Richtigkeit dieser 
grundsätzlichen Forderungen. Die verstellbare Schulbank ist nur 
ausnahmsweise zu empfehlen. J. St. 


Zur Beseitigung des Strassen kehrichts und der Hausabfälle. 

Auf der Versammlung der Medizinalbeamten des Regierungs¬ 
bezirks Hildesheim am 16. November 1904 hielten Kreisarzt Dr. 
Becker (Hildesheim) und Oberbürgermeister Cal sow (Göttingen) 
Vorträge über die hygienische, wirtschaftliche und rechtliche Be¬ 
deutung der Kehricht- und Müllbeseitigung. Die Vortragenden 
hatten folgende Leitsätze aufgestellt: 

1. Die Strassenreinigung und die Abfuhr und Beseitigung des 
Strassenmülls sowie die Sammlung, Abfuhr und Beseitigung 
des Hausmülls bedürfen in städtischen Ortschaften einer ge¬ 
sundheitspolizeilichen Überwachung und hygienischen Grund¬ 
sätzen entsprechenden Regelung. 

2. Sofern anderweitig (durch geeignete polizeiliche Massnahmen) 
die erforderliche Sicherheit für eine hygienisch verantwortliche 
Beseitigung des Strassen- und Hausmülls nicht erreichbar ist, 
haben die Gemeinden die Beseitigung in Regieverwaltung zu 
übernehmen (durch eigene Organe oder ihr verpflichtete Unter¬ 
nehmer). 


Digitized by CsOOQle 



129 


Soweit hygienische Rücksichten es erfordern, ist die aus¬ 
schliessliche Inanspruchnahme der städtischen Organisation 
zwingend vorzuschreiben. 

3. Die der Gemeinde erwachsenden Kosten sind grundsätzlich 
von den bisher Verpflichteten einzuziehen. Nach Lage der 
örtlichen Verhältnisse kann unter Umständen für zulässig: er¬ 
achtet werden, einen Teil der Kosten auf andere Quellen des 
Gemeindehaushalts zu übernehmen. 

4. Die zu 1—3 geforderten Massnahmen entsprechen, volkswirt¬ 
schaftlich betrachtet, durchaus den auf anderen Gebieten durch 
die Gemeinden bereits geschaffenen, durch ihre Entwicklung 
zwingend notwendig gewordenen Organisationen, und diese 
Massnahmen können auch auf die bestehenden Gesetze recht¬ 
lich begründet werden. 

5. Die technische Durchführbarkeit dieser Grundsätze ist in erster 
Linie von den örtlichen Verhältnissen der sehr verschieden 
gearteten Gemeinwesen abhängig. 

6. Für die Städte des Regierungsbezirks Hildesheim kann eine 
Regelung nach folgenden allgemeinen Gesichtspunkten vor¬ 
geschlagen werden: 

a) Die Sammlung des Mülls geschieht in handlichen, festen, 
zylindrischen Gefässen aus Eisenblech, welche nur soweit 
angefüllt werden dürfen, dass ein Verschütten oder Ver¬ 
stäuben des Inhalts vermieden wird. Der Vorzug be¬ 
deckeiter Gefässe wird vielfach bezweifelt. 

b) Die Strassenreinigung hat unter möglichster Verhütung 
von Staubentwicklung (nötigenfalls nach vorheriger Spren¬ 
gung) zu erfolgen. Die zusammengekehrten Massen sind 
baldigst zu beseitigen, dürfen aber nicht — auch nicht 
vorübergehend — in Wohnungen, Gärten oder auf son¬ 
stigen Privatgrundstücken aufgesammelt werden. Die 
Reinigung der Fusswege hat täglich, diejenige des Fahr¬ 
damms mindestens zweimal wöchentlich zu erfolgen. Tags¬ 
über sind besondere Verunreinigungen sofort zu beseitigen. 

c) Die Abfuhr von Hausmüll und Strassenkehricht hat — ge¬ 
gebenenfalls gemeinsam — unter möglichster Vermeidung 
von Staubentwicklung und Lärm in dichten, festen Ab¬ 
fuhrwagen möglichst oft, mindestens jedoch einmal wöchent¬ 
lich, zu erfolgen. Wegen der nicht völlig zu vermeiden¬ 
den Belästigung des Publikums und Störung des Strassen* 
Verkehrs sowie aus ästhetischen Rücksichten empfiehlt es 
sich, diese Arbeiten während der Nacht oder in den späten 
Abend- bezw. frühesten Morgenstunden vorzunehmen. 

d) Überall dort, wo sie ökonomisch möglich ist, sollte man 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 9 


Digitized by 


Google 



130 


die landwirtschaftliche Verwertung von Hans- und Strassen- 
kehricht anstreben, ln zweiter Linie kommt die Aus¬ 
gleichung von Gelände durch vorläufige Ablagerung in 
Betracht. Die Abladeplätze sollen aber so beschaffen und 
belegen sein, dass sie nicht zu Gesundheitsstörungen oder 
sonstigen Belästigungen Anlass geben oder der Er¬ 
schliessung neuer Stadtteile durch Verunreinigung des 
Untergrundes hinderlich sind. 

Obwohl die gewerbliche Verwertung der Abfallstoffe nur 
eine untergeordnete Rolle spielt, so bedarf sie doch der 
hygienischen Beaufsichtigung. Die Methoden der Ver¬ 
brennung und Schmelzung des Mülls sind vom sanitären 
Standpunkte aus zwar die besten, aber wegen ihrer Kost¬ 
spieligkeit vorläufig nur in Grossstädten anwendbar. 

Von diesen Leitsätzen erfuhren Nr. 1, 2, 4 und 5 keinen 
Widerspruch. Zum Satze 3 wurde vom Oberbürgermeister Struck¬ 
mann (Hildesheim) hervorgehoben, dass die Stadtverwaltungen sich 
die Freiheit Vorbehalten müssten, die Frage der Gebührenerhebung 
im einzelnen zu regeln; er sei persönlich kein Freund von „Spezial- 
steuern“. Zum Satze 6a erhob sich Meinungsverschiedenheit über 
den Wert der Deckel auf Mülleimern; Prof, von Esmarch hielt 
sie für wichtig, andere erklärten sie aus praktischen Gründen für 
nicht empfehlenswert. Die Aufbewahrung des Strassenschmutzes 
im Hause (6b) hielt Dr. Becker für besonders nachteilig. Die 
Abfuhr sollte nach dem Urteil des Prof, von Esmarch nicht 
eigentlich während der Nacht (6 c), sondern in späten Abend- und 
frühen Morgenstunden stattfinden. 

Was die Verwertung der Abfallstoffe betrifft (6 b), so empfahlen 
Prof, von Esmarch und Gewerberat Schüler das u. a. in Char¬ 
lottenburg und Potsdam eingeführte sog. Trennungssystem auch 
für kleinere Städte. Das System bewährt sich in Charlotten bürg 
als durchaus rentabel, insbesondere werden die schon in der Küche 
in besondere Gefässe oder Gefässteile abgesonderten Speisereste er¬ 
folgreich zur Schweinezucht verwendet. J. St. 


Digitized by 


Google 



131 


Literaturbericht. 


Pfeiffer, 20. Jahresbericht über die Fortschritte und Leistungen 
auf dem Qebiete der Hygiene. (Jahrg. 1902.) 

Das Buch gibt auf seinen 545 Seiten ein getreues Bild der 
wertvollen Arbeiten unermüdlicher Forscher auf allen Gebieten der 
Hygiene im Jahre 1902 und ist für solche, die sich über die Fort¬ 
schritte der Hygiene orientieren wollen, ein unersetzliches Nach- 
schlagebuch. Aus der Zahl der bisherigen Mitarbeiter sind aus¬ 
geschieden die Herren Geh. Med.-Rat Baer (Berlin) und Stadtbaurat 
a. D. Brix (Wiesbaden). Zu ihrem Ersätze sind eingetreten Herr 
Kreisarzt Potschuld (Diez) für Gefängnishygiene und Herr Bau¬ 
inspektor Schumann (Berlin) für Bauhygiene. 

In seinem Geleitworte spricht der Herr Herausgeber ein be¬ 
achtenswertes Wort über die Notwendigkeit der Vermehrung von 
geeigneten Unterkunftsstätten für Geisteskranke. 

Nauck (Hattingen). 

Prausnitz, Grundzüge der Hygiene. 7. erw. u. verm. Aufl. (München, 
Lehmann. 1905.) 

Das für Studierende an Universitäten und technischen Hoch¬ 
schulen, Ärzte, Architekten, Ingenieure und Verwaltungsbeamte 
bestimmte Buch stellt eine vorzügliche Einleitung in die Lehren der 
Hygiene und deren Nutzanwendung auf den verschiedensten Ge¬ 
bieten des menschlichen Lebens dar. Die Darstellung ist präzis 
und klar; die zahlreichen Abbildungen sind sehr instruktiv. Es 
wird nichts wesentliches übergangen; überall finden sich goldne 
Regeln für die Praxis eingestreut. 

Für eine weitere Auflage möchte ich es aber als wünschens¬ 
wert bezeichnen, dass Verfasser, der einen durchaus objektiven 
Standpunkt den Pettenkoferschen und Kochschen Lehren über die 
Entstehung der Cholera gegenüber einnimmt, etwas näher auf die 
neuere Kochsche Theorie der hauptsächlichsten Verbreitung des 
Typhus durch Kontaktinfektion eingeht. Auch könnte in dem 
Kapitel über Milch auf die Alkoholprobe zum Nachweise des Ver¬ 
dorbenseins hingewiesen werden. Ein Lapsus calami ist es wohl, 
wenn auf Seite 521 entgegen den Beschlüssen des Bundesrats vom 
28. Juni 1899 empfohlen wird, die Impfinstrumente vor jeder 
Impfung eines neuen Impflings mit Wasser zu reinigen und mit 
Karbol- oder Salicylwatte abzutrocknen. Für öffentliche Impf¬ 
termine genügt diese Art der Reinigung jedenfalls nicht. 


Digitized by 


Google 



132 


Die Verlagsbuchhandlung hat es sich nicht nehmen lassen,, 
durch Druck und Papier das vortreffliche Buch auch ihrerseits den 
Anforderungen der Hygiene entsprechend auszustatten. Es ist ihm 
die weiteste Verbreitung in den dafür bestimmten Kreisen za 
wünschen. Nauck (Hattingen). 

Senator u. Kammer, Krankheiten und Ehe. II. u. III. Abt. (München. 

J. F. Lehmanns Verlag. 1904.) 

Während die erste Abteilung des Werkes, über die im. Jahr¬ 
gang 1904 dieser Zeitschrift Seite 332 referiert ist, den allgemeinen 
Teil enthielt, bringen die zweite und dritte Abteilung die Be¬ 
ziehungen der einzelnen Krankheitsgruppen zu der Ehe. 

In der zweiten Abteilung werden behandelt: Konstitutions- 
(Stoffwechsel-Krankheiten und Ehe von H. Senator-Berlin, Blut¬ 
krankheiten und Ehe von H. Rosin-Berlin, Krankheiten des Gefäss- 
apparates und Ehe von E. v. Leyden und W. Wolff-Berlin, Krank¬ 
heiten der Atmungsorgane und Ehe von S. Kaminer-Berlin, Krank¬ 
heiten der Verdauungsorgane und Ehe von C. A. Ewald-Berlin, Nieren¬ 
krankheiten und Ehe von P. F. Richter-Berlin, Krankheiten des- 
Bewegungsapparates und Ehe von A. Hoffa-Berlin, Beziehungen 
der Ehe zu Augenkrankheiten mit besonderer Rücksicht auf die 
Vererbung von Abelsdorf-Berlin. 

Die dritte Abteilung enthält folgende Kapitel: Hautkrank¬ 
heiten und Ehe von Ledennann-Berlin, Syphilis und Ehe von dem¬ 
selben, Trippererkrankungen und Ehe von A. Neisser-Breslau, 
Erkrankung der tiefem Harnwege, physische Impotenz und Ehe 
von C. Posner-Berlin, Frauenkrankheiten, Empfängnisunfähigkeit 
und Ehe von L. Blumreich-Berlin, Nervenkrankheiten und Ehe von 
A. Eulenburg-Berlin, Geisteskrankheiten und Ehe von E. Mendel- 
Berlin, Perverse Sexualempfindung, psychische Impotenz und Ehe 
von A. Moll-Berlin, Alkoholismus, Morphinismus und Ehe von A. 
Leppmann und F. Leppmann-Berlin, Gewerbliche Schädlichkeiten 
und Ehe von denselben, Ärztliches Berufsgeheimnis und Ehe von 
S. Placzek-Berlin, Sozialpolitische Bedeutung der sanitären Ver¬ 
hältnisse in der Ehe von K. Eberstadt-Berlin. 

Wenn ich mir auch leider versagen muss, auf den Inhalt 
jedes dieser 20 Kapitel einzugehen, so möchte ich doch ganz kurz 
wenigstens einige mir besonders wichtig erscheinende Punkte 
herausgreifen. So ist hinsichtlich der Lungentuberkulose die 
Ansicht Kaminers bemerkenswert, dass bei dieser Krankheit zu¬ 
weilen Umstände eintreten können, wo die Vorteile der Ehe grösser 
sind als die Nachteile, wo die Gefahren der Ehe entweder über¬ 
haupt nicht vorhanden oder, wenn sie vorhanden, wo durch zweck¬ 
mässige prophylaktische oder therapeutische Massnahmen ihre 


Digitized by 


Google 



133 


Grösse gemindert werden kann. Bei frischen Fällen von Lungen¬ 
tuberkulose wird man dagegen nach Kaminer wohl fast immer die 
Erlaubnis zur Heirat verweigern müssen. 

Bei der Syphilis darf man nach Ledermann im allgemeinen 
«die Ehe gestatten, wenn mindestens 5 Jahre seit der Infektion 
vergangen, in den letzten 2 Jahren keine Erscheinungen mehr 
aufgetreten sind und die Kranken energische und gründliche 
Quecksilberkuren durchgemacht haben. 

In Bezug auf den Tripper steht Neisser nicht auf dem von 
andern Autoren vertretenen Standpunkte, dass der Heiratskonsens 
dem Manne nur bei vollständiger Heilung, d. h. namentlich bei 
vollständigem Verschwinden der Urethralfäden und Flocken im 
Urin zu erteilen sei. Der Grund ist, dass in der Mehrzahl der 
Fälle alle Behandlungsversuche zur Beseitigung solcher Reste ver¬ 
geblich sind. Neisser macht vielmehr die Erlaubnis zur Heirat 
davon abhängig, dass die Gonococcen trotz Aufsuchung aller 
Schlupfwinkel, trotz chemischer und mechanischer Provokation 
weder mikroskopisch noch kulturell auffindbar sind. 

Hinsichtlich der erblichen Belastung bei Geisteskrank¬ 
heiten vertritt Mendel die Anschauung, dass vereinzelt dastehende 
Fälle von Geisteskrankheit in der Familie ein Hindernis für eine 
einzugehende Ehe nicht bieten, wohl aber das Vorkommen einer 
grösseren Zahl von Fällen bei den Blutsverwandten und namentlich, 
wenn sie nicht bloss auf der Seite des Vaters, sondern auch auf 
der der Mutter nachzuweisen sind. In der direkten Ascendenz 
sind nach Mendel die Paranoia und die periodischen oder zirkulären 
Psychosen, bei denen in der Regel schon eine erbliche Belastung 
vorliegt, bedenklich, während die infolge äusserer Ursachen, wie 
akuter Infektionskrankheiten, Wochenbett usw. entstandenen akuten 
Geisteskrankheiten keine besondere Gefahr für die Nachkommen¬ 
schaft bieten. Bei chronischer Geisteskrankheit beider Eltern rät 
er auf das Entschiedenste von der Ehe ab, dagegen hält er das 
Eheverbot nicht für nötig bei der progressiven Paralyse des Vaters 
oder der Mutter und dem Fehlen sonstiger erblichen Belastung, 
wenn die Krankheit erst viele Jahre nach der Geburt des Kindes 
auftrat und dies geistig normal ist. Dass geisteskranke oder auch 
nur geistesschwache Individuen nicht heiraten dürfen, unterliegt 
für Mendel keinem Zweifel. Hinsichtlich der geisteskrank ge¬ 
wesenen und wieder geheilten Personen ist nach seiner Ansicht 
an dem Grundsätze festzuhalten, dass, wenn die Geisteskrankheit 
nicht die Folge äusserer somatischer Einflüsse, sondern im wesent¬ 
lichen der Ausdruck einer erheblichen erblichen Belastung war, 
die betreffende Person zur Ehe untauglich ist, da besonders für 
das weibliche Geschlecht in ihr nicht zu unterschätzende Gefahren 
zu neuer Erkrankung liegen. Schneider (Breslau). 


Digitized by 


Google 



134 


Weber, Die Verhütung des frühen Alters. Mittel und Wege zur Ver¬ 
längerung des Lebens. (Leipzig, Verlag von Krüger & Co.) 

Es gibt Bücher, deren Lektüre schon wie eine belebende 
Medizin wirkt, und wo sich die Überzeugung des Verfassers mit 
bezwingender Kraft auf den Leser überträgt. Ein solches Buch 
ist das vorliegende, wo uns der achtzigjährige Verfasser aus der 
Fülle seiner Lebenserfahrung schöpfen und an der Weisheit seines 
Alters Teil nehmen lässt. Diese Weisheit und Erfahrung gipfele in 
dem Satze: Arbeit und Enthaltsamkeit. Der Mensch ist so alt 
wie sein Gefässsystem, und dieses frisch zu erhalten, seiner Ent- 
artung vorzubeugen, hierauf beruht die Kunst, das Leben zu ver¬ 
längern. 

Die Behauptung, dass reichliche geistige Tätigkeit und körper¬ 
liche Bewegung das Leben verkürze, ist ein Irrtum und das Gegen¬ 
teil ist richtig. Besonderes Gewicht legt Hermann Weber auf die 
ausgiebige Übung der Gehirntätigkeit, und er empfiehlt für die 
Tage des Alters und der Müsse die Pflege eines Steckenpferdes^ 
Spiele und Reisen. 

Alle Organe mit Einschluss des Gehirnes in reger Übung zu 
erhalten, in allen Genüssen mässig zu sein und keine trübe, sondern 
eine frohsinnige Lebensanschauung zu pflegen, darin liegt das 
Geheimnis des Jungbrunnens und seine Kraft, und wenn damit 
anscheinend eine gewisse Entsagung verbunden ist, die dem be¬ 
kannten Buche Hufelands seiner Zeit die boshafte Übersetzung 
„Die Kunst langweilig zu leben“ eintrug, so ist das Ziel eines 
langen und vor allem eines gesunden und glücklichen Lebens am 
Ende doch einer kleinen Entbehrung wert. 

Die kleine Schrift des bekannten Londoner Arztes, die zudem 
für weitere Kreise berechnet ist, kann daher nicht genug em¬ 
pfohlen werden. Pelman. 


Hoffmann, Berufswahl und Nervenleiden. [Grenzfragen des Nerven- 
u. Seelenlebens, 26. Heft.] (Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann. 1904.) 

Wenn ein Forscher wie Hoffmann aus dem vollen Inhalte 
seiner Erfahrung schöpft und das Ergebnis seiner zahlreichen Beob¬ 
achtungen auf wenigen Seiten wiedergibt, dann lässt sich der 
Inhalt kaum noch kürzer zusammenfassen und es bleibt dem Re¬ 
ferenten nichts übrig, als auf das Buch selber zu verweisen. Und 
das möchte ich hiermit tun. 

Der Verfasser geht von der Voraussetzung aus, dass die 
Nervenleiden an Zahl dauernd zunehmen, und er überweist einen 
Teil der Schuld der unzweckmässigen Wahl eines Berufes, oder 
vielmehr dem Umstande, dass bei der Wahl eines Berufes alles 


Digitized by 


Google 



135 


andere mehr in Betracht gezogen werde, als der jeweilige Zustand 
des Nervensystems. 

Und doch hängt hiervon nicht selten die ganze Zukunft ab, 
und oft genug wird die Gesundheit geopfert um Geld, und dann 
— leider oft vergebens — das Geld, um wieder die Gesundheit zu 
erlangen. 

Hoffmann hat nun den Versuch gemacht, tausend Fälle von 
Nervenleidenden nach ihren Berufsarten zu ordnen, um hierdurch 
womöglich zu bestimmten Schlüssen in Bezug auf deren Schäd¬ 
lichkeit zu kommen. Er selber sieht darin zunächst mehr eine 
Anregung zu ähnlichen Untersuchungen, und ich möchte hier 
ebenfalls eine Warnung aussprechen. Meiner Überzeugung nach 
schätzt man das Gehirn und seine Tätigkeit zu gering ein, wenn 
man es auf die Stufe einer Maschine stellt und ihm ein bestimmtes 
Mass von Tätigkeit und Abnutzung zumisst. Man übersieht dabei 
die lebendige Kraft und die Befähigung des Gehirns, aus sich 
heraus neue Kraft zu entwickeln und die gebrauchte zu ersetzen, 
und es ist daher nicht sowohl das mehr odel* weniger von geistiger 
Anstrengung, das hier in Betracht kommt, als vielmehr ander¬ 
weitige schädliche Momente, wie besonders Sorge und Not, die 
sich verderblich zeigen. 

Alles das und noch viel mehr ist in der kleinen Schrift zu 
finden, und ich glaube sie nicht besser empfehlen zu können, als 
wenn ich mich dem Wunsche des Verfassers und seinen Schluss¬ 
worten anschliesse, dass dem Nervenleben der Kinder bei der Wahl des 
Berufes stets eine gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werde. 

Pelman. 

Kowalewski, Studien zur Psychologie des Pessimismus. Mit 4Abb. 
im Text. [Grenzfragen des Nerven- u. Seelenlebens.] (Wiesbaden, Ver¬ 
lag von J. F. Bergmann. 1904.) 

Das vorliegende Werk tritt eigentlich mit seinen ebenso aus¬ 
führlichen wie gelehrten Untersuchungen aus dem Kähmen der 
„Grenzfragen“, die dem Titel zufolge für Gebildete aller Stände 
bestimmt sind, heraus, da ich es für recht fraglich halte, ob sehr 
viele dieser „Gebildeten“ das rechte Verständnis für die Integrale 
des Lust- und Unlustquantums haben und im Stande sein werden, 
die Universalitätssymmetrie mit der Asymmetrie der Unterschieds¬ 
empfindlichkeit in Zusammenhang zu bringen. Unter Pessimismus 
versteht man im Allgemeinen die Anschauung, dass Leiden und 
Übel den Hauptinhalt des ganzen Lebens ausmachen, und der Ver¬ 
fasser bemüht sich, an der Hand eines sehr reichhaltigen. psycho¬ 
logischen Materiales in exakter Weise festzustellen, ob ein wesent¬ 
licher Rangunterschied zwischen Lust und Unlust in psychologischer 


Digitized by 


Google 



136 


Hinsicht bestehe. Das Ergebnis seiner Untersuchungen ist, dass 
die Lust und die Unlustfunktion schon bei einem normalen Menschen 
keineswegs gleichmässig entwickelt sind, und dass hier natürliche 
Ansatzpunkte für die Entwicklung einer pessimistischen Seelen - 
Verfassung liegen. 

Wenn somit auch im normalen Leben das Gefühl der Unlust 
durchwegs überwiegt, so müssen doch andere und zwar abnorme 
Bedingungen hinzutreten, um eine dauernde pessimistische Seelen¬ 
verfassung auftreten zu lassen. 

Das ist im wesentlichen der Inhalt der ausgedehnten Arbeit, 
die unzweifelhaft nach den verschiedensten Seiten hin anregend zu 
wirken geeignet ist, ohne indes ein eigentlich praktisches hygienisches 
Interesse zu bieten. Pelman. 

In einem Buche: .Staatskinder oder Mutterrecht a (Leipzig, 
W. Malende) versucht Ruth Br6 eine Erlösung aus sexuellem und 
wirtschaftlichem Elend. Sie will dabei die ganze jetzige Ge¬ 
sellschaftsform umgestalten, indem sie die Frau bezw. die Sippe 
der Frau als Mittelpunkt fordert. Der Mann gliedert sich durch 
die Ehe der Frau an, das Kind führt den Namen der Mutter, als 
des einzig nachweisbaren Teiles der Eltern Besitz und Vermögen, 
alles regele sich nach diesem Gesichtspunkte. Das energisch und 
gewandt verfasste Buch kündet auf dieser Grundlage Besserung 
obigen Elendes an. — Die Botschaft hör ich wohl, allein mir 
fehlt der Glaube! Selter (Solingen). 

Fürst, Die Gesundheitspflege der Mädchen vor und nach der Schul¬ 
zeit. (Hamburg u. Leipzig 1904. Verlag von Leopold Voss.) 

Ein vortreffliches, in warmem Tone und edler sprachlichen 
Darstellung geschriebenes Büchlein für die häusliche Lektüre ge¬ 
bildeter junger Mädchen oder als Unterlage für gemeinverständ¬ 
liche Vorträge aus dem Bereiche der Gesundheitspflege! Diesem 
Zwecke entspricht es, dass die Schrift sich darauf beschränkt, all¬ 
gemeine Grundsätze zu bieten, jeden einzelnen Fall aber dem 
besonderen Rate des Hausarztes überlässt. Ein kleines Versehen 
ist in dem Abschnitt vom Essen und Trinken untergelaufen, wo es 
Seite 36 heisst: „Die Genussmittel sind eine unentbehrliche Zugabe 
zu allem was wir gemessen“, und im folgenden Satze: „Gehört doch 
selbst der Tabak zu den Genussmitteln“. Das ist wohl dadurch 
gekommen, dass der Verfasser im vorhergehenden nur die Speise¬ 
zutaten (Würzen und Gewürze) berücksichtigt hat, während die 
geistigen Getränke und die Aufgussgetränke, denen in seiner 
Wirkung der Tabak verwandt ist, auch zu den Genussmitteln zu 
rechnen sind. Blumberger (Cöln). 


Digitized by v^ooQle 



137 


Berger, Die Schularztfrage für höhere Lehranstalten. (Verlag von 
Leopold Voss. 1904.) 

Nach einer kurzen Schilderung über die Entstehung und den 
jetzigen Stand der Schularztfrage stellt er mit andern die Forderung 
nach einer schulhygienischen Beratung auch für die höheren 
Lehranstalten auf. 

Die Tätigkeit dieser Schulhygieniker erstreckt sich neben 
der Mitwirkung beim Bau und Einrichtung der Schulhäuser in 
erster Linie auf die Beobachtung des Gesundheitszustandes der 
Schüler, ferner die Unterrichtshygiene, die Hygiene der Lehrkörper 
usw. Auch Form und Dienst der Schulärzte wird geschildert. 
Wenn B. auch in den meisten Punkten alte Forderungen bringt, 
so ist die Art der Darstellung derselben doch schön und über¬ 
zeugend. Neu ist die Mitwirkung der Schulärzte bei den Schul¬ 
reformen. — Das B. für den Schularzt im Hauptamte, für seine 
organische Angehörigkeit den Lehrkörper als etwas selbstverständ¬ 
liches und notwendiges plädiert, verdient hervorgehoben zu werden. 

Die Schrift kann zur Lektüre angelegentlich empfohlen werden. 

Selter (Solingen). 

Stade lm ann, Schwachbeanlagte Kinder, ihre Förderung und Be¬ 
handlung. (München 1904. Verlag der Ärztlichen Rundschau.) 

Der Verfasser hat seine Absicht, das Verständnis für das 
Wesen schwach beanlagter Kinder der Allgemeinheit näher zu 
bringen, insofern ganz erreicht, als es sich um die Ärzte handelt; 
für die mit der Erziehung und dem Unterricht solcher Kinder be¬ 
schäftigten Lehrer wird das Eindringen durch die vielen, dem 
Arzte geläufigen, dem Laien aber wenig bekannten technischen Aus¬ 
drücke nicht selten erschwert. Trotzdem bietet das Heftchen auch dem 
Lehrer soviel Wertvolles, dass die Beschaffung jedem zu empfehlen 
ist. Nicht weniger wichtig ist die Arbeit für den Juristen, da sie 
zur nachsichtigsten Beurteilung der Handlungen geistig und sittlich 
minderwertiger Menschen mahnt. Die Ansicht des Verfassers, dass 
auch die leicht abnormen Kinder wenigstens eine Zeit lang in 
eine Anstalt geschickt werden sollten, hat viel für sich, doch 
scheitert die Ausführung noch für lange Zeit an dem Kostenpunkte. 
Einstweilen sind die Hülfsschulen in grösseren Städten geradezu 
unentbehrlich. Brandenberg (Cöln). 

Twistei, Wasser-, Luft- und Kraftversorgung kleiner Städte. (Selbst¬ 
verlag. 1904.) 

Auch die Verwaltungen kleinerer Städte, denen bisher die 
unsern Grossstädten eigentümlichen grösseren technischen Aufgaben 
recht fern lagen, beginnen jetzt der Lösung solcher verhältnismässig 


Digitized by v^ooQle 



138 


weit aussebauenden Fragen näher zu treten. In gesundheitlicher 
Beziehung erscheint hierbei die Schaffung einer einwandfreien 
Trinkwasserversorgung als eines der notwendigsten Erfordernisse: 
denn ausser der Verhütung von Krankheiten, welche der Wasser¬ 
entnahme aus verseuchten Brunnen und Wasserläufen entspringen, 
hängen die Beschaffung von Haus-, Schul- und öffentlichen Bädern, 
eine ordnungsmässige Strassenreinigung, leichtere Bekämpfung von 
Feuersbrünsten und viele andere gemeinnützige Vorteile hiermit 
zusammen. 

Der Verfasser schildert, wie es ihm gelungen ist in Mewe, 
einer Stadt von rund 4100 Einwohnern mit ungünstiger Finanz¬ 
lage, deren kommunale Steuerzuschläge 303 °/ 0 der Einkommen¬ 
steuer und 276 °/ 0 der Realabgaben betragen, denen allerdings ein 
jährlicher Bierkonsum der Einwohnerschaft von mindestens 100000 Mk. 
gegenübersteht, zunächst das Wasserwerk auf Grund des durch 
Polizeiverordnung angeordneten Zwangsanschlusses aller Wohn¬ 
gebäude und eines den Anschluss regelnden Ortsstatuts zu schaffen. 
Der Wasserzins wurde für den Verbrauch in Haushaltungen auf 
0,40 Mk., für landwirtschaftliche und gewerbliche Betriebe auf 
0,15 Mk. für den Kubikmeter bemessen. Die Wassergewinnung 
erfolgt aus zwei Tiefbrunnen, die eine tägliche Leistungsfähigkeit 
von 350 Kubikmeter besitzen, die Gesamtkosten des Werkes stellen 
sich auf 145233 Mk. Im ersten Betriebsjahre betrug der tägliche Wasser¬ 
verbrauch für Haushaltungszwecke rlur die überaus geringe Menge 
von 13,6 Liter für den Kopf, doch ergab das Werk im gleichen 
Zeiträume schon einen Überschuss von 973 Mk. Von gleichzeitiger 
Anlage einer Kanalisation wurde vorläufig abgesehen; es haben 
sich hieraus, da kein Anschluss von Spüiklosets an die Wasser¬ 
leitung erfolgt ist und bei dem geringen Wasserverbrauch auch 
keine Nachteile ergeben. 

Die notwendige Beschaffung einer Betriebskraft für die Pump¬ 
station des Wasserwerks führte zur Licht- und Kraftversorgung 
der Stadt durch Anlage eines Steinkohlen-Gaswerks, das für den 
vorliegenden Fall am zweckmässigsten erschien. Die Grundlage 
der Rentabilität bildete, da zwangsweiser Anschluss der Häuser 
nicht möglich, ein Abkommen über die Lichtversorgung einer 
grösseren staatlichen Strafanstalt. Um das Risiko für das gleich¬ 
zeitig mit dem Wasserwerk angelegte Gaswerk zu vermindern, 
wurde ein Ausweg in der zeitweisen Verpachtung des Betriebes 
des letzteren an die erbauende Firma gefunden. Bei Preisen von 
0,20 Mk. für das Kubikmeter Leuchtgas und 0,15 Mk. für das 
Kubikmeter Heizgas ergab sich im ersten Jahre ein Ueberschuss 
von 4617 Mk. 

Der Verfasser schildert seine wohldurchdachtcn, aus tech- 


Digitized by t^ooQle 



139 


machen, finanziellen und verwaltungsrechtlichen Erwägungen her¬ 
vorgegangenen Massnahmen bei Schaffung beider Werke mit Dar* 
legung aller dabei gesammelten Erfahrungen in überaus klarer 
und anschaulicher Weise. Seine Schrift verdient daher bei den 
Verwaltungen unserer kleinen Städte die aufmerksamste Beachtung, 
da sie einen Weg zeigt, wie auch diese an den gesundheitlichen 
Vorteilen und technischen Bequemlichkeiten der Grossstädte Teil 
nehmen und so ihren Bewohnern zweckmässiger und angenehmer 
ausgestaltet werden können. Schnitze (Bonn). 

Nusabaum, Die Schutzmittel gegen aufsteigende Feuchtigkeit und 
Schlagregen. (Ges.-Ing. 1904, Nr. 28.) 

Die gebräuchlichsten Schutzmittel zur Trockenerhaltung der 
Gebäude: wie Teerpappe, Goudron, Asphaltfilz und dünne Blei¬ 
platten versagen oft, da sie von frischem Kalk- und Zementmörtel 
angegriffen werden und dann die Eigenschaft der Wasserundurch¬ 
lässigkeit verlieren. Als preiswertes sicheres Ersatzmittel sowohl 
für senkrechte, wie für wagerechte Flächen wird Erdwachs (Ceresin) 
genannt, welches den Einwirkungen der Witterung, der Alkalien, 
der Huminsäure des Erdbodens und der Kohlensäure des Wassers 
vollkommen widersteht. Auch Gussasphalt vermag in begrenzter 
Weise als Isolierschicht zu dienen. Vom Erdboden berührte Keller¬ 
wandflächen sind gegen starken Wasserandrang durch Verblendung 
von gesinterten Ziegeln in fettem Trasszement- oder Milchkalk¬ 
mörtel zu sichern. 

Zum Schutz gegen Schlagregen dient in erster Linie Ver¬ 
blendung mit scharfgebrannten, wasserundurchlässigen Ziegelsteinen; 
als Verputzmaterial wird fetter Milchkalkmörtel vorgeschlagen. 
Alte Putzflächen lassen sich durch Anstriche mit Kalkwasserglas,, 
frischer Kalkputz durch Anstrich mit Magermilch leidlich wasser¬ 
abweisend machen. Den trefflichsten Wetterschutz bildet das Be¬ 
kleiden der Wandflächen mit undurchlässigen Platten von Natur¬ 
gestein, Steingut, gesintertem Ton, Glas u. s. w., die mit fettem 
Zement- oder Milchkalkmörtel auf dem Mauergrund befestigt werden. 
Auch das Beschlagen solcher Flächen mit Dachziegeln, Schiefer, 
Schindeln auf Lattung ist unter Umständen zweckmässig. 

Schultze (Bonn). 

Schlechtendal und Peren, Der Unterleibstyphus und seine Be¬ 
kämpfung. (Deutsche Viertelj. f. öff. Ges., Bd. XXXVI, Heft 4.) 

Die gemeinsame Arbeit ist im wesentlichen die Wiedergabe 
zweier Berichte, die die Verfasser auf einer der Versammlungen 
von Medizinal beamten und Vertretern der Verwaltungsbehörden 
erstattet haben, wie sie seit einiger Zeit auf Veranlassung des 


Digitized by 


Google 



140 


Medizinal-Ministers alljährlich am Sitze der Regierungen stattfinden. 
Der erste Teil bringt das Bild der jetzt vielfach im Vordergründe 
<der allgemeinen Beachtung stehenden Krankheit und legt die vielen 
teilweise erst seit kürzerer Zeit bekannt gewordenen Wege dar, 
auf denen die Ansteckung erfolgen kann. Die Besprechung ist 
so gehalten, dass sie auch dem Laien vollständig verständlich ist; 
es ist möglichst alles zusammengetragen, was die Forschungen 
über Wesen und Bedeutung des Typhus festgestellt haben, und 
was zu beachten ist, wenn die Ursache von Erkrankungsfällen 
aufgedeckt werden soll. Im herrschenden Streite [hie Koch, hie 
Pettenkofer-Emmerich!] nimmt Verfasser nicht einseitig Stellung; 
er glaubt, dass — namentlich für die behördliche Tätigkeit — alles 
beachtet werden müsse, was an Tatsächlichem festgestellt wird; 
die Bedürfnisse des täglichen Lebens müssen befriedigt werden 
ohne Rücksicht auf die Frage, ob die eine Theorie oder die andere 
richtig sei. 

Die Wege der Ansteckung sind am eingehendsten behandelt 
(92 Quellenangaben). Die Ansteckung durch Ausdünstungen und 
Gase wird kurz gestreift; ausführlicher ist die Rede von der Be¬ 
deutung des Erdbodens (Kanalisation) und des Wassers (Wasser¬ 
leitungen). Es werden ferner bedeutsame Beobachtungen über sog. 
„Typhushäuser“ und über die Verbreitung der Seuche durch Ge¬ 
brauchsgegenstände, Nahrungsmittel und Insekten angeführt. Eine 
besonders ausführliche Besprechung wird aber der Übertragung 
von Person zu Person zugewandt. Die Forschungen der letzten 
Zeiten haben ergeben, dass übertragbare Bazillen nicht nur im 
Darme Vorkommen, sondern auch im Halse, in der Lunge, in Eiter¬ 
herden (oft noch nach vielen Jahren) und mit dem Blute überhaupt 
den ganzen Körper durchkreisen. Wie vorgenannte Flüssigkeiten, 
so verdient vor allem der Harn der Kranken und Genesenden die 
sorgfältigste Beachtung als Infektionsquelle. Zum Schluss erwähnt 
Verfasser noch den Paratyphus kurz; eine längere besondere Be¬ 
sprechung wird als überflüssig bezeichnet, da diese Krankheit dem 
Unterleibstyphus sowohl in ihren Ursachen und in ihrem Bilde als 
auch in ihrer Übertragbarkeit und Ansteckungsfähigkeit so nahe steht, 
dass im praktischen Leben kein Unterschied gemacht werden könne. 

Der Abschnitt B der Arbeit betrifft ausschliesslich die Be¬ 
kämpfung des Typhus. Von einem in der Praxis stehenden Kreis¬ 
ärzte geschrieben, behandelt dieser Teil, auf den Ausführungen 
des Vorredners sich auf bauend, die Bekämpfung des Typhus mit 
den derzeitigen der Wissenschaft zu Gebote stehenden Mitteln, wie 
es für Medizinalbeamte und Verwaltungsbehörden geboten und 
möglich ist. Allenthalben tritt in den Ausführungen die Anschauung 
hervor, dass das zur Zeit noch gütige Regulativ von 1835 als 


Digitized by t^ooQle 



141 


Waffe gegen den Typhus vollkommen veraltet ist, und dass die 
Schaffung eines Landesgesetzes, welches zur Bekämpfung dieser 
Infektionskrankheit die erforderliche Handhabe bietet, dringend 
not tut. Dass die Aussichten auf das baldige Zustandekommen 
eines derartigen Gesetzes durch die jüngsten Kommissionsverhand¬ 
lungen über den „Entwurf eines Gesetzes betreffend die Bekämpfung* 
übertragbarer Krankheiten 44 günstigere geworden sind, lässt sich 
nicht behaupten. 

Der Abschnitt B teilt sich naturgemäss ein in die Besprechung 
der Anzeigepflicht, der Ermittelung der Krankheit und der eigent¬ 
lichen Bekämpfungsmassnahmen. 

Nach mehrfachen gerichtlichen Entscheidungen ist der Typhus- 
auf Grund des Regulativs von 1835 anzeigepflichtig. Die Haupt¬ 
last der Anzeigepflicht wird stets auf den Schultern der Ärzte ruhen.. 
Zu Epidemiezeiten müssen auch die Nichtärzte auf die Verpflichtung 
zur Anzeige hingewiesen und auf die auf der Vernachlässigung 
dieser Pflicht stehenden Strafen aufmerksam gemacht werden. Zur 
erfolgreichen Bekämpfung ist es wichtig, dass auch die typhus¬ 
verdächtigen Erkrankungen zur Kenntnis der Behörden gelangen.. 
Den Ärzten muss die Erstattung der Anzeige (durch vorgedruckte 
Meldekarten) möglichst erleichtert werden. In Grenzbezirken müssen 
sich die Gesundheitsbehörden jederzeit über den Stand der Typhus¬ 
erkrankungen auf dem Laufenden halten. 

Die Ermittelung über Natur und Entstehung einer als Typhus 
gemeldeten Krankheit ist in erster Linie Sache des Kreisarztes^ 
doch soll aus praktischen und aus kollegialen Gründen der behan¬ 
delnde Arzt bei der Anstellung der Ermittelungen möglichst mit 
zugezogen werden. Die alten klinischen Methoden der Untersuchung, 
genügen zur Feststellung einer Typhuserkrankung bei weitem nicht 
in allen Fällen, es ist unbedingt notwendig, dass in zweifelhaften 
Fällen das ganze bakteriologische Rüstzeug mit zu Hilfe genommen 
wird. Der Nachweis von Typhusbazillen in den Ausscheidungen 
des Kranken gibt einen positiven Beweis für die Natur der Krank¬ 
heit, der Widal hat weder im positiven noch # im negativen Sinne 
eine gleiche Beweiskraft. Aufgabe des Kreisarztes ist bei den 
bakteriologischen Feststellungen nur die Materialentnahme, die 
Untersuchungen müssen in einem geeigneten Institute geschehen. 

An die Spitze der Ermittelungen über die Entstehung der 
Krankheit muss die Frage gestellt werden: Wo ist der vorher¬ 
gehende Typhusfall? Man kann die Art der Verbreitung des Typhus 
annehmen, wie man will, immer muss ein Bazillenträger vorhanden 
gewesen sein, von welchem aus auf unmittelbarem oder mittel¬ 
barem Wege eine Krankheitsübertragung auf die jetzt Erkrankten^ 
stattgefunden hat. Verfasser steht auf dem Standpunkt, dass man 


Digitized by 


Google 



142 


bei den Ermittelungen keinen der Wege, auf denen sich Typhus 
überhaupt verbreiten kann, aus dem Auge lassen darf, dass man 
auf Kosten der Kontaktinfektion nicht die Übertragung durch 
Wasser, Erdboden. Nahrungsmittel u. 8. w. vernachlässigen darf. 
Explosivepidemien sind wohl meistens Wasser- oder Nahrungs- 
mittelepidemien, schleichende Epidemien haben wohl meist Kontakt¬ 
infektionen zur Ursache, im Laufe der Epidemie kombinieren sich 
die Arten der Übertragung. 

Die sanitätspolizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung des 
Typhus sind einzuteilen in a) prophylaktische, b) solche, die bei 
aufgetretenem Typhus ergriffen werden müssen. Die ersteren, gleich¬ 
sam zu Friedenszeiten zu treffenden, bestehen in der Schaffung 
einwandfreier Wasserversorgungsanlagen, am besten zentraler Wasser¬ 
leitungen, in der Bodenreinhaltung, in der Assanierung ungesunder 
Wohnungsverhältnisse und in der Überwachung des Verkehrs mit 
Nahrungs- und Genussmitteln, insbesondere mit Milch. Wichtig 
ist die Bereitstellung geeigneter Krankenunterbringungsräume schon 
zu seuchefreien Zeiten, die Errichtung von Desinfektionsanstalten 
und die Regelung des Desinfektionswesens. Bei der Bekämpfung 
des ausgebrochenen Typhus ist in erster Linie die Verbreitung 
der Typhuskeime von dem erkrankten Individuum aus zu ver¬ 
hindern. Die Kranken müssen streng isoliert werden, womöglich im 
Krankenhause. Notwendig erscheint die Isolierung im Kranken¬ 
hause bei dem Auftreten des Typhus in Lebensmittelhandlungen, 
in Molkereien, bei Wasserleitungsangestellten u. dgl. Auch in den 
Krankenhäusern müssen die Typhuskranken isoliert werden. Die 
von dem Kranken ausgeschiedenen Typhuskeime müssen in mög¬ 
lichster Nähe desselben vernichtet werden; fortlaufende Desinfektion, 
ohne diese ist die Schlussdesinfektion wertlos. Desinfiziert werden 
müssen alle Entleerungen des Kranken (Stuhl, Urin, Eiter, Er¬ 
brochenes, Auswurf), alles, was mit ihm in Berührung gekommen 
ist (Badewasser, Speisereste, Kleidungsstücke, Wäsche u. s. w.). 
Die Pfleger müssen durch sorgfältige Schutzmassregeln sich davor 
hüten, der Verbreitung der Krankheit Vorschub zu leisten, eine 
in dieser Hinsicht nachlässige Pflege ist oft geradezu gesundheits¬ 
gefährlich. Wegen des noch spät andauernden Auftretens von 
Typhusbazillen im Urin empfiehlt es sich, den anscheinend bereits 
geheilten Kranken noch wochenlang täglich Urotropin einnehmen 
zu lassen. Die Schlussdesinfektion kann nur richtig durch aus¬ 
gebildete Desinfektoren ausgeführt werden. 

Ausser den Kranken müssen auch die krankheitsverdächtigen 
und ansteckungsverdächtigen Personen berücksichtigt werden, bei 
ersteren muss die Diagnose möglichst schnell auf bakteriologischem 
Wege geklärt werden, über letztere muss bis zum Ablauf der 


Digitized by 


Google 



143 


Inkubationszeitfrist nach der möglichen Ansteckung eine polizei¬ 
liche Aufsicht geführt werden. Des weiteren werden noch die 
Massnahmen besprochen bezüglich des Transports von Typhus¬ 
kränken und der Behandlung der Typhusleichen. 

Neben den mehr die Person des Erkrankten betreffenden 
Massnahmen müssen natürlich etwaige schlechte hygienische Ver¬ 
hältnisse, welche zur Ausbreitung des Typhus geführt haben, 
z. B. infizierte Wasserläufe, Brunnen, Leitungen, schleunigst unschäd¬ 
lich gemacht, bezw. beseitigt werden. Der Wasserversorgung und 
der Beseitigung der Abfallstoffe muss zu Epidemiezeiten die grösste 
Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Behandlung und Auf¬ 
bewahrung, sowie der Vertrieb von Gegenständen, welche geeignet 
sind, die Krankheit zu verbreiten, müssen überwacht werden, 
grössere Menschenansammlungen sind zu verbieten oder zu be¬ 
schränken. Ob die Schulen geschlossen werden, oder ob die Kinder 
aus infizierten Familien vom Schulbesuche ferngehalten werden 
sollen, wird von der Lage des einzelnen Falles abhängen. Über¬ 
haupt ist bei Ausbruch des Typhus allen gesundheitlichen Ver¬ 
hältnissen des befallenen Ortes ein scharfes Augenmerk zu widmen, 
die Einzelheiten hier aufzuzählen, würde zu weit führen. Gesund¬ 
heitskommissionen und Ortspolizeibehörden müssen zur Unterstützung 
der Medizinalbeamten bei Typhusepideraien kräftig mit herangezogen 
werden. Es empfiehlt sich bei drohender Typhusausbreitung das 
vom K. Gesundheitsamte herausgegebene „Typhus-Merkblatt“ mög¬ 
lichst zu verbreiten, insbesondere dasselbe allen Haushaltungsvor¬ 
ständen zuzustellen. Schlechtendal (Aachen). 

Pistor, Die Verbreitung des Typhus in Preussen während des Jahr¬ 
zehnts 1892—1901 nebst Bemerkungen über Entstehung, Verbreitung 
und Bekämpfung der Krankheit. [Nach einem am 13. Mai 1904 in Lon¬ 
don gehaltenen Vortrage.] (D. V. f. ö. G., 36. Bd., 4. H.) 

Verfasser definiert zunächst den im Laufe der Zeiten ein¬ 
geengteren Begriff des Typhus und gibt an der Hand einer Karte 
und mehrerer Tabellen eine Übersicht über das Auftreten des 
Typhus in Preussen während der Jahre 1892—1901. Das stärkere 
oder schwächere Befallenwerden der einzelnen Regierungsbezirke 
erweist sich hiernach ganz unabhängig von der klimatischen Lage. 
Für die auffällige Verschiedenheit der Häufigkeit des Typhus in 
dicht an einander stossenden Bezirken gibt Verf. wohl mit Recht 
als Ursache an, dass die Anmeldungen des Typhus ungleich er¬ 
folgen. Die Hauptursache für das stärkere oder geringere Befallen¬ 
sein eines Bezirkes erblickt er aber, abgesehen von der einwands¬ 
frei nachgewiesenen Wasserepidemie in Gelsenkirchen, in der ver¬ 
schieden grossen Wohnungsdichtigkeit, dem verschieden entwickelten 


Digitized by 


Google 



144 


Sinn für Reinlichkeit und in den z. T. noch rückständigen Anlagen 
zur unschädlichen Beseitigung der menschlichen Abfallstoffe. 

Er erläutert sodann eingehend die Kochschen Ansichten über 
die Entstehung und Verbreitung des Typhus durch Kontaktinfektion 
und den auf dieser Annahme aufgebauten Bekämpfungsplan der 
frühzeitigen Ermittlung und Isolierung der Typhusträger. Verf. 
kann aber nicht umhin zu erklären, dass ihm für die Bekämpfung 
des Typhus die allgemeine Assanierung der Ortschaften einen nach¬ 
haltigeren Erfolg zu versprechen scheint und diese allgemeine 
Assanierung jedenfalls erst die Grundlage für das von Koch vor¬ 
geschlagene Verfahren der Ausrottung und Beschränkung bilden 
müsse. Nauck (Hattingen). 

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neuen 

Bücher etc. 

Baker, Henry B. M. D., The relation of preventable disease to Taxation. 
Boschem, Gustav, Neues über das Wesen der Schwindsucht und deren 
Heilung. Erdmannsdorf im Rsgb. Preis 50 Pfg. 

Brandeis, Dr. A., Beiträge zur Erziehungshygiene 1905. Prag, G. Neu¬ 
gebauer. Preis 80 Pfg. 

Braun, Dr. H., Erste Hilfe bei Kinderkrankheiten. Die wichtigsten 
Kinderkrankheiten und deren Behandlung (in alphabetischer Reihen¬ 
folge). Pilsen, Volksschriften-Verlag. Preis 1,25 Mk. 

Brennecke, Dr., Reform des Hebammenwesens oder Reform der ge¬ 
burtshilflichen Ordnung? Magdeburg 1904. Fabel*. Preis 2,— Mk. 
Descriptive notes on the Exhibit of Burroughs Wellcome & Co. at the 
St. Louis’ Exposition 1904. London. 

v. Domitro vich, Armin, Regeneration des physischen Bestandes der Na¬ 
tion. Leipzig 1905. Georg Wigand. Preis 1,50 Mk. 

Gesundheit, Die, ihre Erhaltung, ihre Störungen, ihre Wiederherstellung. 
Ein Hausbuch. Herausg. v. Prof. Dr. R. Kossmann und Dr. J. Weiss. 
Stuttgart, Union, Deutsche Verlagsgesellsch. Lfg. 1. 2. Preis k 40 Pfg. 
Haase, Dr. Hugo, Gesundheitswidrige Wohnungen und deren Begut¬ 
achtung vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege und 
mit Berücksichtigung der deutschen Reichs- und preussischen Landes¬ 
gesetzgebung. Berlin 1905. Julius Springer. Preis 1,60 Mk. 
Heepke, Wilhelm, Die Leichen Verbrennungsanstalten (die Krematorien). 

Halle a. d. S. Karl Marhold. Preis 2,40 Mk. 

Hesse, R., Abstammungslehre u. Darwinismus. 2. Aufl. Leipzig, B. G. 
Teubner. Preis 1,— Mk. 

Hoennicke, Dr. Ernst, Über das Wesen der Osteomalacie und seine 
therapeutischen Konsequenzen. Ein Beitrag zur Lehre von den 
Krankheiten der Schilddrüse. Halle, Karl Marhold. Preis 2,— Mk. 
Kamen, Dr. L., Die Infektionskrankheiten rücksichtlich ihrer Verbreitung, 
Verhütung und Bekämpfung. Kurzgefasstes Lehrbuch für Militärärzte^ 
Sanitätsbeamte und Studierende der Medizin. Mit etwa 60 Abb. und 
5 Tafeln. Wien 1905. J. Safar. Lfg. 1. Preis 1,50 Mk. 

Kempf, Egbert, Die natürliche Haut- und Haarpflege als einzig wirk¬ 
sames Mittel zur Erhaltung der Haare und eines gesunden Haarbodens. 
Heimdall 1904. Deutsch-völkisch-sozialer Verlag Stuttgart. 


Digitized by v^ooQle 



145 


Kirstein, Di\ F., Leitfaden für Desinfektoren in Frage und Antwort. 

2. Aufl. Berlin. Julius Springer. Preis 1,40 Mk. 

Kisten mach er. H., Erfahrungen und Gedanken eines Diabetikers über 
die Beziehungen zwischen Neurasthenie, Zuckerkrankheit und Gicht. 
Ein Beitrag zur Aufklärung f. Leidensgenossen. Berlin, Friedrich 
Schirmer. 

Kranken -Journ al mit Honorarkontrolle nebst Verzeichnis der Kur- u. 

Badeorte etc. Berlin, Emil Billig Nachf. 

Lahmann, Dr. H., Die Kohlensftureansammlung in utiserem Körper 
(Carbonacidaeraie und Carbonacidose). Ein Beitrag zum Verständnis 
des Wesens innerer Krankheiten. Stuttgart 1905. A. Zimmers Verlag. 
Lesser Prof. Dr. E., Über die Verhütung und Bekämpfung der Geschlechts- 
Krankheiten. Vortrag aus dem von dem Zentralkomitee für das ärztl. 
Fortbildungswesen in Preussen veranstalteten Zyklus „Volksseuchen“, 
geh. am 16. Okt. 1903. Jena 1904. Gustav Fischer. Preis 60 Pfg. 
v. Lignitz, Zur Hygiene des Krieges. Nach den Erfahrungen der letzten 
grossen Kriege. Berlin 1905. E. S. Mittler & S. Preis 1,60 Mk. 
Manchot, Dr. C., Die Milchküche der St.-Gertrud-Gemeindepflege in 
Hamburg 1889—1904. Erfahrungen und Ergebnisse auf dem Gebiete 
der Säuglings-Ernährung. Hamburg 1905. C. Boysen. Preis 1,— Mk. 
Martin, Dr. Max, Die Anästhesie in der ärzlichen Praxis. München 1905. 
J. F. Lehmann. Preis 1,— Mk. 

Melun, Dr., Der Einfluss des Gonosaus in der Behandlung der Gonorrhoe. 
Report of the Board of Health on a third outbreak of plague at Sydney 

1903. By J. Ashburton Thompson M. D. 

Sperling, Dr. A., Gesundheit und Lebensglück. Ärztlicher Ratgeber 
für Gesunde und Kranke. M. 374 III. u. 4 färb. Tafeln. Berlin 1904. 
Ullstein & Co. 

Teleky, Dr. L., Die Anzeigeptlicht bei Influenza. Wien 1905. W. Braumüller. 

— Über neue Vorkehrungen zur Bekämpfung der Tuberkulose. Wien 

1904. Wilhelm Braumüller. 

— Die Kohlenablader der K. K. Kaiser-Ferdinands-Nordbahngesellschaft. 
Leipzig F. C. W. Vogel. 

Wegener, Hugo, Was ists mit dem Alkohol? Heimdall. Deutsch-völ¬ 
kisch-sozialer Verlag. Stuttgart 1905. 

Weiss, Dr. E., Militär-und Volkshygiene. Nach einem auf der 76. Natur¬ 
forscher-Versammlung gehaltenen Vortrage. Halle a. d. S. 1905. 
Karl Marhold. Preis 50 Pfg. 

The Wellcome Chemical Research Laboratories London Exhibit at the 
St. Louis exposition 1904. 

The Wellcome Physiological Research Laboratories London. 
Weygandt, W., Beitrag zur Lehre von den psychischen Epidemien. 
Halle 1905. Karl Marhold. Preis 2,50 Mk. 

NB. Die für die Leser des „Centralblattes für allgemeine Gesundheits¬ 
pflege“ interessanten Bücher werden seitens der Redaktion zur Besprechung 
an die Herren Mitarbeiter versandt und Referate darüber, soweit der be¬ 
schränkte Raum dieser Zeitschrift es gestattet, zum Abdruck gebracht. Eine 
Verpflichtung zur Besprechung oder Rücksendung nicht besprochener Werke 
wird in keinem Falle übernommen; es muss in Fällen, wo aus besonderen 
Gründen keine Besprechung erfolgt, die Aufaahme des ausführlichen Titels, 
Angabe des Umfanges, Verlegers und Preises an dieser Stelle den Herren 
Einsendern genügen. Dje VerlaflShandlung. 

9* 


Digitized by v^ooQle 



Ingeratenanhang. 

Centralölatt für allgemeine öesuMlieitsDflege, XXIV. Jahrgang, Heft 3 uwl 4. 


—- Im Erscheinen befindet sich: = 


Sechste, gänzlich neubearbeitete 
und vermehrte Auflage. ^ 


Meyers 

Grosses Konversations- 

I Lexikon. 


|| Ein Nachschlagewerk des 

I = allgemeinen Wissens. 

' © _ ^ __ __ 

i £ 20 Bände in Halbleder gebunden su je io Mark 

'' 2 _ Prospekte und Probehefte liefert jede Buchhandlung. 

Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien. 


Medizinal-Weine. 

Tokayer 

Sherry 

Portwein 

Madeira 

Malaga 

Griechische Weine 

der Act.-Ges. „Achaia“ Patras 

deutschen u. französischen 
Sekt 

der renommiertesten Marken 
empfehlen 

Flotho & Kaiser 

Köln, Wollküche 3. 


Wer 0 

1 i !• 

Stellung! 

in der Landwirtschaft sucht, oder 
wer sich zum Oekonomie-Ver¬ 
walter , Rechnungsführer, Amts¬ 
sekretär, Buchhalter od. Molkerei¬ 
beamten ausbilden will, der wende 
sich vertrauensvoll an den 

Landwirtschaftlichen 
Beamten-Verein 

zo Braansehweig, Steinstrass« 2. 

Y T ereinszeitung u. Prospekte 
gratis. Den 144 S. starken Lehr¬ 
plan für 50 Pfg. in Briefmarken. 


Die GrSfl. v. Baudissin 8che Weingutsverwaltnng 


Nierstein a. Rh. 133 


bringt zum Versand 

# ihre hervorragend preiswerte Marke: 

1901 r Niersteiner Domthal 

im Fass von 30 Liter an bezogen 

per Liter Mk. 1.— ab Nierstein. 

Probekiste v. 12 PL Mk. 15.— 

gegen Nachnahme oder Voreinsendung des Betrages. 
Frachtfrei jeder deutschen Eisenbahn station. 


Digitized by 


Google 






Säuglingssterblichkeit und ihre Bekämpfung. 

Ein Beitrag* von 

Dr. Schlegtendal, 

Regierungs- und Medi/.inalrat in Aachen. 


Die Säuglingssterblichkeit hat endlich begonnen, in weiteren 
Kreisen die Aufmerksamkeit zu finden, die ihr schon längst hätte 
zukommen sollen. Angesichts der ganz ausserordentlichen Ziffern, 
die wir auf diesem Gebiete Jahr für Jahr zu verzeichnen haben, 
angesichts der ungewöhnlich hohen Verluste an Menschenleben, die 
der Volkskraft alljährlich zustossen, angesicht auch der verhältnis¬ 
mässig recht ungünstigen, um nicht zu sagen: unrühmlichen 
Stellung, die Preussen hierin im Vergleich zu vielen anderen Kultur¬ 
staaten einnimmt, hätte es nicht wundernehmen können, wenn sich 
die Allgemeinheit dieser ernsten Frage des Volkswohles schon früher 
zugewandt hätte. Ganz unbegreiflich ist es wieder auch nicht, 
dass es noch nicht geschah, wenn man bedenkt, was auf dem 
Gebiete des öffentlichen Gesundheitswesens überhaupt zu bewältigen 
war, und wenn man erwägt, wie gross die Aufgaben sind, die 
bereits gelöst sind oder der Lösung bestimmt entgegensehen, und 
welche Unsummen entweder bereits verausgabt oder doch schon 
festgelegt worden sind für Wasserversorgungsanlagen, Abwässer¬ 
regelungen, Krankenanstalten, Schlachthäuser, Badeanstalten und 
alle die vielen anderen Änderungen und neuen Einrichtungen des 
Staates, der Gemeinden usw., die der Verbesserung der gesund¬ 
heitlichen Verhältnisse dienen sollen. Vielleicht ist es ja auch gut, 
dass diese Aufgaben erst einmal vorgegangen sind und inzwischen 
einen gewissen Abschluss gefunden haben. Vielfach sind diese Ver¬ 
anstaltungen schon fertig gestellt und sie sind damit als noch zu 
erstrebendes Ziel in Wegfall gekommen; der Ausblick ist für neue 
Ziele wieder frei geworden. Vielerorts ist man zwar noch lange 
nicht so weit; aber auch hier betrachtet man die Anlage etwa einer 
zentralen Wasserleitung nicht mehr als eine unerhörte Zumutung, 
sondern schon als etwas beinahe selbstverständliches, und es fragt 
sich nur noch, wann und wie soll sie erreicht werden; auch hier 

Centralblatt f allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jabrg. 10 


Digitized by c^ooQle 



148 


würden also Massnahmen zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, 
selbst wenn sie Opfer erfordern, nicht auf so viel Widerstreben 
und nicht so leicht auf Ablehnung stossen, wie es vielleicht noch 
vor einiger Zeit zu befürchten gewesen wäre. Mag diese Erwägung 
auch nicht überall zutreffen, so möchte doch etwas wahres daran 
sein, und dann könnten wir etwas tröstliches darin finden, dass 
diese neue Frage erst jetzt ihr Haupt erhebt, wenn auch inzwischen 
wieder so viele Tausende von Kindesleben, die wohl hätten gerettet 
werden können, dem Tode verfallen sind. 

Es hat sich also die allgemeine Aufmerksamkeit dieser Frage 
zuzuwenden begonnen. Soll man sich dabei schon beruhigen? Die 
Antwort ist schnell gefunden, wenn man sieht, wie gross und um¬ 
fassend einerseits die Aufgaben sind, die hier nach Erledigung und 
Befriedigung schreien, und wie klein oder wie begrenzt im besten 
Falle andererseits die Bemühungen, ihrer Herr zu werden, bisher 
sind, wie stark noch die Zweifel und Bedenken sind, die einem 
tatenfrohen Angreifen und Handeln entgegenstehen, und wie weit 
doch auch heute noch die Kreise sind, die bisher von dem Rufe 
der Vorkämpfer nichts gehört haben oder sich davon doch nicht 
haben rühren und wecken lassen. Diese Zeilen möchten dazu bei¬ 
tragen, das Verständnis dafür zu wecken oder zu beleben, dass hier 
in der Tat Notstände vorliegen, die ungemein betrübender Art sind, 
und dass, wenn irgendwo, so hier jetzt Abhülfe zu schaffen dringend 
geboten ist; es soll aber auch gezeigt werden, wie es Mittel gibt, 
die brauchbar sind, und Wege, die gangbar sind, Wege, die auch 
schon begangen werden, und Mittel, die sich bereits als gut bewährt 
haben. 

Die nachfolgenden Tabellen sind nach den Angaben des Königl. 
Statistischen Bureaus zusammengestellt, wie sie in dem Jahrbuche 
dieses Amtes und in den verschiedenen Bänden, die das Medizinal¬ 
ministerium über „Das Gesundheitswesen des Preussischen Staates“ 
herausgegeben hat, aufgeführt sind. Sie erheben nichts weniger 
als den Anspruch auf Vollständigkeit; sie sollen nur als Beitrag 
dienen. In der Hauptsache beschränken sie sich deshalb auch auf 
hiesige Verhältnisse. An der Hand der genannten Werke ist es 
leicht, sich darüber zu vergewissern, wie es anderwärts darum steht, 
und was dort zur Besserung geschehen müsste. 

Aus Tabelle 1 ergibt sich, dass die Summe der im ersten Lebens¬ 
jahre gestorbenen Kinder für Preussen in den Jahren von 1895 bis 
1902 nicht weniger als 1934041 betragen hat! Wenn man nach 
den Erfahrungen, die in anderen Ländern gemacht worden sind, 
annehmen darf, dass auf diesem Gebiete wirklich etwas zu erreichen 
ist, so zeigt diese Ziffer, ein wie breites Feld es ist, das hier der 
Einengung bedarf und ihrer harrt. In Tabelle 5 sind u. a. dieselben 


Digitized by 


Google 



149 


Ziffern für die Stadt Aachen zusammengezogen ; sie erreichen in 
15 Jahren die Höhe von 15284! Die Sterblichkeit der Kinder ist 
hier stets anerkanntermassen gross gewesen; auf 1000 Lebende 
gleichen Alters berechnet, betrug sie in den 15 Jahren durch¬ 
schnittlich etwa 330; wenn es, was nach den Ziffern anderer Gross- 
stftdte erreichbar erscheint, gelingen sollte, diese Ziffer zunächst 
erst einmal bis auf durchschnittlich 200 herabzudrttcken, so würde 
dies für die Stadt gegen frühere Zeiten einen Gewinn von jährlich 
3—400 Seelen bedeuten. Das Ziel muss selbstverständlich aber 
eine noch viel geringere Durchschnittsziffer sein. 

Tab 1 



Es starben in Preussen 

über¬ 

haupt 

im 

1, Lebens¬ 
jahre 

d. i. v.H. 

1895 

689 629 

247 138 

35,8 

1896 

666 677 

226 842 

34,0 

1897 

682 868 

244 463 

35,8 

1898 

665 018 

235 529 

35,4 

1899 

720 581 

250163 

34,7 

1900 

745 423 

262 550 

35,2 

1901 

713 673 

251 695 

35,3 

1902 

677 293 

215 661 

31,8 

In 8 Jahren 

5 561 162 

| 1934041 

34,8 


Die Tabellen gewähren weiterhin eine Reihe bemerkenswerter 
Verhältni8ziffern. In ganz geringen Schwankungen bewegen sich 
die Ziffern der letzten Reihe in Tabelle 1 um die Endziffern 34,8; 
es entfällt also von sämtlichen Todesfällen der Monarchie bisher 
mehr als ein Drittel auf das erste Lebensjahr! Eine wesentliche 
Besserung ist in dieser Reihe auch nicht erkennbar; es bleibt zwar 
das Jahr 1902 erheblich unter dem Durchschnitt; wir haben aber 
Grund, dieses Jahr als eine eigentümliche Ausnahme anzusprechen, 
es ergibt sich dies z. B. auch aus den Ziffern der Tabelle 2, wo 
die Zahlen 1902 ungewöhnlich tief stehen, 1903 aber ihre alte Höhe 
schon wieder ganz oder doch beinahe erreichen. Dasselbe zeigt 
auch Tabelle 3; sie lässt insbesondere auch erkennen, wie stark die 
Ziffern der Säuglingssterblichkeit auf andere Zahlen einwirken. EU 
ist naheliegend, dass es für die Ziffer der allgemeinen Sterblichkeit 
von grossem Einflüsse sein würde, wenn die Zahl der Todesfälle, 
die bisher mehr als Vs ausmachten, abnähme und gar dauernd 
niedrig bliebe. Es müsste sich dies aber auch bemerkbar machen 
in dem Durchschnittsalter der Gestorbenen: wenn unter ihnen bisher 


Digitized by 


Google 



150 


34,8 v. H. nur 0—1 Jahr alt waren, so musste dieses Drittel die 
Durchschnittsziffer stark herunterziehen; fiele aber die Zahl er¬ 
heblich unter 34 v. H., wären also verhältnismässig derer mehr, 
die bei ihrem Tode älter als ein Jahr sind, so müsste die Ziffer 
des Durchschnittsalters der Gestorbenen steigen. Dies ist 1902 
tatsächlich der Fall gewesen; in Tabelle 3 letzte Reihe war die 

Tab. 2. 

Säuglingssterblichkeit in Preussen. 


Es starben von 1000 Lebendgeborenen 
im 1. Lebensjahre: 


Jahrfünft j 

Ehelich 1 

Unehelich 

bez. Jahr , 

Stadt | Land 

Stadt | Land 


187b—80 

211 

183 

403 

312 

1881-85 

211 

186 

398 

319 

1886-90 

210 

187 

395 

332 

1891—95 

203 

187 

385 

336 

1896-1900! 

195 

185 

374 

336 

1901 

195 

183 

377 

334 

1902 

162 

162 

305 

287 

1903 

183 

184 

342 

i 

332 


Tab. 3. 

Das Durchschnittsalter aller Gestorbenen 
in Preussen hat betragen: 


Jahrfünft j 
bez. Jahr 

t Nach Jahren 
jmännl.| weibl. 

Vergl. Säuglingssterblichkeit 
l für Stadt und ehelich 

1876-80 

25,4 

i 

27,1 , 

j 211 

1881-85 

25,9 

27,7 1 

i 2ii 

1886- 90 

26,0 

28,3 

210 

1891-95 

26,5 

29,4 1 

203 

1896—1900 

27,3 

30,0 

195 

1901 

27,0 

29,8 

195 

1902 

29,2 

32,1 

162 

1903 

28,0 

30,8 

183 


langsam abnehmende Ziffer von 195 plötzlich um 33 gefallen (vergl; 
auch Tabelle 2 hierzu), um 1903 sofort wieder um 21 zu steigen; 
diesem einmaligen Fallen hier entspricht ein einmaliges, ganz ausser? 
gewöhnliches Emporschnellen in den vorderen Reihen (27 auf 29,2 
und 29,8 auf 32,1); schon das nächste Jahr mit der wieder 
grösseren Säuglingssterblichkeit lässt das Durchschnittsalter ent¬ 
sprechend sinken. 


Digitized by 


Google 



Die Tabelle 2 lässt weiterhin erkennen, wie verschieden sich 
die Verhältnisse 1. zwischen ehelichen und unehelichen Kindern und 
2. zwischen solchen der „Stadt“ und des „Landes“ gestalten. Die 
vielfach schon festgestellte und verwertete Bemerkung bestätigt sich 
auch aus diesen, meistens grösseren Zeiträumen entsprechenden 
Ziffern: die unehelichen Kinder, die bei den Totgeburten bereits 
so ungünstig dastehen, haben auch noch im ersten Lebensjahre eine 
fast doppelt so hohe Sterblichkeit wie die ehelichen. Diese hier 
für „Preussen“ geltenden Ziffern sind in einzelnen Gebietsteilen 
verhältnismässig noch ungünstiger. Recht belehrend ist weiterhin 
der Blick auf die Zifferreihen für „Stadt“ einer- und „Land“ anderer¬ 
seits. Die Stadtkinder haben vor 25 Jahren, ja noch vor zehn Jahren, 
eine recht viel höhere Sterblichkeit als die Landkinder; wenn auch 
die Ziffern in den einzelnen Jahrfünften schwanken, so bleibt doch 
stets ein Unterschied von x / 6 bis Vs zu Ungunsten der ersteren. 
Allmählich verschiebt sich dieses Verhältnis, und zwar sind, bis zum 
Jahre 1900 wenigstens, beide Teile au dieser Verschiebung beteiligt: 
die Ziffern auf dem Lande werden grösser, die der Stadt dagegen 
kleiner, und diese Bewegung erstreckt sich sowohl auf die ehelichen 
als auch auf die unehelichen Kinder. Mit der Wende des Jahr¬ 
hunderts etwa tritt hierin teilweise ein Umschwung ein: während 
die Sterblichkeit in der Stadt auch weiter nachlässt, ja sogar sehr 
erheblich geringer wird, selbst wenn man die Ziffern des Jahres 
1902 als Ausnahme nicht voll anrechnen wollte, werden nunmehr 
auch die Sterbeverhältnisse der Säuglinge auf dem Lande wieder 
günstiger. Durch diese anhaltende Verbesserung in der „Stadt“ 
sind die beiden Reihen mit 183 und 184 ganz und mit 342 und 
332 beinahe in gleiche Höhe gekommen. Die stete allgemeine 
Abnahme der Ziffern berechtigt jedenfalls zur Hoffnung auf weitere 
Erfolge, namentlich wenn sich die allgemeinen Bestrebungen diesem 
Gebiete noch mehr zugewandt haben werden. 

Die Tabelle 4 leitet zu den begrenzteren Fragen des hiesigen 
Regierungsbezirkes Aachen und weiterhin zu den Verhältnissen, wie 
sie in der Stadt Aachen herrschen, über. Die Ziffern des ganzen 
Bezirks stehen denen des Staates ziemlich nahe; sie unterscheiden 
sich von ihnen aber merklich dadurch, dass sie in den angeführten 
25 Jahren eine unverkennbare Neigung zeigen, stetig zu steigen! 
Es findet sich dies gleicherweise bei den ehelichen und den un¬ 
ehelichen Kindern. Während der Durchschnitt mit 193 anfangs 
unter dem des Staates (206) lag, übersteigt er ihn im letzten Jahr¬ 
zehnt nicht unbeträchtlich (210 gegen 203). Die höhere Sterblichkeit 
ist auch im Bezirke Aachen in der „Stadt“ zu suchen: in der ein¬ 
zigen grösseren d. i. über 100000 Einwohner zählenden Stadt ist 
sie jedesmal mindestens um J / 4 höher als im Bezirk überhaupt. 


Digitized by t^ooQle 



152 


Beide sind aber keineswegs von einander vollständig abhängig; 
denn während der Bezirk ein fortwährendes Steigen erkennen lässt, 
sind die Ziffern der Stadt Aachen nur in der mittleren Zeitspanne 
höher, in der letzten dagegen — von den verhältnismässig wenigen 
unehelichen Kindern abgesehen — wieder niedriger. Es dürfte dies 
wohl damit Zusammenhängen, dass die Unsitte, nicht mehr selbst 
zu stillen, allmählich weitere Kreise und auch solche Ortschaften 
erreicht und ergriffen hat, die in der Statistik unter „Land“ fallen* 


Tab. 4. 

Es starben von 1000 Lebendgeborenen im 1. Lebensjahre: 



Jahrfünft 
bez. Jahrzehnt 

überhaupt 

| ehelich 

I 

unehelich 

! 

a) in Preussen j 

1875-80 

, 

206,0 

194,0 

353,1 

| 

1881-90 

207,6 

194,8 

354,7 


1891-1900 

203,2 

190,6 

355,8 

1 

b) im Reg.-Bez. 

1875-80 

! 193 

| 189 

385 

Aachen 1 

1 1881-90 , 

204 

1 199 

393 


| 1891-1900 

J 210 

205 

405 

c) in der Stadt j 

1875-80 1 

256 

245 

544 

Aachen 

1881-90 

262 

251 

514 

i 

1891-1900 

i ! 

256 

245 

i 

465 

i 


Die Verhältnisse in der Stadt Aachen sind bis vor kurzem 
vergleichsweise wenig günstig gewesen. In Tabelle 5 sind ver¬ 
schiedene Zahlenreihen aufgeftihrt, die dies erkennen lassen. Die 
Reiben vier und fünf geben die allgemeine Sterblichkeit wieder. 
Wenn die Zahl der Sterbefälle stetig gestiegen ist, so wird dies durch 
die wachsende Einwohnerzahl genügend erklärt. Ihre Zunahme ist 
aber der letzteren nicht gleichmässig gefolgt; sie ist vielmehr ver¬ 
hältnismässig gering geblieben. Die Sterblichkeitsziffer ist sogar 
in erfreulichem Masse gefallen ; betrug sie vor 20—30 Jahren rund 28 
auf 1000, so beläuft sie sich in den letzten Jahren vor 1903 nur 
mehr auf rund 21; sie ist also um 25 v. H. gefallen. Diese Ab¬ 
nahme ist in ruhiger Weise erfolgt; die Jahresschwankungen, die 
in schematischer Darstellung eine Zickzacklinie ergeben würden, 
sind unbeträchtlich. Die Ziffern für 1903 und 1904 finden unten 
noch eine besondere Erwähnung. 

Die Reihen zwei und drei der Tabelle 5 befassen sich nur 
mit der Säuglingssterblichkeit. Die Verhältuiszahlen sind nicht un¬ 
mittelbar vergleichbar mit denen der Tabelle 4, denn sie geben daa 
Verhältnis der im 1. Lebensjahre gestorbenen zu den am 1. Januar 


Digitized by 


Google 



153 


des hctrcffemlen Jahres lebenden Säuglingen, — nicht wie in Tab. 4 
zu den im Laufe des Jahres geborenen. Durchschnittlich ergibt 
sich für die Jahre 1891—1900 nach Tab. 5 eine Säuglingssterblich¬ 
keit von 343 °/ 00 gegen 256 °/ 00 nach Tab. 4. Erfreulicherweise 
fallen aber die Ziffern wie die der allgemeinen Sterblichkeit seit 1897 
und zwar noch beständiger; seit 1900 ist die Ziffer nicht wieder 
über 300 hinausgegangen und sogar 1903 auf 217,3 gesunken 1 ). 
Die kühlen Sommer der Jahre 1902 und 1903 werden wohl an der 
Besserung einen Anteil haben. Im heissen Jahre 1904 ist aber, wie 

Tab. 5. 

Säuglingssterblichkeit in der Stadt Aachen. 


Jahr 

Säug 

über¬ 

haupt 

Sterblichkeit 
lfnge j|im allgf 

auf über- 

1000 haupt 

imeinen 

auf 

1000 

In d.l 

deren 

An¬ 

zahl 

Reihe d. Grosstädte 
bezüglich 
Säug- allge- 

lings- meiner 
Sterblichkeit 

1876 

813 

320,3 

2J62 

27,2 

16 

8 

11 

1881 

866 

335,2 

2479 

2b,9 

n 

6 

4 

1886 

1143 

401,9 

2773 

28,9 

« 

3 

2 

1891 

1019 

346,0 

2480 

23,9 

V 

6 

8 

1892 

999 

312,7 

2482 

23,6 

r> 

5 

7 

1893 

1133 

362,4 

276« 

26,0 

„ 

3 

6 

1894 j 

880 

293,5 

2423 

22,6 

„ 

6 

8 

1895 

1202 

420,3 

! 2626 

23,2 

18 

2 

5 

1896 

935 

326.9 

2454 

24,1 

n 

5 

4 

1897 

1117 

390,6 

2734 

25,0 

V 

3 

5 

1898 

1124 

351,5 

2639 

21,4 

22 

4 

6 

1899 

1103 

327,6 

2988 

23,0 

n 

5 

5 

1900 j 

1044 

295,3 

1 2877 

21,3 

i» 

10 

9 

1901 

1002 ; 

270,6 

2739 

20,2 

i n 

12 

10 

1902 

904 

233,5 

2902 

20,7 

| 24 

5 

5 

1903 

ii 

827 

217,3 

2423 

17,4 

1 25 

13 

13 


wir hören *), auch nur eine mässige Steigerung eingetreten. Die 
Zahlenreihe für die Säuglingssterblichkeit verläuft übrigens sehr un¬ 
regelmässig; die einzelnen Sprünge nach unten und nach oben sind 


1) Entsprechend 192 Todesfällen auf 1000 Geburten. Es ist also 1903 
kaum noch der fünfte, statt wie im Durchschnitt der Jahre 1891—1900 der 
vierte Teil der Geborenen im Säuglingsalter gestorben. 

2) Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Dr. Mendelson, Direktors 
des hiesigen statistischen Bureaus, sind 1904 202, also nur wenig mehr als 
1903, auf 1000 Geburten gestorben. Die allgemeine Sterblichkeit betrug 
17,0, zeigte also eine weitere Besserung. 


Digitized by Google 





154 


grösser als bei der allgemeinen Sterblichkeit. Die Ziffer 293 war z. B. 
schon einmal, im Jahre 1894, erreicht; sie ist dort aber eingeschlossen 
von zwei hohen Gipfeln: 362,4 im Jahre 1893 lind 420,3 im Jahre 
1896! Bis 1897 ist überhaupt, wie schon zu Tabelle 4c erwähnt, 
eine Neigung zum Steigen vorhanden gewesen; abgesehen von ge¬ 
legentlichen Sprüngen erhöhte sich die Ziffer von 320 bis auf 390, 
und erst seitdem ist es besser geworden. 

Es hätte nahegelegen, die für die Stadt Aachen geltenden 
Ziffern mit denen anderer grosser Städte zu vergleichen. Um die 
Sache einfacher zu gestalten, sind hier aber nur insofern Vergleichs¬ 
ziffern angegeben worden, als in den letzten zwei Reihen der 
Tabelle 5 vermerkt ist, die wievielste unter den 16—25 Gross¬ 
städten Aachen in den einzelnen 16 Jahren gewesen ist, je nachdem 
ob die allgemeine oder die Säuglingssterblichkeit in Betracht gezogen 
wurde. Die Jahresangaben bringen ein ungemein wechselndes Bild. 
Am günstigsten sind die Jahre 1876, 1901 und 1903, sowohl für 
die allgemeine Sterblichkeit, indem hier Aachen erst an elfter 
Stelle unter 16 bezw. an zehnter Stelle unter 22, oder an drei¬ 
zehnter Stelle unter 25 Städten steht, als auch für die Säuglings¬ 
sterblichkeit, worin Aachen unter 16 Städten erst den achten bezw. 
unter 22 den zwölften Platz und schliesslich unter 25 den dreizehnten 
Platz einnahm. Der Durchschnitt ist ganz erheblich ungünstiger, 
und zwar erstreckt sich dies bemerkenswerter Weise auch auf das 
sonst so günstig dastehende Ausnahmejahr 1902! Nähmen wir als 
Zeichen einer verhältnismässig besonders ungünstigen Sterblichkeit 
an, wenn sich Aachen in dem an Säuglingstodesfallen reichsten 
„Drittel“ der Grosstädte befände, so würde es unter diesen 16 Fällen 
9 mal zu nennen sein; in der oberen „Hälfte“ ist es 14mal gewesen, 
und nur zweimal (1901 und 1903) findet es sich genau oder fast 
genau in der Mitte. Wenn sich die Tafeln im Centralblatt für all¬ 
gemeine Gesundheitspflege (21.Jahrg. 1902), wonach der Stadtkreis 
Aachen für die ehelichen Kinder die grösste und für die unehelichen 
Säuglinge mit die grösste Sterblichkeit von allen Kreisen der Pro¬ 
vinzen Rheinprovinz und Westfalen aufweist, auf Ziffermaterial 
gründen, das nur bis 1890 reicht, so können auch die Verhältnisse 
von 1891 bis 1901 nicht als wesentlich erfreulicher bezeichnet wer¬ 
den. Hoffen wir, dass der Ansatz zum Besseren, der in den aller¬ 
letzten Jahren gemacht zu sein scheint, nicht ein Zufallsergebnis ist. 

Diese Angaben dürften ausreichen, um die Notwendigkeit um¬ 
fassender und baldiger Massnahmen begründet erscheinen zu lassen. 
Baldig sollen diese sein, weil es in keiner Weise zu rechtfertigen 
sein dürfte, so grosse Opfer an rettbaren und erhaltbaren Menschen¬ 
leben dahinschwinden zu sehen und mit verschränkten Armen dabei 
zu stehen; umfassend aber müssen sie ferner sein, weil es ein 


Digitized by 


Google 



155 


ungemein verbreitetes Übel ist, mit dem wir hier zu tun haben, und 
weil andere als grosse und tiefgreifende Massnahmen kaum einen 
Erfolg erwarten lassen; umfassend können die erforderlichen Mass- 
regeln aber auch deshalb genannt werden, weil der Kampf auf den 
verschiedensten Gebieten eingesetzt werden kann. 

Das Erste und Wichtigste, was zum Schutze der Säuglinge 
zu wünschen wäre und was deshalb auch am ernsthaftesten an¬ 
gestrebt werden muss, ist die Wiederherstellung des angeborenen 
Rechtes auf mütterliche Nahrung, das ist, dass die Mütter wieder 
selbst stillten und genügend lange stillten. Wenn auch andere Fragen, 
namentlich solche des sozialen Lebens in die Ursachen der Säuglings¬ 
sterblichkeit hineinspielen, wenn es auch von grösstem Werte sein 
würde, wenn jeder Familie, die einen Säugling hat, bezüglich der 
Wohnung, der Wasserversorgung, des auskömmlichen Verdienstes, 
der Badegelegenheiten, der mütterlichen Beschäftigung usw. nur das 
allerbeste zur Verfügung stände, so unterliegt es doch wohl keinem 
ernsthaften Zweifel, dass die Ernährung den ersten Rang einnimmt, 
und dass es bezüglich der Nahrung nur zwei Hauptgruppen gibt: 
Muttermilch einerseits, Ersatzmittel andrerseits. Wenn es unter den 
letzteren auch wieder bessere und schlechtere gibt, so bleiben auch 
die allerbesten doch nur Ersatzmittel, sie sind nichts weiter als ein 
Notbehelf von ungewissem, unsicherem Werte. Wenn in Deutschland 
jährlich etwa 200 000 Säuglinge anerkanntermassen an Magendarm 
leiden sterben, und wenn hiervon 150000 vorher künstlich ernährt 
worden waren, so bedarf es schon kaum weiterer Worte. Es besteht 
aber vielfach die Vermutung, dass diese Ziffern in Wirklichkeit 
noch ungünstiger seien, dass auch die anderen 200000 jährlichen 
Säuglingstodesfälle zu einem grossen Teile noch auf dieselben Ur¬ 
sachen zurückzuführen seien, und dass es lediglich an den mangel¬ 
haften statistischen Unterlagen, namentlich bezüglich der zutreffenden 
Todesursachen, liege, wenn dies nicht ziffermässig zu Tage trete. 
Immer allgemeiner ist deshalb der Ruf laut und lauter geworden, 
dass die Frauen in diesem Punkte zur Natur zurückkehren müssten. 
Der Schutz, der den verheirateten Fabrikarbeiterinnen für die Zeit 
des Wochenbettes zuerkannt ist, müsste noch erweitert werden, die 
Frauen müssten leichteren Herzens länger zu Hause bleiben können, 
um den Neugeborenen stillend gerecht zu werden und nebenbei 
auch sich selbst für die neuen Arbeitszeiten besser zu erholen und 
zu kräftigen. Selter und Paffenholz (Centralbl. für allg. Ges.- 
Pflege 1902) fordern mit Recht, dass Behörden (Standesämter), 
Ärzte, Lehrer, Geistliche, Wohltätigkeitsvereine, Frauenvereine usw. 
in eine nachdrückliche Propaganda zur Förderung der natürlichen 
Ernährung eintreten möchten. Die Bewegung hierfür hat glück¬ 
licherweise eingesetzt, aber sie steht doch erst in den Anfängen; 


Digitized by 


Google 



156 


namentlich unter den Ärzten müsste wohl noch mehr Zustimmung 
geweckt werden können, um sie zu Helfern zu gewinnen. 

Eine grosse Bedeutung können die Hebammen gewinnen, wenn 
sie, die doch bei den allermeisten Wöchnerinnen als Veitrauens¬ 
personen aus- und eingehen, überzeugt für das Selbststillen einträten 
und dafür sorgten, dass die Mütter nicht so bald nach Ersatz 
suchten. Eine recht bedeutungsvolle Massregel ist erfreulicherweise 
für die preussischen Hebammen mit der Einführung des neuen Lehr¬ 
buches zur Geltung gelangt: in ihrem, vom Kreisärzte jährlich nach¬ 
zuprüfenden Tagebuche haben sie bei jeder Wöchnerin zu ver¬ 
merken, ob sie selbst gestillt hat und weshalb etwa nicht. In 
einigen Kreisen des hiesigen Bezirks war dies bereits seit einigen 
Jahren angeordnet worden. Durch Verfügung des Regierungs¬ 
präsidenten vom 8. November 1902 sind die Hebammen weiterhin 
angewiesen worden, in jedem Falle mit ernster Entschiedenheit 
darauf zu dringen, dass die Mütter die Kinder so lange wie möglich 
ausschliesslich selbst stillen; sie sollen sich ferner eigener Ratschläge 
enthalten, wenn die Wöchnerin anscheinend dazu ausser Stande ist, 
sie sollen daun vielmehr dahin wirken, dass ein Arzt zugezogen 
werde. In Düren ist für unbemittelte und zum Selbststillen bereite 
Wöchnerinnen die Einrichtung getroffen, dass ihnen vom Frauen¬ 
verein kräftige Nahrung aus der Vereinsktiche gewährt wird; das¬ 
selbe wird in Erkelenz durch die Damen des Elisabethvereins ver¬ 
mittelt. 

Um die Mütter wieder an diese letzthin immer mehr vernach¬ 
lässigte Pflicht zu erinnern, sind die „Regeln für die Pflege und 
Ernährung der Kinder im ersten Lebensjahre usw.“, herausgegeben 
vom ,,Verein der Medizinalbeamten des Regierungsbezirks Düssel¬ 
dorf* ‘, und das Merkblatt „Ratschläge zur Ernährung und Pflege 
der Kinder im ersten Lebensjahre“, herausgegeben vom „Vater¬ 
ländischen Frauenverein (Hauptverein)“ und abgedruckt in der Zeit¬ 
schrift „Das Rote Kreuz“ XXIII. Jahrg. S. 44, gleichinässig vor¬ 
züglich geeignet, da beide an erster Stelle eindringlich betonen, 
dass jede Frau ihr Kind an der Brust stillen müsse. Das erstere 
Blatt wird im hiesigen Bezirk bei jeder Anmeldung einer Geburt 
auf dem Standesamte kostenlos verabfolgt, in einigen Gemeinden 
des Landkreises Aachen ausserdem noch von den Ärzten und 
Hebammen im Bedarfsfälle ausgehändigt. Das zweite Blatt ist 
neuerdings durch Ministerial-Erlass sämtlichen Behörden mitgeteilt 
und zur Aushändigung durch die Standesbeamten empfohlen worden. 
In Düren hat der Verein, der zur Bekämpfung der Säuglingssterb¬ 
lichkeit zusammengetreten ist, noch ein kürzeres, auffälligeres und 
eindringlicheres Druckstück zur Verteilung bei gleicher Gelegenheit 
gebracht; es enthält nur drei Forderungen „an die Eltern neu- 


Digitized by 


Google 



157 


geborener Kinder“; die erste lautet: „Mütter, gebt euren neu¬ 
geborenen Kindern die Brust! Von Brustkindern sterben sechsmal 
weniger als von solchen, die künstlich genährt sind.“ 

Es würde zu weit führen, wenn alles das besprochen werden 
sollte, was ausserdem schon zur Bekämpfung der Säuglingssterblich¬ 
keit vorgeschlagen oder auch anderwärts ausgeführt worden ist. 
Alles, was dem Volkswohle, insbesondere dem Wohle der minder 
bemittelten Schichten der Bevölkerung dient, kommt mittelbar auch 
den Säuglingen zugute; unmittelbar wirken für sie ferner die 
Kinderkrippen, Versorgungs-Anstalten, Säuglingskrankenhftuser usw., 
wie sie bereits an vielen Orten bestehen oder noch erstehen sollen. 
Es sei hier nur noch kurz angeführt, was in verschiedenster Art 
und Weise innerhalb des Regierungsbezirkes Aachen auf die An¬ 
regung des Regierungs-Präsidenten vom November 1902 hin zur 
Herabminderung und Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im 
Laufe der letzten beiden Jahre in die Wege geleitet worden ist. 

Die Massnahmen betreffen zunächst die Säuglingsernährung 
durch Beschaffung guter Ersatznahrung beim Fehlen der Mutter¬ 
brust. Wenn es als sicher gilt, dass von allen Ersatzmitteln gute 
Kuhmilch am besten ist, so besteht doch auch darüber kein Zweifel, 
dass jede andere Milch, wenn sie frisch und unverdorben ist, der 
etwa schon älteren und möglicherweise in Zersetzung übergehenden 
Kuhmilch vorzuziehen sei. Da wo Kühe nicht gehalten werden, 
oder wo keine frische Kuhmilch erhältlich ist oder sterilisierte Kuh¬ 
milch als zu teuer nicht gekauft werden kann, ist es die Ziege, die 
der Familie und auch dem Säugling frische Milch spendet. Von 
diesem Gesichtspunkt werden Ziegenzuchtvereine gegründet und aus 
Mitteln des Kreises oder der Städte unterstützt; im Laufe weniger 
Jahre sind tausende von Schweizer Zuchttieren in den Bezirk ein- 
geftthrt und namentlich iu den Kreisen Düren, Schleiden, Erkelenz 
vertrieben worden; ebenso findeu die Zuchtvereine in Gängelt und 
Eschweiler Unterstützung und Förderung. 

Die Beschaffung frischer Kuhmilch für Säuglinge unbemittelter 
Familien ist in sehr vielen Gemeinden, in einigen Kreisen sind es 
alle Gemeinden, fest beschlossen; im Bedarfsfälle wird die Lieferung 
einem zuverlässigen Landwirt übertragen. Im Kreise Düren sind 
ferner mehrere Gemeinden noch weiter gegangen: sie haben die 
Hebammen ausdrücklich verpflichtet, im Hause der Wöchnerin die 
weitere Behandlung dieser gelieferten Milch zu überwachen, für die 
Reinigung der Flaschen usw. zu sorgen und somit die Vermeidung 
von Schädlichkeiten nach Möglichkeit sicher zu stellen. 

Den weitestgehenden Schutz geniessen die Säuglinge dort, wo 
ihnen nicht nur gute und sterilisierte Milch geboten wird, sondern 
wo diese Milch auch schon in erforderlichem Masse verdünnt ist 


Digitized by 


Google 



158 


und in einzelnen Fläschchen verabfolgt wird, so dass eine nachträgliche 
Infektion im Hause ausgeschlossen erscheint. Derartige Kinder¬ 
milchanstalten sind 1904 in Malmedy und 1903 in Düren ins Leben 
gerufen worden. Beiderorts ist es der Vaterländische Frauenverein, 
der die Sache angeregt oder von vornherein in massgebendster 
Weise unterstützt hat und dauernd durch die Beteiligung seiner 
Mitglieder fördert; die städtischen Verwaltungen, ohne deren tat¬ 
kräftige Beihilfe die Sache schwerlich hätte ermöglicht werden 
können, haben in Würdigung der grossen Bedeutung dieser Aufgabe 
der Anregung sofort Folge geleistet und ihre Ausführung mit Rat 
und Tat gesichert. In Malmedy ist ein städtischer Raum zur Ver¬ 
fügung gestellt; hier befindet sich der Sterilisierapparat von 
Tirupe usw. Die Milch wird in Einzelfläschchen gefüllt, sterilisiert 
und an die Abnehmer verabfolgt, grösstenteils unentgeltlich, teil¬ 
weise zum ganzen oder zum halben Selbstkostenpreis. Der Betrieb 
liegt in den Händen barmherziger Schwestern; die Aufsicht wird 
von den Damen des Vaterländischen Frauenvereins und vom Kreis¬ 
ärzte ausgeübt. Vom 1. Februar bis 1. Oktober sind — bei 4700 
Einwohnern — im ganzen 27 Kinder unter einem Jahr mit Milch ver¬ 
sorgt worden; es wurden je 6—8 Fläschchen, im ganzen 1945 Por¬ 
tionen abgegeben. Der Erfolg war sehr gut; von den versorgten 
Säuglingen ist keiner an schlimmerem Magendarmkatarrh erkrankt 
oder gar gestorben. — In der Stadt Düren sind in beiden Jahren 
je etwa 150 Kinder mit Milch versorgt worden. Die Milch ist 
bisher in vier bestimmten Verdünnungen, nach dem Backhausschen 
Verfahren zubereitet, in entsprechenden Einzelportionen bezogen 
und in der Milchversorgungsanstalt verteilt worden. Diese ist in 
den Räumen des „freiwilligen Armenvereins“ untergebracht. In 
bestimmten Fristen müssen die Säuglinge hier gezeigt werden; in 
Gegenwart der Damen des Vorstandes werden sie ärztlich untersucht 
und gewogen. Die Aufsicht durch die Damen des Frauenvereins und 
durch unterstützende Armenpflegerinnen erstreckt sich auch auf die 
Wohnungen: sie überwachen die Säuglinge auch hier regelmässig, ferner 
die Behandlung und den richtigen Verbrauch der überwiesenen Milch; 
sie wirken mittelbar und unmittelbar auch auf die Körperpflege und 
auf den Reinlichkeitssinn der Mutter und der ganzen Familie. Die 
Namen der Neugeborenen ärmerer Familien werden jetzt vom 
Standesamte sofort dem Komitee mitgeteilt, worauf die für den 
betreffenden Bezirk zuständige Aufsichtsdame die Wöchnerin auf¬ 
sucht und nun für diese und den Säugling sorgt; im Bedarfsfälle 
wird die Wochenbettpflegerin des Vaterländischen Frauenvereins 
zur Verfügung gestellt. Auch hier sind die Erfolge so ausser¬ 
ordentlich gut gewesen, dass die städtische Verwaltung alles zu tun 
bereit ist, um dieser Veranstaltung zu einer festen, dauernden Form 


Digitized by 


Google 



159 


zu verhelfen. — In anderen Städten sind ähnliche Anstalten und 
Einrichtungen einstweilen vorgesehen und geplant. 

In etwas loser Beziehung zu der uns vorliegenden Frage 
scheint es zu stehen, wenn hier npch Bemühungen angeführt werden, 
die sich lediglich statistischen Feststellungen zuwenden. So wird 
vielerorts die Frage nach dem Masse der Säuglingssterblichkeit 
sorgsam an der Hand der Todesfälle usw. geprüft; in Aachen 
und Eschweiler sollen die von den Ärzten bei der Leichenschau 
auszufüllenden Formulare noch Fragen nach den näheren Umständen, 
die beim Tode eines Säuglings in Betracht kommen, aufnehmen. 
Es bedarf aber keiner längeren Ausführung, wie wertvoll es für 
alle Kampfmassnahmen wäre, wenn über die Ursachen der hohen 
Säuglingssterblichkeit vollstes Licht und Klarheit herrschte und 
keinerlei Zweifel mehr gehegt würden. So sind auch diese einer 
späteren Zeit dienenden Ermittelungen als zweckmässige Massregeln 
zu begrlissen, allerdings unter der Voraussetzung, dass schon jetzt 
ausserdem alles getan werde, was das grosse Leid, das hierin uns 
einstweilen noch beschert ist, zu vermindern und zu heben ge¬ 
eignet ist. 

Mögen die anerkennenswerten Beispiele, die vorstehend geuannt 
werden konnten, allseitig die verdiente Beachtung, möglichst viel¬ 
seitig aber auch Billigung und — Nachfolge finden! 


Digitized by 


Google 



160 


Wohnungsfrage und Volkskrankheiten. 

Nachtrag zu dem Bericht über den I. allgemeinen Wohnuugskongreas 

in Frankfurt a. M. 


Über den allgemeinen Verlauf des vom 16.—19. Oktober 
v. Js. in Frankfurt a. M. abgehaltenen ersten deutschen Wohnungs¬ 
kongresses wurde bereits im 1. und 2. Heft 1905 dieser Zeitschrift 
berichtet. Für die Leser unseres Blattes sind besonders die über 
das Thema „Wohnungsfrage und Volkskrankheiten“ in der öffent¬ 
lichen Versammlung am 18. Oktober gehaltenen Vorträge der 
Herren Dr. med. Franz Oppenheimer (Berlin) und Professor 
M. Neisser (Frankfurt a. M.) von Interesse. An Hand des kürz¬ 
lich erschienenen, auf Grund der stenographischen Protokolle ver¬ 
fassten, Kongressberichtes wollen wir die Ausführungen genannter 
Herren in Kürze wiedergeben *). 

Dr. Oppenheimer behandelte das Thema mehr von all¬ 
gemeinen, historischen und sozial-wirtschaftlichen Gesichtspunkten 
aus. Ein unendlicher Fortschritt war es, den die Menschheit machte, 
indem sie vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit gelangte, aber ein 
hoher Preis war es auch, den sie für diese Sesshaftigkeit zahlen 
musste, der Preis der Gesundheit. Das Dach des Nomaden war 
der Himmel und frei flutete die freie Luft des Waldes und der 
Steppe um seinen Körper und durch seine Lungen. Und fast so 
lebte und lebt noch der Hirt. Sein schwerfälliger Ochsenkarren, 
sein Sommerzeit steht heute hier und morgen dort auf einem 
Grunde, den keine menschlichen Abfallstoffe verseuchen, und die 
freie Luft hat ungehinderten Zugang. 

Wie anders schon im festgezimmerten Bauernhause! Menschen 
und Vieh, zusammengedrängt unter einem Dach, verbrauchen und 
verderben die Luft durch ihre Atmung und durch ihre Ausscheidungen. 
Und der Boden rings um das Haus bekommt reichliche Arbeit, wenn er 
all die Abfallstoffe unschädlich machen soll, die ihm zufliessen. Wir 
wissen nicht, wie weit der Übergang vom freien Hirtenleben zur 
dörflichen Sesshaftigkeit etwa die Sterblichkeit der Menschheit ver¬ 
mehrt hat. Wohl aber wissen wir, dass der zweite Schritt zur 


1) Vgl. Bericht über den I. Allgemeinen Deutschen Wohnungs* 
kongress in Frankfurt a. M. 16.—19. Oktober 1904. Auf Grund der steno¬ 
graphischen Protokolle. Güttingen. Vandenhoek & Ruprecht 1905, sowie: 
Wohnungsfrage und Volkswohl. Fünf Vorträge. Sonderdruck a. d. Bericht 
über den 1. Wohnungskongress. Ebendas. 


Digitized by 


Google 



161 


Kultur, der Übergang zur städtischen Sesshaftigkeit, begleitet 
war von den Ausbrüchen zerstörender akuter Volkskrankheiten, 
gewaltiger Seuchen, die die Bevölkerung dezimierten. Die Pest, 
die Blattern, der Schwarze Tod, die Cholera und ihre Verwandten, 
das sind die ersten gewaltigen historischen Erscheinungen, die den 
Zusammenhang zwischen Wohnungswesen und Volkskrankheiten 
mit grauenhafter Klarheit erhärtet haben. 

Was wir von der Sterblichkeit der mittelalterlichen Städte 
wissen, gibt ein grauenhaftes Bild der damaligen Gesundheitszustände 
— und dabei handelte es sich um Ansiedelungen, deren wichtigste 
und mächtigste nach heutigen Begriffen kaum mehr als grosse 
Dörfer sein würden. Die alte Krönungsstadt Frankfurt a. M. hat 
bis zum Ausgang des Mittelalters nie mehr als etwa 9000 Einwohner 
gezählt. 

Das 19. Jahrhundert sah das masslose Eindrängen der Be¬ 
völkerung in die Städte, die „Verstadtlichung“ der Gesellschaft 
nahm ungeheuere Dimensionen an und führte zu Grosstadt¬ 
bildungen mit unhaltbaren hygienischen Verhältnissen. Doch nun 
hob auch die Periode der wissenschaftlich beherrschten Städte¬ 
hygiene an. Man schritt zur Fortschaffung der Abfallstoffe durch 
«ine umfassende Kanalisation, zur Versorgung der Bevölkerung 
mit einwandfreiem Wasser und unverdorbener Nahrung durch 
Wasserleitungen, Schlachthöfe, Milchkontrolle und Nahrungsmittel¬ 
polizei, zur Verbesserung der Atmungsluft durch möglichst staub¬ 
freie Pflasterung, Besprengung und Parkanlagen. 

Die Erfolge waren unleugbar glänzende. Die Krankheits¬ 
und Sterbeziffer sank beträchtlich, namentlich durch das fast völlige 
Verschwinden der Darminfektionen, des Typhus, der Ruhr, und 
vor allem durch die starke Herabminderung der Säuglingssterblich¬ 
keit. Die Städte verloren allmählich ihren schlimmen Ruf als 
glühende Molochs, die das Leben von Generationen fressen, und 
es ist heute sogar gelungen, die städtische Sterblichkeit unter die¬ 
jenige der ungünstigsten, von der ärmsten, namentlich hausindu¬ 
striellen Bevölkerung bewohnten Landbezirke herabzudrücken. 

Von der öffentlichen Hygiene der Städte ist nicht mehr 
viel an neuen Erfolgen zu erwarten. Was ihr zu leisten bestimmt 
ist, hat sie im Kulturbezirke Europas im wesentlichen geschaffen, 
und der Fortschritt auf diesem Gebiete wird mehr ein extensiver 
als ein intensiver sein, eine Ausdehnung der Errungenschaften auf 
kleinere Gemeinwesen und auf weniger zivilisierte Nationen. 

Auf dem Grunde, den die öffentliche Stadthygiene errichtet 
hat, müssen wir weiter bauen in der Ausgestaltung einer privaten 
Wohnungshygiene, deren Grundlagen uns durch Kanalisation, 
Wasserleitung u. s. w. gegeben sind. Denn die schönste Pflasterung 


Digitized by 


Google 



162 


und die beste Wasserleitung allein sind nicht imstande, gesunde 
Häuser und Wohnungen zu schaffen. Nur ein vom Keller bis zum 
Dach sorgfältig in Stand gehaltenes, regelmässig und ausreichend 
gereinigtes Haus ist gesund; wo sich Schmutz und Staub fest¬ 
setzen, wo aus den Rohren der Wasserleitung und Aborte Feuchtig¬ 
keit in Gebälk und Mauerwerk dringt, wo Müllgrube und Klosetts 
miasmatische Gerüche verbreiten, da kann die zarte Pflanze Ge¬ 
sundheit nicht gedeihen. Verwahrloste Häuser und Wohnungen 
sind Seuchenherde. Wo solche „Slums“ der Bautätigkeit oder der 
Polizei zum Opfer fielen, so zahlreich in London, da ist die Sterb¬ 
lichkeit auf einen erstaunlich niedrigen Grad herabgedrückt worden, 
selbst wenn die neuen Wohnungen von derselben Klasse bezogen 
wurden. Hier sind es weniger die akuten als vielmehr die chro¬ 
nischen Infektionskrankheiten, die ihre Opfer fordern, die Staub¬ 
inhalationskrankheiten, vor allem die Tuberkulose, die bittere Frucht 
der Armut und des Schmutzes, und die noch viel chronischeren, 
kaum noch als Krankheiten zu bezeichnenden Störungen und Zer¬ 
störungen der Gesundheit, die Anämien, die Nervenschwäche u. s. w. 

Redner erörterte sodann die Aufgaben der Gesundheits- und 
Baupolizei sowie der Wohnungsaufsicht und mass schliesslich einem 
weitgreifenden, volkstümlichen Erziehungswerk in häuslicher Hygiene 
grosse Bedeutung bei, um sich alsdann dem System der Städte¬ 
anlagen und des Hausbaues zuzuwenden. Hierbei charakterisierte 
er die aus der modernen Bodenwirtschaft geborene, in ununter¬ 
brochenem Entwicklungsgänge sich ausbreitende mehrstöckige 
Mietskaserne als ein hygienisches Missgebilde und ein soziales und 
ethisches Monstrum und stellte ihr als Ideal das selbstbewohnte 
Eigenhaus gegenüber. Aber auch die Grosstadt an sich als dicht 
zusammenhängendes Konglomerat von Gebäuden, an ununter¬ 
brochenen Strassen gelegen, sei eiu hygienisches Missgebilde. Man 
brauche bloss die Bäume der in der Stadt belegenen Parkanlagen 
zu betrachten, um das klar zu erkennen. Sie herbstein, d. h. 
kränkeln und sterben wochenlang vor ihren Geschwistern draussen 
in Wald und Feld. Gerade so geht es den Menschen. Der reinigende 
Wind und das heilende Sonnenlicht kommen nur gebrochen, ab¬ 
geschwächt hinein; Staub und Rauch ballen sich über der Gross¬ 
stadt zu Schwaden, die das Blut verderben und, viel häufiger als 
draussen, schädliche Nebel erzeugen; der ohrenzerrüttende Lärm 
des Verkehrs, die Hast und Hatz des Erwerbslebens, die Einseitig¬ 
keit der beruflichen Betätigung), die die heutigen Grosstädter, 
Bureaumenschen wie Fabrikarbeiter, verkrüppelt, zerrütten die 
Nerven, verleiten dazu, den Reiz schädlicher Genüsse aufzusuchen, 
von denen der Gesunde sich mit Ekel wendet. Aus allen diesen 
Gründen wird der Grosstädter immer, auch in der mietskasernen- 


Digitized by 


Google 



163 


freien sanierten Stadt bleichsüchtiger, schwächer, Krankheiten mehr 
ausgesetzt und kurzlebiger sein, als der in Licht und Luft lebende 
Bewohner des platten Landes. Darum ist das fernere, fast das 
fernste Ziel der Wohnungsreform nur zu erblicken in der Dezen¬ 
tralisation der Grossstädte, in ihrer Auflösung in einen Kranz von 
Gartenstädten, die mit ihrer wirtschaftlichen Existenz nach dem 
industriellen und kommerziellen Zentrum, der City, gravitieren, 
wie die Planeten zur Sonne. Die Gartenstadt, in das Grün ihrer 
Gartenanlagen gebettet, umspiilt von Luft und Licht, und doch 
saniert wie eine Grossstadt: das ist das letzte Ideal der Wohnungs¬ 
reform und Wohnungshygiene. 

Unseres Erachtens würde der Eindruck der geistvollen Aus¬ 
führungen des Redners noch wirkungsvoller und unbestrittener ge¬ 
wesen sein, wenn er in der letzten Hälfte seines Vortrags den 
stark kommunistisch gefärbten ökonomisch-politischen Betrachtungen 
weniger Raum gewährt hätte. 

Skizzierte Dr. Oppenheimer mehr in grossen Zügen die 
Wechselwirkungen zwischen Wohnungswesen und Volksgesundheit, 
so tiel es Professor Dr. M. Neisser (Frankfurt a. M.), Mitglied 
des Kgl. Instituts für experimentelle Therapie, zu, den ursäch¬ 
lichen Zusammenhang von Wohnung und Krankheit im 
einzelnen näher zu erörtern. Das instinktive Gefühl für diesen 
Zusammenhang hat freilich manche Anschauungen gezeitigt, die 
sich unter der kritischen Tätigkeit der Hygiene als Vorurteile, als 
eine unrichtige Verknüpfung von Ursache und Wirkung heraus- 
stellten. So erging es z. B. mit dem Hausschwamm, über dessen 
Bedeutung für die Entstehung der Diphtherie, des Krebses, und 
selbst der Schwindsucht früher so viel geschrieben worden ist. 
Der Hausschwamm ist an sich völlig ungefährlich für den Menschen, 
aber er gedeiht nur da, wo es feucht und dunkel ist. Daher sind 
Räume, in denen er vorkommt, ungesund und werden nicht gesund 
dadurch, dass man den Hausschwamm entfernt, sondern nur dann, 
wenn man die begünstigenden Momente der Schwamrabildung. 
Feuchtigkeit und Dunkelheit, behebt. 

Auch hinsichtlich der ansteckenden Krankheiten dürfen wir 
nicht, wie vielfach geschehen, alles der Wohnung zur Last legen 
und müssen uns erinnern, dass auch ausserhalb des Hauses nicht 
minder bedeutungsvolle Faktoren in Betracht kommen, von denen 
nur die Schule, der Beruf und der Nahrungsmittelverkehr genannt 
seien. Gewiss kann ein direkter Zusammenhang zwischen Wohnung 
und ansteckenden Krankheiten bestehen. Hinsichtlich der Pest und 
des Rückfallfiebers wissen wir bestimmt, dass sie an manchen 
Wohnungen haften und dass das Beziehen solcher Wohnungen eine 
grosse Gefahr bedeutet. Und in beiden Fällen kennen wir auch 
Centralblatt f. all*?. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 11 


Digitized by 


Google 



164 


die Übertrager der Krankheitserreger. Bei der Pest sind es die 
Ratten, beim Rückfallfieber die Wanzen, und sie machen jene 
Häu er zu Pesthäusern oder Rückfallfieberhäusern. Wahrscheinlich 
spielt auch für andere ansteckende Erkrankungen das Ungeziefer, 
dies«; schlimmste Unsauberkeit eines Hauses, zu dem wir auch die 
Fliegen rechnen können, eine bedeutungsvolle Rolle. Aber nicht 
nur im Ungeziefer, auch im Schmutz und Unrat vermögen sich 
Krankheitskeime lange lebendig zu erhalten, um gelegentlich von 
neuem Krankheiten auszulösen. Darum ist das Gebot der Sauber¬ 
keit das erste Postulat der Hygiene, die erste, wenn auch nicht 
die einzige Bedingung, die an eine gesunde Wohnung gestellt 
werden muss. 

Feuchte und zugige Wohnungen stellen für alle diejenigen 
Personen, die leicht zu Erkältungen und Rheumatismus neigen, 
eine Schädlichkeit dar, welche die Entstehung mancher bakteriellen 
Erkrankungen, wie Lungenentzündung, Halsentzündung, begünstigen 
können. Eine direkt durch Bakterien hervorgerufene schreckliche 
Erkrankung gibt es, die sogenannte Sommerdiarrhoe der Kinder 
welche eine unmittelbare Abhängigkeit von einer ungünstigen 
klimatischen Lage der Wohnung zeigt, denn sie zeigt sich zur 
Sommerzeit nur in den Wohnungen, welche abnorm heiss sind und 
in denen auch nachts keine wesentliche Abkühlung eintritt. Es 
sind die Zersetzungen in der Milch, welche jährlich in Deutschland 
200 000 bis 300 000 Säuglinge hinwegraffen. Zersetzungen, hervor¬ 
gerufen durch bestimmte Bakterien, die bei der Brutwärme solcher 
Wohnungen in der Milch lebhaft gedeihen und das Nahrungsmittel 
zum schädlichen Gift machen. Und dass es wirklich die Wärme 
dieser Wohnungen ist, welche die Schädlichkeit bedingt, sehen wir 
an der bekannten Berliner Statistik, nach der von der Sommer¬ 
sterblichkeit der Säuglinge die Kellerwohnungen ungleich weniger 
betroffen werden als die vierten Stockwerke, trotzdem die soziale 
Stellung der Bewohner und die Kinderzahl in beiden Stockwerken 
keine wesentlichen Unterschiede zeigt. So ist denn neben der 
Sauberkeit als Grundbedingung für eine Wohnung zu fordern, dass 
sie weder feucht noch dunkel, weder aussergewöhnlich kalt noch 
übermässig warm sein darf, — sie muss eben, um diese Eigen¬ 
schaften in einem kurzen Ausdruck zusammenzufassen, — „wohn¬ 
lich“ sein. 

Der Kardinalpunkt, aber auch gerade der am schwersten zu 
erfüllende, ist die nötige Geräumigkeit der Wohnungen. Je 
dichter die Menschen zusammen sind, desto leichter die Verbrei¬ 
tung der ansteckenden Krankheiten durch Ansteckung von Mensch 
zu Mensch. Es ist kein Zufall, sondern eine Selbstverständlichkeit, 
dass die Cholera, die Pest u. s. w. stets in den dichtesten Quartieren 


Digitized by 


Google 



165 


am schlimmsten gehaust haben, dass in den Grossstädten, wie z. B. 
Hamburg oder Prag, die dichtest bewohnten Stadtteile auch die¬ 
jenigen sind, in denen die Zahl der ansteckenden Krankheiten im 
Verhältnis zur Zahl der Bewohner eine besonders hohe ist. 

Man muss indes den Begriff der Wohndichtigkeit richtig 
und scharf erfassen. Er ist nicht zu verwechseln mit der Bevöl¬ 
kerungsdichtigkeit, die anzeigt, wieviel Menschen pro Quadrat¬ 
kilometer wohnen, und die nur ein Durchschnittsbild gibt. Auch eine 
grosse Häuserdichtigkeit braucht noch keine schwerwiegenden 
hygienischen Misstände zu zeigen, wenngleich sie gewiss ein uner¬ 
freulicher Zustand ist. Hygienisch erheblich bedenklicher ist schon 
die Haushaltsdichtigkeit, d. h. wenn in den grossen Miets¬ 
häusern 30, 40 und mehr Haushaltungen zusammengebracht sind. 
Denn es hat das dauernd die engste Berührung und den dauernden 
nahen Verkehr von Kindern und Erwachsenen mit allen seinen 
gesundheitlichen Nachteilen im Gefolge. Und doch ist auch Haus¬ 
haltsdichtigkeit noch nicht ohne weiteres unvereinbar mit gesundem 
Wohnen, wie man an den grossen Blocks der gemeinnützigen Bau¬ 
gesellschaften sehen kann. So zeigt z. B. für die letzten drei Jahre 
die Statistik der Frankfurter Aktien-Baugesellschaft für kleine 
Wohnungen, dass von einem jährlichen Bestände von annähernd 
2000 Kindern unter 14 Jahren in den durchschnittlich fünfköpfigen 
Familien jährlich etwa 13 von Tausend starben, während in dem¬ 
selben Zeitraum für ganz Frankfurt die entsprechende Zahl etwa 
25 auf 1000 beträgt. 

Das, was dem Hygieniker als das verderblichste, als die 
ernsteste Gefahr erscheint, ist diejenige Zahl, welche uns anzeigt, 
wieviel Menschen in einem Baume zu leben gezwungen sind, mit 
wieviel Menschen die einzelnen Räume belegt sind. Die enorme 
Belegungsdichtigkeit, die wir in den unteren Ständen finden, 
sie ist es, die unsere grösste Beachtung und die schnellste Hilfe 
erheischt. 

Ganz besonders bedeutungsvoll ist die Belegungsdichtigkeit 
für diejenige ansteckende Erkrankung, welche wie keine andere 
am Marke unseres Volkes zehrt, deren Mass an Not, Elend und 
Jammer ein übervolles ist, — für die Tuberkulose, der jährlich 
200000 Deutsche zum Opfer fallen. Gerade die überfüllten 
Wohnungen der Armen sind nach Robert Koch als die eigentliche 
Brutstätte der Tuberkulose anzusehen. Und auch die Denkschrift 
des Reichsgesundheitsamtes über die Tuberkulose beginnt mit den 
Worten: „Die Übertragung der Tuberkulose findet am häufigsten 
durch das Zusammenleben mit Tuberkulösen unter ungünstigen 
Wohnungsverhältnissen statt.“ 

Man muss ferner bedenken, wie häufig es noch vorkommt, 


Digitized by 


Google 



166 


dass der ansteckend Erkrankte mit mehreren anderen Personen 
nicht nur das Zimmer, sondern sogar das Bett teilen muss, wie 
häufig noch die Küche oder gar die Werkstätte das Krankenzimmer ist. 

So war von 1609 lungenkranken Mitgliedern der Berliner 
Ortskrankenkasse für Kaufleute nachts nur etwa Vio allein in 
einem Raum, während 583, also mehr als 1 j 3 mit drei oder mehr 
Familienmitgliedern denselben Raum teilen mussten. Und Marcuse 
zeigte für Mannheim, dass von 329 erwerbsunfähigen Tuberkulösen, 
also von jenen, welche eine erhebliche Gefahr für ihre nächste 
Umgebung sind, 30 °/ 0 ihr Bett mit Angehörigen teilen mussten. 

Redner bezeichnete zum Schluss nochmals von den aufgestellten 
hygienischen Forderungen, Sauberkeit, Wohnlichkeit. Geräumigkeit, 
die letztere als den Faktor, der hygienisch von der grössten, ja 
von ausschlaggebender Bedeutung sei. Denn die Wohnungsüber¬ 
füllung sei der Sumpfboden, auf dem für das ganze Volk die Gift¬ 
pflanzen der ansteckenden Krankheiten gedeihen. Die Verminderung 
der Belegungsdichtigkeit ist für den Hygieniker in vielen Punkten 
nicht der Weisheit letzter Schluss, aber ihr Anfang, die notwendigste 
Vorbedingung für ein erfolgreiches hygienisches Handeln. 

Schilling (Cöln). 


Kleine Mitteilungen. 


Gesundheitsstatistik im Grossherzogtum Hessen. 

In den „Mitteilungen der Grossherzoglich Hessischen Zentral¬ 
stelle für die Landesstatistik ü vom Februar, April und Mai d. J. 
veröffentlicht Regierungsrat Knöpfei eine Reihe von Ergebnissen 
der hessischen Sterblichkeitsstatistik aus den Jahren 1863—1900, 
die an sich interessant genug sind, die uns aber vor allen Dingen 
wegen der gesunden Methodik, die aus ihnen spricht, wichtig er¬ 
scheinen. Wir erfahren hier nicht nur etwas über die Sterblich¬ 
keitsverhältnisse grösserer Bezirke, Kreise und bedeutender Städte, 
sondern werden auch über die unterrichtet, die in den kleineren 
Gemeinden (über 3000 Einwohner) herrschen, und zwar mit Unter¬ 
scheidung der Geschlechter und genügend zahlreicher 
Altersklassen. Wären wir doch bei uns in Preussen so weit, dass 
gleich vollständige Mitteilungen gemacht würden zum mindesten für 
die Kreise! Es brauchte das nicht gerade für jedes einzelne Jahr zu 
geschehen, aber doch für Jahrfünfte oder Jahrzehnte. Wenn darin 
auch noch die Ergebnisse der Todesursachenstatistik verarbeitet 
würden, so hätte der Hygieniker doch einen einigermassen sicheren 
Anhaltspunkt für die Beurteilung der Gesundheitszustände 
beruflich und wirtschaftlich verschiedener Bevölke- 


Digitized by 


Google 



167 


rungen. Je mehr man natürlich ins einzelne eindringt, je kleiner 
man die Bevölkerungskreise umgrenzt, desto wertvoller sind die 
Resultate, und gerade darum ist der in Hessen gemachte Versuch 
so beachtenswert. Freilich sagen uns die Zahlen auch für die 
kleineren Gemeinden nicht viel, wenn sie uns in der vielfach noch 
üblichen Weise als allgemeine Sterbeziffern gegeben werden, wenn 
man also die Untereinteilung der Bevölkerung nach Alter und Ge¬ 
schlecht versäumt. 

Die beste Statistik nützt uns wenig, wenn sie nicht den 
Anlass bildet zu eingehenden Forschungen über die Ursachen 
der zutage tretenden Unterschiede. Die örtlichen Gesundheits¬ 
beamten wären in erster Linie dazu berufen, sich dieser Aufgabe zu 
widmen, z. B. den merkwürdigen Schwankungen nachzugehen, die 
die Säuglings- oder Tuberkulosesterblichkeit von Ort zu Ort aufweist. 

Ein Mangel der hessischen, wie der meisten anderen Stati¬ 
stiken besteht darin, dass die Todesfälle der Ortsfremden nicht 
als solche ausgeschieden und ihrem Heimatsort zugeschrieben wer¬ 
den. Dadurch kommt in die Zahlen namentlich für die grösseren 
Städte erhebliche Unsicherheit hinein. 

Was die sachlichen Ergebnisse anlangt, so hat die Sterblich¬ 
keit im Grossherzogtum Hessen, wie in vielen anderen Ländern in 
den letzten Jahrzehnten, insbesondere seit den 80 er Jahren, ganz 
beträchtlich abgenommen. Bemerkenswert ist, dass auch die Kinder 
im ersten Lebensjahre davon keine Ausnahme machen: von 1863 
bis 1870 ist die Säuglingssterblichkeit: 

in den grösseren Städten von 23,0 auf 19,5 °/ 0 , 

in den übrigen Städten von 23,6 „ 18,7 „ 

in den ländlichen Gemeinden von 19,2 „ 14,6 „ 

und zwar stetig heruntergegangen. Es lohnte sich, die Ursache 

dieser ungewöhnlichen Besserung zu untersuchen. Sollte etwa die 
Abnahme der Geburtenziffer, die auch in der preussischen Provinz 
Hessen-Nassau eine erhebliche ist, den Hauptanteil daran haben? 

Kruse. 


Grosst&dthöfe. 

Zu den Bemerkungen über Höfe von Wohnhäusern in Millionen¬ 
städten von Dr. A. Hinterberger-Wien, in Nr. 2 der „Hygienischen 
Rundschau“ seien mir nachfolgende Erörterungen gestattet: 

Die Schwierigkeit der gartenmässigen Ausschmückung von 
Höfen in Grosstädten wird jeder zugeben, der sich jemals praktisch 
damit beschäftigt hat. Lichtmangel und Verunreinigung der Luft 
durch Staub und den Schornsteinen entströmende Gase und Russ- 
mengen lassen die Versuche, einen solchen Gartenhof auszuschmücken, 
sicher misslingen, wenn dabei ohne Berücksichtigung der Verhält- 


Digitized by 


oogle 



168 


nisse verfahren wird. Bei sachgemässer Ansführung und verstän¬ 
diger Auswahl des Pflanzen materiales lässt sich aber doch viel mehr 
erreichen, als man gewöhnlich sieht. Ein Hauptfehler ist der, dass 
die meisten Hausbesitzer die Einrichtung durch ungeeignete Per¬ 
sonen bewirken lassen und dabei mit dem nun einmal notwendigen 
Gelde knausern. 

Mit Hinterberger bin ich der Meinung, dass Wege aus sauberem 
Ziegelsteinpflaster oder Mosaikpflaster, welches womöglich unter 
Verwendung lebhafter Farben gemustert ist, manche Vorzüge vor 
dem Kieswege haben. Doch vermeide man gewöhnliches graues 
Pflaster, ganz gleich von welcher Gesteinsart. Es wirkt hart und 
stampf und erinnert zu sehr an die Strasse, zu welcher der Garten¬ 
hof gerade einen Gegensatz bilden soll. Das Belegen der Wege- 
flächen mit bunten Mosaikplatten oder das Bestreuen mit Kies von 
3—5 mm Korngrösse auf gut mit Schlacken oder Steinschlag be¬ 
festigtem Untergrund ist jedenfalls schöner als Pflaster irgend einer 
Art. Die Notwendigkeit der Erneuerung des Kieses in gewissen 
Zeitabschnitten dürfte wohl kaum als stichhaltiger Grund gegen 
die Anwendung von Kies anzusehen sein, vielmehr ist der Haupt¬ 
fehler des Kiesweges seine Unsauberkeit im Winter, wenn der Boden 
oben aufgetaut, in der Tiefe aber noch gefroren ist. Das erste Er¬ 
fordernis einer guten Wegeanlage ist die Entwässerung. Alle 
Flächen müssen ein Längsgefälle haben, so dass das Regenwasser in 
einen an geeigneterstelle anzubringenden Kanaleinlass abgeführt wird. 

Die Liste der Gewächse, welche noch mit Erfolg gepflanzt 
werden können, lässt sich leicht noch bereichern. Neben dem 
Götterbaum ist ganz besonders die Ulme zu nennen; sie wider¬ 
steht den ungünstigen städtischen Einflüssen am besten. Meist ist 
der Bedarf an hohem und niederem Strauchwerk aber viel grösser 
als an hohen Bäumen. Da haben sich nun viele Straucharten be¬ 
währt, welche wir in der Natur als Unterholz im Schatten hoher 
Bäume an treffen. Ich verweise auf Hollunder (Sarabucus nigra), 
Schneeball (Viburnum Opulus) und Kornelkirsche (Cornus mas), die 
sogar baumartig werden, ferner auf die Alpenjohannisbeere (Ribes 
alpinum), Liguster (Ligustrum vulgare) und von ausländischen Arten 
die Schneebeere (Symphoricarpus racemosa) und den sog. Jasmin 
(Philadelphus div. spec.). Auf die immergrünen Arten würde ich 
wegen des Winterschmuckes nicht ganz Verzicht leisten; die Stech¬ 
palme (Ilex Aquifolium), der Buchsbaum (Buxus arborescens) ge¬ 
deihen immer, wenn der Hof nicht von Hunden besucht wird. Da, 
wo, wie am Rhein, Evonymus japonicus und Aucuba japonica im 
Winter im Freien aushalten, sind auch sie zu empfehlen. Von aus¬ 
dauernden Schlingpflanzen verwende man neben wildem Weine die 
Waldrebe (Clematis vitalba und C. montana). Im Herbste bildet 


Digitized by 


Google 



169 


das rote Laub des wilden Weines durchsetzt mit den silbergrauen 
Früchten der Waldrebe einen prächtigen Farbeneffekt. Den Efeu 
ganz zu verbannen, kann ich nicht anraten, da er im Vereine mit 
den oben angeführten immergrünen Straucharten und dem Ast¬ 
werk der laubabwerfenden Gehölze im Winter den Hof belebt, 
selbst wenn die Blätter, aus der Nähe gesehen, schmutzig aussehen. 

Der Ansicht, dass man dem Draht den Vorzug vor dem Holze 
geben 6olle bei Einfriedigungen und Spalieren für Schlingpflanzen, 
möchte ich mich aus ästhetischen Gründen nicht anschliessen. Die 
praktischen Bedenken der geringen- Haltbarkeit des Holzes sind, 
wenn letzteres gut im Anstrich gehalten wird, nicht schwerwiegend, 
dagegen wirkt lustig angestrichenes und schön gemustertes Holz¬ 
werk an sich schon behaglich und wohnlich, selbst wenn das 
Rankenwerk der Schlinggewächse nur bescheiden daran empor¬ 
klimmt. Besonders neu ist die Musterung in Quadrate durch senk¬ 
rechte und wagerechte Latten, wobei man durch Umrahmungen aus 
enger gestellten Latten und Füllungen aus Latten in weiteren 
Zwischenräumen auch die grösste Hauswand freundlich gestalten kann. 

Eine besondere Schwierigkeit bietet im Gartenhof die Be¬ 
grünung des Bodens. Gras gedeiht kaum, Sommerblumen kommen 
gar nicht fort. Wiederum gibt es aber Pflanzenarten, welche wir 
draussen im tiefen Schatten antreffen und welche auch hier nicht 
versagen. Man ersetze den Rasen durch Farnkräuter, Maiblumen 
oder Veilchen und verwende als Blumen Primeln (Primula elatior 
und acaulis), Funkien (versch. spec.), Polygonum Sieboldii, Spiraea 
Aruncus, Rheum u. dergl. Endlich sollte man viel mehr Zwiebel¬ 
gewächse anwenden. Narzissen, Tulpen, Szilla, selbst Kaiserkronen 
(Fritillaria imperalis) sind überraschend dankbar auch in den un¬ 
günstigsten Verhältnissen. 

Man sorge für tiefgründigen Boden von geeigneter Beschaffen¬ 
heit, für sachgemä8s ausgewähltes Pflanzenmaterial und richtige 
Verteilung desselben, für sorgfältige Pflege, d. h. besonders Be¬ 
sprengen der Gewächse und des Bodens an Sommerabenden, für 
den nötigen Schutz vor Beschädigungen durch Menschen und Tiere: 
dann lässt sich, so schwierig es auch scheint, der enge Grosstadt¬ 
hof schön und dauerhaft ausschmücken. Encke (Cöln). 


Der Verein zur Bekämpfung der Volkskrankheiten 
im Ruhrkohlengebiet, 

welcher das Institut für Hygiene und Bakteriologie in Gelsenkirchen 
unterhält, hielt am 29. März unter Vorsitz des Landrats Dr. zur 
Nieden in Gelsenkirchen eine Generalversammlung ab. Das Institut 
hat ein gleichmässiges und ruhiges Fortschreiten seiner Entwicklung 


Digitized by 


Google 



170 


zu verzeichnen. Dem Verein sind bereits 10 Ruhrwasserwerke 
zwecks bakteriologischer Kontrolle in der Wassergewinnung an¬ 
geschlossen. Die Zahl der bakteriologischen Krankheitsunter¬ 
suchungen ist von 1184 (1903/04) auf 2305 (1904/05) angewachsen. 
Dem Verein sind 10 neue Mitglieder gewonnen worden, darunter 
die Königliche Bergwerksdirektion in Dortmund, die Bergwerks¬ 
aktiengesellschaft Konsolidation in Gelsenkirchen, der Kölner Berg¬ 
werksverein in Altenessen, Firma Henschel & Sohn in Kassel, Hütte 
Phönix in Ruhrort, Stadtkreis Hagen, Stadt Haspe und das Amt 
Osterfeld. Verschiedene Mitglieder haben eine Erhöhung der Bei¬ 
träge ein treten lassen, und acht Mitglieder, die einmalige Beiträge 
zahlten, haben laufende Beiträge bewilligt, nämlich der Stadtkreis 
Gelsenkirchen, der Kreisausschuss Bochum, die Gelsenkirchener 
Bergwerksaktiengesellschaft, Bergwerksgesellschaft Hibernia in 
Herne, das Wasserwerk von Thyssen in Mülheim, die Harpener 
Bergwerksaktiengesellschaft in Dortmund, der Bochumer Verein 
und der Schalker Gruben- und Hüttenverein in Gelsenkirchen. 
Die Firma Krupp in Essen zahlte einen neuen laufenden Beitrag. 
Der Etat des Instituts balanziert mit 46 000 Mark. Es wurde die 
Neuanstellung einer Assistentin beschlossen. Die Stadt Gelsen- 
kirchen hat in Erwägung gezogen, ihrerseits dem Institut ein 
besonderes Gebäude zur Verfügung zu stellen. Landeshauptmann 
Dr. Hammerschmidt, der Gründer des Instituts, wurde zum Vor¬ 
standsmitglied gewählt. Dem Direktor des Instituts Dr. Bruns 
wurde für seine aufopfernde und erfolgreiche Tätigkeit der Dank 
des Vorstandes ausgesprochen. 

Der Vorsitzende wurde vom Vorstande gebeten, auch ferner¬ 
hin für die Erweiterung der Mitgliederzahl zu wirken, damit einer¬ 
seits diejenigen entlastet würden, die bisher das für die Allgemein¬ 
heit wirkende Institut unterhalten haben und so eine Verteilung 
der Kosten auf noch breitere Schultern eintrete, andererseits der 
Bestand und die Leistungsfähigkeit des Instituts, in noch höherem 
Masse gesichert würde als bisher. 


Hygienisches Weihwasserbecken. 

In neuerer Zeit hat die Hygiene auch in Kirchen Musterung 
abgehalten und auf die Gefahr der Infektion durch Abendmahlskelche 
und Weihwasser hingewiesen. In letzterem sind angeblich pathogene 
Bakterien entdeckt worden. Mancherorts suchte man der Gefahr 
in wenig ästhetischer Art durch mit Wasser benetzte, in die 
trockenen Becken gelegte, grosse Anstreicherpinsel vorzubeugen, 
woran die Gläubigen die Finger benetzen. In würdigerer Weise 


Digitized by 


Google 



171 


fand ich diese Frage gelöst in einer Kirche in Buenos Aires. 
Dort war in der Mitte des Beckens ein kleiner einige Zentimeter 
hoch steigender Springbrunnen angebracht, welcher sich durch 
mnen Hebel verstärken und abschwächen Hess. Das Wasser floss 
wieder ab, so dass das Becken selbst leer blieb. Heim. 


Der X. Internationale Kongress gegen den Alkoholismus wird 
tagen in Budapest vom 11.—16. September 1905. In Aussicht ge¬ 
nommen sind ausser einem Festvortrag von Gruber-München über 
^Hygiene des Ich“ die Erörterung folgender Themata: 

1. Der Einfluss des Alkohols auf die Widerstandsfähigkeit 
des menschlichen und tierischen Organismus mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Vererbung. 

2. Ist Alkohol ein Nahrungsmittel? 

3. Die kulturellen Bestrebungen der Arbeiter und der Alkohol. 

4. Alkohol und Geschlechtsleben. 

5. Alkohol und Strafgesetz. 

6. Der verderbliche Einfluss des Spirituosenhandels auf die 
Eingeborenen in Afrika. 

7. Die Unterstützung des Kampfes gegen den Alkohol durch 
die Erziehung in Haus und Schule. 

8. Alkohol und physische Leistungsfähigkeit mit besonderer 
Berücksichtigung des militärischen Trainings. 

9. Die hygienische Bedeutung des Kunstweines gegenüber 
dem Alkoholgenuss überhaupt. 

10. Die industrielle Verwertung des Alkohols als Kampfes¬ 
mittel gegen den Alkohol. 

11. Die Reform des Schankwesens. 

12. Die Organisation der Antialkoholbewegung. 


Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege wird 
seine dreissigste Versammlung zu Mannheim in den Tagen vom 

13.—16. September 1905 abhalten, kurz vor der am 24. September 
beginnenden Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in 
Meran. 

Die Tagesordnung lautet: 

I. Typhusbekämpfung. 

Referenten: Stabsarzt Dr. von Drigalski (Kassel), 

Regierungs- und Medizinalrat Dr. Springfeld 
(Arnsberg). 


Digitized by 


Google 



172 


II. Die Bedeutung öffentlicher Spiel- und Sportplätze für 

die Volksgesundheit. 

Referenten: Sanitätsrat Dr. Schmidt (Bonn), 

Oberbaurat Klette (Dresden). 

III. Müllbeseitigung und Müllverwertung. 

Referent: Dr. Thiesing (Berlin). 

IV. Schwimmbäder und Brausebäder. 

Referenten: Sanitätsrat Dr. Kabierske (Breslau), 

Stadtbaurat Beigeordneter Schultze (Bonn). 

V. Selbstverwaltung und Hygiene. 

Referent: Regierungs- und Geheimer Medizinalrat Dr. Roth 
(Potsdam). 


Literaturbericht. 

Gärtner, Leitfaden der Hygiene. [Vierte vermehrte und verbesserte 
Auflage.] (Berlin 1905, Verlag von S. Karger.) 

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 1892 sind 
drei weitere Auflagen des rühmlichst bekannten Lehrbuches not¬ 
wendig geworden, eine Tatsache, die für sich allein schon genügend 
für die Verbreitung und Beliebtheit desselben spricht. In der 
neuesten Ausgabe hat der Verfasser eine Reihe von Kapiteln, ins¬ 
besondere die Infektionskrankheiten einer durchgreifenden Um¬ 
arbeitung unterzogen und auf die Mitteilung der neuesten gesetz¬ 
lichen Bestimmungen besonderen Wert gelegt. Die Zahl der Ab¬ 
bildungen, deren Auswahl und Ausführung als durchaus zweck¬ 
entsprechend anerkannt werden muss, hat eine weitere Vermehrung 
erfahren und ist auf 175 gestiegen. Verfasser hat es verstanden, 
durch die angebrachten Ergänzungen und Verbesserungen ohne 
wesentliche Änderung der Anordnung in allen einschlägigen Fragen 
dem zeitigen Stande der Wissenschaft und den praktischen 
Zielen der angewandten Hygiene gerecht zu werden. Der kompen- 
diöse Charakter des Buches als eines geeigneten Nachschlagewerkes, 
das sowohl den Studierenden wie den Ärzten dienen soll, ist 
unbeeinträchtigt erhalten geblieben. Bliesener (Berlin). 

Schottelius, Bakterien, Infektionskrankheiten und deren Be¬ 
kämpfung. (Stuttgart, Verlag von Moritz 1905.) 

Das Buch ist ein Teilband der I. Serie der Bibliothek der 
Volksbildung, welche dazu bestimmt ist, in einer Reihe von Einzel- 


Digitized by 


Google 



173 


darstellungen geeignete Belehrung über das Wesen der Krank¬ 
heiten und ihre Verhütung in den weiteren Kreisen der Bevölkerung 
zu verbreiten. Schottelius hat sich an Stelle des verstorbenen 
Prof. Büchner der Aufgabe unterzogen, in gemeinverständlicher 
Form die wichtigsten Kapitel der Bakteriologie und ihre Nutz¬ 
anwendung auf die Bekämpfung der Infektionskrankheiten zu 
bearbeiten. Ausser der Biologie der Keime haben auch die bakterio¬ 
logischen Untersuchungsmethoden in ihren Umrissen Aufnahme 
gefunden. Der Hauptnachdruck ist aber auf die Ätiologie der 
ansteckenden Krankheiten und die Mittel zu ihrer Verhütung ge¬ 
legt. Die wichtigsten und bekanntesten Seuchen sind im einzelnen 
kurz und leichtverständlich besprochen. Eine Reihe sorgfältig aus¬ 
geführter Abbildungen ist zur Erleichterung des Verständnisses bei¬ 
gefügt. Dem Inhalt und der Form nach erscheint die vorliegende 
Arbeit sehr wohl geeignet, das allgemeine Interesse für die Auf¬ 
gaben und die Ziele der Hygiene im Kampfe gegen die Infektions¬ 
krankheiten zu wecken und zu fördern. Bliesener (Berlin). 

v. Baumgarten u. Tangl, Jahresbericht über die Fortschritte in 
der Lehre von den pathogenen Mikroorganismen umfassend 
Bakterien, Pilze und Protozoen. 17. Jahrg. (Leipzig 1903. S. Hirzel.) 

Der vorliegende stattliche Jahresbericht umfasst die Referate 
über die Literatur des Jahres 1901. Einer weiteren Empfehlung 
dieses stets an Umfang und Bedeutung wachsenden Werkes, welches 
in dieser Zeitschrift schon zu wiederholten Malen gewürdigt wor¬ 
den ist, bedarf es wohl nicht. Bleibtreu (Cöln). 

Anweisungen des Bundesrats nebst den preussischen Ausführungs¬ 
bestimmungen zur Bekämpfung des Aussatzes, der Cholera, des 
Fleckfiebers, der Pest, der Pocken. [Amtliche Ausgabe. 5 kleine 
Hefte.] (Verlag von Richard Schoetz, Berlin.) 

Zu dem Reichsgesetz über die Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten vom 30. Juni 1900, zu denen bekanntlich ausser den 
in der Überschrift angegebenen Krankheiten nur noch das Gelb¬ 
fieber gehört, sind Anweisungen des Bundesrates und dazu wieder 
in Preussen Ausführungsbestimmungen des Ministers der geistlichen, 
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten ergangen. Nur hinsicht¬ 
lich des Gelbfiebers fehlen solche Vorschriften. 

Manchem, der auf diesem Gebiet beschäftigt ist, wird es sehr 
erwünscht sein, dass die Verlagsbuchhandlung von Schoetz für jede 
einzelne dieser Krankheiten diese bundesrätlichen und ministeriellen 
Bestimmungen in einem für wenig Geld käuflichen Heftchen von 
handlichem Format übersichtlich und praktisch brauchbar zusammen¬ 
gestellt hat. Schneider (Breslau). 


Digitized by 


Google 



174 


Kluczenko, Das französische Gesetz vom 15. Februar 1002 be¬ 
treffend die Förderung der öffentlichen Gesundheit. (Hygienische 
Rundschau 14. Jahrgang 1904.) 

Das Gesetz regelt die sanitären Aufgaben der Gemeinden 
hinsichtlich der Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten, der 
Wohnungshygiene, der Wasserversorgung und Beseitigung der 
Abfallstoffe und enthält ferner Bestimmungen über die Organisation 
der Sanitätsverwaltung. Ein staatlicher medizinisch ausgebildeter 
Gesundheitsbeamter fehlt, der Maire ist verpflichtet, die sanitäts¬ 
polizeilichen Funktionen wahrzunehmen. Der Präfekt ist berechtigt, 
nach Anhörung des Generalrats einen Kontroll- und Inspektions¬ 
dienst zur Sicherung der Durchführung der gesetzlichen Bestim¬ 
mungen einzurichten. In Städten von 20 000 Einwohnern und mehr 
und in Gemeinden von mindestens 2000 Einwohnern, in welchen 
Heilbäder sind, besteht unter der Aufsicht des Maires ein „Bureau 
für Hygiene“, welchem die Durchführung der gesetzlichen Bestim¬ 
mungen obliegt. Für jedes Departement ist ein Departementsrat 
für Hygiene eingerichtet, dessen Vorsitzender der Präfekt ist. Die 
entsprechende beratende Fachbehörde für die einzelnen Sanitäts¬ 
bezirke ist die Sanitätskommission, deren Vorsitzender der Sub¬ 
präfekt ist. Beide Fachbehördeu sind über alle wichtigen gesund¬ 
heitlichen Angelegenheiten innerhalb der Grenzen ihres Verwaltungs¬ 
bezirks zu beiragen. Für die Befugnisse des Polizeipräfekten in 
Paris und des Seinepräfekten sowie über die ihnen zur Seite 
stehenden Fachräte gelten besondere Bestimmungen. Die oberste 
Landes-Fachbehörde ist das konsultative Komitee für öffentliche 
Hygiene, welches aus 45 Mitgliedern besteht und in allen Angelegen¬ 
heiten der öffentlichen Gesundheitspflege, sowie der Ausübung der 
Medizin und der Pharmazie befragt werden kann. Auch die 
Akademie der Medizin in Paris kann in einzelnen Fragen zur 
Abgabe eines Gutachtens herangezogen werden. 

In jeder Gemeinde ist der Maire verpflichtet, Anordnungen zu 
erlassen, durch welche die Bekämpfung der ansteckenden Krank¬ 
heiten, die Wohnungshygiene und die Trinkwasserversorgung sowie 
Abwasserbeseitigung geregelt wird. Der Präfekt genehmigt die¬ 
selben oder erlässt selbst die entsprechenden Verfügungen, falls 
der Maire innerhalb Jahresfrist seiner Verpflichtung nicht nach¬ 
kommt. Den Präfekten wurde durch Rund-Erlass vom 30. Mai 
1903 das Schema eines Sanitätsreglements für Städte und ein solches 
für Landgemeinden mitgeteilt. Die Krankheiten, bei welchen die 
Anzeigepflicht obligatorisch ist, sind gleichmässig für alle Bezirke 
von dem Präsidenten der Republik bezeichnet; es sind im ganzen 
13, unter welchen auch die Masern und die Ophthalmien der 
Neugeborenen aufgenommen sind. Die Anzeigepflicht kann bei 


Digitized by 


Google 



175 


acht weiteren ansteckenden Krankheiten vorgeschrieben werden, 
von denen Lungentuberkulose, Influenza, Pneumonie und Keuch¬ 
husten hier hervorgehoben werden mögen. Die Impfung ist all¬ 
gemein für das 1., 12. und 21. Lebensjahr vorgeschrieben. Zwangs 
desinfektion bei den anzeigepflichtigen ansteckenden Krankheiten 
ist vorgesehen. Die Durchführung ist Sache der Gemeinden in den 
Ortschaften mit mehr als 20 000 Einwohnern, in den Ortschaften 
unter 20 000 Einwohnern Sache des Departements. In Epidemie¬ 
zeiten hat der Präsident der Republik nach Anhörung des konsul¬ 
tativen Komitees das Recht zur Anordnung von Sondermassnahmen. 
Wenn in drei aufeinanderfolgenden Jahren die Anzahl der Sterbe¬ 
fälle einer Gemeinde den Durchschnitt für den Staat überschreitet, 
hat der Präfekt eine Enquete über die gesundheitlichen Verhält¬ 
nisse durch die Fachbehörden zu veranlassen. Erforderliche Assa¬ 
nierungsarbeiten können alsdann der Gemeinde von dem Präfekten 
auferlegt werden. 

Hinsichtlich der Wasserversorgung ist allgemein vorgeschrieben, 
dass bei Erwerbung des Quellenterrains auch ein Schutzrayon für 
die Quelle vorzusehen ist, auf welchem ohne Genehmigung des 
Präfekten weder menschliche Dejekte abgelagert, noch Brunnen 
abgeteuft werden dürfen. 

Sehr eingehend sind die Bestimmungen über die Wohnungs¬ 
hygiene. Eine Bauerlaubnis ist vorgesehen, für deren Erteilung 
gesundheitliche Anforderungen mit massgebend sind. Erscheint ein 
Haus gesundheitlich bedenklich, so hat der Maire und auch der 
Präfekt die Sanitätskommission zur Begutachtung aufzufordern. 
Je nach dem Ergebnis desselben kann die Bewohnung untersagt 
oder es können bauliche Veränderungen angeordnet werden. Es 
kann dabei zur Bildung eines Assanierungsrayons geschritten 
werden, innerhalb dessen sämtlichen Eigentümern zur Beseitigung 
von Misständen Auflagen gemacht werden können. Der Maire hat 
die Pflicht, durch genaue Vorschriften die Reinhaltung der Häuser 
und deren Zubehör, der möblierten vermieteten Wohnungen und 
anderweitiger Ansiedlungen zu sichern. 

Die Organisation der Sanitätspolizei in Frankreich unter¬ 
scheidet sich demnach sehr wesentlich von der unsrigen in Preussen. 
Es bestehen obligatorische Gemeindesanitätsreglements, während 
die allgemein gesetzliche Regelung nur einzelne besonders wich¬ 
tige Punkte betrifft. Das Prinzip der Dezentralisierung ist somit 
weit schärfer in Frankreich zum Ausdruck gekommen als bei 
unseren Einrichtungen in Deutschland bezw. Preussen. Ferner ist 
hervorzuheben, dass den Verwaltungsbehörden keine fachmännisch 
geschulte Beamte, sondern Fachkommissionen zur Seite stehen, die 
nur in Einzelfällen bei der Ausführung der gesetzlichen Bestimmungen 


Digitized by 


Google 



176 


mitzuwirken berufen sind. Besonderes Interesse beanspruchen die 
ziemlich weitgehenden Ausnahmebestimmungen für Assanierung: bei 
hoher Sterblichkeit einer Gemeinde. Das Gesetz ist erst seit zirka 
einem Jahr, 19. Februar 1903, in Kraft, die Zeit daher, wie Kluc- 
zenko mit Hecht ausführt, noch zu kurz, um ein Urteil über den 
Einfluss desselben zu gestatten. Bliesener (Berlin). 

Bloch, Die hygienischen Fortschritte der Stadt Beuthen (Ober¬ 
schlesien) innerhalb des letzten Dezenniums. (D. V. f. ö. G. f 36. Bd., 
4. H.) 

Verfasser schildert zunächst die fast hundertjährigen Be¬ 
mühungen der im Oberschlesischen Kohlenrevier gelegenen Stadt 
Beuthen um eine quantitativ und qualitativ genügende Wasser¬ 
versorgung. Bis vor kurzem noch auf das Wasser verschiedener 
im Betriebe befindlicher Kohlengruben angewiesen, ist es der Stadt 
endlich gelungen, nachdem im Jahre 1896 von ihren 43,134 Ein¬ 
wohner 1498 an Typhus erkrankt und 80 gestorben waren, mit 
einwandfreiem Leitungswasser aus der ausser Betrieb gesetzten 
Rosaliengrube versorgt zu werden. 

Die Typhusepidemie des Jahres 1896 gab auch den Anstoss 
zu der Ausarbeitung eines den heutigen Anforderungen entsprechenden 
Kanalisationsprojektes der Stadt Beuthen und des Vorortes Ross¬ 
berg. Nach mehrjährigen Verhandlungen, deren Abschluss der 
eigentliche Urheber des Projektes Ingenieur Mairich nicht mehr 
erleben sollte, wurde ein gemischtes Trenn- und Schwemmsystem 
und eine mechanische Vorklärung in Schlammbassins mit biologischer 
Nachklärung in kontinuirlich wirkenden Dunbarschen Tropfkörpern 
gewählt. 

Der erhaltene Schlamm soll entweder in Trockentrommeln zu 
Düngepulver verarbeitet oder in Müllverbrennungsöfen mit dem 
Müll verbrannt oder schliesslich in Abfuhrwagen der Landwirtschaft 
übergeben werden. 

Zugleich wurde in Verbindung mit dem Krankenhause eine 
Desinfektionsanstalt errichtet und auf städtische Kosten eine Anzahl 
von Personen als Desinfektoren ausgebildet. 

Schliesslich bespricht Verf. noch die Errichtung einer Bade¬ 
anstalt, die Ventilation und Heizung der mit „Einsitzern 0 als Schul¬ 
bänken ausgestatteten neuen Ober-Realschule und einige weitere 
hygienische Errungenschaften. 

Man wird der Stadt Beuthen hiernach nicht die Anerkennung 
versagen können, im letzten Dezennium gewaltige Fortschritte in 
der Assanierung gemacht zu haben. Nauck (Hattingen). 


Digitized by 


Google 



Schniening, Krieg und Frieden. [Sonderabdruck aus dem Handbuch 
der Hygiene von Weyl.] (Verlag von G. Fischer. Jena 1904.) 

Die gewaltigen Einwirkungen, welche kriegerische Ereignisse 
auf wirtschaftliche und kulturelle Zustände ausgeübt haben, sind 
in vielen trefflichen Werken beschrieben worden, während die 
Einwirkungen von Kriegs- und Friedenszeiten auf die sozialhygie¬ 
nischen Gebiete bisher in einer geschlossenen Arbeit nicht behandelt 
worden sind. Verfasser hat sich dieser Aufgabe unterzogen und 
bespricht den Einfluss von Krieg und Frieden in demologischer, 
in epidemiologischer, in sozialer und moralstatistischer und endlich 
in hygienischer Beziehung. Am Schlüsse ist ein ausführliches 
Literaturverzeichnis beigegeben. Im ersten Abschnitt wird nicht 
nur der direkte Einfluss der Kriege durch die Verluste an Gefallenen 
und Gestorbenen und durch die Invaliden, sondern auch der in¬ 
direkte durch die Einwirkung auf Eheschliessungen, Geburten, 
Sterbefälle und Auswanderung besprochen. Der zweite Abschnitt 
behandelt die Seuchen und ihre Folgen, nicht nur hinsichtlich der 
Mortalität, sondern auch für die überlebenden und nachfolgenden 
Generationen, im Anschluss daran die Prophylaxe gegen die Ver¬ 
breitung der Kriegsseuchen und die Schlachtfeldhygiene. Der dritte 
Abschnitt erörtert eine Reihe von Fragen medizinal- und moral¬ 
statistischer Natur, so den Einfluss der Kriege auf den Alkoholis¬ 
mus, die Prostitution, auf Sittlichkeitsverbrechen, Geisteskrank¬ 
heiten und Selbstmorde. Im letzten Abschnitt wird der günstige 
Einfluss geschildert, welchenKriege auf die Entwicklung des Kranken¬ 
haus- und Krankenpflegewesens und der Nahrungsmittelhygiene 
gehabt haben. Es ist klar, dass in den Darstellungen fast aus¬ 
schliesslich von den Einflüssen der Kriege die Rede ist. „Sie sind 
es eben, welche in den normalen Entwicklungsgang der Dinge, 
wie er sich während des Friedens abspielt oder abspielen sollte, 
eingreifen und ihn für längere oder kürzere Zeit in günstigem 
oder unheilvollem Sinne beeinflussen.“ 

Wenngleich die Schrift in erster Linie für den ärztlichen 
Leserkreis bestimmt ist, so verdient sie doch allgemeine Beachtung, 
zumal die fliessende Schreibweise das trockene statistische Material 
so geschickt einzuflechten gewusst hat, dass cs die anregende 
Lektüre nicht stört. Graessner (Köln). 

Bauer, Der Zug nach der Stadt und die Stadterweiterung. [Eine 
rassenhygienische Studie Habilitationsschrift zur Erlangung der venia 
legendi an der Kgl. techn. Hochschule zu Stuttgart.] (W. Kohlhammer. 
Stuttgart 1904.) 

Eine ungemein fleissige und ein reiches Material zusammen- 
fassende, deshalb über die städtische Wohnungsfrage vortrefflich 


Digitized by v^ooQle 



unterrichtende Schrift, die in sechs Abschnitten den Zug zur Stadt, 
die Wohndichte, das Haus, die Stadt und Stadterweiterung, die 
gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Fragen, endlich kurz 
die ästhetischen Fragen in sehr sachlicher Weise behandelt. Ent¬ 
hält die Arbeit auch hauptsächlich bekannte Erfahrungen und 
Urteile, so wird sie doch durch die sachkundige Zusammenstellung 
derselben und durch manche eigene Erwägungen sowohl dem 
Techniker, als dem Arzt und dem Volkswirtschaftslehrer, der aus¬ 
gesprochenen Absicht des Verfassers entsprechend, vieles bringen, 
was ihm bisher ferner lag. Dem Buche ist deshalb eine weite 
Verbreitung zu wünschen. J. Stübben. 

Haase, Gesundheitswidrige Wohnungen und deren Begutachtung vom 
Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege und mit Berücksichtigung 
der deutschen Reichs- und preussischen Landesgesetzgebung. (Berlin, 
Verlag von Julius Springer. 1905.) 

Die sehr beachtenswerte Schrift ist in sechs Abschnitte ge¬ 
teilt, von welchen der erste gesetzliche Unterlagen und gericht¬ 
liche Entscheidungen, der zweite Anforderungen an gesunde Woh¬ 
nungen, der dritte Besichtigungsbefunde von gesundheitlich unzu¬ 
reichenden Wohnungen enthält, während im vierten Abschnitt der 
Einfluss der gesundheitlich unzureichenden Wohnungen auf die 
Bewohner, im fünften die Begutachtung gesundheitswidriger Woh¬ 
nungen erörtert wird und im sechsten Abschnitt gewisse Schluss¬ 
folgerungen vorgetragen werden. Die wichtigsten Teile der Schrift 
sind der vierte und fünfte Abschnitt, die für den Hygieniker wie 
für den Techniker eine Fülle lehrreicher Darlegungen enthalten. 
Besonders die mitgeteilten Begutachtungen und gerichtlichen Ent¬ 
scheidungen geben dem ausübenden Wohnungsbeamten, Arzte und 
Techniker ein sehr willkommenes Material. Die Schlussfolgerungen, 
obwohl sie den Gegenstand nicht erschöpfen, verdienen unbedingte 
Zustimmung: Wohnungsordnung, Wohnungsaufsicht und gesund¬ 
heitliche Ausgestaltung der Bauordnungen, das sind zweifellos Grund¬ 
lagen für die im Wohnungswesen notwendigen hygienischen Fort¬ 
schritte. Die Haase’sche Schrift verdient weite Verbreitung und 
Beachtung in deü Kreisen der praktischen Hygieniker sowie der 
Polizei- und Gemeindeverwaltungen. J. St. 

Nussbaum, Der Hof des Wohnhauses. (Hyg. Rundschau 1904, 1033). 

In kleinen Städten bietet das Strassenleben oft ein höheres 
Interesse für die Mehrzahl der Hausbewohner als der Hof, welcher 
dort landwirtschaftlichen und gewerblichen Zwecken zu dienen hat. 
Die Grosstadtstrasse mit ihrem Verkehrsgeräusch und Verkehrs¬ 
staub ist jedoch im allgemeinen nicht besonders erfreulich in ihrer 


Digitized by v^ooQle 



179 


Wirkung auf das Wohnen, darum ist man in Grossstädten auf den 
Hof angewiesen, wenn man höhere Ruhe geniessen will. In den 
romanischen Ländern und im Orient galt der Hof seit dem Alter- 
tume als Perle des Hauses und so ist es vielfach dort auch heute 
noch; in Deutschland dagegen wird er meist vernachlässigt, alles 
Unschöne und selbst das Hässliche wird ihm zugekehrt, als ob es 
dort dem Auge entzogen sei. Der Hof sollte eine gärtnerische 
Durchbildung als Schmuckhof erfahren; das Ideal wäre das Zu- 
samraenfügen der Höfe des gesamten Baublockinnem zu einem 
Parke, der nicht oder nur durch Hecken untergeteilt ist. 

Grosse-Bohle (Cöln). 

Ficker, Ueber die Aufnahme von Bakterien durch den Respirations¬ 
apparat. (Arch. f. Hyg., 53. Bd., 1. Heft, S. 50—66.) 

Nachdem es durch Verftitterung leicht wieder zu erkennender 
saprophytischer Keime sichergestellt war, dass die Schleimhaut 
des kindlichen Magendarmkanals nicht als keimdicht angesehen 
werden kann, musste sich die Frage aufdrängen, ob denn diese 
Eigentümlichkeit der Magendarmschleimhaut allein zukomme, oder 
ob nicht der jugendliche Organismus auch anderwärts mit unzu¬ 
reichenden Schutzmitteln gegenüber dem Eindringen von Mikro¬ 
organismen ausgestattet sei. Es lag nahe, hierbei das Augenmerk 
zunächst auf den Atmungsapparat zu richten. 

Bei den vom Verfasser angestellten Versuchen ergab sich, 
dass bei sechs säugenden Versuchstieren, die einem Spray von 
Prodigiosus ausgesetzt waren, ausnahmslos im Blut, in zwei Fällen 
auch in der Leber die verstäubten Keime enthalten waren. Auch 
die weiteren Versuche berechtigen zu dem Schlüsse, dass bei Säug¬ 
lingen die grössere Bakteriendurchlässigkeit dem Magendarmtractus 
nicht allein, sondern auch den Atmungsorganen zukommt. Wenn 
es noch der Beweise bedurft hätte, dass gerade der kindliche Organis¬ 
mus den Infektionserregern eine breitere Angriffsfläche darbietet, 
so muss die festgestellte Tatsache des geringeren Schutzes des 
Verdauungs- und Atmungsapparates, die der täglichen ärztlichen 
Erfahrung eine experimentelle Stütze gibt, dazu auffordern, noch 
weitergehende Massnahmen als die bisherigen zur Verhütung von 
Säuglingsinfektionen zu ergreifen. Mastbaum (Cöln). 

Lehmann, Experimentelle Studien über den Einfluss technisch und 
hygienisch wichtiger Gase und Dämpfe auf den Organismus. 

[Studien über „Chlorakne“.] (Arch. f. Hyg., 36. Bd., Heft 4, S. 322—337.) 

Seit 1895 wird die elektrolytische Herstellung des Chlors 
im Grossen durchgeführt und kurz darauf wurden die ersten Fälle 
von Chlorakne beschrieben. Es ist dies eine reine multiple Affektion 

Centralblatt f. allpr. Gesundheitspflege. XXIV. Jahr*?. 12 


Digitized by v^ooQle 



180 


der Talgdrüsen. Als Allgemeinsymptome treten auf: Kopfweh, Schlaf¬ 
losigkeit, Appetitlosigkeit, Abmagerung, Anaemie, Schwindel. Wahr¬ 
scheinlich ist ein Chlorierungsprodukt schuld an dieser Erkrankung. 
Hierüber stellte Verfasser Versuche an Tieren an. 

Die mühsamen und ziemlich kostspieligen Versuche haben 
nun keine positiven Erfolge gehabt und bleibt die Chlorakne un¬ 
aufgeklärt. Es kann daran schuld sein: 

1. Das wirkliche Gift wurde nicht verwendet. Dies ist mög¬ 
lich, aber nicht gerade wahrscheinlich. 

2. Der richtige Einverleibungsweg wurde verfehlt. Dies ist 
unwahrscheinlich, da die verschiedenen denkbaren Wege versucht 
wurden. 

3. Tiere erkranken nicht an Chlorakne. Dies ist die wahr - 
scheinlichste Erklärung. 

Als Massregeln gegen den Ausbruch der Krankheit sind zu 
empfehlen: 

1. Ausschluss aller Personen, die nach einiger Zeit leichte 
Akneerkrankung oderauch nur stärkere Comedonenentwicklungzeigen. 

2. Abkühlenlassen der zu reinigenden Zellen vor der Eröff¬ 
nung. Beseitigung des organischen chlorhaltigen Zellschlammes. 

3. Sorgfältige Hautpflege bei allen Arbeitern durch tägliche 
Brausebäder, deren Dauer als Arbeitszeit gerechnet wird. 

Mastbaum (Cöln). 

Stich, Eine neue Methode zur Bestimmung des Luftstaubes und 
ihre Verwendung zur Prüfung eines neuen Wasserspreng- 
apparates. (D. V. f. ö. G., 36. Bd., 4. H.) 

Verfasser benutzte zur Bestimmung des Staubgehaltes eine im 
Prinzipe zuerst von Vörner angegebene Methode, die darauf beruht, 
dass Staubkörnchen, die auf schwarzen glatten Lackflächen nieder¬ 
gefallen sind, mit dem Mikroskope unter seitlicher Auerlicht-Be- 
leuchtung gut gezählt werden können. Er gibt eine ganze Reihe 
von Beispielen, in denen sich diese einfache Methode auf das Beste 
bewährt hat, zur Konstatierung des Staubgehaltes der Luft im 
Freien und in geschlossenen Räumen und empfiehlt zum Schlüsse 
auf Grund der Beobachtung, dass es am besten gelingt, den Staub¬ 
gehalt der Luft durch künstlichen Regen zu vermindern, einen 
namentlich für Turnhallen geeigneten Wassersprengapparat. 

Nauck (Hattingen). 

Berghaus, Der „Vacuumreiniger (( , ein Apparat zur staubfreien 
Reinigung der Wohnräume. (Arch. f. Hyg., 53. Bd., 1. Heft, S. 67—77.) 

Bei der grossen Bedeutung, welche die Luft für die Gesund¬ 
heit des Menschen hat, mussten ihre Verunreinigungen bald die 


Digitized by 


Google 



181 


Aufmerksamkeit der Hygiene auf sich lenken und diese veranlassen, 
geeignete Mittel und Wege ausfindig zu machen, die nach Möglich¬ 
keit die gesundheitsschädlichen Einflüsse beseitigen oder doch ab¬ 
schwächen. 

Unter den Verunreinigungen verdienen vom hygienischen 
Standpunkte aus die staubförmigen besondere Beachtung, da sie 
abgesehen von den mechanischen Schädigungen der Luftwege auch 
Krankheitserreger in sich bergen. 

Ein Vorgang, bei dem eine mehr oder minder grosse Staub¬ 
entwickelung stattfindet, spielt sich fast täglich ab bei der Reinigung 
von Wohnräumen und den in ihnen befindlichen Ausstattungsgegen¬ 
ständen durch Kehren, Bürsten und Ausklopfen. Ein Apparat, der 
diesen Übelständen abzuhelfen in der Lage ist, wurde vor kurzem 
von England aus in Deutschland eingeführt, der „Vacuumreiniger 
bezw. Vacuum Cleaner“. Das Prinzip hierbei ist, durch Saugluft 
die Staubpartikelchen aufzusaugen, zu sammeln und zu vernichten. 
Verfasser stellte bei seinen Versuchen fest, dass die Reinigung mit 
diesen Apparaten eine sehr gründliche sei und die Staubentwick¬ 
lung eine ausserordentlich geringe. 

Vom hygienischen Standpunkte betrachtet, bedeuten die 
Vacuum*Reinigungsapparate einen Fortschritt auf dem Gebiete der 
Wohnungshygiene. Mastbäum (Cöln). 

Kisskalt, Eine neue Methode zur Bestimmung der sichtbaren Ver¬ 
unreinigung von Fluss- und Abwasser. (Hyg. Rundschau 1904, 1036.) 

Die sichtbare Verunreinigung des Wassers wird durch Wägung 
der Schwebestoffe oder durch Ermittlung der Durchsichtigkeits¬ 
höhe bestimmt. Verf. hält diese Verfahren für ungenau (?) und 
empfiehlt, in einem verdunkelten Zimmer Lichtstrahlen durch eine 
5 cm hohe Schicht des verschmutzten Wassers fallen zu lassen und 
den Lichtverlust photometrisch zu bestimmen. 

Grosse-Bohle (Cöln). 

Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Schulgesundheits¬ 
pflege. (III. Jahrgang 1902. Zürich, Verlag von Zürcher und Furrer.) 

Das Jahrbuch enthält 1. den Bericht über die Jahresversamm¬ 
lung dieser Gesellschaft am 14. und 15. Juni 1902 in Basel, in dem 
die nunmehr auch in Deutschland aktuell gewordene Frage der 
Freigabe des Nachmittags in der Volksschule und der Beschränkung 
des Unterrichtes, auf den Vormittag dahin beantwortet wird, dass 
im allgemeinen in den Schulen nicht zu viele Unterrichts¬ 
stunden, aber zu viele Sitz stunden und zu wenig körperliche Be¬ 
tätigung der Schüler vorhanden wären; die Frage sei zudem nicht 
allein vom hygienischen, sondern insbesondere auch vom sozialen 


Digitized by 


Google 



182 


Standpunkte zu betrachten: Den Nachmittag schulfrei erklären, 
hiesse der Verwahrlosung der Jugend zumal in Städten und in¬ 
dustriellen Gemeinwesen Tür und Tor öffnen; denn man vergesse 
nicht, dass die Schule für einen grossen Prozentsatz von Kindern 
nicht nur Unterrichts- und Erziehungsanstalt, sondern zugleich 
auch Be wahr an st alt ist; schliesst sie ihre Tore, dann stehen so 
viele der Kinder auf der Strasse, da Vater und Mutter ihrer Be¬ 
schäftigung nachgehen müssen und erst am Abend nach Schluss 
der Arbeitszeit heimkehren. 

2. Einen Vortrag des Regierungsrates Prof. Dr. Burckhardt 
über die Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten in der Schule. 
Es wird daran erinnert, dass in sehr vielen Fällen Masern, Scharlach, 
Keuchhusten und Diphtherie nicht glatt ablaufen, d. h. sie endigen 
nicht mit rascher und völliger Wiederherstellung, sondern sie lassen 
allerhand Nachkrankheiten zurück, welche teils direkt erheb¬ 
liche Leiden verursachen, teils dauernde Infirmitäten schaffen (Gehör¬ 
affektionen, Lungenkatarrhe), ferner die so oft leider übersehene 
Gehirnermüdung besonders nach langen fieberhaften Krankheiten, 
wodurch die Kinder nicht nur geistig träger und unlustig, ja, un¬ 
fähig zu geistiger Arbeit, sondern auch gemütlich affiziert, mürrisch, 
traurig oder gereizt sind. — Bei Masern und Keuchhusten, Mumps, 
Windpocken und Röteln geschieht die Verbreitung sehr häufig und 
offenkundig durch den Schulbesuch, wohingegen bei Diphtherie und 
Scharlach die Schule nicht der gewöhnliche Ort der Acquisition zu 
sein pflegt. (Familie — Haus — Strasse.) Bezüglich der Exclusion 
scharlachkranker Kinder glaubt Bruns, dass drei Wochen, vom Be¬ 
ginn der Erkrankung an gerechnet, genügen, bei Masern 12—14 
Tage seit dem Auftreten des Exanthems, bei Diphtherie 12 Tage 
seit dem Verschwinden der Halserscheinungen, bei Keuchhusten, 
solange die Anfälle einen krampfartigen Charakter haben. Tuber¬ 
kulöse Kinder und Lehrpersonen sind von der Schule auszuschliessen. 
Was das Auswerfen anbelangt, so ständen die Spucknäpfe meist 
unbenutzt in oder auf dem Schranke. Prophylaktisch sind Turnen, 
Schulbäder, Suppenverteilung, Ferienversorgung, Schulspaziergänge 
unbedingt erforderlich. 

3. Referat von Dr. A. Siegrist über Zweck und Methode der 
Augenuntersuchungen in den Volksschulen. Im Jahre 1865/66 fand 
Prof. Cohn in Breslau, dass in den Dorfschulen weniger kurz¬ 
sichtige Schüler sind als in den städtischen Schulen, und dass die 
Zahl dieser Kinder von Klasse zu Klasse steigt, ebenso der Grad 
der Myopie. Derselbe Autor fand, dass jedes scheinbar emme¬ 
tropische Auge nach Atropin-Einträufelung hyperraetropisch wurde 
und bestätigte somit die Behauptung des Petersburger Ophthalmo¬ 
logen Erismann, dass eine leichte Hypermetropie der normale Zu- 


Digitized by 


Google 



183 


stand des jugendlichen Auges sei. Astigmatismus ist bei den 
Schülern ungemein häufig. — Es wird daher die ganze Schüler¬ 
schaft in Zürich z. B. beim Eintritt in die Schule auf ihre Seh¬ 
schärfe untersucht und fehlerhafte Augen nach speziell ophthalmo- 
logischer Untersuchung entsprechend behandelt. 

Dr. A. Steiger, Zürich, referiert dann in extenso über die 
modernen Ziele der Augenuntersuchungen und über die Methode 
dieser letzteren. 

über die neuen Schulhäuser der Stadt Basel spricht Regierungs¬ 
rat H. Reese, dessen Schlussworten die Sehul-Hygieniker nur aus 
vollem Herzen zustimmen können: 

„Hoffen wir, dass auch in Zukunft dem Schulhausbau und 
den auf diesem Gebiete erzielten Fortschritten stets die nötige Be¬ 
achtung geschenkt werde, und dass es, wie bisher, nie an den 
nötigen Mitteln fehlen möge, um diesem wichtigen Zweige der 
öffentlichen Verwaltung nach jeder Richtung hin gerecht werden 
zu können! Doutrelepont (Cöln). 

Kotelmann, Sehulgesundheitspflege. [Ein Teil von Dr. A. Baumeisters 
Handbuch der Erziehung u. Unterrichtslehre für höh. Schulen.] 2. Aufl. 
(München, Becksche Buchhandlung.) 

Obiges Buch gibt in 2 Abschnitten: 1. Hygiene der Schul¬ 
räume, 2. Hygiene der Schüler, dem Lehrer höherer Bildungs¬ 
anstalten, für den das Buch bestimmt ist, in klarer übersichtlicher 
Anordnung des Stoffes Aufschlüsse über den gegenwärtigen Stand 
der Hygiene. Die Übersetzung des Buches ins Englische beweist 
den Anklang, welchen das Buch allerseits gefunden hat. Verfasser 
ist bei der Neubearbeitung der 2. Auflage dem Wunsche vieler, 
eine Erweiterung einzelner Kapitel vorzunehmen, nachgekommen, 
so dass das vorliegende Buch 203 Seiten umfasst unter Beibehaltung 
des Planes und Zweckes des Buches. Damit würde wohl die Aus¬ 
dehnung eines derartigen Stoffes für den Lehrer der höheren 
Schule ihre Grenze erreicht haben, da in unserer heute so schreib¬ 
lustigen Zeit zu viele Bücher in jeder einzelnen Disziplin erscheinen, 
die Sichtung derselben immer schwerer wird, und ausserdem leicht 
rein ärztliche Dinge in den Bereich des Lehrers hineingezogen 
werden können. 

Gleich die Einleitung, die Geschichte der Schul gesund heits- 
pflege in Deutschland fesselt den Leser des Buches. Die Urteile 
grosser Männer unsers deutschen Volkes, Luther, Zwingli, Goethe 
usw. gegenüber denen der Geistlichen des Mittelalters, die im 
Jugendspiel nur ein Mittel des Teufels sehen, bereiten den Leser 
in ausgezeichneter Weise auf den späteren Stoff vor. 

Die Errungenschaften der modernen Hygiene in würdiger An- 


Digitized by 


Google 



184 


erkennung der Verdienste eines Pettenkofer u. a. bilden eine vor¬ 
zügliche Überleitung zum ersten Kapitel, Hygiene der Schulräume. 
Die Lage der Schulzimmer, die natürliche Beleuchtung derselben 
wird mit der Abbildung, Beschreibung und Anwendungsweise der 
Helligkeitsprüfer, was wohl etwas kürzer abgehandelt werden 
könnte, in ein der Bedeutung der Sache entsprechendes Licht ge¬ 
rückt. Die natürliche Ventilation durch Öffnen der Fenster wird 
jeder künstlichen vorgezogen. Das Kapitel über Reinhaltung der 
Schulzimmer usw. schlägt sehr richtig eine geordnete Inspektion 
der Aborte durch Direktor und Lehrer vor, die es zumeist für 
unter ihrer Würde erachten, einen derartigen Ort in Augenschein 
zu nehmen. Nach der Betrachtung der Heizungsanlagen könnte 
wohl bei aller Wichtigkeit der Schulbankfrage künftig eine kürzere 
Darstellung der Schulbänke erfolgen, ohne das wichtige der Sache 
im geringsten zu vernachlässigen. 

Im Mittelpunkt des Buches steht mit Recht die Hygiene des 
Nervensystems der Schüler, welche für Lehrer und Arzt im Mittel¬ 
punkt der ganzen Schulgesundheitspflege an höheren Schulen steht. 
Eingeleitet mit einer kurzen Betrachtung über Gewicht und Be¬ 
schaffenheit der Gehirne grosser Männer wird die Leistungsfähigkeit 
der jugendlichen Gehirne an Diktatproben der verschiedenen Arten 
gemessen, als Massstab für die Ermüdung dienen die mit Mossos 
Ergograph und Griesbachs Aesthesiometer, beide wieder sehr aus¬ 
führlich besprochen, gewonnenen Resultate, die von Kräpelin u. a. 
für sehr ungenau gehalten werden, je nachdem die geistige Tätigkeit 
unter dem Einfluss zahlreicher Faktoren, Ermüdung, Hunger, Ab¬ 
lenkung, Übung, Gewöhnung, Willensanstrengung, Erregung, ge¬ 
schwächt oder gesteigert ist. Nach den hierüber vorliegenden 
experimentell psychologischen Arbeiten kommt vor allem ein nach 
bestimmten Gesichtspunkten für die Stunden des Tages geordneter 
Lehrplan mit richtig angeordneten Erholungspausen in Betracht, 
womit wieder die Frage der geteilten oder ungeteilten Schulzeit 
erg verknüpft ist. Der nötigen Erholung der Schulzeit in den 
Ferien wird in geeigneten Ferienkolonien und auf Reisen gedacht. 
Tritt trotz aller Vakanzen und Vorsichtsmassregeln eine Über¬ 
bürdung der Schüler ein, so liegt die Schuld vielfach an den Eltern, 
die die Kinder zu früh der Schule übergeben, oder die geistige 
Befähigung derselben reicht für die höhere Schule nicht aus, un¬ 
nötige Ablenkung bei den Arbeiten verursachen Besuch von Theatern, 
Gesellschaften usw. Eine Überbürdung mit häuslichen Arbeiten 
darf die zum Schlaf nötigen Stunden nicht kürzen, Klavierstunden 
dürften von Nachhülfe bedürftigen Kindern nicht genommen werden. 
Die unnützen grossen Examenvorbereitungen sind höchst verwerflich. 
Eine richtige Verringerung des Lehrstoffes mancher Unterrichts- 


Digitized by 


Google 



185 


fächer und eine Verbesserung der Unterrichtsmethode haben schon 
viele Übelstände beseitigt, doch bleibt wohl in dieser Hinsicht 
vieles Verbessernswerte übrig, wenn wir uns an unsere noch nicht 
so fern liegende Schulzeit erinnern. Nur so können bei Berück¬ 
sichtigung aller dieser Punkte die einer näheren Besprechung 
gewürdigten häufigen Kopfschmerzen, Nasenbluten, Neurasthenie, 
Hysterie, Geistestörungen im Jugendalter, Selbstmorde immer mehr 
in Wegfall kommen. 

Sehr wünschenswert wäre oft die Vertiefung der Lehrer in 
den Charakter ihrer Schüler, mit Recht werden hier folgende 
Worte Kraft-Ebbings angeführt: 

„Wenn die Pädagogen ein tieferes Studium aus dem Menschen 
auch in seinen pathologischen Verhältnissen machten, so würden 
manche Fehler und Härten der Erziehung wegfallen, manche un¬ 
passende Wahl des Lebenslaufes würde unterbleiben und damit 
manche unglückliche Existenz gerettet werden. Nur zu häufig 
vergessen die Lehrer über dem diddaxeiv das nai&eveiv . 

Den Schluss dieses wichtigen Kapitels bilden Erörterungen 
über den Alkoholgenuss und das Rauchen. Bis zum 14. Lebens¬ 
jahre sollte kein Kind Wein, Bier, Tee oder Kaffee zu trinken be¬ 
kommen. Wa3 in dem Buche hierüber gesagt ist, können auch 
wir aus unserer eigenen Schulzeit nur bestätigen. Der Schirlings- 
Vergiftung des Sokrates wurde immer und immer wieder gedacht, 
dass Alkohol ein Gift sei, hat uns kein Lehrer gesagt, der Genuss 
desselben wurde ev. mit Karzer bestraft. Geeignete Unterweisungen 
über die Wirkung des Alkohols könnten sehr gut im Naturgeschichts¬ 
unterricht, Geschichtsunterricht und in der Religionsstunde ge¬ 
legentlich mit eingeflochten werden, auch könnten gemeinsame 
Spaziergänge und grössere Vorträge der Lehrer hier sehr viel 
Gutes stiften. 

Das nächste Kapitel verbreitet sich über die Hygiene des 
Auges, Ohres, der Stimm- und Sprachorgane, bei aller Wichtigkeit 
des Sehorganes könnte es doch wohl vom Verfasser als Augenarzt 
künftig etwas kürzer abgehandelt werden, ohne wirklich Wichtiges 
hierbei zu übergehen. 

Im Schlusskapitel werden die Rückgradsverkrümmungen ent¬ 
sprechend gewürdigt. In wohl etwas mehr als ausführlicher Weise 
werden die durch die Schule so häufig Verbreitung findenden 
Infektionskrankheiten besprochen, die Beschreibung der Krank¬ 
heiten dürfte wohl, da das Buch für den Lehrer berechnet ist, 
etwas zu ausführlich sein. Mit Betrachtungen über den unsittlichen 
Verkehr unter Schülern schliesst das wertvolle Buch. 

Brehmer (Solingen). 


Digitized by 


Google 



186 


Weygandt, Beitrag zur Lehre von den psychischen Epidemien. 

(Halle a. S. 1905. Carl Marhold.) 

Die Ausführungen desVerf. sollen an der Hand anschaulicher 
Beispiele die Frage behandeln, wie von Seiten eines geistig abnormen 
Individuums Einflüsse in psychopathologischem Sinne auf andere 
Individuen ausgehen. 

Er ist der Ansicht, dass man viel zu schnell mit der Annahme 
einer rein psychischen Infektion bei der Hand sei, wo es sich bei 
näherer Betrachtung herausstellt, dass das angesteckte Individuum 
keineswegs psychisch intakt und die Frage erlaubt war, ob dessen 
Psychose lediglich dem Einfluss des kranken Individuums zuzu¬ 
schreiben oder am Ende nicht auch ohne diesen Einfluss ein¬ 
getreten wäre. 

Jedenfalls ist diese Art der psychischen Auslösung einer 
Geistesstörung weit häufiger als die Übertragung auf eine nicht 
von vorn herein zur Erkrankung disponierte Person, als die Ein¬ 
pflanzung psychopathischer Züge von einem Geisteskranken in die 
Krankheitsäusserungen eines zweiten Patienten, oder endlich der 
von einem Geisteskranken ausgehende psychopathologische Einfluss 
auf geistig Gesunde. 

Gerade in dieser letzten Gruppe liegt die soziale Gefahr einer 
psychischen Epidemie, und hier muss die aufklärende Arbeit des 
Irrenarztes über das Wesen des Irreseins eingreifen, weiterhin die 
Hebung der Bildung und des Urteils grosser Volksmengen, und 
schliesslich im einzelnen Falle das geschickte Eingreifen der Be¬ 
hörden und die Fürsorge für die wirklich Erkrankten. 

Dass hier noch manches zu tun ist, hat W. an zwei eingehend 
behandelten Fällen gezeigt, und daher der Wert seiner Arbeit als 
ein Beitrag zur Verhütung künftiger Gefahren durch psychische 
Epidemien. P elman. 

Müller, Mein System. (Leipzig, K. F. Köhler.) 

Empfehlung und ausführliche Schilderung aktiver Gymnastik 
— jeder Muskel wird systematisch für kurze Zeit in Tätigkeit ge¬ 
setzt — zur Kräftigung des Körpers und Vermeidung von Krank¬ 
heiten. Ausserdem werden frische Luft, kaltes Wasser, Sonnen¬ 
bäder, Frottierung der Haut und passende Diät etc. empfohlen. 

Der ganze Prozess nimmt täglich nur x / 4 Stunde in Anspruch. Der 
Körper soll dadurch gestärkt, geschmeidig, beweglich und tüchtig i 

werden. Ein guter und zeitgemässer Wink eines Nichtmediziners. j 

Immerhin ist das Jahnsche Turnen, und sei es nur an zwei Stunden 
pro Woche, vorzuziehen. Cr am er (Cöln). 


Digitized by e^ooQle 




187 


Vierordt, Die Säuglingsabteilung, Säuglingsambulanz und Milch¬ 
küche der Luisen-Heilanstalt (Kinderklinik) zu Heidelberg. (Stutt¬ 
gart, Verlag C. H. Moritz 1904). 

Nach Heubners, Biederts und Schlossmanns Vorgehen will 
auch Verfasser die Sterblichkeit unter den Säuglingen vermindern 
und die Widerstandsfähigkeit und ihr Gedeihen erhöhen. Er er¬ 
blickt die Lösung dieser Aufgabe 1) in der Propaganda zur Ver¬ 
breitung des Selbststillens seitens aller Mütter, die dazu fähig sind, 
2) in der Einführung einer gesunden und vernünftigen künstlichen 
Ernährung durch wissenschaftliche Arbeit und Belehrung der 
weitesten Volksschichten. 

Was speziell für die Pflege und Ernährung der Säuglinge 
und zwar erst in der allerneusten Zeit geleistet ist, gliedert sich 

I. in die wissenschaftliche Arbeit über Säuglingsverdauung 
und -ernährung, über Frauenmilch, Kuhmilch und andere Säuglings¬ 
nahrungsmittel, 

II. in die Schöpfung von Anstalten zum praktischen Zweck. 

1. Anstalten zur Propaganda des Stillens. 

Die Propaganda hat bei den Müttern in den ersten Tagen 
des Wochenbettes einzusetzen. Abgesehen von der Einwirkung 
auf die Gesinnung der jungen Mädchen durch Schulen etc., ab¬ 
gesehen von der Tätigkeit der praktischen Ärzte, Hebammen und 
Wochenpflegerinnen (letzteren wäre diese Propaganda instruktions- 
gemäss zur Pflicht zu machen), kommt hier die Wirksamkeit der 
Gebäranstalten, Frauenkliniken, Wöchnerinnenasyle in Betracht. 
Endlich haben dieser Propaganda zu dienen die Säuglingsspitäler, 
Findelhäuser und Krippen. 

Stationen für kranke Säuglinge gibt es nur in Deutschland 
und Deutschösterreich. 

Natürlich können die meisten Ammen nur ein gesundes Kind 
von normalem Appetit stillen, stellt man daher in solchen Anstalten 
Ammen an, so vernachlässigt man deren Kinder. Es gibt ver¬ 
schiedene Wege, um den erwähnten Übelstand zu vermeiden oder 
abzuschwächen: 

a) Die Amme stillt ihr eigenes Kind mehrere Monate, setzt 
es dann ab und übernimmt ein anderes. (In Frankreich 
teilweise glänzende Erfolge.) 

b) Die Amme stillt ihr eigenes und ein oder selbst mehrere 
atrophische Künder unter Hinzunahme von Beikost. 
Manche Ammen können durch hohe Anforderungen an 
ihre Brustdrüsen und richtige Ernährung etc. zur Ab¬ 
sonderung sehr beträchtlicher Mengen tadelloser Milch 
erzogen werden, bis 3 Liter und mehr den Tag. 

c) Den Ammen, welche sich für anderer Leute Kinder zur 


Digitized by 


Google 



188 


Verfügung stellen, wird eine Unterkunft für ihre eigenen 
Kinder mit garantiert guter, überwachter, künstlicher Er¬ 
nährung besorgt (Dresden, Solingen-Haan); ein schon nicht 
mehr ganz unbedenkliches System. 

Da wir aber leider die Wirkung der Propaganda des Selbst¬ 
stillens nicht abwarten können, so gilt es inzwischen die künstliche 
Ernährung zu heben, in erster Linie die Kuhmilchernährung 
(Ziegenmilchernährung!). Wo es möglich ist, mit humanitären 
Anstalten gleichzeitig eine Förderung der Wissenschaft durch 
Laboratorien und exakte klinische Beobachtung zu fördern, sollte 
es geschehen. Man dient damit, soweit die Sache in den rechten 
Händen liegt, erst recht der Humanität. 

Die Bestrebungen um Besserung der künstlichen Ernährung 
haben bei der Kuh zu beginnen, ihrer Fütterung und Haltung, 
ihrer gesundheitlichen Beurteilung und Überwachung, mit StalL 
und Melkkontrolle, Organisation der Behandlung der Milch vom 
Augenblicke an, da sie das Euter verlässt. 

Wesentlich ist, dass man Erreichbares anstrebt. Die Grenze 
ist aber durch den Milchpreis gesetzt. Der dämpft natürlich den 
Enthusiasmus für Musterställe und dergleichen. Wir erstreben 
Besserungen, die in die weiteste Breite gehen können. 

Die Erfahrung führte überall dazu, dass man Erfolge nur 
von vollkommen trinkfertiger Nahrung, also auch von Einzel¬ 
portionen erwarten kann. 

(Einrichtung von Säuglingsmilchküchen, Gouttes de lait, unter 
sachverständiger, also ärztlicher Leitung.) 

Das Ideal zur Hebung der Säuglingsernährung würde in 
einem komplizierten Organismus von Anstalten bestehen, also etwa 
folgendermassen: 

Angelehnt an eine Gebäranstalt oder ein Wöchnerinnenasyl, 
am besten an beide, ist eine „Säuglingssprechstunde“, in welcher 
die Kleinen wöchentlich vorgeführt, gewogen und ärztlich unter¬ 
sucht werden. Die Mütter, von Anfang an zum Selbststillen er¬ 
mahnt, würden hier Lob und Ermunterung. Unterstützung, Be¬ 
lohnung erhalten — oder aber über künstliche Ernährung belehrt. 

In unmittelbarer Beziehung hiermit: Station für gesunde 
Säuglinge, die aufgenommen werden, falls ihre Mütter mit dem 
besten Willen nicht für ihre Kinder sorgen können, und zwar 
entweder in ganzer Station (Findelhaus) oder Tagesstation (Krippe) — 
beide mit Ammen; weiterhin damit verbunden eine Station für 
kranke Säuglinge, wieder mit Ammen; ferner in direkter Ver¬ 
bindung eine Milchküche für Abgabe trinkfertiger künstlicher 
Nahrung für die Station und nach aussen; diese in Verbindung 
mit einem tadellosen, kontrollierten Stall; dazu käme eine „orga- 


Digitized by 


Google 



189 


nisierte sog. Aussenpflege“ derart, dass die Kinder, deren Mütter 
nicht pflegen oder stillen können, zur Brust oder künstlichen Er¬ 
nährung und Pflege an vollkommen zuverlässige, kontrollierte 
Frauen in Privathäuser gegeben werden; endlich Untersuchung 
und Überwachung aller häuslichen Verhältnisse der Säuglinge bei 
Müttern und Pflegemüttern.“ 

Ein solches Institut würde auch Säuglingspflegerinnen aus¬ 
bilden, junge Damen in ihren Beruf als künftige Mütter einführen. 
Es könnte endlich ein Durchgangspunkt, eine Prüfungsanstalt und 
Schule für Ammen sein. Durchführbar wäre dieser Organismus 
nur in einer Grossstadt. Die Gefahr, dass Mütter ihre Kinder 
vollständig der Anstalt überlassen, und dass Selbststillen der Mutter 
infolge der verbesserten künstlichen Ernährung zurücktritt, ist 
nicht gering. (Festes Auftreten der Ärzte, Pflegerinnen wohltätiger 
Personen.) 

Milchküchen allein von Laien ohne ärztliche Beratung geleitet 
sind bedenklich. Doch können wir Milchküchen keinesfalls ent¬ 
behren. 

Es sollte einer Säuglingsstation möglichst eine organisierte 
Aussenpflege angegliedert werden, weil Säuglinge mit Rücksicht 
auf die Mütter nie allzu lange in Stationspflege gehalten werden 
sollten. 

Im Anschluss an sein „Programm“ gibt der Verfasser eine 
Beschreibung der Anstalt an der Hand von Plänen und Abbildungen, 
die im Buche selbst neben der Anschauung zu studieren sind. 
Die Einrichtungen sind wissenschaftlich und technisch vorzüglich 
und — komfortabel, die dienenden und pflegenden Hände reich¬ 
lich, das ganze eine Musteranstalt. Neidisch möchte man sagen: 
zu musterhaft, um Muster sein zu können für die weitesten Kreise, 
gerade die, deren Säuglinge der Anstalten am dringendsten bedürfen, 
der unverheirateten, armen Mütter. Nebel (Solingen-Haan). 

Aigre, La „Goutte de lait“ et les „Consult&tions de nourrissons“ 
de Boulogne-sur-Mer. (Annales d’hygi&ne publique November 1904.) 

Zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, die ja für unsere 
westlichen Nachbarn bei dem dortigen Rückgang der Bevölkerungs¬ 
zahl noch wichtiger ist als für uns, hat man in Boulogne-sur-Mer 
drei Einrichtungen getroffen. Bei den sogenannten Secours d’allaite- 
ment bekommen die Mütter von Neugeborenen eine tägliche Geld¬ 
unterstützung unter der Bedingung, dass jene selbst stillen und 
wöchentlich ihre Kinder einmal vorstellen. Bei der Goutte de lait 
wird sterilisierte und der Frauenmilch ähnlich gemachte Kuhmilch 
an die Mütter der Säuglinge verteilt, bei den Consultations de 
nourrissons sollen unentgeltlich die Säuglinge gewogen und gute 


Digitized by 


Google 



190 


Ratschläge für ihre Ernährung den Müttern erteilt werden. Doch 
hat im ersten Jahre ihres Bestehens von dieser letzten Einrichtung 
keine einzige Mutter Gebrauch gemacht. Durch die beiden andern 
Einrichtungen glaubt Verfasser schon eine günstige Beeinflussung 
der Säuglingssterblichkeit in Boulogne-sur-Mer beobachtet zu haben. 

Schneider (Breslau). 

Albrand, Die Kostordnung an Heil- und Pflegeanstalten. (Leipzig 
1903. H. Hartung & Sohn.) 

Die in diesem Büchlein abgefasste Kostordnung wird allen 
denjenigen willkommen sein, denen bei Aufstellung eines Speise¬ 
regulativs eine schnelle Orientierung über das Wissenswerteste der 
massgeblichen theoretischen Faktoren und deren praktische Nutz¬ 
anwendung erwünscht ist. Bleib treu (Cöln). 

Long-Preusse, Praktische Anleitung zur Trichinenschau. [VI. Aufl. 
von M. Preusse.] (Berlin 1905. Richard Schoetz.) 

Als leicht fasslicher Leitfaden hat sieh das vorliegende Werk 
seit langem bewährt. Verf. ist bemüht gewesen, die neue Auflage 
den Bestimmungen des Reichsfleischbeschaugesetzes anzupassen und 
gibt die diesbezüglichen Bestimmungen als Anhang. Preusse gibt 
das Wissenswerte über die Entwicklung der Trichinen in anschau¬ 
licher knapper Form und nach seinen Angaben über die Art und 
Weise der Ausführung der Trichinenschau kann man sich ohne 
weiteres zurechtfinden. 

Bei Besprechung der gesundheitsschädlichen Finnen wäre es 
angebracht, dass auch die Kennzeichen der unschädlichen Finnen 
kurz angegeben werden. Auch wäre es wünschenswert, dass der 
Organisation der Trichinenschau an den öffentlichen Schlachthöfen, 
namentlich hinsichtlich der Buchführung, mehr Beachtung geschenkt 
würde. Kühnau. 

Mosny. La nocivitE des hultres et 1’insalubritE des Etablissements 
ostrEicoles. (Annales d’hvgiene publique et de medecine legale. 
NumEro de Novembre 1904.) 

Nach der Schilderung des Verfassers ist die Austernzucht in 
Frankreich wegen einiger kleinen Epidemieen, die durch das Essen 
von Austern entstanden sind, etwas in Misskredit geraten. Wie 
Mosny ausführlich auseinandersetzt, sind daran aber die Austern 
selbst nicht schuld, sondern die nach Austerngenuss beobachteten 
Cholera- oder ruhrartigen Erscheinungen, einfachen Magendarm¬ 
katarrhe und Typhen, welche letztere übrigens nach Mosny häufiger 
zum Tode führen als die Typhen aus anderer Ursache, beruhen 
lediglich auf Übertragung von Krankheitsstoffen aus verunreinigten 


Digitized by 


Google 



191 


Austernparks oder seltener auf sonstiger Verunreinigung der Austern 
beim Zwischenhandel. Die zunächst paradox klingende Behauptung, 
dass die Gefahr der Krankheitsübertragung durch Austern um so 
grösser sei, je frischer sie seien oder wenigstens je kürzere Zeit 
seit ihrer Entnahme aus den Austernparks verstrichen sei, begründet 
Verfasser damit, dass diese Tiere für Verunreinigungen ein gewisses 
Absorptionsvermögen besässen, weshalb die Austern für die Kon¬ 
sumenten nur einige Tage nach der Entnahme aus verunreinigten 
Parks schädlich seien. Mosny wendet sich gegen diejenigen Austern¬ 
züchter, die nichts von einer Krankheitsübertragung durch verun¬ 
reinigte Austernparks wissen wollen, und fordert genaue hygienische 
Untersuchungen der bestehenden Austernparks, sowie scharfe behörd¬ 
liche Massnahmen gegen ihre Verunreinigung. 

Schneider (Breslau). 

Böhmert u. Meinert, Die Alkoholfrage. [Vierteljahrsschrift zur Er¬ 
forschung der Wirkungen des Alkohols.] 

In erfreulicher Weise mehren sich die Bestrebungen, die auf 
eine Bekämpfung der schädlichen Folgen des Alkohols hinzielen, 
und besonders alle diejenigen, die infolge ihres Berufes oder ihrer 
Stellung häufiger Gelegenheit haben, die verheerenden Wirkungen 
des Alkohols zu sehen, werden jedes neue Hülfsmittel in diesem 
Kampfe mit Freuden begrüssen. 

Auch die oben angeführte neue Zeitschrift, von der uns die 
ersten Probebogen vorliegen, will sich an diesem Kampfe beteiligen. 
„Die Alkoholfrage steht — wie der eine der beiden Herausgeber 
in der einleitenden Abhandlung ausführt — auf dem streng wissen¬ 
schaftlichen internationalen Standpunkte der Wahrheitsforschung, 
sie will die Wirkungen des Alkohols und die zur Bekämpfung der 
Alkoholgefahr in alten und neuen Zeiten und Staaten angewandten 
Mittel unparteiisch darstellen und prüfen und dabei die Erfahrungen 
fremder Länder ebenso berücksichtigen, wie diejenigen im eigenen 
Vaterlande und an Ort und Stelle.“ 

Durchdrungen von der Überzeugung, dass es aussichtslos ist, 
die Kluft zwischen Massigen und Enthaltsamen durch theoretische 
Erörterungen auszufüllen, vertritt die Alkoholfrage den Standpunkt, 
praktische Toleranz zu üben in dem Streben nach dem gemeinsamen 
Ziel; die Enthaltsamkeitsbestrebungen sind ebenso notwendig wie die 
Mässigkeitsbestrebungen. 

Eröffnet wird die Reihe der wissenschaftlichen Untersuchungen 
mit einem Artikel von Gaule: Muskeln oder Nerven?, in dem der 
Verfasser zeigt, wie an Stelle der Muskelkraft, die früher ausschlag¬ 
gebend war im Kampfe ums Dasein, mit der wachsenden Kultur 
immer mehr die Nervenkraft getreten ist. Die Muskelkraft wird 


Digitized by 


Google 



192 


heute in immer steigendem Masse ersetzt durch die Maschine, deren 
Speisung — Kohle — billiger ist als der Ersatz der verbrauchten 
Muskelkraft — wozu wir Eiweiss, Fett und Kohlehydrate nötig 
haben —. Daher wird die Maschine bei einer Konkurrenz immer 
über die Muskelkraft siegen. Ersonnen und geleitet und gelenkt 
werden muss aber die Maschine durch Nervenkraft, und es ist daher 
ein notwendiges Erfordernis, die Nervenkraft zu stärken, besonders 
aber alles zu verhüten, was zu einer Schädigung des Nervensystems 
führen kann. Die grösste Schädlichkeit ist aber der Alkohol, durch 
den der Mensch allmählich, wie Verfasser an dem Beispiel der mäh¬ 
rischen Kohlenarbeiter zeigt, zur Maschine wird, der nur noch seine 
Muskelkraft verwenden kann, während er das Gehirn ganz aus¬ 
schaltet; im Gegensatz dazu ist der amerikanische Arbeiter haupt¬ 
sächlich Nervenmensch, er braucht keine Muskelkraft, er ersetzt 
diese vielmehr durch Maschinen, die er durch sein Gehirn lenkt; 
er ist daher der kulturell entschieden höher stehende. Erreicht hat 
der amerikanische Arbeiter das dadurch, dass er im allgemeinen 
keinen Alkohol konsumiert. Diese alkoholfreie Atmosphäre ihres 
Landes steilen die amerikanischen Mässigkeitsvereine hauptsächlich 
als ein Produkt des Unterrichts hin, der über die Wirkungen des 
Alkohols schon in der Schule erteilt wird, und Verfasser fordert 
demgemäss auch für unsere Volksschulen, dass der Lehrer in sach¬ 
verständiger Weise über die Kräfte des menschlichen Organismus 
und die Gefahren, die ihn bedrohen, spricht. 

In der zweiten Abhandlung zeigt Dr. Meinert an einem Bei¬ 
spiel aus der Tagesgeschichte die schädlichen Wirkungen des Al¬ 
kohols, indem er an der Hand der gerichtlichen Zeugenaussagen 
nachweist, dass das Eisenbahnunglück bei Rothenkirchen in Sachsen, 
bei dem drei Personen getötet und über 100 verwundet wurden, 
nur durch die Trunkenheit des Lokomotivführers entstanden ist. 

Schon die wenigen vorliegenden Bogen lassen demgemäss er¬ 
kennen, dass die Zeitschrift allen denen zu empfehlen ist, die be¬ 
rufen sind, in dem Kampfe gegen den Alkohol mitzustreiten, und 
das sind wohl alle Leser dieser Zeitschrift. Fuchs (Cöln). 

Czaplewsky, Über Versuche mit einer hygienischen Geschirrspül¬ 
maschine. (D. V. f. ö. G., 36. Bd., 4. H.) 

Verfasser weist einleitend auf die v. Esmarchsclien Versuche 
über das lange Haften pathogener Keime an Essgeschirren und 
die von Bornträger im Deutschen Verein für öffentliche Gesund¬ 
heitspflege in Dresden postulierte grössere Sauberkeit im Gast¬ 
wirtsgewerbe hin. Er begrüsst es dankbar, dass ihm im Restaurant 
des zoologischen Gartens zu Cöln Gelegenheit gegeben worden ist, 
eine Geschirrspülmaschine ,.Columbus“ von Steinmetz u. Komp, in 


Digitized by t^ooQle 



193 


Cölii kennen zu lernen, die nach den von ihm angestellten Be¬ 
obachtungen und Experimenten vollauf den hygienischen Ansprüchen 
gerecht wird. 

Die Geschirrspülmaschine Columbus hat ihre Vorgänger 
dadurch weit überholt, dass sie die Beschädigung des Geschirrs 
bei einiger Aufmerksamkeit aussckliesst und zur Abtrocknung der 
Geräte mehr oder weniger unsaubere Wischlappen nicht erfordert. 

Dies wird dadurch bewirkt, dass die Hochkant gestellten 
und durch Holzpflöcke und Korbgeflechte in Körben gut fixierten 
Geräte einmal in einem Waschkessel mit Sodaseifenlösung (1 °/ 0 Soda, 
V,°/o S e ife) von 50° C. auf 20 Sekunden durch eine am Boden des 
Kessels befindliche, elektrisch betriebene Strudelvorrichtung ener¬ 
gisch durchbraust werden und sodann in einem zweiten Kessel mit 
klarem Wasser von 100° C auf 1 Minute durch mehrfaches Auf- 
und Abbewegen nachgespült werden. Hierauf lässt man sie ab¬ 
tropfen und an der Luft lediglich infolge ihrer Eigenwärme ab¬ 
trocknen. 

Verfasser stellte Versuche an in der Fabrik wie in seinem 
Laboratorium mit Essgeschirren, die verunreinigt wurden mit tuberkel¬ 
bazillenhaltigem Auswurf und mit angetrocknetem Blute, dem Diph¬ 
theriebazillen und Staphvlococcus aureus zugesetzt waren. Er er¬ 
reichte stets bei einer Einwirkung von 50° warmer Sodaseifenlösung 
auf 30 Sekunden im Waschkessel und der Nachspülung mit klarem, 
100° heissem Wasser auf 1 Minute Abtötung der Bakterien. Das 
angetrocknete Blut wurde freilich nicht immer so glatt beseitigt, 
wie die in Seifensodalösung leichter löslichen Speisereste in der 
Restaurantmaschine, Weitere Versuche mit den verschiedensten, 
in Kapillarröhren eingeschmolzenen Kulturen pathogener Bakterien 
ergaben gleichfalls unter denselben Bedingungen, aber ohne direkte 
Einwirkung der Sodaseifenlösung Abtötung der Kulturen. 

Er weist mit Recht auf die grossen Vorzüge der Columbus- 
Maschine sowohl in wirtschaftlicher (Sparen an Bruchunkosten, an 
Wäsche, Seife, Soda und Arbeitskräften; als namentlich in hygie¬ 
nischer Hinsicht hin (sichere Vernichtung der Krankheitserreger, 
Vermeidung einer Re-Infektion des Geschirres durch unsaubere 
Wischtücher, Schutz der Hände des Küchenpersonals vor der Ein¬ 
wirkung der heissen Sodalösung). Nauck (Hattingen). 

Lewaschew, Ueber Vorrichtungen zur raschen Entwickelung von 
FormalindAmpfen zur Desinfektion. (Hvg. Rdsch. 1904, Nr. 19, S. 921.) 

Lewaschew bemängelt an den vorhandenen Methoden zur 
Entwickelung von Formaldehyddämpfen, dass alle mehr oder weniger 
teuer sind und zwar nicht nur durch den hohen Anschaffungspreis 
der Apparate als vielmehr durch den bedeutenden Aufwand an 


Digitized by 


Google 



194 


Brennmaterial, welches sich namentlich dann bemerkbar macht, 
wenn man Spiritus dem Petroleum vorzieht 1 ). Er empfiehlt deshalb, 
in Desinfektionsanstalten und überall, wo man sonst Dampf zur 
Verfügung hat, diesen zur Verdampfung des Formalins zu benutzen. 

Verf. braucht dazu den in Russland gebräuchlichen Apparat 
von Dr. S. Krupin. Derselbe stellt eine Modifikation des Flügge* 
sehen Apparates (Breslauer Verfahren) dar. Er besitzt ein Wasser¬ 
standsrohr und ein den Deckel durchbohrendes beiderseitig offenes, 
im Kessel bis fast auf den Boden reichendes Sicherheitssteigerohr. 
Der Deckel wird mit Schraubklammern gedichtet. Verfasser bringt 
nun die Flüssigkeit im Apparat durch eine 0.6 cm dicke, 70 cm 
lange kupferne, kreisförmige Dampfschlange zum Sieden, welche 
fast dem Boden des Apparates aufliegt und ca. 1.5 cm von den 
Seitenwänden derselben entfernt bleibt. 5 Liter Wasser von 15° R. 
siedeten im Apparat dabei nach 4 Minuten und nach 1 / 2 Stunde 
waren bereits 3 Liter verdampft, während dazu im Flüggeschen 
Apparat mit Spiritusheizung über 1 Stunde gebraucht wurde. 

Czaplewski (Cöln). 

L ewaschew: Ueber die Gefahr, welche einige zur Entwickelung 

von Formalind&mpfen vorgeschlagenen Apparate bieten. (Hyg. 

Rdsch. 1904, Nr. 20, S. 977.) 

Lewaschew berichtet über einen zur Vorsicht mahnenden 
Betriebsunfall mit dem Flüggeschen Apparat zur Formalindesin¬ 
fektion. Bei einer Desinfektion im April des Jahres begann ein im 
Jahre 1899 gekaufter Flüggescher Apparat 40 Minuten nach An¬ 
zünden des Spiritus, als die Flüssigkeit bereits energisch siedete, 
von einer Seite Dampf durchzulassen. Als der Desinfektor sich 
dem Apparat näherte, um nachzusehen, ob vielleicht, wie das früher 
schon beobachtet war, das Ventil, durch welches der Apparat ge¬ 
füllt wird, nicht ganz hermetisch schloss, erfolgte plötzlich eine 
Explosion. Der Apparatdeckel wurde emporgeschleudert, der untere 
Teil des Apparates in die Spiritusflamme gepresst und diese in den 
unteren Teil des Stativs gedrückt. Der brennende Spiritus ergosa 
sich in den Untersatz, während dem Desinfektor durch Formaldehyd- 
und Wasserdampf Gesicht und Augen verbrüht wurden. Die Haut¬ 
verbrühung an Gesicht und Hals war glücklicherweise leicht. 


1) Ref. hat bereits früher in seinen Arbeiten wiederholt darauf hin¬ 
gewiesen, dass bei der Formaldehyddesinfektion nicht sowohl die An¬ 
schaffungskosten als vielmehr die laufenden Betriebskosten und unter 
diesen nicht zum wenigsten die Kosten für das Brennmaterial eine Haupt¬ 
rolle spielen. Durch zweckmässige Wahl des Brenners sind letztere bei 
dem in CÖln eingeführten Verfahren auf ein Minimum (250 cc. Spiritua 
pro Apparat = ca. 10 Pfg.) herabgedrückt. 


Digitized by v^ooQle 



195 


Das linke Auge hatte stärker gelitten, doch blieb die Sehkraft er¬ 
halten. Am ersten Tage war Beklemmnngsgefühl in der Brust, am 
nächsten Tage Eiweiss im Urin nachweisbar, doch gingen auch 
diese Erscheinungen vorüber. 

Der Apparat, welcher fast täglich im Gebrauch gewesen war, 
war vorschriftsmässig gefüllt. Die Deckellötung war aber dünn, 
und hatte mehrfach von aussen nachgelötet werden müssen. Die 
Explosion ist wohl durch plötzlichen zu hohen Überdruck im Apparat 
entstanden, z. B. durch Verbiegung des zum Einleiten des Dampfes 
in die Formalinkammer benutzten Kautschukrohres und Verschluss 
des Rohres durch Flüssigkeit, oder durch Ablösen von Kessel¬ 
stein oder indem der Apparat nicht ganz horizontal stand, so dass 
eine Wand stärker erhitzt wurde, worauf bei geringer Bewegung 
des Apparates durch Berührung der Flüssigkeit mit der überhitzten 
Wand (auch bei Ablösen von Kesselstein) übermässige plötzliche 
Dampfbildung erfolgen musste. Verf. empfiehlt daher ein Sicher¬ 
heitsstandrohr wie beim Apparat von S. Krupin anzubringen, 
welches den Deckel durchsetzt, 1 1 / a cm über dem Boden des Kessels 
offen endigt und oben mit einer 40—45 cm langen Glasröhre mit 
Gummischlauch verbunden wird. Auch sollte dem Flüggeschen 
Apparat eine Vorrichtung zur bequemen Löschung der Flamme wie 
beim Schneiderschen beigegeben werden. Czaplewski (Cöln). 

Bruns, Versuche zur Frage der Desinfektion bei Ankylostomiasis. 

(Münch. Med. Wochenschr. 1905, H. 2—4.) 

Bruns teilt in der vorliegenden Arbeit die Ergebnisse der 
Desinfektionsversuche gegenüber dem Ankylostomum mit und unter¬ 
zieht die Möglichkeit einer wirksamen Grubendesinfektion einer 
kritischen Besprechung. Für die Desinfektion kommen in Betracht 
1. Mittel, welche die eingekapselten Larven vernichten, 2. Mittel, 
welche die Entwickelung der Eier zu verhindern vermögen. Der 
Laboratoriumsversuch ergibt, dass eingekapselte Larven durch starke 
Gifte, starke Mineralsäuren, ferner durch wasserentziehende Mittel, 
und durch Desinfektionsmittel in engerem Sinne (Carbol, Cresol, 
Saprol) abgetötet werden. Die eingekapselten Larven zeigen hier¬ 
bei eine weit grössere Widerstandskraft als die bakteriellen Erreger 
ansteckender Krankheiten. Die Verhinderung der Weiterentwick¬ 
lung der Ankylostomumeier erfolgt durch die gleichen Mittel, aber 
schon in schwächeren Konzentrationen. Immerhin sind auch hier 
weit stärkere Lösungen erforderlich, als gegenüber den bakteriellen 
Erregern der Infektionskrankheiten. 

Bruns hat in einem abgeschlossenen Teil der Zeche Shamrock I/II 
eine Reihe von Desinfektionsversuchen angestellt, welche geeignet 
sind, die Unwirksamkeit der gebräuchlichen Entseuchungsverfahren 

Central blatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 13 


Digitized by 


Google 



196 


bei der Grubendesinfektion darzutun. Hinsichtlich der Anordnung und 
Ausführung der eingehend besprochenen Versuchsreihen muss auf das 
Original verwiesen werden. Das Ergebnis war, dass die angewandten 
Desinfektionsflüssigkeiten, ein 0.9 g Kalk und 0,83 g Karbol im 1. 
enthaltendes Abwasser der Zeche, 10°/ 0 ige Kochsalzlösung, 1 /i°l 0 ige 
Karbolsäurelösung und Kalkmilch, o°/ 0 ige Chlormagnesiumlauge, 
5°/ 0 ige Chlorcalciumlauge und 1 °/oig cs Montanin, nur bei Anwendung 
in sehr grossen Mengen eine gewisse Desinfektionswirkung erkennen 
liessen, dass eine Verwertung für die Praxis aber an der Schwierig¬ 
keit der Aufbringung entsprechender Mengen der Desinfektions¬ 
mittel scheitern muss. Insbesondere gilt dies auch für die von 
Tenholt zur Grubendesinfektion empfohlene Kalkmilch, welche erst 
nach zehntägiger täglicher Verwendung als Berieselungsmittel (j e 
10 l pro 1 m Strecke) die Larven abzutöten vermochte. Die für 
eine Zeche von der Grösse Shainrocks erforderliche Kalkmenge 
würde sich auf 10 mal ca. 350000 kg Weisskalk belaufen. Bruns 
hält sich auf Grund seiner Feststellungen für verpflichtet, vor un¬ 
zureichenden Desinfektionsversuchen zu warnen, da dieselben ge¬ 
eignet seien eine trügerische Sicherheit zu erzeugen. Dasselbe gilt 
für die Desinfektion der Abortkübel, für welche dieselbe übrigens 
unter der Voraussetzung völlig entbehrlich sei, dass die Kübel wasser¬ 
dicht hergestellt und mit dichtem Verschluss versehen seien. Da¬ 
gegen hält Bruns einen Zusatz von Desodorisationsmitteln bei den 
einschlägigen Verhältnissen für angebracht und empfiehlt insbesondere 
Saprol-Wasser, das in Mengen von Vs 1 bis l /* 1 pro Kübel ein dauerndes 
Verschwinden des Fäkalgeruches bewirke. Den Hauptnachdruck 
bei der Bekämpfüng der Wurmkrankheit legt der Verfasser unter 
Beibehaltung seines früheren Standpunktes im Gegensatz zu Tenholt 
auf die systematische Durchsuchung der mikroskopischen Stuhl¬ 
untersuchungen unter Anschluss der erforderlichen Abtreibungs¬ 
kuren, ohne der günstigen Wirkung der sonstigen Präventivmass¬ 
nahmen, Belehrung der Bergleute, Verbot gemeinsamer Badebassins, 
Massnahmen zur Verhütung des Absetzens von Kot an Unrechter 
Stelle etc., die Anerkennung zu versagen. Bliesener (Berlin). 

Tenholt, Über Anchylostomiasis mit besonderer Berücksichtigung 
der Loosschen Lehre über die Einwanderung der Larven durch 
die Haut. (Med. Klinik, I. Jahrg., Nr. 19, 1905.) 

T. bespricht in dieser Arbeit im wesentlichen die neuesten Er¬ 
fahrungen über die Einwanderung von Ankylostomumlarven durch 
die Haut. Der Weg, den die Larve zurücklegt, um an ihr End¬ 
ziel, den Dünndarm zu gelangen, ist noch nicht hinreichend be¬ 
kannt. Die Larve vermag nach Loos unmittelbar vor Durchbohrung 
der Haut ihre Kapsel abzuwerfen; man sieht dieselben in den Loos- 


Digitized by 


Google 



197 


sehen Präparaten unter der Epidermis, in den Hautvenen, den Lymph- 
gefässen, im Herzblut, in den Lungenalveolen, in den Bronchien 
und im Kehlkopf liegen. T. hat in einem Versuchsfalle beim Men¬ 
schen das Eindringen des Anchylostomum durch die Haut nachprüfen 
können. Einem Arzte, der sich freiwillig zur Verfügung stellte, 
wurden am 16. Dez. 8—10 Tropfen einer larvenhaltigen Flüssig¬ 
keit (80—100 Larven) auf den 1. Vorderarm handbreit oberhalb 
des Handgelenks gebracht, um sie dort verdunsten zu lassen. Nach 
etwa Vs Stunde war die Flüssigkeit verdunstet; ein trockner Watte¬ 
verband wurde angelegt. Nach sechs Stunden verspürte der betr. 
Arzt ein leichtes Jucken, am anderen Morgen bemerkte er zehn 
gerötete Flecken, deren Zentrum je ein kleines Knötchen, ent¬ 
sprechend den Stellen der Haarwurzeln, bildete. Die Flecken 
verschwanden bald. Nach Entfernung des Verbandes wurde die 
Hautstelle desinfiziert, um jede Möglichkeit einer Infektion per os 
auszuschliessen. Die Untersuchung des Stuhles blieb etwa sechs 
Wochen lang ergebnislos, die ersten Wurmeier zeigten sich am 
1. Februar. 

Durch den vorstehenden Versuch hält T. die Möglichkeit 
einer Infektion durch die Haut auch beim Menschen für erwiesen. 
Die prophylaktischen Massnahmen werden gegenüber einem der¬ 
artigen Ansteckungsmodus insofern erschwert, als Reinlichkeit beim 
Essen, Vermeidung einer Berühruug des Mundes mit unreinen Hän¬ 
den nicht mehr genügt, um einen Infektionsschutz zu gewähren, 
da Hände und Arme bei der Arbeit in der Grube unvermeidlichen 
Verunreinigungen uud somit auch Ansteckungsgelegenheiten aus¬ 
gesetzt sind. Den Hauptwert bei der Bekämpfung dieser Berufs¬ 
krankheit legt T. nach wie vor auf die hygienischen Präventiv¬ 
massnahmen, wenngleich er die Bedeutung systematisch durch¬ 
geführter Abtreibungskuren nicht in Abrede stellt. Sollte es durch 
Verstärkung der Wetterführungen gelingen, die Temperatur einer 
Grube unter 22° Celsius herabzubringen, so würde hierdurch zu- 9 
gleich eine Immunisierung der Grube bewirkt sein. 

Bliesener (Berlin). 

Martini, Symptome, Wesen und Behandlung der Malaria. (Berlin 

1904. Richard Schötz.) 

Dieses Büchlein enthält in kurzer Fassung das wissenswerteste 
über die Malaria unter Berücksichtigung der neuesten Erforschungen 
auf diesem Gebiete. Besondere Berücksichtigung ist dem Ver¬ 
halten der Malariaparasiten im Menschen sowie den Malariaparasiten 
im Anopheles gewidmet. Eine grosse Zahl guter Abbildungen 
erleichtert sehr das Verständnis der durch die neuesten Forschungen 
in ihrer Ätiologie erst genauer erkannten Krankheit. 

Bleibtreu (Cöln). 


Digitized by 


Google 



198 


Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neuen 

Bücher etc. 

Abelsdorff, Dr. Walter, Die Wehrfähigkeit zweier Generationen mit Rück¬ 
sicht auf Herkunft und Beruf. Berlin 1905. Georg Reimer. Preis 
2,— Mk. 

Baum garten u. Tan gl, Proff. DDr., Jahresbericht über die Fortschritte¬ 
in der Lehre von den Pathogenen Mikroorganismen, umfassend Bak¬ 
terien, Pilze und Protozoen. Unter Mitwirkung von Fachgenossen 
bearbeitet. 18. Jahrg. 1902. Leipzig 1905. S. Hirzel. Preis 40,— Mk. 

Baur, Dr. A., Schulgesundheitspflcge. München 1905. Otto Gmelin. 
Preis 1,60 Mk. 

Biedert, Prof., Über die Biedertsche (Mühlhauser-Czaplewskische) Methode 
zum Auffinden vereinzelter Tuberkelbazillen. 

v. Boltenstern, Dr. O., Die Vergiftungen. Leipzig 1902. C. G. Naumann, 
Preis 2,50 Mk. 

Dieminger, Dr., Beiträge zur Bekämpfung der Ankyiostomiasis. 2 Hefte. 
Jena 1904. Gustav Fischer. Preis 1,40 Mk. 

Finckh, Dr. J., Die Nervenkrankheiten. Eine gemeinverständliche Dar¬ 
stellung. 3. Aufl. München 1905. Otto Gmelin. Preis 1,20 Mk. 

First Annual Report of the Henry Phipps Institute for the study, treat- 
ment, and prevention of Tuberculosis. 

Gau pp, Dr. R., Über den Selbstmord. München 1905. Otto Gmelin. Preis 
60 Pfg. 

Grunau, Dr., Über Frequenz, Heilerfolge und Sterblichkeit in den öffent¬ 
lichen preussischen Irrenanstalten von 1875—1900. Halle 1905. Carl 
Marhold. Preis 3,— Mk. 

Hartmann, Prof. Dr. Ph. K., Die Kunst, des Lebens froh zu werden und 
dabei Gesundheit, Schönheit, Körper- und Geistesstärke zu erhalten 
und zu vervollkommnen. Eine Glückseligkeitslehre für das physische 
Leben des Menschen. Neu bearbeitet von M. Pfenning. Stuttgart 1905. 
Verlag Reform. Preis 2,— Mk. 

•Haw, J., König Alkohol. 2. Aufl. Essen 1905. Fredebcul & Koenen. 
Preis 25 Pfg. 

Huber, Dr. Alfred, Der heutige Stand der Finsen-Therapie. 

Hyleanus, J., Bekenntnis eines Trunksüchtigen. Essen 1905. Frede- 
beul & Koenen. Preis 10 Pfg. 

Kirchner, Prof. Dr. M., Die Verbreitung der Lepra in Deutschland und 
den deutschen Schutzgebieten. Jena 1905. Gustav Fischer. Preis 
60 Pfg. 

Kleber, Direktor, Wie bekämpfen wir die uns durch die Elektrizität be¬ 
drohenden Gefahren und Gesundheitsstörungen? Ein ernstes Mahn¬ 
wort in Anlehnung an die Abhandlungen des Geh. Medizinalrats Prof. 
Dr. A. Eulenburg und Dr. S. Jellinek, Wien. Dem Allgemeinwohl ge¬ 
widmet. Berlin 1905. W., Pragerstr. 27. 

Kobrak, Dr. E., Ärztlicher Wegweiser durch das Säuglingsalter für junge 
Mütter. Berlin 1905. M. Lilienthal. Preis geb. 3,— Mk. 


Digitized by 


Google 



199 


Kock sch, Dr., Das Luftbad und seine Bedeutung für Grosstädte und 
Industriezentren. Leipzig, Arwed Strauch. Preis 1,— Mk. 

Kritische Blätter für die gesamten Sozialwissenschaften. Bibliogra¬ 
phisch-kritisches Zeutralorgan. Dresden 1905. O. V. Boehmert. 
Kümmel, Dr. Hermann, Die progressive Zahnkaries in Schule und Heer 
und die zahnhygienischen Aufgaben der Sanitätsbehörden im Interesse 
der Volkswirtschaft. Leipzig 1904. Krüger & Co. Preis 1,— Mk. 
Lohustein, Dr. Theodor, Das Galakto-Lipometer, ein neuer Apparat zur 
Bestimmung des Fettgehaltes der Milch. Heinrich Noffke & Co. Berlin 

5. W., Yorkstr. 19. 

Marburg, Dr. Otto, Die physikalischen Heilmethoden in Einzeldar¬ 
stellungen für praktische Ärzte und Studierende. Mit 75 Abb. Wien 
1905. Franz Deuticke. Preis 6,— Mk. 

Mare, Dr. Paul, Die Hygiene des Geistes. Wertvolle Winke für Geistes¬ 
arbeiter (Gelehrte, Beamte, Kaufleute etc.). Leipzig 1905. Krüger & Co. 
Preis 1,50 Mk. 

Mitteilungen aus Dr. Schmidts Laboratorium für Krebsforschung. 

I. Über das Vorkommen eines protozoonartigen Parasiten in den ma¬ 
lignen Tumoren und seine Kultur ausserhalb des Tierkörpers. — Wei¬ 
tere Resultate einer spezifischen Therapie des Karzinoms. 73 Seiten. 
Mit 3 Tafeln. Bonn 1905. Martin Hager. Preis 4,— Mk. 

Runge, Dr. Max, Der Krebs der Gebärmutter. Ein Mahnwort an die 
Frauenwelt. Nach einem in Göttingen gehaltenen Vortrage. Berlin 
1905. Julius Springer. Preis 50 Pfg. 

Sammlung von Gutachten über Fluss Verunreinigung. XVIII. Gutachten 
des Reichsgesundheitsrates über die Reinigung und Beseitigung der 
Abwässer der Stadt Alten bürg. 

Schlegel, Prof. Dr. M., Die Rotzbekämpfung und die MalleYnprobe beim 
Pferde. Unter Zugrundelegung wissenschaftlicher Untersuchungen 
und praktischer Erfahrungen. Stuttgart 1905. Ferdinaud Euke. Preis 
2,40 Mk. 

Schott, Dr. O., Uber eine neue Ultraviolett-Quecksilberlampe. Uviol- 
Lampe. Glaswerk Schott & Gen, Jena. 

Schröder, Dr. Paul, Über chronische Alkoholpsychosen. Halle 1905. 
Carl Marhold. Preis 1,80 Mk. 

Schubert, Dr. Paul, Das Schularztwesen in Deutschland. Bericht über 
die Ergebnisse einer Umfrage bei den grösseren Städten des Deut- 4 
sehen Reiches. Hamburg 1905. Leopold Voss. Preis 2,50 Mk. 
Seiffert, Dr., Säuglingssterblichkeit, Volkskonstitution und National¬ 
vermögen. Mit 3 Tafeln. Jena 1905. Gustav Fischer. Preis 1,50 Mk. 
Stoklasa, Prof. Dr. J., Beiträge zur Kenntnis der aus der Zelle höher 
organisierter Tiere isolierteu gärungserregenden Erreger. 

St oll, Dr. Hans, Alkohol und Kaffee in ihrer Wirkung auf Herzleiden 
und nervöse Störungen. 2. Aufl. Leipzig 1905. B. Konegen. Preis 
50 Pfg. 

von Vogl, Dr. A., Die wehrpflichtige Jugend Bayerns. München 1905. 

J. F. Lehmann. Preis 2,80 Mk. 

Voigt, Prof. Dr. A., und Paul G eldner, Kieinhaus und Mietkaserne. Eine 
Untersuchung der Intensität der Bebauung vom wirtschaftlichen 
und hygienischen Standpunkte. Berlin 1905 Julius Springer. Preis 

6, - Mk. 


Digitized by 


Google 



200 


von Waldheim, Dr. Fritz Schürer, Ignaz Philipp Serumelweis. Sein 
Leben und Wirken. Urteile der Mit- und Nachwelt. Mit 2 Porträts. 
15 Bogen. Wien, A. Hartleben. Preis 9,— Mk. 

Weber, M. D. Hermann, Die Verhütung des frühen Alterns. Mittel und 
Wege zur Verlängerung des Lebens. Zweite Aufl. Leipzig 1905. 
Krüger & Co. Preis 1,50 Mk. 

Weygandt, Prof. Dr. Wilh., Leicht abnorme Kinder. Halle 1905. Carl 
Marhold. Preis 1,— Mk. 

Wolpcrt, Prof. Dr. A., und Dr. H., Die Heizung. Mit 33 Abb. im Text. 
Berlin, W. S. Loewenthal. 

NB. Die für die Leser dos „Centralblattes für allgemeine Gesundheits¬ 
pflege“ interessanten Bücher werden seitens der Redaktion zur Besprechung 
an die Herren Mitarbeiter versandt und Referate darüber, soweit der be¬ 
schränkte Raum dieser Zeitschrift es gestattet, zum Abdruck gebracht. Eine 
Verpflichtung zurBesprechungoder Rücksendung nicht besprochener Werke 
wird in keinem Falle übernommen; es muss in Fällen, wo aus besonderen 
Gründen keine Besprechung erfolgt, die Aufnahme des ausführlichen Titels, 
Angabe des Umfanges, Verlegers und Preises an dieser Stelle den Herren 
Einsendern genügen. Die VerlaflShandlunfl. 


- Billigste und beste : 

Geschirr-Spülmaschinen 

in vier Grössen ond jeder Preislage, 
für Hand- und Motorenbetrieb. 

Spülen, trocknen und wärmen in 

der Stunde je nach Grösse bi« 6000 
Geschirre u. Essutensilien jeder Art. 

Goldene Medaille 
Düsseldorf 1903. 

Grosse Ersparnis an Arbeit, Bruch 
u. Tüchern. Unabhängig v. Personal. 

Steinmetz & Co., 

= Köln a. Rh. 

Prospekte gratis. 

Hunderte von Anerkennungs¬ 
schreiben. 



i 


Digitized by t^ooQle 





Staubversengung bezw. Zersetzung 
auf Heizkörpern. 

Von 

Herbst, städt. Heizungsingenieur in Cöln. 


Wie die hygienischen Forderungen auf allen Gebieten der 
Technik mit der Zeit fortschreiten, so ist dies auch bei der Er¬ 
wärmung von Wohnräumen in hohem Masse der Fall. In den 
letzten Jahrzehnten hat sich die Heiztechnik so weit vervollkommnet, 
dass eine Heiz- und Lüftungsanlage beinahe allen Ansprüchen 
gerecht werden kann, wenn sie sachverständig projektiert und 
ausgeführt ist und für dieselbe auch bei deren Herstellung und 
dem späteren Betriebe ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. 
Von welch grosser Bedeutung auch letzterer Punkt ist, ersieht man 
daraus, dass bei privaten Heiz- und Lüftungsanlagen oft die besten 
Einrichtungen bestehen, aber wegen der hohen Betriebskosten ausser 
Betrieb bleiben. 

Bei dem vorigjährigen Kongresse des deutschen Vereins für öffent¬ 
liche Gesundheitspflege in Danzig w urde in einem Referate über Zentral- 
heizungsanlagen des Herrn Prof, von Esmarch unter anderem auch 
die Forderung aufgestellt, die Heizkörper sollen an ihrer Oberfläche 
eine Temperatur von 70° bis höchstens 80° C nicht überschreiten. 
Die Forderung wird durch eine Abhandlung in Nr. 1 des heurigen 
Jahrgangs der Hygienischen Rundschau noch weiter begründet. An 
Hand von Versuchen, die in übersichtlicher Weise zusammengestellt 
sind, wird dargelegt, dass der durch Temperaturen von rund 80° ver¬ 
sengte Staub hauptsächlich Ammoniak zeigte, allerdings in so geringer 
Menge, dass er nachweislich weder schädlich noch belästigend auf 
die Gesundheit der im betreffenden Raume sich Aufhaltenden ein 
wirkt. Neben Ammoniak sind es nach Annahme des Herrn Prof, 
von Esmarch noch andere bis jetzt nicht nachgewiesene Stoffe, 
die mit dem Ammoniak gemeinsam im versengten Staube auftro im. 

Obige Versuche wurden durch Herrn Prof. Nussbaum in 
Hannover in Nr. 8 des gleichen Jahrgangs der Hygienischen Rund¬ 
schau bestätigt. Auch Herr Prof. Nuss bäum hat Versuche an- 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 14 


Digitized by v^ooQle 



202 


gestellt, welche ebenfalls das Auftreten von Ammoniak nachweisen, 
und kommt zu dem Schlüsse, die Heizflächentemperatur soll nach 
Möglichkeit 70° C nicht überschreiten oder wenigstens sich auf die 
meist kurze Zeit des harten Frostwetters beschränken. Falls diese 
Forderung nicht erreichbar ist, so sollte man, wie Herr Prof. Nuss¬ 
baum sagt, wenigstens die Luft möglichst trocken erhalten und von 
einer künstlichen Luftbefeuchtung Abstand nehmen, weil durch diese 
die Staubversengung beschleunigt wird. 

Zu obigen Versuchen seien im folgenden Erfahrungen aus der 
Praxis gegeben. 

Wirklich berechtigte Klagen über Staubverbrennung auf Heiz¬ 
körpern treten bei Feuerluftheizungen recht häufig auf. Der Grund 
liegt darin, dass die Heizapparate zu klein berechnet uud gebaut 
sind und deshalb überangestrengt werden müssen, wenn genügende 
Wärme erreicht werden soll. Man kann oft beobachten, dass Feuer¬ 
züge dunkelrot glühen, woraus sich ergibt, welch hohe Flächen¬ 
temperaturen Vorkommen. Dabei haben die Heizapparate, welche 
im Laufe der Zeit bedeutende Verbesserungen erfahren haben, 
meistens grosse und rauhe für Aufnahme von Staubteilchen recht 
geeignete Flächen. Während des Betriebes bleibt der der Heiz¬ 
kammer mit der frischen Luft zugeführte Staub grossenteils in der 
Heizkammer und sinkt während der Betriebspausen auf die Heiz¬ 
flächen, worauf er nach Wiederanheizung des Apparates allmählich 
versengt. Aus diesem Grunde sollten eigentlich alle die Feuer¬ 
luftheizapparate, denen durch die oft ungünstige Lage der Luft¬ 
entnahme viel Staub von der Strasse zugeführt wird, vor jedes¬ 
maliger Inbetriebnahme von Staub gründlich gereinigt werden, was 
sich aber mit dem Betriebe niemals vereinbaren lässt und deshalb 
undurchführbar ist. Gleichzeitig mit der Staubversengung geht hier 
die Austrocknung der in den Heizkammern oft weit über 100° C 
erhitzten Luft vor sich, welche künstlich befeuchtet werden muss, 
um sie erträglich zu machen. 

Als später das System der Dampf- und Warmwasserheizung 
immer mehr eingeführt wurde, erkannte man es als eine sehr grosse 
Wohltat, nicht mehr die überhitzte, häufig nach verbranntem Staube 
riechende Luft einatmcn zu müssen. Dies können insbesonders die 
durch ihren Beruf in mehreren Gebäuden mit verschiedenartigen 
Heizeinrichtungen tätigen Personen, wie Ärzte und Lehrer, gut be¬ 
urteilen. 

Nun unterscheidet sich die Feuerluftbeizung von der Dampf- 
und Warmwasserheizung, soweit bei letzterer ausschliesslich örtliche 
Heizkörper ohne künstliche Luftzuführung zur Anwendung kommen, 
besonders auch darin, dass nur bei ersterem Systeme Lüftungszwang 
besteht. Das Gleiche trifft auch bei den gewöhnlichen Ofenbeizungen 


Digitized by 


Google 



203 


zu, indem die Zimmerluft zum Teil zur Verbrennung dient und 
durch frische Luft von aussen ersetzt wird. 

Diesen Vorteil, als solcher kann er mit Recht bezeichnet 
werden, vermisst gegenüber der Feuerluftheizung die örtliche Dampf- 
und Warmwasserheizung; mau muss deshalb bei stärkerer Inanspruch¬ 
nahme der Räume mit frischer Luft durch Öffnen der Fenster oder 
sonstiger Vorrichtungen nachhelfen. Das Gefühl von verbrauchter 
Luft, das ohne obige Nachhülfe unausbleiblich ist, wird oft nicht 
richtig erkannt und viele glauben unter anderem auch, der auf 
Heizkörpern versengte Staub sei die Ursache hiervon. 

Was diese Meinung betrifft, sei vor allem bemerkt, dass die 
gegenwärtig üblichen Radiator- und auch Rohrheizflächen im Ver¬ 
hältnisse zum Kubikinhalt der zu heizenden Räume sehr wenig 
Auflagepunkte für Staub haben, weil dieselben meistenteils vertikal 
und noch dazu mit einem glatten Anstriche versehen sind, an dem 
nicht leicht Staub hängen bleibt. Wenn ferner an dem Prinzip 
festgehalten wird, dass der Heizkörper wie jeder andere Gebrauchs¬ 
gegenstand vor seiner Benutzung von dem abgelagerten Staube ge¬ 
reinigt wird, so besteht während des Betriebes nicht leicht die 
Möglichkeit einer Staubansammlung, weil durch die vom Heizkörper 
ausstrahlende Wärme eine konstante Luftbewegung besteht, welche 
den Staub fern hält und den infolge des Wärmeauftriebes vom Boden 
kommenden leichten Staub — der schwerere und zur Versengung 
jedenfalls mehr Veranlassung gebende Staub bleibt auf dem Boden 
liegen und wird nur bei einer Zimmer- bezw. Bodenreinigung auf¬ 
gewirbelt — nach vorne und nach oben drängt. Als Beweis hierfür 
mag gelten, dass unglatte Wandflächen oberhalb von Heizkörpern 
stets dunkle Streifen zeigen werden, die von der Ansammlung nach 
oben geführten Staubes herrühren. Vom Heizkörper versengter 
Staub kann dies aber nicht sein, weil dieser am Heizkörper nur 
vorbeigestrichen ist und davon höchstens in so schwachem Masse 
versengt wird, dass er bei dem hier in Frage kommenden Fall 
überhaupt nicht in Frage kommen kann. 

Obwohl durch obiges nachgewiesen sein dürfte, dass bei auf¬ 
merksamer Reinhaltung der Heizkörper trotz der Oberfläcbentempe- 
raturen von 80° C eine Versengung des Staubes vermieden werden 
kann, so sei anderseits bemerkt, dass man sich in vereinzelten Fällen 
nicht zu wundern braucht, wenn eine solche durch grosse Vernach¬ 
lässigung der Heizkörper in hohem Masse auftritt und dadurch die 
unangenehmsten nnd unter Umständen gesundheitsgefUhrlicben Dünste 
verbreitet werden. So finden z. B. Heizkörper als Trockenvorrichtung 
für gebrauchte Handtücher, Strümpfe, Fussmatten, nasse Schuhe 
u. dergl. oft Verwendung. Dafür sind die Heizkörper natürlich 
nicht da, und unter solchen Umständen kann die Heizflächen- 


Digitized by 


Google 



204 


temperatur auch unter 70° bis 80° C sein, eine Versengung oder, wie 
ich es bezeichnen möchte, eine Vertrocknung des auf den Heiz¬ 
körpern fast immer zurtickbleibenden Schmutzes findet sicher statt 
und eine Verschlechterung der Luft ist die unausbleibliche Folge 
davon. 

Zum Schlüsse kommend geht meine Ansicht dahin, dass die 
an die Heiztechnik gestellten Forderungen nicht weiter gehen 
sollten, als diese im Interesse der Gesundheit notwendig sind. Wenn 
auch durch die Versuche der Herren Prof, von Esmarch und Prof. 
Nussbaum nachgewiesen ist, dass aufFläehen, die bis rund 80°C 
erhitzt waren, Staub versengt wird und dieser Ammoniak und an¬ 
dere noch nicht genau bestimmte Stoffe zeigt, so hat doch die 
Praxis ergeben, dass das Versengen von Staub auf Zimmer-Heiz¬ 
körpern, auch wenn sie eine Oberflächentemperatur von rund 80° C 
haben, vermieden werden kann. Deshalb wäre vielleicht folgende 
Forderung zu stellen: 

Es ist auf unbedingte Reinhaltung der Heizkörper zu sehen, 
weil sonst bei jeder Heizflächentemperatur über und unter 70° bis 
80° C aus den auf den Heizkörpern liegenden Staubbestandteilen 
schädliche Folgen für die Gesundheit entstehen können. 

Diese Forderung ist jeder Zeit leicht einhaltbar und der Pro¬ 
jekten von Heizanlagen ist nicht gezwungen, auf Anordnung von 
Heizkörpern mit höheren Oberflächentemperaturen, die in manchen 
Fällen so sehr vorteilhaft und beinahe unentbehrlich sind, ganz ver¬ 
zichten zu müssen. 

Gelegentlich der vierten Versammlung von Heizungs- und 
Ltiftungsfachmännern zu Dresden hat sich Herr Geheimrat Prof. 
Dr. Renk in einem Vortrage über Warmwasser- und Niederdruck¬ 
dampfheizung in ähnlichem Sinne ausgesprochen, indem er die an 
ihn gestellte Frage, wie er sich gegenüber einer Oberflächen¬ 
temperatur der Heizkörper von 100° verhalte, bezüglich der Staub- 
versengung nur hervorhebt, dass, je höher die Oberflächentemperatur 
des Heizkörpers ist, um so leichter die Anröstung und trockene 
Destillation des Luftstaubes erfolgt, und deshalb die Bitte an- 
schliesst, die Ummantlung der Heizkörper, durch welche die Rein¬ 
haltung der Heizkörper erschwert wird, möglichst zu meiden; aus 
dieser Antwort wie aus dessen ganzen Vortrag geht hervor, dass 
zur Vermeidung einer Staubversengung die Reinhaltung der Heiz¬ 
körper gefordert werden muss. 


Digitized by 


Google 



III. Jahresbericht der Heilstätte Holsterhausen 
bei Werden-Ruhr für 1904. 

Erstattet von 

Dr. med. F. Köhler, Chefarzt. 


Den III. Jahresbericht der meiner Leitung unterstellten 
Heilstätte Holsterhausen erlaube ich mir hiermit der Öffent¬ 
lichkeit vorzulegen in der Hoffnung, dass der Inhalt derselben ein 
ausreichendes Bild von der Arbeit und dem Geschehen in der An¬ 
stalt im verflossenen Jahre zu geben imstande sein möchte. Eine 
geraume Zeit ist nunmehr seit den ersten Tagen des Bestehens hin¬ 
gegangen, einer weiteren, erfreulichen Entwicklung kann sich die 
Heilstätte rühmen, und wenn auch noch manches zum vollendeten 
Ausbau der Gesamtanlage der Verwirklichung harrt, so ist doch 
ohne Rückhalt zu bekennen, dass schon vielen das Werk eine Quelle 
der Erholung und der Genesung geworden, und damit dürfte der 
Hauptzweck erreicht sein. Im Laufe des Jahres ist schon der 
1000. Patient zur Kur in Holsterhausen eingezogen und die stän¬ 
dige vollzählige Belegung dürfte den besten Beweis dafür 
liefern, dass die Errichtung einer Lungenheilstätte im Ruhrtale einem 
dringenden Bedürfnisse entsprach und dass die bestehende Heilstätte 
der für den Bestand derselben so notwendigen Beliebtheit sich tat¬ 
sächlich erfreut. 

Der Bericht wird 1. die geschichtliche, 2. die statistische, 
3. die rechnerische Übersicht bringen. 

I. 

Ein eigentlicher Neubau ist im verflossenen Jahre nicht vor¬ 
genommen worden, dagegen wurden manche notwendigen Er¬ 
gänzungen geschaffen. Am Maschinenhause wurde ein kleiner 
Holzschuppen zur Aufbewahrung von Briketts gebaut, ein Tennis¬ 
platz konnte aus den im vorigen Jahre zur Verfügung gestellten 
Mitteln einer Gönnerin hergestellt werden, in der Anstalt wurde im 
Inhalationsraum ein Wassmuthscher Inhalationsapparat aufgestellt, 
da die Verwendung der kleinen Einzelapparate völlig unzulänglich 


Digitized by t^ooQle 



206 


war. Der Betrieb des Aufzuges der Speisen und der Kartoffel¬ 
maschine, der bisher mit grossen Anstrengungen mechanisch ge¬ 
schehen musste, wurde in elektrischen Betrieb umgewandelt. 

In der Ökonomie haben sich die bisher getroffenen Ein¬ 
richtungen gut bewährt. Auch dieses Jahr ist eine Einstellung von 
Kühen nicht erfolgt, da die Lieferung der Milch fortdauernd von 
einem benachbarten Bauern einwandsfrei und zum annehmbaren 
Preise von 14 Pfg. pro Liter geleistet wurde. In dem zu dem 
Zwecke der ev. Ktiheanschaffung zur Verfügung stehenden Raume 
ist eine kleine Schreinerwerkstätte eingerichtet, woselbst die 
ständigen Schreinerarbeiten von einem kundigen Tagelöhner besorgt 
werden. Für Gewächse und Salatzucht stehen zwei einfache Ge¬ 
wächshäuser zur Verfügung, die unter Leitung des Obergärtnerc 
Fürbringer, ohne fremde Hülfe bei der Herstellung, errichtet wur¬ 
den. Da nunmehr Wagen-, Pferde- und Ochsenmaterial — ob auf 
die Dauer ausreichend, ist noch nicht zu bestimmen! — vorhanden 
ist, konnten die Fuhren an Kohlen, Frachtgütern, auch die gesamte 
Beförderung der Kranken von und zur Heilstätte von dieser selbst 
besorgt werden, so dass die bis dahin recht beträchtlichen Abgaben 
an Fuhrunternehmer und die Inanspruchnahme fremder Kräfte in 
Wegfall gekommen sind. Auch die Bewirtschaftung des Ackers 
wnrde vollständig aus eigenen Mitteln bewerkstelligt. 

Dennoch blieben die Ausgaben für die Ökonomie recht 
höbe. Einmal sind diese bedingt dadurch, dass das grosse Areal, 
welches zur Heilstätte gehört, dauernd in Ordnung gehalten werden 
muss, um einer Verwilderung in den Garten-, Park- und Forstanlagen 
vorzubeugen, dann aber war die Heuernte, welche im vorigen 
Jahre recht erfreuliche Ergebnisse geliefert hatte, in diesem trocknen 
Jahre infolge des Sonnenbrandes eine recht geringe, so dass diese 
Einnahmequelle nicht viel einbrachte. Auch die Erträgnisse an Ge 
mttse konnten erst verhältnismässig spät in der Jahreszeit aus¬ 
reichend werden, da der Boden unseres Ackers durch frühere Ver¬ 
nachlässigung noch nicht recht fruchtbar genannt werden kann. 
Auch künftighin wird der Düngung desselben besondere Sorgfalt 
zugewendet werden müssen. Die Anlagewege erforderten häufig 
langwierige Ausbesserungen. 

Als nicht unvorteilhaft hat sich erwiesen, die Abfälle der An 
stalt zur Schweinemast zu verwerten. Die gemästeten Tiere 
wurden mit gutem finanziellen Resultate an Metzger verkauft. Für 
das kommende Jahr soll indessen einmal der Versuch gemacht 
werden, die Schweine selbst zu schlachten und im Haushalte der 
Anstalt zu verwerten. 

Mit Fischzucht im grossen Teiche sind bisher noch keine 
befriedigenden Ergebnisse erzielt worden, doch wird künftighin auch 


Digitized by 


Google 



207 


diesem Zweige unseres landwirtschaftlichen Betriebes meine volle 
Aufmerksamkeit gewidmet werden. 

In den Anlagen wurden zahlreiche selbst verfertigte Bänke 
aufgestellt, welche den Kranken im Falle der Ermüdung zum Aus- 
ruhen zur Verfügung stehen sollen. Auch wurde mit der Er¬ 
schliessung des Waldterrains, welches, vor dem Eingang zur Anstalt 
gelegen, dem Vereine gehörig ist. begonnen. Diese Arbeiten sollen 
im Winter fortgesetzt werden. Die Einzäunung mittels Stachel¬ 
drahtes gerade dieses Waldgeländes ist vollendet, so dass nunmehr 
das Eingangstor weiter hinausgerückt worden ist. 

Unmittelbar vor diesem ist ein Neubau des Bäckers Bellwied 
entstanden, in dem dieser mit Beginn des neuen Jahres eine Kaffee¬ 
wirtschaft betreiben wird, was den Besuchern unserer Kranken 
zustatten kommen soll, Konzession für Bier und sonstige alko¬ 
holische Getränke ist glücklicherweise nicht erteilt worden. 

Zahlreiche Bäume, namentlich Tannen, sind durch den heissen 
Sommer eingegangen und mussten ersetzt werden. Der Herz und 
Gemüt erfreuenden Pflege der Gartenanlage wurde, allerdings auch 
nicht ohne Aufwand ziemlich bedeutender Geldmittel, besondere Auf¬ 
merksamkeit geschenkt. 

Die Pfleglinge konnten, wenn es der Gesundheitszustand er¬ 
laubte, mit Gartenarbeiten beschäftigt werden. Diese Tätigkeit war 
indessen nicht ohne Gewährung einer Entschädigung von 10 Pfg. 
pro Stunde möglich, da immer wieder aufreizende Elemente unter 
den Patienten die Arbeitswilligen unter Hinweis auf soziale Momente 
von der Arbeit abzuhalten suchten, oder solche, welche freiwillig 
arbeiten wollten, sich unter der Schar der Kranken solche Missgunst 
zuzogen, dass eine allgemeine Zufriedenheit und ein gedeihliches 
Zusammenleben unmöglich erschien. Mehr wie vier Stunden wurden 
Kranke nicht zur Arbeit herangezogen. 

im Maschinenbetriebe wurden keine Störungen fühlbar. Nun¬ 
mehr ist auch die Wohnung des Obergärtners, der Pferdestall und 
die Wagenremise mit elektrischem Licht versehen. Die Reparat uren 
im Hause wurden ausnahmslos selbst vorgenommen. 

In der Kanalisation und der Rieselfelderanlage sind eben¬ 
falls bedeutendere Mängel nicht hervorgetreten. Die Reinigung der 
Abwässerbassins wurde regelmässig durch die landwirtschaftlichen 
Arbeiter besorgt. Kleiuere Verbindungsleitungen zur besseren Ver¬ 
teilung der Abwässer werden im kommenden Jahre angelegt werden. 
Wegen der häufig vorgekommenen Störungen in der Wasserzufuhr 
zur Anstalt beschloss der Verein, ein besonderes Sammelbassin 
auf dem höchst gelegenen Punkte des Anstaltsgebiets anzulegen. 

Zu Bedenken gaben dagegen Anlass die noch fehlenden Pflaster¬ 
steinrinnen an der Zufuhrchaussee innerhalb des Anstaltsgebietes. 


Digitized by 


Google 



208 


Nach heftigen Regengüssen gestaltete sich die Abfuhr des Regen¬ 
wassers oft recht schwierig und führte tiefe Furchenlegungen herbei, 
namentlich in nächster Nähe des Anstaltsgebäudes und des Maschinen¬ 
hauses. Die vollständige Durchführung dieser Kanalisation würde 
allerdings recht bedeutende Mittel erfordern. Wir haben demnach 
bisher nur das notwendigste anlegen können und werden die Er¬ 
gänzungsarbeiten auf die nächsten Jahre verteilen. 

Der innere Anstaltsbetrieb gestaltete sich zur allgemeinen 
Befriedigung. Bedeutendere Verluste an Mobilar und Inventar- 
stticken sind nicht zu verzeichnen. Grössere Kosten verursachten 
die Instandhaltung der Decken unserer Kranken und die Ergänzung 
des Porzellangeschirrs, von dem immer wieder durch Unachtsamkeit 
ein grosser Teil unbrauchbar gemacht wird. Den Begriff der Schonung 
fremden Eigentums kennen sehr viele unserer Kranken nicht, und 
eine Verantwortlichmachung für den angestifteten Schaden ist bei 
dem grössten Teil unserer Kranken ausgeschlossen. 

Sehr bemerkbar machte sich wiederum der Mangel genügend 
grosser Tagesräume für unsere Pfleglinge, besonders an Regentagen. 
Da zum Teil unsere Krankenräume einer grossen Anzahl Kranken 
Unterkunft gewähren, ist es aus hygienischen Gründen unstatthaft, 
dieselben im Laufe des Tages länger sich in den Schlafstuben auf¬ 
halten zu lassen. Bei einem vorzunehmenden Neubau wird der An¬ 
lage von ausreichenden Tagesräumen besondere Aufmerksamkeit zu 
schenken sein. Es unterscheidet sich in diesem Punkte begreiflicher¬ 
weise eine Heilstätte, in der verhältnismässig wenig Bettlägerigkeit 
vorkommt, wesentlich von einem Krankenhause. 

Die Beschäftigung der Kranken in den Heilstätten ist eine 
nicht leichte Sache. Unsere Krankenbibliothek erfuhr von ver¬ 
schiedenen Seiten eine Bereicherung, namentlich machte sich um 
dieselbe Herr Dr. Heer mann in Essen durch Stiftung von zahl¬ 
reichen zweckmässigen Schriften verdient, sowie die Firma Geck 
in Essen. Beiden Gönnern spreche ich auch an dieser Stelle meinen 
Dank aus. Leider war es bisher noch nicht möglich, ein Billard 
zur Benutzung der Patienten anzuschaffen. Sollten diese Zeilen 
dazu beitragen, einem Gönner die milde Hand für die Stiftung eines 
solchen zu öffnen, so würde ihm unser besonderer Dank gewiss 
sein, weun auch vorläufig für die Unterbringung eines solchen ein 
geeigneter Raum fehlt. 

Die Oberin, Frl. Berta Nötel, waltete auch in diesem Jahre 
tatkräftig ihres Amtes. Ihr zur Seite stehen nunmehr drei Schwestern. 
Schwester Selma Lange schied am 1. August aus ihrer zweijährigen 
Tätigkeit, in der sie sich die besondere Anerkennung und Wert¬ 
schätzung der Anstaltsleitung zu verschaffen gewusst hat. Es traten 
die Schwestern Hedwig und Käthe aus der Zweigabteilung des 


Digitized by 


Google 



209 


Hoten Kreuzes Elberfeld ein. Schwester Paula blieb uns erhalten. 
Die Sekretärin, Frl. Martha Rubens, schied am 15. Juli aus ihrer 
Stellung und wurde durch Frau Margarethe Endter ersetzt. Am 
1. Oktober folgte der bisherige Assistenzarzt, Herr Dr. Max Behr, 
einer Aufforderung an die Kgl. Universitätspoliklinik für Hals- und 
Ohrenkranke zu Kiel, um dort eine Assistenzstelle bei Herrn Prof. 
Dr. Friedrich zu übernehmen. Auch an dieser Stelle möchte ich 
Herrn Dr. Behr für seine erspriessliche Tätigkeit im Dienste der 
Heilstätte und sein emsiges wissenschaftliches Streben meine volle 
Anerkennung auszudrticken nicht unterlassen. 

An seine Stelle trat Herr Dr. Arthur Lissauer aus Berlin. — 
Am 5. Januar und 18. Mai nahm Herr Kreisphysikus Medizinalrat 
Dr. Racine aus Essen die gesetzlich vorgeschriebene Revision der 
Anstalt vor. 

Am 29. Februar und 10. September fanden Vortragsabende 
statt, an denen Herr Assistenzarzt Dr. Behr über: „Der Tuberkel¬ 
bazillus und seine Wirkung auf die Organe des menschlichen Körpers“ 
(mit Demonstrationen) und über: $,Die Lungentuberkulose und ihre 
Gefahren“ (mitDemonstrationen) sprach. Zu einem hübschen Anstalts¬ 
feste gestaltete sich der 9. März, an welchem Tage der Chefarzt 
von seiner Hochzeitsreise zurückkehrte. Die Patienten hatten eine 
sehr hübsche Illumination und einen Fackelzug mit Lampions in 
den Anlagen der Heilstätte arrangiert als Willkommensgruss, der in 
-einer längeren Ansprache weiteren Ausdruck fand. 

Am 15. Juni sollte ein kleines Sommer fest gefeiert werden. 
Da indessen nachmittags ein heftiger Regen sich einstellte, wurde 
abends im Saale ein Vortragsabend abgehalten, an dem die 
humoristisch veranlagten Geister ihr Bestes an scherzhaften Dar¬ 
bietungen leisteten. Am 21. Juni fand dann das Sommerfest statt, 
zu dem die Kranken schon wochenlang vorher Lampions, Luft¬ 
ballons usw. selbst verfertigt hatten. Rings um den grossen Teich 
bot sich an dem prächtigen Sommerabend das farbenreiche Bild 
einer hübschen Illumination, von einem als Patient in der Heilstätte 
befindlichen alten Marinesoldaten waren die beiden Kähne mit Segeln 
und Wimpeln geschmückt worden und zogen, mit Lampions ver¬ 
sehen und von fröhlichen Insassen besetzt, über das Wasser, während 
eine kleine Musikkapelle lustige Weisen anstimmte. Am Ufer er¬ 
tönten Gesänge, und bis zur Nacht herrschte gesunder und auf¬ 
heiternder Frohsinn. 

Am 16. September veranstalteten die Kranken eine hübsche, 
stimmungsvolle Abschiedsfeier für den scheidenden Assistenzarzt 
im Speisesaale, bei der Vorträge und Reden den Inhalt ausmachten. 

Am 21. Dezember besuchten Herr Medizinalrat Dr. Bornträger 
und Herr Landesrat Dr. Schellmann aus Düsseldorf die Heilstätte. 


Digitized by 


Google 



210 


Das Weihnachtsfest wurde in der üblichen Weise am 
23. Dezember gefeiert. Der Speisesaal war festlich mit Tannen¬ 
reisern geschmückt, und zwei grosse Weihnachtsbäume, an deren 
Ausputz die Patienten mehrere Tage mit Liebe und Eifer gearbeitet 
hatten, prangten neben dem nach Westen gelegenen Ausbau des 
Saales. Gemeinschaftliche Gesänge, Chorgesänge der Kranken, 
Deklamationen unserer jüngeren Kranken wechselten miteinander 
ab. Herr Pfarrer Smend aus Werden hielt eine zu Herzen gehende 
Ansprache. Den Kranken wurden kleine Geschenke in der gewohnten 
Art beschert. * 

Ara 31. Dezember fand zum Jahresschluss eine hübsche 
musikalische Soiree statt, bestehend aus gemeinschaftlichen Gesängen, 
Chorgesängen, Klavier-, Zither- und Harmoniumvorträgen, ernsten 
und heiteren Deklamationen. In der Mitternachtsstunde brachte 
der „Chor der Heilstätte Holsterhausen“ dem Chefarzte ein Ständchen 
dar. Ausnahmsweise begann am letzten Tage des Jahres die Nacht¬ 
ruhe erst nach 12 Uhr nachts. 

So beschlossen wir das Jahr 1904 mit dem Gefühl der Be¬ 
friedigung und mit herzlichen Wünschen für das weitere Wohl¬ 
ergehen der Anstalt im kommenden Jahre! 


An wissenschaftlichen Arbeiten wurden aus der Heil¬ 
stätte veröffentlicht 1904: 

1. Köhler, Zur Tuberkulindiagnostik, in „Beiträge zur Klinik der Tuber¬ 
kulose“ von Prof. L. Brauer. Bd. II, Heft 3. 

2. Köhler, Lungentuberkulose und Tetanie, in „Beiträge zur Klinik 
der Tuberkulose“ von Prof. L. Brauer. Bd. II, Heft 5. 

3. Behr, Die Behandlung gewisser innerer Erkrankungen durch äusser- 
liehe Anwendung des Salicyls in Form von Rheumasan, in „Thera¬ 
peutische Monatshefte“, Mai. 

4. Behr, Ein Fall von Tuberkulose des Wurmfortsatzes, in „Mitteilungen 
aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie“ von Mikulicz 
und Naunvn. Bd. XIII, Heft 2. 

5. Köhler, Kasuistische Beiträge zur Ätiologie der Lipomatose und zur 
Säurebehandlung des Pruritus nach Leo, in „Berliner klinische 
Wochenschrift“ Nr. 16. 

6. Köhler, Über die Bedürfnisfrage der Dispensaires in Deutschland 
nach französischem und belgischem Muster im „Archiv für soziale 
Medizin“ Bd. I. 

7. Köhler, Zur Pathogenese der Menschentuberkulose nach v. Behring, 
in „Wiener klinische Rundschau“ Nr. 37. 

8. Behr, Über den Einfluss der Credeschen Silbertherapie auf die den 
Tuberkelbazillus begleitenden Bakterien, in „Wiener klinische Rund¬ 
schau“ Nr. 29. 

9. Behr, Intravenöse Salicylbehandlung und rheumatische Affektionen, 
in „Münchener medizinische Wochenschrift“ Nr. 46. 


Digitized by 


Google 



211 


10. Behr, Die Halsaffektionen der Phthisiker in den Anfangsstadien, in 
«»Beiträge zur Klinik der Tuberkulose“ von Prof. L. Brauer. Bd. III. 

11. Köhler, Lungentuberkulose in Kombination mit Magenblutung und 
Magenneurose nach Trauma. II. Mitteilung, in „Ärztliche Sachver- 
ständigen-Zeitung“ Kr. 21. 

12. Köhler, Kasuistischer Beitrag zur Unfallbegutachtung bei Fällen 
von Corpora oryzoidea der Fingerbeuger in Kombination mit Tuber¬ 
kulose der Lungen, in „Ärztliche Saehverständigen-Zeitung“ Kr. 22. 

13. Köhler u. Behr, Temperatursuggestionen bei Tuberkulösen, in 
„Münchener medizinische Wochenschrift“ Nr. 48. 


II. 

Die Frequenz der Anstalt hielt sich dauernd auf der Höhe; 
zeitweise, namentlich in den Sommer* und Herbstmonaten, war ein 
solcher Andrang von Kranken zu verzeichnen, dass oft zwischen 
40 und 50 Anmeldungen wochenlang unberücksichtigt bleiben mussten. 
Auch gegen Ende des Jahres wurde die Heilstätte bis zum letzten 
Platz besetzt gehalten. Das Warten der Kranken ist begreiflicher¬ 
weise wenig wünschenswert, da sich mit der Wartezeit die Aus¬ 
sicht auf den Kurerfolg verringert. 

Die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz unter¬ 
stützte die Anstalt in dankenswertester Weise durch bereitwillige 
Überweisung einer sehr beträchtlichen Anzahl von Kranken. Ausser 
ihr sandte eine Reihe von Fabrikkrankenkassen, Ortskrankenkassen, 
Armenverwaltungen und Berufsgenossenschaften Kranke znr Kur, 
wie auch aus unserer nachfolgenden Zusammenstellung hervorgeht. 

Die Einzelzimmer (I. Klasse) erfreuten sich regen Zuspruches 
der Kranken aus dem Mittelstände. Da es wünschenswert 
ist, dass die Einrichtung der Einzelzimmer Leuten, welche eine 
tägliche Gesamtausgabe von 6 Mark für ihre Kur zu erschwingen 
in der Lage sind, zugute komme, sei auf unsere Einrichtung auch 
an dieser Stelle besonders aufmerksam gemacht. Die Kranken der 
I. Klasse speisen allein in einem besonderen, freundlich ausgestatteten 
Unterhaltungszimmer und zahlen keine besonderen Vergütungen für 
ärztliche Behandlung oder Schwesterpflege. In schweren Fällen 
werden nur besondere Stärkungsmittel (Cognac, Champagner etc.) 
in Rechnung gestellt, sowie bei grösseren chirurgischen Behandlungen 
die Verbände berechnet. 

Das Verhalten der Kranken war im ganzen als ein gutes zu 
bezeichnen. Einzelne, welche ihrer Gewohnheit gemäss auf den 
Besuch von Wirtschaften nicht verzichten konnten, mussten bei 
Wiederholungsfällen disziplinarisch entlassen werden. 

Es wurden im Jahre 1904 aufgenommen: 509 (gegen 437 
in 1903), vom Jahre 1903 übernommen: 111, also verpflegt: 
620 (gegen 502 in 1903), entlassen: 509 (gegen 391 in 1903), 


Digitized by 


Google 



212 


so dass am 31. Dezember 1904 ein Bestand von 111 Kranken vor¬ 
handen war. 

Das fortlaufende Krankenbuch schloss 1903 mit Nr. 597 

1904 mit Nr. 1106 ab. 

Über jeden Kranken wurde ein ausführliches Kranken journal 
geführt. 

Die Zahl der Verpflegungstage betrug im Jahre 1904: 
40187, was einer täglichen Durchschnittsbelegung von 110 Kranken 
entspricht. 

Kurdauer: Bei 414 der aufgenommenen 509 konnte das 
Heilverfahren vollständig durchgeführt werden. Bei 95 musste ein 
vorzeitiger Abbruch der Kur oder die Entlassung nach wenigen 
Tagen einsetzen, und zwar blieben 33 unter 4 Wochen, 62 länger 
als diese Zeit. Von den 95 waren 29 als ungeeignet für eine Heil- 
stätteukur anzusehen, 26 verliessen freiwillig vorzeitig die Anstalt 
wegen trauriger Familien Verhältnisse, besonderer Familienereignisse, 
aus Heimweh oder anderer Gründe. Bei 27 lag keine Tuberkulose 
vor, 12 mussten wegen wiederholter grober Verstösse gegen die 
Hausordnung entlassen werden, einer wurde auf Ersuchen der Landes- 
Versicherungsanstalt Rheinprovinz entlassen. 


Bis 

ZU 

6 Wochen 

blieben: 

15 Kranke. 

n 

11 

60 Tagen 

n 

51 

11 

n 

11 

75 

71 

» 

89 

71 

r> 

71 

90 

»i 

71 

81 

7) 

n 

V 

105 

71 

11 

72 

71 

71 

71 

120 


71 

59 

71 

n 

n 

135 

71 

11 

25 

7) 

V 

71 

150 

71 

71 

16 

>1 

11 

71 

180 

V 

11 

5 

71 



darüber 

blieben: 

1 

>1 


Sa. 414 Kranke. 


Stadieneinteilung: Es scheiden von den 509 Pfleglingen 
bei der Stadieneinteilung die 27 Nichttuberkulösen aus. Bei 
den übrigen 482 Tuberkulösen lag 


I. Stadium rechtsseitig . . . . 

45 mal, 

I. „ linksseitig. 

66 

17 

I. „ beiderseitig . . . . 

183 

V 

II. „ rechtsseitig . . . . 

14 

71 

II. „ linksseitig. 

7 

V 

II. „ beiderseitig . . . . 

67 

71 

III. Stadium ein- oder beiderseitig 

27 

7) 

gleichzeitig I. Stadium auf der einen 
und II. Stadium auf der anderen Seite 

73 

v vor. 

Sa. 

482 

Kranke. 


Digitized by t^ooQle 







213 


Erfolge: 

Für die Beurteilung des Erfolges kommen 426 Kranke in 
betracht, indem auch bei 12 vor Beendigung des Heilverfahrens 
Entlassenen von einem namhaften Erfolg gesprochen werden konnte. 
Erfolg I sehr guter Erf. wurde verzeichnet bei 115 Kranken = 27 °/ 0 , 


» II 

guter „ „ 

77 

„ 209 „ 

- 49,1 «/ 0 , 

» III 

v n 

77 

n 83 „ 

= 19,5o/o, 

» IV 

kein „ „ 

77 

3 

OD 

3 

= 4,2 o/ 0 , 


Tod 

77 

* 1 » 

= 0,2 o/ 0 . 


Sa.. 426 Kranken = 100 °/ 0 . 

Demnach standen 76,1 °/ 0 gute Erfolge, 23,9°/ 0 geringen 
oder ausgebliebenen Erfolgen gegenüber. 

Gewichtszunahme: 

75 Kranke scheiden aus; von den 95 vorzeitig Entlassenen 
konnten 20 Kranke billigerweise wegen längerer Kurdauer dennoch 
berücksichtigt werden. 


Es 

nahmen zu 

bis 

18 kg 

: 1 

Kranker, 

n 

TI 

TI 

77 

16 „ 

1 

77 

77 

77 

77 

11 „ 

14 „ 

23 

Kranke, 

n 

11 

77 

9 „ 

10 „ 

41 

77 

77 

11 

77 

7 » 

8 „ 

79 

77 

77 

77 

TI 

4 „ 

6 „ 

161 

77 

«1 

77 

77 

1 „ 

3 , 

109 

77 



Ohne Zunahme: 

6 

77 



Abnahme zeigten: 

13 

77 





Sa.: 

434 

Kranke. 


Auswurf und Tuberkelbazillen: Von den 482 Tuber¬ 
kulösen hatten 56 keinen Auswurf = 11,6 ü / 0 . Von den tibrigbleiben- 
den 426 hatten 63 bei der Aufnahme und bei der Entlassung noch 
Tuberkelbazillen im Auswurf, 19 hatten bei der Aufnahme, aber bei 
der Entlassung keine Tuberkelbazillen mehr, einer hatte keine 
Tuberkelbazillen bei der Aufnahme, aber bei der Entlassung. Demnach 
sind 83 = 19,5 °/ 0 positive Bazillenbefunde zu verzeichnen. Zweifel¬ 
los ist in Wirklichkeit die Zahl der bazillenentleerendcu Kranken 
eine grössere gewesen. Es verloren den Auswurf überhaupt: 183 
Kranke = 42,9 °/ 0 . 

Alter der Kranken: Dem Alter nach entfielen: 

56 Kranke auf 11—20 Jahre, 

217 „ „ 21-30 „ 

173 „ * 31-40 „ 

53 „ „ 41—50 „ 

10 a „ 51-60 „ 

Sa. 509 Kranke. 


Digitized by CsOOQle 



214 


Konfession der Kranken: Von den 509 auf genommenen 
Kranken gehörten: 

261 der katholischen, 

244 der evangelischen, 

2 der mosaischen Religion an, 

_ 2 waren Di ssidenten. 

8a. 509 Kranke. 

Beruf der Kranken: Unsere Pfleglinge gehörten folgenden 
Berufen an: 


1 Hauptlehrer, 

3 Lehrer, 

7 Kaufleute, 

1 Polizeikommis¬ 

sar, 

2 Gymnasiasten, 

1 Ingenieur, 

2 Apotheker, 

1 Maler, 

1 Landmesser, 

1 Bildhauer, 

2 Landwirte, 

1 Student, 

1 Oberpostassi¬ 
stent, 

1 Uhrmacher, 

1 Bautechniker, 

3 Buchdrucker, 

2 Kontoristen, 

7 Handlungsge¬ 
hilfen, 

2 Viehhändler, 

4 Bureaubeamte, 

6 Bureaugehilfen, 

1 Verwaltungsge¬ 
hilfe, 

1 Techniker, 

1 Bureaubote, 

1 Ausmesser, 

2 Kassenboten, 

2 Schneidermeister, 

1 Schreinermeister, 
4 Mechaniker, 

4 Bäcker, 

2 Schriftsetzer, 


! 1 Polizeisergeant, 

2 Buchbinder, 

1 Kassierer, 

1 Sattler, 

1 Friseur, 

2 Postschaffner, 

1 Schreiber, 

1 Kutscher, 

3 Drechsler, 

1 Schleifermeister, 

1 Schachtmeister, 

3 Metzger, 

2 Lokomotiv¬ 

führer, 

6 Strassenbahn- 
f (ihrer, 

1 Schaffner, 

1 Klempner, 

2 Schuhmacher, 

2 Monteure, 

1 Lagerist, 

2 Packer, 

8 Zimmermänner, 
2 Vorzeichner, 

2 Dachdecker, 

5 Schmiede, 

2 Kellner, 

4 Gärtner, 

1 Schiffer, 

1 Steinmetz, 

2 Schüler, 

1 Mützenmacher, 

1 Betriebsführer, 

2 Tischler, 

1 Stuckateur, 


26 Schreiner, 

1 Gerichtsdiener, 

1 Zeichner, 

1 Musiker, 

3 Hausdiener, 

1 Konditor, 

2 Krankenwärter, 
49 Schlosser, 

2 Weichensteller, 

1 Polsterer, 

8 Former, 

6 Fuhrmänner, 

5 Bergmänuer, 

3 Schneider, 

6 Anstreicher, 

4 Briefträger, 

6 Maurer, 

7 Maschinisten, 

1 Papiermacher, 

1 Kistenmacher, 

2 Korbmacher, 

3 Zigarrenmacher, 
2 Rangierer, 

4 Gerber, 

1 Bandwirker, 

1 Glasmacher, 

1 Gartenarbeiter, 

1 Hilfsarbeiter, 

2 Feilenhauer, 

21 Dreher, 

1 Strassenwärter, 

7 Tagelöhner, 

1 Ofenarbeiter, 

7 Walzer, 

1 Porzellandreher, 


Digitized by c^ooQle 



215 


17 Weber, 

1 Gatterschneider, 

7 Giesser, 

6 Färber, 

3 Krahnenführer, 

1 Säger, 

1 Zuschläger, 

Herkunftsorte 

Altenessen 4, 

Alstaden 2, 

Altstadt 1, 

Alsum 1, 

Andernach 1, 

Barmen 2, 

Broich 1, 

Bruckhausen 6, 
Biefang 1, 
Beeck-Ruhrort 10, 
Böckum 1, 

Bredeney 1, 

Borbeck 7, 

Crefeld 15, 

€alcum 1, 

Cassel 1, 

Dttlken 1, 

Dtissel 2, 

Dahl 1, 

Duisburg 40, 

Dümpten 1, 

Düsseldorf 44, 

Essen 136, 

Erkrath 1, 

Essenberg 1, 

Eller 1, 

Elberfeld 3, 

Frintrop 1, 

Freilingen 1, 
Fischlaken 1, 
Grossehöhe 1, 
Gerresheim 1, 

Geldern 1, 

Greuel 1, 

Hiesfeld 1, 


1 Ofengebilfe, 

1 Verputzer, 

3 Fraiser, 

1 Lehrling, 

1 Stellmacher, 

1 Ackerer, 

: Es stammten aus: 

Hamborn 1, 
Hetterscheid 1, 
Holthausen 3, 
Holsterhausen 1, 
Homberg 3, 

Hüls 2, 

Hilden 1, 

Heissen 1, 
Heiligenhaus 6, 
Heidhausen 1, 
Hamminkeln 1, 
Hucklenbruch 1, 
Isselburg 1, 
Immendorf 1, 
Kettwig 2, 
Kaiserswerth 1, 
Kray 2, 

Kupferdreh 6, 

Laar 9, 

Langen berg 7, 
Lackbausen 1, 
Lobberich 1, 
Merkenich-Cöln 1, 
Meiderich 15, 

Mors 6, 

Mettmann 3, 
Mülhausen-Oedt 1, 
Marxloh 4, 
M.-Gladbach 2, 
Mülheim Ruhr 30, 
Neurath 1, 

Neuss 2, 

Neviges 4, 

Neheim 1, 
Niedermörmter 1, 


| 1 Margariue- 

arbeiter, 

2 Hafenarbeiter, 
i 141 Arbeiter ver- 
j schiedener Fa¬ 

brikbetriebe. 
509 Kranke. 


Oberhausen 17, 
Oedt 3, 

Orsoy 1, 

Rees 1, 

Ratingen 3, 

Rath 3, 

Rellinghausen 1, 
Ruhrort 5, 
Rützkausen 1, 
Rüttenscheid 4, 

Scherpenberg 1, 
Stockum 7, 
Styrum 4, 
Schonnebeck 1, 
Solingen 1, 
Saarn 3, 
Speldorf 1, 
Sterkrade 3, 
Schiefbahn 1, 
Saeffeln 1, 

Steele 1, 

Urdenbach 1, 

Velbert 9, 
Vohwinkel 1, 
Vosnacken 1, 

Wald 1, 

Walsum 2, 
Weeze 1, 

Wesel 3, 

Willich 2, 
Werden 5, 
Wülfrath 2, 

~ Sa. 509 


Digitized by 


Google 



216 


Kostentibernabme: 

Selbstzahler: 40, 

teils selbst, teils Landesversicherungsanstalt Rbeinproviuz 1, 
Armenverwaltung Essen 4, 

Polizei Verwaltung Essen 1, 

Oberpräsiden t-Nasse-Jubiläums-Stiftung 1, 

Norddeutsche Holzberufsgenossenschaft Sekt. IX Cöln 3, 
Rhein.-Westf. Hütten- und Walzwerksberufsgenossenschaft Essen l r 
Strassen- und Kleinbahnberufsgenossenschaft Berlin 1, 
Ziegeleiberufsgenossenschaft Sekt. XI Cöln 1, 
Knappschaftsberufsgenossenschaft Sekt. II Bochum 1, 

Postamt Düsseldorf und selbst 1, 

Berg. Verein für Gemeinwohl Solingen 1, 

Fabrikkrankenkasse, Gewerkschaft Deutscher Kaiser Hamborn 21 r 
„ „ Guilleaume und Wegmann Duisburg 1, 

„ „ Matthes und Weber Akt.-Ges. Duisburg 1, 

„ „ Johanneshütte Akt.-Ges. Fr. Krupp Duisburg- 

Hochfeld 1, 

„ „ Thyssen & Co. Ruhrort 1, 

„ „ Forstmann & HufFmann Werden 1, 

Ortskrankenkasse Werden 1, 

„ „ Mülheim Ruhr 1, 

Armenverwaltung Mülheim Ruhr 4, 

Ortskrankenkasse Velbert 1, 

* n Mörs 2, _ 

Summa 91; 

Landesversicberungsanstalt Rheinprovinz: 418 (=82,1%). 


An sonstigen Erkrankungen wurde beobachtet: 

Kranken f Kranken 


Allgemeine Schwäche bei 6 
Asthma ...... 3 

Alopecia areata . . „ 1 

Adhaerom . . . . „ 3 

Amyloid niere . . . „ 1 

Arteriosclerosisgravis „ 1 

Bandwürmer . . . „ 2 

Bronchitis chronica . „ 8 

Bronchiektasieen . . „ 1 

Cholelithiasis u. Icte¬ 
rus .,, 1 

Chron. Gelenkrheu¬ 
matismus . . . „ 4 


i Chron. recidiv. Osteo- 


myelitis . . . 

Conjunctivitis ulce¬ 

. bei 

1 

rosa .... 

• 77 

2 

Diabetes mellitus 

• n 

2 

Darmtuberkulose . 

• r> 

1 

Dacryocvstitis. . 

* T) 

1 

Ectasia ventriculi 

• r> 

1 

Emphysem . . . 

Empyem der Stirn- 

• 77 

13 

höhle .... 

* 7) 

1 

Fibrolipom . . . 

* 77 

1 

Gelenksankylose . 

* 77 

1 


Digitized by t^ooQle 




217 




Kranken 


Kranken 

Gelenktuberkulose . 

bei 

i 

Paraphimosis . . . 

bei 

1 

Glossitis . . . . 

n 

i 

Periproctitischer Ab- 



Gonorrhoe . . . . 

Ti 

2 

szess . 

Ti 

2 

vorübergeh. Glyko- 



Pityriasis versicolor . 

Ti 

2 

surie. 

Ti 

1 

vorübergeh.Phosphat- 



Hauttnberkulose . . 

n 

2 

urie u. Albuminurie 

Ti 

1 

Herpes circinatus 

71 

2 

Pleuritis exsudativa . 

Ti 

2 

Hypochondrie . . . 

Ti 

1 

Potatorium .... 

Ti 

9 

Herzarythmie . . . 

» 

1 

Rekonvaleszenz . . 

Ti 

2 

Herzneurose . . . 

Ti 

1 

Rippenfraktur . . . 

Ti 

1 

Impetigo contagiosa. 

n 

2 

Syphilis. 

Ti 

2 

Imbecillität . . . 

Ti 

1 

Skrophulose . . . 

Ti 

1 

Laryngitis Simplex . 

n 

4 

Sebnenscheidenreis- 



Lichen ruber planus 

7) 

1 

körperchen . . . 

Ti 

1 

Lippentuberkulose 

Ti 

1 

Sycosis parasitaria . 

Ti 

1 

Magenkatarrh . . . 

Ti 

1 

Tetanie. 

Ti 

1 

Mastdarmfistel. . . 

Ti 

2 

Tonsillengangrän. . 

Ti 

1 

Mitralinsuffizienz . . 

7i 

1 

Traumatische Hyste¬ 



Meningitis . . . . 

71 

1 

rie . 

Ti 

1 

Muskelrheumatismus. 

Ti 

1 

Tuberkulöse Lym¬ 



Myasthenie.... 

n 

1 

phome .... 

Ti 

2 

Myocarditis . . . 

Ti 

1 

Tuberkulöser Unter¬ 



Neurasthenie . . . 

Ti 

24 

kieferabszess . . 

Ti 

1 

Ozaena . 

Ti 

3 

Tuberkulöser Ober¬ 



Osteomyelitis . . . 

Ti 

2 

schenkelabszess 

Ti 

1 

beginn. Paralysis 



Ulcus cruris . . . 

Ti 

1 

progr. 

n 

1 

Zungentuberkulose . 

Ti 

1 


Wegen Kehlkopfaffektionen wurden 41, wegen Nasen¬ 
affektionen 19, wegenOhraffektionen 8 behandelt, wobei t die 
sehr bald vorübergehenden Affektionen nicht eingerechnet sind. So¬ 
weit chirurgische Eingriffe nötig wurden, wurden dieselben im 
eignen Operationszimmer der Anstalt vorgenommen. 

Erheblichere Lungenblutungen wurden 30mal beobachtet. 


Für die Begutachtung der versicherten Kranken unter¬ 
scheidet die Landes Versicherungsanstalt Rheinprovinz 
3 Noten: A, B, C, wobei A einen vollen Erfolg mit voller Erwerbs¬ 
fähigkeit und Aussicht auf Dauer des Erfolges bedeutet, B: Erfolg 
mit Erwerbsfahigkeit über */*> C: keinen Erfolg und Arbeitsunfähig¬ 
keit bedeutet. Von den 418 Kranken, welche die Landesversicherungs¬ 
anstalt uns tiberwies, wurden 32 ausgeschieden, da sie von vorne- 

Centralbl&tt f. allpr. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 15 


Digitized by 


Google 

j 






218 


herein als ungeeignet nicht behandelt werden konnten, oder die An¬ 
stalt frühzeitig verliessen, oder weil keine Tuberkulose vorlag. 

Bei den Testierenden 386 wurden beurteilt 
mit A: 88 = 22,8 %, 

„ A—B: 153 = 39,6°/ 0 , 

„ B—A: 69 = 17,9 o/ 0 , 
n B: 57 = 14,7 °/ 0 , 

„ B-C: 1= 0,3%, 

„ C: 18 = 4,7 o/q, 

Summa 38(5= 100 °/ 0 . 

Die Behandlung bestand, wie bisher, fast ausschliesslich in 
dem physikalisch-diätetischen Prinzip. Morgens nach dem 
Frühstück finden die hydrotherapeutischen Prozeduren statt, 
bei denen die schwächlichen und fiebernden Kranken abgewaschen 
werden, während die kräftigen nach Möglichkeit eine Douche be¬ 
kommen. Letztere wird meist anfangs in wärmeren Graden und 
mit kürzerer Dauer verabfolgt. Eine schwächere Form besteht in 
der sogen. Rückendouche, die kräftigere in der gewöhnlichen 
Regendouche. Mit der Zeit gewöhnen sich die Kranken sehr 
gut und gerne an diese Manipulation. Auch haben wir von „Teil¬ 
waschungen“ im Laufe des Tages und von „Stammumschlägen“ be¬ 
sonders bei leicht Fiebernden gute Erfolge gesehen. Nicht unzweck¬ 
mässig erschien uns bei Leichtkranken, welche an Atembeschwerden, 
schwerer Schleimentleerung und Emphysem leiden, die vorsichtige 
Anwendung eines kurz einwirkenden Dampfstrahles, sowie der aus¬ 
giebige Gebrauch von Kreuzbinden für die Nacht. Wir haben da¬ 
bei niemals unliebsame Folgen, dagegen recht häufig freiere Atmung 
beobachten können. Dem Dampfstrahle folgt eine kurze kühle 
Douche. Nach gehörigem Trockenreiben gehen dann die Kranken, 
soweit sie nicht bettlägerig sind, spazieren und kehren zum 2. Früh¬ 
stück V 2 11 Uhr zurück. Die Liegekur findet von 11— s / 4 1, von 
2—4 und von x / 2 6— 1 /s7 Uhr statt. Ausnahmen werden je nach 
Lage des Falles eingeführt. 

Von symptomatischen Mitteln wurden CodeYn, Dionin, 
Krukenbergsches Pulver, Liquor Ammonii anisatus, Senega, 
Ipecacuanha, Terpinhydrat und Tees viel angewandt. Von Pyrenol 
haben wir wenig auffallendes gesehen. Sanosinversuche sind nicht 
fortgesetzt worden. 

Als Fiebermittel wurden namentlich Pyramidon, Aspirin und 
Phenacetin, seltener Maretin und Phthisopyrin angewandt. 

Als Mittel bei Darmaffektionen haben wir mit gutem Er¬ 
folg von Dermatol, CotoYn, Campecheholz, Tannigen und Tannalbin, 
sowie Opium mit Wismut Gebrauch gemacht, bei Verstopfungen 
von Ricinus, Podophyllin, PhenolphthaleYn, Rheum. 


Digitized by v^ooQle 



219 


Die häufigen neuralgischen Beschwerden wurden mit 
Massage, Aspirin, Phenacetin, Trigemin und mit endovenösen Salicyl- 
iinjektionen nach Mendel behandelt. Elektrische Behandlung wurde 
selten angewandt. 

In hartnäckigen Fällen von Schlaflosigkeit, bei denen pro¬ 
longierte warme Bäder nichts nutzten, haben wir von geringen 
Dosen Veronal gutes gesehen. 

Auf Tuberkulinbehandlung haben wir verzichtet aus einer 
-Reihe von Gründen, deren Darlegung hier zu weit führen würde. 

Die Inhalationen mit einem gut funktionierenden Was- 
mutbapparat im Gesellschafts-Inhalationsraum erfreuten sich be¬ 
sonderer Wertschätzung. Wir verwandten dazu Emser Salz, Alaun- 
Tanninlösungen, phenylpropiolsaures Natron, Kresamin, Nirvanin. 

Bei sehr nervösen Kranken wurden Dauerpackungen recht 
gut vertragen. Bei Lungenblutungen wurde meist kein Medi¬ 
kament verwandt, sondern in erster Linie auf die absolute Ruhe 
Wert gelegt, in wenigen Fällen war Adrenalin, Ergotin, Hydrastis, 
♦Stypticin, Morphium am Platze. 

Über Dauererfolge. 

Um einen Überblick zu gewinnen, inwieweit von Dauer¬ 
erfolgen nach den Kuren in der Heilstätte die Rede sein kann, 
haben wir stets genau 2 Jahre nach der Entlassung an jeden ein¬ 
zelnen früheren Pflegling zunächst eine freundliche Aufforderung 
gesandt, zur kostenlosen Nachuntersuchung sich in der Heilstätte 
vorzustellen. War eine solche aus irgendwelchen Gründen nicht zu 
erreichen, so haben wir einen Fragebogen versandt. 

Es soll nicht verschwiegen werden, dass es häufig grosser 
Arbeit und Mühe bedurfte, einmal den derzeitigen Wohnsitz der 
«einer Zeit Entlassenen festzustellen, andererseits ausreichende Mit¬ 
teilungen zu erlangen. 

Bis zum 31. Dezember 1902 waren seit Bestehen der Anstalt 
im ganzen 90 Tuberkulöse entlassen worden. Von diesen stellten 
sich 46 zur Nachuntersuchung ein, von 37 gingen Berichte ein, 
von 7 war bisher keine Auskunft zu erlangen. 

Es ergab sich, dass von den 83 Patienten: 14 gestorben waren 

= 17 # / 0 , 

darunter waren 5 damals sofort als ungeeignet und* 
.aussichtslos, einer nach kurzer Zeit disziplinarisch entlassen worden, 

4 waren mit Erfolg IV (gar kein Erfolg), 

2 „ „ „ III (geringer Erfolg), 

2 „ „ /,II und I (guter und sehr guter Er¬ 

folg) entlassen worden. 


Digitized by 


Google 



220 


Ständig gearbeitet seit der Entlassung vor 2 Jahren hatten*. 
42, kurz krank gewesen, nunmehr aber wieder in ständiger 
Arbeit waren 13, so dass von den 83 vor 2 Jahren Entlassenen 
55 als völlig erwerbsfähig angesehen werden können =66°/ 0 . 

In Intervallen arbeitend sind 8 zu verzeichnen, können 
also als teilweise erwerbsfähig angesehen werden, darunter 
gaben 2 chronischen Rheumatismus als Ursache an, = 10°/ o . Arbeits¬ 
unfähig und erwerbsunfähig waren 6, davon waren 2 seiner 
Zeit nach kürzester Zeit als von vornherein ungeeignet entlassen, 
worden, 4 waren mit Erfolg II damals entlassen worden, = 7°/ 0 . 

Demnach tot und erwerbsunfähig 24°/ 0 , 
teilweise erwerbsfähig 10°/ 0 , 
voll erwerbsfähig . 66°/ 0 . 

Dazu ist zu bemerken, dass unter den Todesfällen bei ge¬ 
rechter Würdigung der Dauererfolg-Frage die sofort als ungeeignet 
und disziplinarisch Entlassenen in Abzug gebracht werden müssten,, 
ebenso von den Arbeitsunfähigen 2, die sofort als ungeeignet ent¬ 
lassen wurden, ebenso von den teilweise Erwerbsfähigen 5, da von 
diesen 1 seiner Zeit als ungeeignet, 1 nach kürzester Zeit dis¬ 
ziplinarisch entlassen wurde, 1 nach kurzer Zeit freiwillig austrat,, 
und 2 wegen Rheumatismus, nicht Lungenleiden in der Erwerbs¬ 
fähigkeit beschränkt sind. Von den jetzt voll Erwerbsfähigen hatte^ 

1 die Anstalt freiwillig vorzeitig verlassen, kann demnach auch 
nicht zur Berechnung kommen. 

Es kämen demnach zur Berechnung für den Stand. 

2 Jahre nach ihrer Entlassung von 69 Patienten: 

8 Todesfälle.= 11,6°/ 0 , 

4 Erwerbsunfähig e ... — 6jO°/ 0 , 

3 teilweise Erwerbsfähige = 4,3°/ 0 , 

54 voll Erwerbsfähige . . =78,1 °/ 0 

woraus sich 82,4°/ 0 positive, 17,6°/ 0 negative Erfolge er^ 
geben. 

Die Untersuchungen werden fortgesetzt und im nächsten Jahres¬ 
bericht wieder ausführlich mitgeteilt werden. 


Erläuterungen zur Bilanz pro 31. Dezember 1904. 

Im Jahre 1904 sind an einmaligen jährlichen Mitglieder-Bei- 
trägen, einschliesslich Mk. 30 000.— Beitrag des Deutschen Zentral- 
Komitees zur Errichtung von Volksheilstätten für Lungenkranke, 
Mk. 37 577.56 eingegangen, so dass wir bis zum 31. Dezember 1904 
hierfür eine Einnahme von ....... Mk. 477 079.84 

zu verzeichnen hatten. 


Digitized by v^ooQle 





221 


Auf das bei der Landesversicherungs-An- 
stalt Rheinprovinz aufgenommene Darlebn von 
Mk. 600 000 sind in 1904 weitere Mk. 8303.60 
zur Rückzahlung gelangt, so) dass wir hierfür am 


■31. Dezember 1904 noch. Mk. 585 636.40 

in Rechnung zu stellen hätten. 

Am 31. Dezember 1904 hätten wir demnach 

mit einer Gesamt-Einnahme von.Mk. 1062 716.24 

zu rechnen. 


Die Ausgaben dagegen betragen bis zum 
31. Dezember 1904: 

-a) für Grunderwerb etc. . . . Mk. 215 762 


b) „ Wegebau.„ 16 637.10 

c) „ Errichtung der Gebäude „ 592126.31 

•d) „ Maschinen-,Kessel-,Licht- 

Anlage . „ 132146.95 

■e) „ Mobiliar.„ 49 821.73 

f) „ Geräte und Utensilien . „ 26 307.51 

,g) „ Fuhrwerk. . 9 491.50 

b) „ vorausbezahlte Prämien . „_923.55 


Summa Mk. 1043 216.65 
i) „ ferner haben wir zur 
Deckung der Zinsen etc. 

ausgegeben.Mk. 16561.04 

welchen Betrag wir dem 
Mitglieder- Beiträge-Eonto 
entnommen haben. 


Sa. Ausgaben bis 31. Dezember 1904 Mk. 1 059 777.69 


-so dass am 31. Dezember 1904 ein Bestand ver¬ 
blieb von .. 

Mk. 

2938.55 

Dieser Bestand von Mk. 2 938.55 wird nach- 



gewiesen durch die Positionen 1—3inkl. der Ak¬ 
tiva mit. 

Mk. 

20387.37 

hiervon kommen in Abzug laut Position 3—6 inkl. 
der Passiva. 

Mk. 

17 448.82 


Ergibt Bestand.Mk. 2938.55 


Auf die fundierten Schulden unseres Vereins, welche ursprüng¬ 
lich 600000 Mk. betrugen, sind bis zum 31. Dezember 1904 ins¬ 
gesamt Mk. 14363.60 zurückgezahlt worden, so dass das Darlehen 
noch in Höhe von Mk. 585636.40 besteht. 

Die bei der Hauptkasse bis zum 31. Dezember 1904 einge¬ 
gangenen, -unter Position 1 der Passiva nachgewiesenen Mitglieder- 


Digitized by t^ooQle 












222 


Beiträge in Höhe von Mk. 477 079.84 verteilen sich auf die einzelnen 
Kreise wie folgt: 

Essen-Land Mk. 55431.24, Essen-Stadt Mk. 1699T8.60, Mülheim 
a. R. exkl. Oberhausen Mk. 38200.72, Ruhrort Mk. 59892.36, Ober¬ 
hausen Mk. 40872.67, Duisburg Mk. 81884.25 und fremde Kreise 
Mk. 30820.—. 

Zur Deckung des Fehlbetrages auf Gewinn- und Verlust-Konto- 
mussten wir Mk. 16561.04 aus dem Mitglieder-Beiträge-Konto ent¬ 
nehmen, so dass dieses Konto am 31. Dezember 1904 noch in Höhe 
von Mk. 460518.80 besteht. 

Im Anstaltsbetriebe hatten wir pro 1904 eine rechnungsmässige* 

Einnahme von.Mk. 154950.91 

dagegen eine rechnungsmässige Ausgabe von . . n 152984.90 

mithin ist ein Überschuss von.Mk. 1966.01 

pro 1904 im Anstalts-Betriebe erzielt worden, welcher dem Gewinn- 
und Verlust-Konto gutgebracht wurde. 

Dem Gewinn- und Verlust-Konto sind (ferner) belastet worden 
für Zinsen Mk. 17 686.68, für Inserate, Drucksachen, Porto Mk. 550.82* 
und für absorbierte Versicherungs-Prämien Mk. 289.55. Der sich 
hiernach auf dem Gewinn- und Verlust-Konto ergebende Fehlbetrag 
von Mk. 16561.04 ist, wie bereits gesagt, dem Mitglieder-Beiträge- 
Konto entnommen worden. 

In den Ausgaben flir den Anstalts-Betrieb sind Beträge für 
Reparaturen und Erneuerungen enthalten, die das Ergebnis natur- 
gemäss ungünstig beeinflussen mussten. 

Der ausgewiesene Gesamt-Fehlbetrag von Mk. 16561.04 ist 
durch den Zinsendienst hauptsächlich verursacht worden, da wir 
hierfür Mk. 17 686.68 in Ausgabe stellen mussten. 

Da der Zinsen- und Amortisations-Dienst allein pro Jahr 
Mk. 2400U.— erfordert, so ist der Beschluss der beteiligten Stadt- 
und Landkreise, den Beitrag auf 2 Pfg. pro Kopf und Jahr zu er¬ 
höhen, nur mit Freuden zu begrüssen. Mit dieser Beitragserhöhung 
können wir jedoch nur dann auskommen, wenn auch in Privat¬ 
kreisen das Interesse für unsere gute Sache rege erhalten wird,, 
und so gestatten wir uns daher an die Freunde unserer Volksheil¬ 
stätte die herzliche Bitte zu richten, nach Möglichkeit weitere Kreise 
für unser Unternehmen zu interessieren und demselben tatkräftige 
Hilfe zuzuführen. 


Digitized by 


Google 





XTV. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiter- 
Wohlfahrts-Einrichtungen am 5. u. 0. Juni 1905 

in Hamm-W. 

(Aus dem offiziellen Bericht.) 


Zu dem 1. Thema: „Die Belehrung der Arbeiter über 
die Giftgefahren in gewerblichen Betrieben“, hielt den 
einleitenden Vortrag Prof. Dr. K. B. Lehmann (Würzburg) über 
die Frage: „Was sind und wie wirken die wichtigsten Fabrikgifte 
und was ist bisher zu ihrer Bekämpfung geschehen ? u Als Fabrik¬ 
gifte definiert der Vortragende alle diejenigen Stoffe, welche die 
Gesundheit des Fabrikarbeiters, der mit ihnen umgeht, auf chemi¬ 
schem Weg bedrohen Es kann sich nur um solche Substanzen 
handeln, die in den Mengen und auf den Aufnahmewegen wie sie 
der Fabrikbetrieb mit sich bringt oder mit sich bringen kann, 
schädlich wirken. Die Schwierigkeit, manche Substanzen als Fa¬ 
brikgifte zu erkennen, beruht namentlich darauf, dass manche 
Menschen gegen Gifte auffallend widerstandsfähig, andere auffallend 
empfindlich sind, dass keine Krankheit nur durch ein bestimmtes 
Gift, sondern daneben fast stets auch auf anderm Wege entstehen 
kann und endlich ist sehr häufig in den Fabriken namentlich der 
chemischen Industrie Gelegenheit zur Einwirkung mehrerer Gifte 
nebeneinander geboten, unter denen nicht immer leicht das im ge¬ 
gebenen Fall schädigende herauszufinden ist. Es müssen deshalb 
Tierversuche die Erfahrungen der bei Morden und Unglücksfällen 
gemachten Erfahrungen mit Giften und gelegentlich Experimente 
am Menschen zur Aufklärung schwieriger Fragen über Fabrikgifte 
herangezogen werden. Besondere schwierig sind solche Versuche, 
wenn es sich um die sehr langsame Wirkung kleiner Dosen handelt. 
Bei den Aufnahmewegen der Gifte hat man bisher fast ausschliess¬ 
lich den Mund resp. den Verdauungsapparat und die Atmung be¬ 
rücksichtigt. Der Vortragende teilt eine Reihe von eigenen Ver¬ 
suchen mit, aus denen schlagend hervorgeht, dass eine grosse Reibe 
organischer Gifte, namentlich Anilin und Mikrokörper, von der un¬ 
verletzten Haut des Tieres und jedenfalls des Menschen in Aus¬ 
schluss jedes andern Aufnahmeweges aufgesaugt werden und zu 


Digitized by t^ooQle 



224 


schweren Vergiftungen führen. Mit Hilfe grosser Tabellen gibt der 
Vortragende einen Überblick über die Fabrikgifte. 

Der zweite Teil des Vortrages von Prof. Lehmann behandelt 
eine kurze Beantwortung der Frage: „Was ist bisher zur Vermin¬ 
derung der Giftgefahr in den deutschen Fabriken geschehen?“ Zu¬ 
nächst bespricht der Vortragende die Entwicklung der deutschen 
Gesetzgebung in kurzen Umrissen. Der Tätigkeit der deutschen 
Fabrikinspektion in ihrer gegenwärtigen Form spendet der Vor¬ 
tragende ein hohes Lob, doch hält er eine Teilnahme der Ärzte an 
derselben für wünschenswert, etwa in der Form, dass an jedem 
preussischen Regierungssitz und in Stiddeutschland etwa einstweilen 
in jedem Lande ein Arzt neben dem Regierungsgewerberat an¬ 
gestellt würde. Weitere Massnahmen des Staates, welche wertvoll 
für die Verminderung der gewerblichen Vergiftungskrankheiten 
waren, war einmal die Schaffung der Berufsgenossenschaften. Da 
jeder Fabrikbesitzer Interesse hat, einer möglichst niedrigen Ge¬ 
fahrenklasse anzugehören, beseitigt er manche Gelegenheit zur ge¬ 
werblichen Vergiftung. Drittens wird als wertvolle Massnahme 
die Gründung zahlreicher pharmakologischer Institute an den deut¬ 
schen Universitäten und endlich auch die Gründung des ßeicbs- 
gesundheitsamtes angegeben. In den folgenden Ausführungen be¬ 
spricht der Vortragende noch kurz die Leistungen der Fabrikbesitzer 
zur Verminderung der Giftgefahr, die zum Teil allerdings als her¬ 
vorragend zu bezeichnen sind, zum Teil allerdings noch ein volles 
Verständnis ihrer Pflicht vermissen lassen. Als wertvollste Mass¬ 
nahme wird angeführt Verbesserung der technischen Einrichtung 
zur Abführung von Staub und Dämpfen, Ersatz von Menschenarbeit 
durch Maschinenarbeit, die Einrichtung von Bädern, von obliga¬ 
torischem Kleiderwechsel, endlich in weiterem Sinne die Gründung 
von Arbeiterwohnungen, Arbeiterküchen, Speisesälen und alle son¬ 
stigen Wohlfahrtseinrichtungen. Ein Urteil über die Frage, inwie¬ 
weit die Arbeiter dazu beigetragen haben, die Gefahr in den Fa¬ 
briken zu vermindern, getraut sich der Vortragende nicht abzugeben. 
Er schätzt aber die bisherige Mitwirkung der Arbeiter in dieser 
Richtung ziemlich gering ein. Dagegen anerkennt der Vortragende 
mit warmen Worten zum Schlüsse die erheblichen Verdienste, die 
sich viele Ärzte durch Studien und Publikationen über Fabrik¬ 
krankheiten bei der Bekämpfung der Giftgefahr erworben haben. 
Dabei bedauert er, dass es den angestellten Fabrikärzten aus nahe¬ 
liegenden Gründen häufig nicht möglich ist, die von ihnen ge¬ 
sammelten wichtigen Erfahrungen zu verwerten. 

Der zweite Hauptreferent, Prof. L. Lewin-Berlin, führte 
etwa folgendes aus: 

Zu den gefährdetsten Arbeitern gehören diejenigen, denen Ge- 


Digitized by 


Google 



225 


legenheit geboten ist, giftige Stoffe in ihren Körper aufzunehmen. 
Es ist als eine Tatsache zu bezeichnen, dass diese Zweige gewerb¬ 
licher Betätigung von Jahr zu Jahr eine wachsende Zahl von Ar¬ 
beitskräften, und in besonders grossem Umfange auch weibliche 
erfordert. Die deutsche chemische Industrie, die grösste und tech¬ 
nisch vorbildlichste der Welt, und die zahllosen von ihr direkt und 
indirekt abhängigen Industriezweige können nur gedeihen und in 
Wechselwirkung in erheblicher Weise zum Gedeihen Deutschlands 
beitragen, wenn sie eine ausreichende Zahl gesunder Arbeiter be¬ 
sitzt. Andererseits erfordert das Staatsinteresse ebensowohl wie 
das allgemeine menschliche Billigkeitsgefühl, dass der Arbeiter 
durch seine Beschäftigung nicht weiter körperlich in Anspruch ge¬ 
nommen wird, als es die Arbeitsleistung, d. h. die tägliche Ab¬ 
nutzung seiner Körperkraft und die bei allen Arbeiten möglichen, 
zum Teil unvermeidlichen, wechselnden Einflüsse von Luft und 
Wärme erforderlich machen. 

Allem diesen ist der Giftarbeiter wie jeder andere Arbeiter 
ausgesetzt, aber ausserdem noch der unheimlichen Macht des Giftes, 
das an einem Tage die Ökonomie seines Körpers oder die Funktion 
einzelner Organe mehr stören kann, als es die schwerste Arbeit in 
Jahrzehnten zu bewerkstelligen vermag. Nur wenige ganz Ein¬ 
geweihte wissen, wie wechselvoll, von Individuum zu Individuum 
schwankend, bald grob sinnlich wahrnehmbar, bald unauffällig aber 
unaufhaltsam an Stärke zunehmend der Vergiftungsprozess sich 
darstellen kann. Würde die Kenntnis alles des Unglücks, das 
durch Gifte angerichtet werden kann, seit langem mehr Gemeingut 
auch nur der Ärzte oder der Fabrikleiter geworden sein, so würde 
manches Einzelleben und, da die Gifte auch nicht das Kind im 
mütterlichen Schosse verschonen — manche Familie nicht vorzeitig 
sin Ende gefunden haben. 

Der Staat hat einige hygienische Massregeln auch in bezug 
auf die Festlegung der Arbeitszeiten in besonders gefährlichen Gift¬ 
betrieben angeordnet. Aber leider war der Erfolg nicht immer der 
gewünschte, und selbst wenn er stets einträte, so würde dies nur 
ein Tropfen Hilfe in einem Ozean von Gefahren sein. Selbst bei 
dem besten Willen wird es noch so lange dauern, bis auch nur 
einem grösseren Bruchteil der Giftarbeiter der notwendigste Schutz 
gesetzlich zu Teil geworden sein wird, dass man an ein Stück von 
Selbsthilfe denken muss, um die Gesundheit möglichst da zu er¬ 
halten, wo so starke Kräfte an ihrer Zerstörung arbeiten. Um so 
dringender ist die Pflicht des Helfens, als ein Giftarbeiter, wenn 
er durch eine grössere oder kleinere Zahl von Einzelvergiftungen, 
.also Einzelunfällen, die sich auf Wochen, Monate oder Jahre ver¬ 
teilen, Einbusse an Arbeitskraft erlitten hat oder arbeitsunfähig ge- 


Digitized by 


Google 



226 


worden ist, nicht einmal das Äquivalent erhält, was einem durch 
einen Unfall in die gleiche Lage gebrachten Arbeiter zuteil wird. 
Immer wieder werde ich auf dieses Stück sozialer Ungerechtigkeit 
hinweisen, bis ein Weg zur Abhilfe beschritten sein wird. 

Die meisten der Giftarbeiter kennen nicht so die Gefahren 
ihrer Arbeit, dass sie alles, was in ihren Kräften steht, zur Ver¬ 
meidung derselben auch da tun, wo es möglich ist. Noch immer 
aber ist es so gewesen, dass Aufklärung und Wissen Wege zur 
Besserung von Schädlichem hat finden lassen. Deshalb halte ich 
es für aussichtsvoll, ein solches Wissen in die zunächst beteiligten 
Kreise der Arbeiter zu tragen. In mehreren Veröffentlichungen 
und eingehend in dem den Konferenzteilnehmern gelieferten Vor¬ 
berichte habe ich die Wege zum Ziele gekennzeichnet. Es sind die 
Wege der Belehrung. Zuvörderst muss ein grösserer Stamm von 
Wissenden geschaffen werden, die für die Verbreitung der Auf¬ 
klärung auf diesem Gebiete tätig sein können. In erster Reihe 
habe ich an Lehrer von Volks-Fortbildungs- und Fachschulen ge¬ 
dacht. Was der Jugend als Wissen für die Erhaltung der Gesund¬ 
heit überantwortet wird, bleibt unvergessen und wirkt später als 
Ferment für andere, nicht Unterrichtete. Die Belehrung in der 
Volksschule soll sich in den naturwissenschaftlichen Unterricht ein- 
fügen, während sie in den Fortbildungs- bezw. Fachschulen sich 
auf die in den einzelnen Berufen vorkommenden Giftgefahren spe¬ 
ziell beziehen soll. 

Gleich den Lehrern, deren Unterweisung notwendig ist, würde 
es zweckmässig sein, auch die Gewerbeaufsichtsbeamten an einer 
solchen teilnehmen zu lassen, da ihnen ein Stück toxikologischer 
Bildung sehr not tut. Sie wie andere Wissende könnten in grösseren 
Fabrikzentreu auch durch Vorträge nützen. 

Eine besondere Wirkung verspreche ich mir für alle diejenigen 
Arbeiter, die Unterweisungen nicht erhalten haben oder auf den 
bezeichneten Wegen nicht erhalten können, auch für die haus¬ 
industriell Arbeitenden, die von der Belehrung durch Flugblätter. 
Nicht nur jeder Giftbetrieb, sondern auch jeder Teilbetrieb eines 
grösseren Giftbetriebes sollte in solchen Blättern volkstümlich be¬ 
handelt werden. Dadurch würden auch im Laufe der Zeit die 
Schutzmassregeln mit der Eigenart und der Schwere jeder Gift¬ 
arbeit mehr in Übereinstimmung gebracht werden, als es bisher bei 
der Forderung allgemeiner Schutzmassregeln für komplizierte Be¬ 
triebe möglich war. Die Verbreitung solcher Flugblätter sollten 
die Arbeitgeber oder Gewerkschaften oder der Staat oder die Kom¬ 
munen in die Hand nehmen. Man kann überzeugt sein, dass ein 
solches Stück Aufklärung die glücklichsten Folgen für die Erhaltung 
der Giftarbeiter und -arbeiterinnen zeitigen muss. 


Digitized by 


Google 



Über die Mitwirkung der Arbeitgeber in dieser Frage refe¬ 
rierte Fabrikdirektor Prof. Dr. Lepsius Griesheim. In der Ein¬ 
leitung beleuchtete er die Statistik der Giftbetriebe; es sei schwierig, 
sich ein Bild der tatsächlichen Verhältnisse zu machen, und dieser 
Mangel lasse die Lage leicht schlimmer erscheinen, als sie in Wirk¬ 
lichkeit sei. Auf den gegenwärtigen Stand der Giftbetriebe ein¬ 
gehend, besprach er dann die verschiedenen Betriebs-Arten und 
-Stätten. Er forderte einen Ausschluss der Giftbetriebe aus den 
Wohnungen, also ein Verbot der Heimarbeit mit Giften, ferner die 
Abschaffung der Frauen- und Kinderarbeit in solchen Betriebern 
Bei den kleineren Werkstätten mit vorwiegend manuellem Betriebe, 
deren Leitern häufig die nötigen chemischen und konstruktiven 
Kenntnisse fehlten, müsste auf Verbesserung der Einrichtungen hin¬ 
gedrängt werden. Bei den grösseren Betrieben seien wohl fast alle 
etwa möglichen Schutzmassregeln und Erleichterungen eingeführt, 
die den Arbeiter mit Vertrauen an die Arbeit gehen lassen. Aber 
die chemische Industrie schreite rapide und plötzlich fort, es kämen 
so viele Überraschungen vor, die in ihren Ursachen und Wirkungen 
zu erkennen nicht immer gleich gelinge. Als Beispiel führt er die 
oft behandelte Chlorakne an. Von Vorbeugungsmassregeln seien 
besonders folgende zu empfehlen: Pflege der Sauberkeit im Betriebe 
und der Reinlichkeit bei den Arbeitern, durch Einrichtung reich¬ 
licher und bequemer Wasch- und Badegelegenheiten, Stellung von. 
Arbeits- und Unterkleidern, Verkürzung der Arbeitszeit, Fürsorge 
für gute Ernährung der Arbeiter durch Menagen u. 8. w. Wesent¬ 
lich sei aber die ärztliche Überwachung; es genüge nicht, die Neu¬ 
eintretenden zu untersuchen, sondern es müsste in bestimmten Zeit¬ 
räumen, etwa monatlich oder wöchentlich, in gefährlichen Betrieben 
sogar täglich, eine ärztliche Kontrolle platzgreifen. Für diese 
Massnahmen sei nicht nur ein Aufwand von Zeit und Geld erfor¬ 
derlich, sondern ein gewisses Können und ein guter Wille unent¬ 
behrlich. Hierbei müssten die Organe der Gewerbeaufsicht und der 
Berufsgenossenschaften helfend eingreifen, deren Zusammenarbeiten 
mit den Fabrikleitern der Referent aus eigener Erfahrung als 
ausserordentlich wertvoll und dankenswert bezeichnet. Nur müsste 
namentlich den Gewerbeaufsichtsbeamten durch Vermehrung der 
Stellen mehr Muse gegeben werden, damit sie sich noch ein¬ 
gehender mit den hygienischen und toxikologischen Aufgaben be¬ 
schäftigen könnten. Bezüglich etwa vorzuschlagender neuer Wege 
der Belehrung führt er folgendes aus: Von Belehrungen durch 
Merkblätter u. 8. w. verspreche er sich keinen grossen Erfolg, da 
gedruckte Bestimmungen auf die Arbeiter meist wenig ein wirkten; 
man finde oft Geringschätzung und Nichtbeachtung solcher Zettel. 
Bewährt habe sich dagegen die Methode, dass Aufseher die wich- 


Digitized by t^ooQle 



228 


tigen Vorschriften, die für sie in ein besonderes Buch eingetragen 
sind, an jedem Löhnungstage vorlesen; die Arbeiter haben dies 
•durch Unterschrift zu bestätigen. Hier sei mit einiger Sicherheit 
•eine Einwirkung möglich; auch sei man daraufhin in der Lage, bei 
Nichtbeachtung mit Verwarnungen und gelinden Strafen vorzugehen. 
Voraussetzung sei natürlich, dass die geforderten Schutzmassregeln 
■nicht nur keine Schädigungen, sondern auch keine Unbequemlich¬ 
keiten verursachten. Die in den grossen Betrieben eingeführteu 
Massnahmen hätten seines Erachtens genügt, um die Gefahren auf 
das Mindestmass zu beschränken. Sie ganz zu beseitigen, sei un¬ 
möglich, schon mit Rücksicht auf den steten Wechsel in den Pro¬ 
dukten aus den Arbeitsmethoden, da neue Fabrikationen auch neue 
Gefahren zeitigten. Wertvoll sei die stetige Verbesserung der ma¬ 
schinellen Einrichtungen, die besonders die Handarbeit zu ersetzen 
hätten. Notwendig sei vor allem eine dauernde physiologische Unter¬ 
suchung der zu verarbeitenden Substanzen. Die Tätigkeit und 
die Ergebnisse der Wissenschaft seien mit lebhaftem Danke zu be- 
grtissen, ebenso die Massnahmen des Kaiserl. Gesundheitsamtes. 
Referent empfahl, zweckmässig im Anschluss an das Kaiserl. Amt 
«in Institut für experimentelle Fabrikhygiene zu schaffen, in dem 
Erfahrungen zusammenlaufen, alle Daten gesammelt und von dem 
Anweisungen und Belehrungen ausgehen müssten; auch seien hier 
entsprechende Kurse für die Gewerbeaufsichtsbeamten einzurichten. 
Die chemische Industrie sei sich der schweren Aufgabe und der 
Verantwortung auf diesem Gebiete wohl bewusst; in Verbindung 
mit der Wissenschaft hoffe sie ihr aber gerecht zu werden. 

Über die Frage, was der Arbeiter zur Belehrung über die 
Giftgefahren tun könne, führte Dr. H. Rössler-Frankfurt a. M. 
etwa folgendes aus: Die Arbeiter tun nicht genug, wenn sie den 
Anordnungen der Fabrikleitung in bezug auf Giftgefahren Folge 
leisten. Sie sollen und können vielmehr auch von sich aus bei der 
Bekämpfung dieser Gefahren mitwirken und zur Belehrung ihrer 
Kameraden sehr viel, vielleicht das meiste, beitragen. Diese Be¬ 
lehrung durch die Arbeiter selbst ist möglich 1. von Mann zu Mann 
bei der Arbeit, 2. durch Arbeiterausschüsse, 3. durch die Arbeiter¬ 
organisationen. In Fabriken, wo die Belegschaft nicht zu viel 
wechselt, ist es mit gutem Erfolg eingeführt, dass die älteren er¬ 
fahrenen Arbeiter die Neuein tretenden belehren und aufklären. Mehr 
schon können die Ausschüsse da, wo sie nicht nur auf dem Papier 
stehen, leisten durch Kontrolle der Vorsichtsmassregeln und deren 
Anwendung, durch Belehrung der Neueintretenden, Veranstaltung 
von Besprechungen und Vorlesungen und Verteilung von Merk¬ 
blättern. Einzelne Mitglieder des Ausschusses sollte man durch Teil¬ 
nehmenlassen an geeigneten Instruktionskursen oder durch besonderen 


Digitized by 


Google 



229 


Unterricht dazu vorbereiten. Als Beispiel kann die Fabrik der 
„Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt u in Frankfurt a. M. 
dienen, wo der Arbeiterausschuss in Übereinstimmung mit der Fabrik¬ 
leitung die Belehrung übernommen hat. Bei weitem am meisten, 
kann aber geholfen werden, wo Arbeiterorganisationen bestehen, 
wenn diese sich der Sache annehmen. Dieselben werden in der 
Lage sein, von sich aus Vorlesungen durch Sachverständige zu 
arrangieren, die Presse in unserem Sinne zu beeinflussen, ihre 
jüngeren Mitglieder zum Besuch der Fortbildungsschule und später 
der Volksvorlesungen anzuhalten. Auch können sie einzelne Ver¬ 
trauensmänner durch Instruktionskurse vorbilden lassen. Ein muster- 
giltiges Beispiel geben die Weissbinder in Frankfurt, die Vorlesungen, 
veranstalten, Merkblätter wiederholt verteilen lassen und die Be¬ 
lehrung systematisch betreiben. 

Dr. F. Blum-Frankfurt a. M. verbreitete sich darüber, was- 
der Fabrik- bezw. Kassenarzt zur Lösung der Frage tun könne. 
Voraussetzung für eine gedeihliche Betätigung des Fabrik- bezw. 
Kassenarztes ist seine genügende Vorbildung in der Lehre von den* 
Gewerbekrankheiten und der Gewerbehygiene, sowie seine völlige- 
Unabhängigkeit von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Far 
briken. Um eine ausreichende Vorbildung zu ermöglichen, ist neben, 
den Studien in den hygienischen und toxikologischen Instituten 
ein sachgemässer klinischer Unterricht zu verlangen, — Es ist em¬ 
pfehlenswert, dass in den Krankenhäusern der grossen Industrie¬ 
zentren, sowie an den Universitäten und Akademien, soweit es der 
Krankenstand irgend erlaubt, besondere Abteilungen für Gewerbe¬ 
kranke eingerichtet werden. Als Fabrikarzt soll nur derjenige au¬ 
gestellt werden können, der eine spezielle Ausbildung in hygienischen, 
und toxikologischen Instituten, sowie die praktische Betätigung an, 
einer Gewerbekrankenabteilung nach weisen kann. Es ist wünschens¬ 
wert, dass auch jede Krankenkasse über einen in entsprechender 
Weise vorgebildeten Vertrauensarzt verfügt. Der unabhängige und, 
hygienisch geschulte Fabrikarzt ist sicherlich ein hörenswerter Be¬ 
rater für die Fabrikleitung und die Arbeiterschaft. Auf letztere 
wird der Fabrikarzt am besten einwirken durch besondere Belehrung 
der Vorarbeiter und Werkführer über die Giftgefahren ihrer Betriebe, 
über die Eingangspforte des Giftes in den Organismus und über 
sein Verbleiben daselbst, sowie über leicht zu erkennende Symptome 
der Vergiftung, vornehmlich im Initialstadium. Die Arbeiterschaft 
ist in gelegentlichen grösseren Instruktionsstunden zu belehren. 
Vorgekommene Vergiftungen sollen stets den Gegenstand eingehender 
Besprechungen mit den Betriebsleitern, den verantwortlichen Werk¬ 
führern und eventl. mit der Arbeiterschaft abgeben. Hierbei möge 
der Schwerpunkt darauf gelegt werden, dass in dem Arbeiter Klar- 


Digitized by 


Google 



230 


heit darüber wird, wie — wofern ein Versäumnis vorliegt — die 
Vergiftung hätte vermieden werden können. Der gesunde Arbeiter, 
der in einen Giftbetrieb eintreten will, soll von dem Fabrikarzte 
nicht nur auf seine körperliche Tauglichkeit geprüft werden, sondern 
soll auch über die drohende Giftgefahr von ihm belehrt, in ihrer Ver¬ 
hütung unterwiesen und auf sein Verständnis hierzu geprüft werden. 
iDer erkrankt gewesene Arbeiter, sofern derselbe überhaupt noch in 
der Fabrik verwendbar ist. muss über die Ursachen seiner Er¬ 
krankung und über die Unzweckmässigkeit seines früheren Ver¬ 
haltens belehrt werden; auch ist es ihm nicht vorzuenthalten, wofern 
eine Herabsetzung seiner Widerstandskraft gegenüber der gewerb¬ 
lichen Vergiftung eingetreten ist oder er sich als besonders dis¬ 
poniert zu einer Vergiftung erwiesen hat. Ausserhalb des Fabrik¬ 
betriebes kann der Arzt durch einschlägige Vorträge und Demon¬ 
strationen in den Gewerkschaften etc. viel Nutzen schaffen. 

Regierungs- und Gewerberat Oppermann-Arnsberg führte 
aus, was der Gewerbe-Aufsichtsbeamte dazu beitragen könne, 
den Schutz der in Giftbetrieben beschäftigten Arbeiter dadurch voll¬ 
kommener zu gestalten, dass er durch Belehrung der Arbeiter diese 
in stärkerem Masse als bisher zur Fördernng der Gewerbehygiene, 
speziell ihrer persönlichen Hygiene, anregt. Er schildert zunächst 
die Art der Tätigkeit, die der Gewerbeaufsichtsbeamte bei der Re¬ 
vision eines gefährlichen Betriebes auszuüben hat. Wenn sich die 
erlassenen gesetzlichen Bestimmungen nur an den Arbeitgeber, nicht 
aber an den Arbeiter wenden, der Beamte sich also in erster Linie 
an den ersteren zu halten hat, so sei es unausbleiblich, dass der 
Gewerbeaufsichtsbeamte sich bei seines Feststellungen und Er¬ 
kundigungen mit Fragen an die Arbeiter wendet, woran sich der 
bisher geübten Praxis entsprechend, eine Belehrung des Arbeiters 
knüpft, die eines gewissen Eindruckes nicht entbehren wird und 
durch mündliche Weitererzählung die nötige Verbreitung unter den 
Arbeitern finden wird. Der Erfolg der persönlichen direkten Be¬ 
lehrung durch die Gewerbeaufsichtsbeamten wechselt sehr mit 
der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse. Wirksam wird die 
Belehrung sich bei einem Betrieb mit ständiger Arbeiterschaft 
gestalten, weniger erfolgreich wird sie sein, wenn eine solche 
ständige Arbeiterschaft nicht vorhanden ist, was leider bei vielen 
Giftbetrieben, die ungelernte Arbeiter beschäftigen können, der Fall 
ist. In solchen Betrieben wird damit zu rechnen sein, dass bei 
jedem Besuch des Gewerbeaufsichtsbeamten ein ziemlich neues Arbeits¬ 
personal vorhanden ist, welches stets von neuen unwissend und sorg¬ 
los die zu ihrem Besten getroffenen Schutzvorschriften übertreten 
wird. Weil der Gewerbeaufsichtsbeamte wegen seiner sonstigenDienst- 
aufträge die Revisionstätigkeit nicht mehr erheblich steigern kann 


Digitized by v^ooQle 



231 


and weil ihn sein amtlicher Auftrag in erster Linie an den Arbeit¬ 
geber verweist, so wird der Beamte nicht in die Lage kommen, 
seinen Einfluss auf die Belehrung der Giftarbeiter noch wesentlich 
zu erhöhen. Immerhin wäre es ein erstrebenswertes Ziel, wenn auch 
die direkte Belehrung der Arbeiter durch die Gewerbeaufsichts¬ 
beamten eine bessere werden könnte. Die eigene Initiative würde 
an dem gegenwärtigen Zustande wenig ändern können; eine Besserung 
würde dagegen auf dem Wege denkbar und möglich sein, dass 
zwischen diesen Beamten und den Arbeitern eine bessere und häufigere 
Berührung geschaffen würde. Die Aufgaben der Gewerbeordnung 
müssten zu diesem Behufe eine Erweiterung dahin erfahren, dass 
sich die Bestimmungen wegen Durchführung der Schutzmassregeln, 
insbesondere auf dem Gebiete der Hygiene, nicht mehr allein an 
den Arbeitgeber, sondern dass sie sich auch an den Arbeitnehmer 
wendeten. Nur die Unfallversicherungsgesetzgebung zeigt für dieseu 
Weg Anfänge; die Gewerbeordnung mit ihren Ausführungsverord¬ 
nungen, als das hauptsächlichste Arbeiterschutzgesetz, kennt diesen 
Satz bisher nicht. Dem Rechtsgefühl würde es sicher nicht wider¬ 
sprechen, wenn dem Gewerbeaufsichtsbeamten die Befugnis zu¬ 
erkannt würde, dass er neben dem Arbeitgeber auch dem Arbeit¬ 
nehmer Strafen androhen könnte, wenn letzterer Schutzvorschriften 
leichtfertig unbefolgt lässt. Ein anderes Mittel zur Förderung des 
direkten Verkehrs zwischen den Arbeitern und deu Gewerbeauf¬ 
sichtsbeamten bestände darin, dass die letzteren Gelegenheit nehmen, 
in Arbeiterversamralungen belehrende Vorträge zu halten. Da der¬ 
artige Veranstaltungen nur dann zustande kommen, wenn die Ar¬ 
beiter in Fachvereinen zusammengeschlossen werden, so dürfte es 
erwünscht sein, derartigen fachlichen Vereinigungen unter den Gift¬ 
arbeitern jede nur mögliche Förderung zuteil werden zu lassen. 

Über die Mitwirkung der Medizinalbehörde beim 
Schutz der Arbeiter in Giftbetrieben sprach Geh. Medizinal- 
und Regierungsrat Dr. Roth-Potsdam. Die Mitwirkung der Medi¬ 
zinalbehörde auf dem in Rede stehenden Gebiet kommt in Frage 
einmal bei der Feststellung der Grösse der Gefahr und zweitens bei 
ihrer Verhütung. Zur Feststellung der Grösse der Gefahr bedarf 
cs in erster Linie der Mitwirkung der Krankenkassen und Kassen¬ 
ärzte, einer Ergänzung der bisherigen einzureichenden statistischen 
Unterlagen durch Einführung einer besonderen nicht für den Kranken 
bestimmten ärztlichen Zählkarte, die zur Kenntnis des Medizinal¬ 
beamten zu bringen ist. Die für eine Reihe gesundheitsschädlicher 
Betriebe vorgeschriebenen Kontroll- oder Krankenbücher haben ihren 
Zweck, einen Einblick in die Gesundheitsverhältnisse der Betriebe 
zu gestatten, bisher vor allem deshalb nicht erfüllt, weil die Fabrik¬ 
ärzte von der Fabrikleitung nicht so unabhängig sind, wie es im 


Digitized by v^ooQle 


232 


Interesse der Sache gewünscht werden muss. Diese Untersuchungen 
sind daher von der Fabrikleitung unabhängigen Ärzten zu über¬ 
tragen und auf alle im eigentlichen Sinne gesundheitsschädlichen 
Betriebe, das sind solche, in denen an die Schutzapparate des 
menschlichen Körpers besondere Anforderungen gestellt werden^ 
auszudehnen. Bei der Errichtung genehmigungspflichtiger gewerb¬ 
licher Anlagen empfiehlt es sich, nach dem Vorgang des Potsdamer 
Bezirks im Genehmigungsverfahren die Bedingung zu stellen, dass 
der Unternehmer in bestimmten Zwischenräumen eine Übersicht der 
stattgehabten Erkrankungen und Todesfälle unter der Arbeiterschaft 
nach einem zu vereinbarenden Schema dem Medizinalbeamten ein¬ 
reicht. In allen Krankenanstalten, öffentlichen wie privaten, muss 
den Berufskrankheiten und speziell den Erkrankungen in Gift¬ 
betrieben grössere Aufmerksamkeit als bisher zugewandt werden. 
Ebenso müssen die Medizinalbeamten bei ihren regelmässigen Be¬ 
sichtigungen der Krankenanstalten den gewerblichen Erkrankungen 
besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Im Genehmigungsverfahren 
ist durch strenge Konzessionsbedingungen darauf hinzuwirken, dass 
Giftstoffe von den Arbeitern ferngehalten und weitgehende Mass¬ 
nahmen des persönlichen Arbeiterschutzes, des Betriebs- und Ver¬ 
wendungsschutzes getroffen werden. Zu irgend gefährlichen Ver¬ 
richtungen dürfen Gelegenheitsarbeiter nicht zugelassen werden. 
Die Massnahmen des persönlichen Arbeiterschutzes sind einer stän¬ 
digen Kontrolle durch entsprechend unterwiesene Aufseher (Meister, 
Vorarbeiter etc.) zu unterstellen. Die Zulassung solcher chemischen 
Körper, die in ihren Wirkungen bisher nicht erforscht sind, ist von 
einer vorherigen Prüfung im Laboratorium abhängig zu machen. 
In allen Giftbetrieben müssen die Arbeiter vor ihrer Einstellung 
darauf ärztlich untersucht werden, ob ihre Schutzapparate, ins¬ 
besondere Sinnesorgane und Nervensystem, Muskelsystem mit Ein¬ 
schluss des Herzens, Filtertätigkeit der Nase, Flimmerepithel der 
Schleimhäute, schützende Hornschicht des Epiderms normal funk¬ 
tionieren. Hieraus ergibt sich weiter die Einrichtung eines regel¬ 
mässigen Arbeitswechsels und die Heranziehung eines festen mit 
den Gefahren des Betriebes vertrauten Arbeiterstammes. Diese Unter¬ 
suchungen sind mit entsprechenden Belehrungen der Arbeiter zu 
verbinden. Ausser den auf gegenseitiges Ersuchen stattfindenden 
gemeinschaftlichen Besichtigungen der gewerblichen Anlagen durch 
den Medizinal- und Gewerbeaufsichtsbeamten ist zu fordern, dass 
alle Giftbetriebe mindestens einmal jährlich von dem Medizinal¬ 
beamten in Gemeinschaft mit dem Gewerbeaufsichtsbeamten besich¬ 
tigt werden, wobei der Gewerbeaufsichtsbeamte sein Interesse mehr 
den Anlagen als solchen, der Medizinalbeamte mehr den Arbeitern 
selber und den Massnahmen der persönlichen Hygiene zuwenden 


Digitized by 


Google 



233 


wird. — Aufseher, Vorarbeiter und sonst geeignete Arbeiter müssen 
mit den Massnahmen der ersten Hilfe unter Berücksichtigung der 
besonderen Art des Betriebes vertraut sein und ebenso mit den 
ersten Anzeichen beginnender Vergiftung. Beim Auftreten spezi¬ 
fischer Erkrankungen in nicht genehmigungspflichtigen Anlagen, wie 
in Heimbetrieben, hat der Medizinalbeamte bei der zuständigen Polizei¬ 
behörde den Erlass entsprechender polizeilicher Verfügung gemäss 
§120 der Gewerbeordnung anzuregen. Eudlich empfiehlt sich die 
Errichtung besonderer Heilanstalten und Genesungsheime für die 
in gefährlichen, namentlich in Giftbetrieben beschäftigten Arbeiter, 
an deren Errichtung neben den Unternehmern und Krankenkassen 
vor allem die In validen versicherungs- Anstalten und die Berufs - 
genossenschaften zu beteiligen wären. In diesen Spezialsanatorien 
würde den Fragen der Erkennung, Behandlung und Verhütung ge¬ 
werblicher Erkrankungen und Vergiftungen seitens der Anstaltsärzte 
eingehendere Berücksichtigung zugewandt werden können, als in den 
allgemeinen Krankenanstalten. In allen grösseren Krankenanstalten 
empfiehlt sich ferner die Einrichtung besonderer Stationen für ge¬ 
werbliche Erkrankungen. Vorbedingung für die Durchführung dieser 
Massnahmen ist die bessere Ausbildung der Ärzte im allgemeinen 
und der Kassen- und Fabrikärzte wie der Medizinalbeamten im be¬ 
sonderen auf dem Gebiet der Gewerbehygiene und Gewerbekrank¬ 
heiten die wieder die Schaffung besonderer Lehrstühle und Arbeits¬ 
stätten für praktische Gewerbehygiene und Gewerbekrankheiten an 
den Hochschulen zur Voraussetzung hat, an denen die Erfahrungen 
der Fabrikärzte, der Kassenärzte, der Soziologen, der Medizinal- 
und Gewerbeaufsichtsbeamten zu sammeln, zu ergänzen und nutzbar 
zu machen sein würden. 

Landrat Schmal f us s-Hannover gibt dem Bedauern des plötzlich 
verhinderten Referenten Geh. Rats Liebrecht Ausdruck, hier nicht er¬ 
scheinen zu können, und dessen weiterem Bedauern, dass er bei 
Prüfung der Frage, ob die Versicherungsanstalten auf dem Gebiete, 
das uns heute beschäftigt, sich betätigen können, zu einem be¬ 
friedigenden positiven Ergebnis nicht gelangt sei. Nur ist gesagt, 
dass die Anregung der Zentralstelle auch die Versicherungs-Anstalten 
heranzuziehen, dem Gedanken ihre Entstehung verdankt, dass die 
Anstalten in ihren Kontrollbeamten geeignete Organe dazu haben, 
weil diese mit den Arbeitern in steter Fühlung sich befinden. Dies 
ist eben nicht richtig, weil die Kontrollbeamten den Gewerbeaufsichts¬ 
beamten ins Handwerk pfuschen würden, auch die erforderlichen 
Kenntnisse nicht besitzen, auch nicht erwerben können, 2. sie leicht 
in eine schiefe Stellung den Arbeitgebern gegenüber kommen würden, 
während sie auf dem Gebiete der In validen-Versicherung Vertrauens¬ 
leute der Arbeiter und Arbeitgeber sein sollen, 3. ihnen nicht Ge- 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 


Digitized by 


Google 



234 


schäfte übertragen werden können, die ganz ausserhalb der Invaliden¬ 
versicherung liegen. Auf dem Gebiete der Statistik würden aller¬ 
dings die Anstalten eher es leisten können, aber die bisherige Sta¬ 
tistik, die sie auf Anweisung des Reichs-Versieherungsamts über die In¬ 
validitätsursachen führen müssen, genügt für die Giftkrankheiten nicht, 
weil diese Krankheiten unter allgemeineren Begriffen, wie Nerven¬ 
erkrankungen, Nierenkrankheiten usw., verschwinden, man also nicht 
feststellen kann, wann eine Giftkrankheit die Invalidität herbei¬ 
geführt hat. Es ist deshalb mit Freuden zu begrüssen, dass das 
Reichs-Versicherungsamt vor einigen Tagen erklärt hat, in eine 
Revision der Vorschriften über die Führung der Statistik der Ver¬ 
sicherungs-Anstalten einzutreten, und Aussicht vorhanden ist, dass 
fortan in dieser Beziehung die Sache besser wird. Schliesslich wer¬ 
den die Versicherungs-Anstalten bei den Versicherten, die sie in die 
Heilstätten aufnehmen, aufklärend wirken können, wie wir in Han¬ 
nover die Merkblätter gegen die Gefahren des Alkohols und des 
Vereins zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in den Heil¬ 
stätten verteilen, so kann dies auch mit Merkblättern, Flugschriften 
usw. über die Giftkrankheiten geschehen. Es ist wenig, was die 
Versicherungs-Anstalten m. E. nützen können, jedenfalls werden sie 
aber jede Anregung, die ihnen einen gangbaren Weg zeigt, auf diesem 
Gebiete zu helfen, dankbar annehmen. 

Stadtschulinspektor S c h m i d - München, der an Stelle des ver¬ 
hinderten Studienrats Dr. K er st enstein er über die Mitwirkung der 
Schulbehörde in dieser Frage sprach, gab zunächst einen kurzen 
Rückblick darüber, was die Schulbehörde auf dem fraglichen Ge¬ 
biete dermalen leistet an Volks-, Fortbildungs-, Mittel- und Hoch¬ 
schulen. 

Die Volkschule kann durch einen vernünftig betriebenen natur- 
geschichtlichen Unterricht nur vorbereitend wirken. Der richtige 
Zeitpunkt, an welchem mit Belehrungen einzusetzen ist, liegt beim 
14. Lebensjahre, wenn der Knabe einen festen Beruf ergriffen hat. 

Vor der Entlassung aus der Schule hat eine Belehrung über 
Berufswahl und körperliche Anlagen, ja selbst eine Mitwirkung bei 
der Lehrstellenvermittlung, platzzugreifen. 

Auf der Oberstufe (Selekta, 8. Klasse) ist als Lehrgegenstand 
Natur- und Gewerbekunde anzusetzen, in welcher die für das Leben 
des Menschen, sowie für Gewerbe, Industrie und Handel bedeut¬ 
samsten Naturkörper, ferner die in dieser Beziehung in Betracht 
kommenden Naturerscheinungen und chemischen Vorgänge behandelt 
werden. Bei Atmung, Blutkreislauf und Hautfunktionen kommen 
die Vergiftungsfälle zur Besprechung. 

Wo Fortbildungsschulen bestehen, hat die Gewerbekunde die 
führende Rolle im Lehrplan zu übernehmen; sie scheidet sich in 


Digitized by 


Google 



235 


Materialien-, Werkzeug- und Maschinenkunde, denen sich, wo es nur 
angeht, auch praktischer Werkstattunterricht anzuschliessen hat. 
Diese Disziplinen zwingen zur Belehrung über die in einem Betriebe 
möglichen Giftgefahren. Eine besondere Lebenskunde gibt unmittel¬ 
bare Anleitung zu hygienisch richtiger Lebensführung unter Berück¬ 
sichtigung der eigenartigen Verhältnisse des jeweiligen Berufes. 
Schülerwerkstätten sind mit den besten Ventilationseinrichtungen, 
bei Entwicklung giftiger Gase mit stark ziehenden Abschlägen zu 
versehen. Die Anleitung zur peinlichsten Reinlichkeitspflege nach 
Werkstatthantierungen (auch vor Stärkungspausen) ist wichtig. 

Exkursionen in mustergiltig eingerichtete Gewerbebetriebe und 
Besuche von Museen für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen mehren 
die Einsicht. 

Die an die Fortbildungsschulen sich anschliessenden Gehilfen- 
und Meisterkurse können mit noch grösserer Aussicht auf Erfolg die 
Belehrungen über die Giftgefahren fortftihren. 

Bei Errichtung von fachlichen Fortbildungsschulen ist den ört¬ 
lichen Verhältnissen sorgfältig Rechnung zu tragen. Wo eine Gliede¬ 
rung nach Berufsgruppen nicht möglich ist, muss das Kapitel über 
Giftgefahren in einer besonderen Lektion behandelt werden. 

Auf Mittel- und Hochschulen ist in der Ausbildung von Werk¬ 
meistern, Technikern und Ingenieuren die Belehrung über Giftgefahren 
und Mittel zur Hintanhaltung nicht zu übersehen. 

In die Lehrerbildung sind beim naturkundlichen Unterrichte 
gewerbekundliche Momente im Sinne der Abhandlung wahrzunehmen. 
Lehrer an Fortbildungsschulen bedürfen besonderer Unterweisungen 
in Technologie. 

Nach diesen Gesichtspunkten ist in München, soweit Volks-, 
Fortbildungs und Gewerbeschulen in Betracht kommen, der Unter¬ 
richt praktisch bereits durchgeführt. 

Über die Frage, was die Presse zur Belehrung der Arbeiter 
über die Gefahren der gewerblichen Gifte beitragen könne, sprach 
Prof. Dr. E. F ran c k e-Berlin. Indem er auf die Tatsache hin¬ 
wies, dass heutzutage die Zeitung das universalste Verbreitungsmittel 
des gedruckten Wortes ist, empfahl er, systematisch die namentlich 
von Arbeitern gelesenen Blätter zur Mitarbeit heranzuziehen. Be¬ 
reitwilligkeit, hier mitzutun, sei bei der gewerkschaftlichen Presse 
in hohem Masse vorhanden. Doch sei es unerlässlich, den Redak¬ 
tionen das nötige Material zur Belehrung, Aufklärung und Warnung 
der Arbeiter in passender, einwandsfreier Gestalt zu übermitteln, 
damit diese schwierigen Dinge nicht mit Übertreibung, Unwissen¬ 
heit, Oberflächlichkeit behandelt werden. Darum empfehle es sich, 
in einer Zentrale mit Hilfe wissenschaftlich und technisch gebildeter 
Kräfte das Material über gewerbliche Giftgefahren in umfassender 


Digitized by 


Google 



236 


Weise zu sammeln, sichten und verarbeiten und ebenfalls von hier 
aus den Zeitungen in druckfertiger Form zugänglich zu machen, 
wobei neben der allgemeinen Belehrung auch eine Spezialisierung 
nach einzelnen Gewerben in der betreffenden Fachpresse stattfinden 
müsse. Vor allem müssten die Arbeiter immer wieder darauf hin¬ 
gewiesen werden, dass alle Massregeln gegen die Giftgefahr 
fruchtlos sind, wenn sie nicht auf ihren eigenen Selbstschutz be¬ 
dacht sind. 

Vor Besprechung des 2. Themas versammelten sich die Teil¬ 
nehmer an der Konferenz in den Räumen des Folkwang-Museums 
zur Besichtigung der Ausstellung von Photographien, Zeichnungen 
und Modellen architektonisch-mustergiltiger Arbeiter-Wohnhäuser. 
Im Anschluss hieran hielt Herr Karl Ernst Osthaus, der Begründer 
des Folkwang, einen Vortrag über das Museum und seine Wirksam¬ 
keit zur Hebung der künstlerischen Kultur. Exzellenz Hentig 
sprach Herrn Osthaus den Dank der Versammlung aus. Er betonte, 
dass hier ein Werk geschaffen sei, auf das die ganze deutsche 
Nation stolz sein dürfe, und wünschte Herrn Osthaus immer steigende 
Anerkennung und Erfolge in seiner so bedeutsamen Kulturarbeit. 

Herr Osthaus sprach dann über „Die Gestaltung des 
Arbeiter-Wohnhauses“. 

Redner wies eingangs auf den engen künstlerischen Zusammen¬ 
hang hin, den in allen grossen Kulturepochen die Monumentalbauten 
mit den Wohnhäusern gehabt haben und erblickt in einer echten 
häuslichen Kultur und künstlerischen Pflege des Kleinsten den eigent¬ 
lichen Nährboden grosser Schöpfungen. Denn die Elemente der 
Baukunst seien nicht der Laune und Willkür entsprungen, sondern 
das notwendige Ergebnis des menschlichen Daseins unter bestimmten 
äusseren Bedingungen. Der Stil dokumentiere das Verwachsen des 
Menschen mit der Scholle. Klima, Material, daraus sich ergebende 
technische Rücksichten und Verzierungsweisen, Formation des Bodens, 
ja selbst der unmerklich wirkende Stimmungswert der Landschaft 
wirkten mit zwingender Gewalt auf die Gestaltung der Formen ein. 
So sei es kein Zufall, dass die Häuser aller Epochen echter Kultur 
mit dem Boden gleichsam verwachsen erschienen und die Menschen, 
die sich denselben Einflüssen in Tracht und Sitte nicht entzieheu 
könnten, mit ihnen. Das englische Volk sei das einzige unter den 
Völkern des modernen Europa, das sich zu einer häuslichen Kultur 
durchgerungen habe. Hier seien die repräsentativen Bedürfnisse, 
die bei uns eine so grosse Rolle spielen, den Rücksichten der Ge¬ 
sundheit und Zweckmässigkeit gänzlich gewichen. Hier liege die 
erzieherische Bedeutung des Hauses. „Was sich zu Hause glück¬ 
lich fühlt, das bleibt zu Hause“, heisse ein englisches Sprichwort. 
Auch wirke die gesunde Gesetzmässigkeit des Äusseren auf den 


Digitized by 


Google 



237 


Geist zurück und halte ihn in den Banden einer ruhigen, un 
gekünstelten Tradition. Ein fester, ruhiger und doch allem Echten 
und Schönen offener Sinn sei die erfreuliche Folge. 

In dieser Zweckdienlichkeit liege das Schöne, Künstlerische, 
das wir erstreben sollten. Henry van de Veldes Begriffe von der 
zweckmässigen Schönheit decken sich, wie Redner an mehreren Aus¬ 
sprüchen Goethes und Schillers zeigt, vollkommen mit der Auffassung 
früherer Zeiten. Besonders sei auch die griechische Erziehung zur 
Schönheit, wie Aussprüche Platos bestätigen, auf die Überzeugung 
gebaut gewesen, dass die Liebe zum Schönen die sicherste Grund¬ 
lage einer edlen Gesinnung sei. Die Forderung der Griechen sei 
daher gewesen, die heranwachsende Jugend nur mit schönen Ge¬ 
bilden zu umgeben. Wer hätte nicht den befreienden Eindruck der 
harmonischen Umgebung in alten Städten und Dörfern an sich selbst 
erfahren? Hier werde die leidenschaftliche Liebe zur Heimat ver¬ 
ständlich, die die Neuzeit immer mehr zu verlieren scheine. Wer 
sich heute über Japans Siege wundere, beachte nicht, dass dieses 
Land unter allen Völkern der Welt die ästhetische Kultur sein eigen 
nenne, und die auf ihr beruhende leidenschaftliche Liebe zur Heimat 
dort wie stets die Mutter grosser Taten sei. Wir hätten einen neuen 
Beweis für die Tatsache, dass der hohe, sittliche Mut nur eine Blüte 
echter Lebenskultur sei. 

Nachdem die Fülle der Erfindungen und durch den Weltver¬ 
kehr übermittelten Eindrücke unser kulturelles Leben wohl bereichert, 
aber auch unendlich verwirrt hätte, sei es an der Zeit, das neu¬ 
erworbene Wissen und Können mit unserin Leben in Harmonie zu 
setzen, dessen ethische und ästhetische Seite im selben Masse ge¬ 
litten habe, wie seine wirtschaftliche und politische sich expansierte. 
Die Neuschöpfung des deutschen Hauses allein könne diesen Aus¬ 
gleich bewirken. 

Herr Landesgewerberat Dr. Ing. Muthesius-Berlin sprach 
über „die Entwickelung des künstlerischen Gedankens im Wohn¬ 
hausbau“. 

Nach einem Jahrhundert äusserer Lebenssteigerung hat seit 
einigen Jahren eine Bewegung auf ein verstärktes inneres Leben 
begonnen, die Frage der künstlerischen Kultur ist aufgetaucht. Frei¬ 
lich ist das Wort Kunst sehr häufig missverstanden worden uud hat 
gerade in der Architektur zu jener Anhäufung von Formen geführt, 
die den heutigen Hausbau kennzeichnet. Unsere heutigen gesell¬ 
schaftlichen und Kulturzustände sind verwickelt und ungeklärt und 
unsere künstlerischen können darum nicht einheitlich sein. Nur 
harmonische Zustände erzeugen Schönheit. In England sind die 
gesellschaftlichen Verhältnisse, namentlich die der bürgerlichen Ge¬ 
sellschaft, geklärter und entwickelter und damit sind auch die btirger- 


Digitized by CsOOQle 



238 


liehen Kulturäusserungen, namentlich die bürgerliche Baukunst, reifer 
und harmonischer. Von der bürgerlichen Baukunst wurde der 
Arbeiterwohnhausbau beeinflusst. In England wurde das alte Vor¬ 
urteil, dass geschmackvoll zu bauen mehr Geld koste als geschmack¬ 
los, schon in den siebziger Jahren gebrochen durch die Errichtung^ 
der Kolonie kleiner Bürgerhäuser Bedford-Park bei London, welche 
von dem hervorragendsten Architekten Englands, Norman Shaw, 
erbaut wurde. Die Kolonie von 60—80 Häusern enthält bei völlig 
harmonischer und abwechslungsreicher Wirkung nur 9 Häusertypen., 
Zwanzig Jahre nach Bedford Park wurde das Fabrikdorf PortSun- 
light bei Liverpool errichtet, an dem die ersten Architekten des 
Landes mitwirkten und das den Ausgangspunkt für die künstlerische 
Entwicklung des Arbeiterwohnhausbaues bezeichnet. Von da an 
war die Frage, ob man das Arbeiterhaus gefällig und geschmack¬ 
voll errichten solle, für ganz England im positiven Sinne erledigt. 
In Deutschland liegen in neuerer Zeit ebenfalls sehr glückliche An¬ 
fänge in der geschmackvollen Gestaltung des Arbeiterwohnhauses 
vor. Aber trotz dieses Werkes von Einzelkünstlern ist das allgemeine 
Niveau der bürgerlichen Baukunst und damit auch des Arbeiter¬ 
wohnhausbaues ein trauriges. Von der jetzt beginnenden Aufnahme 
von Anregungen aus dem deutschen Bauernhause ist viel Gutes zu 
erhoffen. Wirklich geheilt können die Schäden aber erst dann 
werden, wenn die Ausbildung des architektonischen Nachwuchses 
in andere Bahnen gelenkt wird. Die Bauschulen übermitteln nur 
die Äusserlichkeiteu vergangener Kunstausübungen, die man fälsch¬ 
lich für Architektur hielt. Der Bauschüler erhält einen äusserlichen 
Apparat von Formen in die Hand, mit denen er dann im Leben 
operiert. Je mehr er davon anbringen kann, je stolzer ist er. Für 
die Ausbildung seines Geschmacks und seiner künstlerischen Empfin¬ 
dung geschieht nichts. Eine Besserung der architektonischen Zu¬ 
stände wird von der nächsten Generation erwartet werden können, 
in welcher eine Verschmelzung gesunder Grundsätze, die in der 
neueren kunstgewerblichen Bewegung gepflegt werden, mit der archi¬ 
tektonischen Tradition stattfinden werden. 

Über die wirtschaftliche Seite der Ausgestaltung des Arbeiter¬ 
wohnhauses sprach Herr Direktor Dr. Brandts-Düsseldorf. Von 
den heutigen Verhältnissen ausgehend, erörterte er die Frage, ob 
eine bessere architektonische Ausgestaltung nötig und wirtschaft¬ 
lich möglich wäre. Seinen Ausführungen legte er dabei folgende 
Voraussetzungen zugrunde: einmal handele es sich nicht etwa nur 
um die äussere Erscheinung der Arbeiterhäuser, sondern in noch 
höherem Masse um die gesamte innere Durchbildung nach den be¬ 
sonderen Bedürfnissen der Bewohner, sowie auch um die Eingliede¬ 
rung des einzelnen Hauses in die gesamte Umgebung; zweitens sei 


Digitized by v^ooQle 



239 


die Frage in grösseren Orten wichtiger als in kleinen Verhältnissen, 
wo die Natur dem Ganzen noch zu Hilfe komme; drittens nahm er 
an, dass, mit einzelnen Ausnahmen, die heutigen Mieten wohl das 
Höchstmass der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bewohner 
darstellten; und endlich wies er darauf hin, dass die Wohnungs¬ 
produktion in den Städten heute vorwiegend Speditionsunternehmen 
und zwar im Kleinbetriebe sei, einzelorts habe allerdings die ge¬ 
meinnützige Bautätigkeit sich zu einem Faktor von bedeutendem 
Einflüsse entwickelt. 

Zum Thema selbst konstatierte der Referent sodann, dass 
zweifellos hinsichtlich einer schöneren Ausgestaltung der Arbeiter¬ 
häuser bereits Fortschritte zu konstatieren seien, so besonders bei 
den Kolonien grosser Arbeitgeber und einzelner Bauvereine; doch 
bedürfe die Idee unbedingt einer weiteren Ausbreitung, als sie bis¬ 
her besitze. Die Frage, die sich sofort daran anschliesse, ob eine 
architektonische Durchbildung in diesem Sinne finanziell einen Mehr¬ 
aufwand bedeute, lasse sich schwer exakt beantworten, da manchen 
Verteuerungen auf der einen Seite, erhebliche Ersparnisse auf der 
anderen gegenüberstehen. Redner hat versucht, auf verschiedene 
Weise zu einem Ergebnis zu kommen, so besonders durch Ver¬ 
gleichen der Baukosten von Bauvereinshäusern, die mit Zuziehung 
guter Architekten gebaut waren, mit solchen ohne diese: doch war 
das Material wegen der ausserordentlichen Verschiedenheit der ört¬ 
lichen Verhältnisse nicht verwendbar. Dagegen sei es möglich, der 
Frage auf einem Umwege nahe zu kommen. Denke man sich näm¬ 
lich — wie der Redner an einer Reihe von Beispielen zeigte — 
den Fall, dass die einzelnen von Bauvereinen unter Zuziehung vor¬ 
trefflicher Architekten erbauten Häuser zu denselben tatsächlichen 
Herstellungskosten von einer nach den üblichen rein wirtschaft¬ 
lichen Grundsätzen arbeitenden Erwerbsgesellschaft errichtet wären, 
so zeige sich, dass diese Gesellschaft bei sorgfältiger Verwaltung 
und bei Annahme der ortsüblichen Mieten eine ausgezeichnete Ver¬ 
zinsung ihres Kapitals aus den Objekten erzielen könne; dass also 
eine schöne und sinngemässe architektonische Durch¬ 
bildung der Arbeiterhäuser schon unter den gewöhn¬ 
lichen wirtschaftlichen Verhältnissen einer ausgezeich¬ 
neten Rentabilität der Anlage durchaus nicht im Wege 
stehe. — Im übrigen sei nach anderen bekannt gewordenen Renta¬ 
bilitätsziffern aus gut geleitetem gewerbsmässigem Hausbesitze eine 
Abnahme des Anreizes zum Bauen auch für den Pall nicht zu be¬ 
fürchten, dass der Bauherr seinerseits einen massigen Teil eines 
doch etwa erwachsenden Mehraufwandes tragen müsse. Ob nun 
allerdings der gewöhnliche private Bauunternehmer geneigt sei, für 
seine Häuser solche durchgebildeten Architekten, auf deren Heran- 


Digitized by 


Google 



240 


ziehung ja schliesslich die Frage hinausläuft, zu gewinnen, bezweifelte 
der Referent nach dem, was über Art und Vorbildung der grossen 
Menge der Bauunternehmer bekannt geworden ist; diese könne im 
allgemeinen sicher nur die Konkurrenz und das Wachsen der An¬ 
sprüche der Mieter dazu treiben; in beiden Hinsichten hätten die 
Bauvereine noch eine Aufgabe zu erfüllen. In grossen Orten sei 
mit Rücksicht darauf die Gründung grösserer Erwerbsgesell¬ 
schaften zum Bau und zum Vermieten dringend zu empfehlen. 
Diese würden jedenfalls eher geneigt und in der Lage sein, durch 
gebildete Architekten bauen zu lassen; sie würden ferner nach- 
gewiesenermassen eine gute Rentabilität erzielen und stellten einen 
beachtenswerten Fortschritt dar sowohl für die Regulierung der 
privaten Bautätigkeit wie auch durch Ausschaltung kleiner unsolider 
Hausproduzenten für die Gesundung unserer gesamten Bau-, Hypo¬ 
thekar- und Bodenverhältnisse. In kleineren Orten liege die Sache 
insofern einfacher, als hier noch vielfach der Eigenbau vorherrsche; 
hier könne durch Hinweis der Bauherren auf die ältere heimische 
Bauweise, durch Anbietung von einer Zentralstelle (nach der Art 
des Baubureaus der Bauern-Vereine), in bestimmten Fällen auch 
durch finanzielle Beihilfen der an der Schönheit des Stadtbildes ja 
auch interessierten Kommunen Gutes geschaffen werden. Notwendig 
sei nun allerdings, durch entsprechende Unterweisung und Erziehung 
für ein geeignetes Architektenmaterial zu all diesen Aufgaben Sorge 
zu tragen. In der Rheinprovinz sei geplant, gemeinsam mit der 
technischen Hochschule zu Aachen Fortbildungskurse für Baugewerbe- 
treibendc und Kleinwohnungsarchitekten einzurichten, deren fähigste 
Schüler dann später bei Bedarf empfohlen würden, und ausserdem 
durch entsprechende Vorträge auch in den gemeinnützigen Bauver- 
einen weiter erzieherisch auf breitere Kreise einzuwirken. 

Prof. Schulze-Naumburg (Saaleck bei Kosen) sprach über 
„Das Bauernhaus in seiner vorbildlichen Bedeutung für den Arbeiter¬ 
wohnhausbau“. Die Arbeiterhäuser und -kolonien zeigen heute viel¬ 
fach einen Kasernentypus, der das Schönheitsgefühl des Betrachters 
stark verletzt und ein Heimatgefühl bei den Bewohnern nicht auf- 
komruen lässt. Das liegt nicht in der Natur der Sache, sondern 
an der Unkenntnis und Unbildung der verantwortlichen Leute. Wir 
werdeu helfen müssen, dem Arbeiter schöne Wohnstätten zu schaffen, 
in denen er sich wohlfühlen soll. Gänzlich neue, noch nie da¬ 
gewesene Formen brauchen aber nicht gewählt zu werden, sondern 
es ist an das Schöne und Zweckmässige in der Vergangenheit an¬ 
zuknüpfen. Redner sprach dann von der Bedeutung der Tradition 
auf dem Gebiete der Bauweise; zur Erläuterung führte er eine Reihe 
von Lichtbildern vor, in denen er an Bild und Gegenbild den Unter¬ 
schied zwischen neuer und alter Bauweise, besonders auf dem Lande, 


Digitized by 


Google 



241 


vor Augen stellte. Er weist dabei nach, dass man nicht nur die 
alten Formen schlecht und unverstanden wiederhole, sondern vor 
allem, dass man nicht passende Traditionen wähle. Wir müssen 
Sorge tragen, dass die rechten Vorbilder an den rechten Ort kommen. 
Wenn man nach der Form des Arbeiterhauses sucht, so kann man 
Rat finden bei den Ständen, deren Lebensweise und Bedürfnisse 
mit denen des Arbeiterstandes verwandt sind, und die doch im Be¬ 
sitz einer festen Überlieferung eines eigenen Heimes sind, in dem 
sich menschenwürdig und zufrieden leben lässt. Das ist das Haus 
der kleinen Bauern. Er gibt dann eine Reihe von Beispielen der 
heimatlichen Bauweise, die für den Arbeiterw'ohnhausbau von Be¬ 
deutung ist. Das Vorbild darf natürlich nicht direkt kopiert werden, 
keine Bauglieder dürfen Platz finden, die nur für die Landwirtschaft 
Bedeutung haben. Wenn ferner gemäss neuzeitlicher Erkenntnis und 
fortgeschrittener Technik einiges hinzugefügt, weggelassen oder ver¬ 
ändert wird, so haben wir den Typus des anständigen Arbeiter¬ 
hauses, dessen Äusseres so behaglich von Glück und Zufriedenheit 
erzählt, dass ein Abglanz davon auf die Inwohnenden übergehen 
muss. Gleichzeitig wäre ein Mittel gefunden, den traditionslosen 
Stand der Zukunft mit der Vergangenheit zu verknüpfen, denn es 
sei die umbildende Wirkung nicht zu übersehen, die die äussere 
Formensprache der Umgebung auf die innere Artung des Menschen 
ausübt. Redner schliesst mit dem Satze: „Erst wenn wir die Methode 
des natürlichen Wachstums wieder gefunden haben werden, ist Hoff¬ 
nung vorhanden, dass das Bild unseres Landes wieder ein har¬ 
monisches wird. 14 

Architekt R. Riemerschmid, München-Pasing, führte über 
Grundriss und Aussenbau, Innenausbau und Einrichtung 
etwa folgendes aus: Geht man davon aus, dass unsere leidenschaft¬ 
lich nach Unabhängigkeit strebende Zeit in der Erstellung von 
Arbeiterwohnhäusern nur daun ein gesundes, dauerndes Unternehmen 
sehen wird, wenn es imstande ist, sich selbst zu erhalten, mit 
anderen Worten, wenn die Wohnung, um eine Durchschnittszahl zu 
nennen, etwa 5000 Mk. kostet, so leuchtet ein, dass hier die künst¬ 
lerische Frage nicht unabhängig von der wirtschaftlichen gelöst 
werden kann. Nur darum wird es sich handeln können, dem Wesent¬ 
lichen, dem Unentbehrlichen seine zweckmässigste, schlichteste, er¬ 
freulichste Form zu geben. Ehrlichkeit, Anspruchslosigkeit werden 
in der Erscheinung, am Äussern und im Innern, bezeichnend hervor¬ 
treten müssen. Ein streng sachliches Arbeiten, ein Arbeiten, das 
ganz bei der Sache bleibt, der Sache seine Formen abschmeichelt, 
nicht ihr herzugetragene aufzwingt, wird zum Ziele führen, überall 
wo andere Bedürfnisse und Verhältnisse bestehen, zu anderen Er¬ 
gebnissen gelangend. Ein Typus lässt sich deshalb auch uicht fest- 


Digitized by t^ooQle 



242 


setzen. (Es folgt eine Reihe von Hinweisen auf Einzelheiten.) Die 
Gesamtanlage wird reizvoll in sorgfältigster Anpassung vor allem 
an die Bodengestaltung sein müssen, so dass nicht das einzelne 
wirken, herausgeputzt werden muss, dass es im Gegenteil, bescheiden 
angeordnet, in das erfreuliche Gesamtbild seine beste Wirkung tut. 
Erbauer und Bewohner der Häuser mögen erst noch lernen, dass 
strenge, vom Lineal und Winkelmass erzeugte Regelmässigkeit durch¬ 
aus bei anspruchslosen Arbeiten recht unsachlich ist, dass die an¬ 
spruchloseste Art zu arbeiten hier am Platze ist und das einfache 
Augenmass, die fühlende Hand an die Stelle der Langweile kleine 
Reize setzen kann, wo auch der geringste schmückende Aufwand 
sich verbietet. — Und sie mögen lernen, dass abgenützt, doch gut 
gehalten, nicht hässlich bedeutet, sogar das Gegenteil bedeuten kann; 
dass derbes, natürlich behandeltes Material manchen unbekannten 
Reiz besitzt, dass auch die kleinste Spur von erlogenem Vornehm¬ 
tun lächerlich und gewöhnlich ist. — So müsste sich schliesslich 
das Arbeiterwohnhaus darstellen, -dass man fühlte, die Menschen und 
die Häuser gehören zusammen. 

Cher die Gestaltung von Arbeiterkolonien sprach Geh. Reg.- 
Rat Prof. Dr. Ing. Henrici: 

Mit der Begründung, dass es wegen der unzählbar verschie¬ 
denen Umstände und Verhältnisse, unter welchen Arbeiterkolonien 
entstehen können, nicht möglich sei, allgemeine Normen für deren 
Ausgestaltung aufzustellen, beschränkt der Vortragende seine Dar¬ 
legungen auf sogen. Ortschaftskolonien, die im Anschluss an 
grosse industrielle Betriebe von den Arbeitgebern ins Leben ge¬ 
rufen werden. Die Gründung solcher Kolonien wird da zur Not¬ 
wendigkeit, wo man annehmen kann oder muss, dass die Privat¬ 
unternehmung den Wohnungsbedarf nicht genügend decken wird r 
und wo von ihr in ethischer und ästhetischer Beziehung nichts gutes 
zu erwarten ist. Letzteres wird besonders auf dem Lande in der 
Regel zutreffen. An dem Grundsatz ist festzuhalten, dass tunlichst 
jede Kolonistenfamilie so gut wie im eigenen Heim wohnen 
soll. Derartige Arbeiterkolonien grossen Umfanges sind als ein Pro¬ 
dukt der Neuzeit anzusehen, für die es keine Vorbilder aus alter 
Zeit gibt. Sie sind nicht Stadt und nicht Dorf, aber von beiden 
etwas; sie haben trotzdem einen ausgeprägten Charakter durch die 
Gleichheit der Lebensstellung, Beschäftigung und der Ansprüche 
der Mehrzahl ihrer Insassen. Diese Homogenität würde bei sach¬ 
licher Behandlung zu einer unbefriedigenden Gleichförmigkeit in der 
äusseren Erscheinung führen, wenn nicht öffentliche Gebäude, An¬ 
stalten und Anlagen hinzukämen, die in einem grösseren Gemein¬ 
wesen unentbehrlich sind, und w r enn nicht darauf zu rechnen wäre, 
dass unter Tausenden von Arbeiterfamilien auch solche sich be- 


Digitized by 


Google 



243 


finden, denen mit Garten und Stall nicht gedient ist, und die besser 
in Kleinwohnungen mehrgeschossiger Häuser unterzubringen sind. 
Diese Faktoren führen zu einer natürlichen Gliederung der Anlage, 
in deren Kern die öffentlichen Gebäude und die Etagenhäuser zu 
einem Gebilde städtischen Charakters, mit mehr oder weniger ge¬ 
schlossenen Strassen und Platzbildern zu vereinigen sind, während 
die übrigen Teile der Kolonie in ländlichem Charakter sich diesem 
Kern anzuschliessen haben. Aber auch mit sinnvollster Einrichtung 
und Ausgestaltung solcher Arbeiterkolonien werden die Nachteile 
und Gefahren nicht beseitigt, die die Zusammenhäufung und Ab¬ 
sonderung einer grossen Zahl von Menschen ein und derselben Ge¬ 
sellschaftsklasse mit sich bringen. Alle fortschrittlichen Bestrebungen 
müssen deshalb auf die Abwendung oder Abmilderung dieser Nach¬ 
teile und Gefahren gerichtet sein. Diese Erkenntnis führt zu den 
folgenden Fragen: 

1. Ist es nötig, dass in einer Kolonie, die im Anschluss an 
einen grossindustriellen Betrieb errichtet wird, nur solche Leute auf¬ 
genommen werden, die in diesem Betriebe arbeiten oder mit ihm 
in unmittelbarer Beziehung stehen, oder wäre es nicht besser, gerade¬ 
zu darauf hinzu wirken, dass recht viele andere Leute in die Kolonie 
mit hineingezogen würden? 

2. Ist nicht anzunehmen, dass sich manche auf kleineres Ein¬ 
kommen angewiesenen Leute mittleren Standes, z. B. kleine Rent¬ 
ner, Pensionäre, Kaufleute, Handwerker (Schuster, Schneider, Schreiner 
etc.) finden würden, auf welche die billig angebotenen gesunden 
Wohnungen und das Benutzungsrecht der Wohlfahrtseinrichtungen 
eine so grosse Anziehungskraft ausübte, dass auf einen namhaften 
Zuzug zu rechnen wäre? 

3. Liesse sich die Abhängigkeit der Arbeiter, die mit dem in 
solchen Kolonien üblichen patriarchalischen Verwaltungssystem ver¬ 
bunden zu sein pflegt, nicht dadurch abmildern, dass man die 
Kolonieverwaltung gänzlich von der Betriebsverwaltung absonderte, 
und ein völlig unabhängiges, selbständig funktionierendes Wohnungs¬ 
amt einsetzte; oder noch besser, dass man gegen Pacht oder unter 
anderen festen Bedingungen das ganze Vermietungsgeschäft einem 
Privaten oder einer Gesellschaft übertrüge? 

Bejaht man diese Fragen, so werden sie einen sehr fühlbaren 
Einfluss auf die Gestaltung der Kolonien ausiiben. Es werden dann 
Ortschaften aus ihnen entstehen können, die den vielfach erstrebten 
Gartenstädten oder auch den Ortsgründungen nahe kommen, mit 
welchen die Staatsregierung des Grossherzogtums Hessen mit gutem 
Beispiel voranzugehen im Begriff steht. 

Unter Hinweis auf eine in Plänen und Ansichten zur Anschau¬ 
ung gebrachte Studie zu einer etwa 1000 Familien umfassenden 


Digitized by 


Google 



244 


Arbeiterkolouie des Steinkohlenbergwerks Kunrow in Oberschlesien 
entwickelt der Vortragende seine Ansichten über die weitere bau¬ 
liche Ausgestaltung solcher Anlage. Er verlangt, dass in jedem 
Punkte Sachlichkeit und Wirtschaftlichkeit leitend sein müssen. 
Diese verbieten, die Gewohnheiten, Ansprüche und Geschmacks¬ 
neigungen, die in den begüterten Gesellschaftskreisen herrschen, auf 
die Arbeiterkreise zu übertragen; sie verbieten die Aufwendung jed¬ 
weden entbehrlichen Luxus, den nach ihren eigenen Mitteln und 
Neigungen zu treiben man den Arbeitern selbst überlassen möge, 
und sie fordern ein haushälterisches Vorgehen in jeder Richtung. 
Eine gewisse Regelmässigkeit der Anlage, die manche Wiederholungen 
nicht ausschliesst, wird die Herstellung vereinfachen und verbilligen, 
und wird namentlich bei der Grundstückteilung zu günstiger Terrain¬ 
ausnutzung führen. Sie kommt auch der Übersichtlichkeit zu statten 
und wirkt erzieherisch. Bei etwaiger Anwendung des Einfamilien¬ 
hauses ist dem Reihenhaus der Vorzug gegenüber dem Einzelhause 
einzuräumen, weil cs billiger und wärmer ist. Grösste Sparsamkeit 
hat bei Anlage der Strassen zu walten. Dem wird es entsprechen, 
wenn man eine strenge Unterscheidung zwischen Fahrstrassen und 
nicht zu befahrenden W'ohnstrasseu einftihrt. Die letzteren werden 
dann zu ungestörten Kinderspielplätzen. 

In einem kurzen Schlusswort verlangt der Vortragende die 
Gleichberechtigung der künstlerischen mit allen andern Erwägungen. 
Die Kunst soll nicht erst einsetzen, wo die Bedürfnisfrage aufhört, 
sondern soll von Anfang an mitzusprechen haben. Sie soll sich nicht 
in Bereicherung und Verteuerung der Anlage äussern, sondern in 
sinnvoller, anmutiger Raumgestaltung, und in wirkungsvoller Gruppie¬ 
rung der einfachen Elemente, aus denen sich die Kolonie zusammen¬ 
zusetzen hat. Dies erfordert die Arbeit berufener Fachleute, deren 
Leistung man von derjenigen des Architekten*Proletariates zu unter¬ 
scheiden lernen und lehren möge. Nicht von Rezepten und Muster¬ 
blättern, sondern nur von der Förderung originalen Schaffens durch 
die Heranziehung berufener Fachleute zur Lösung aller, auch der 
bescheidensten Bauaufgaben sei die Wirkung zu erhoffen, dass guter 
Geschmack auch in das Bauernhaus und in die Arbeiterwohnung 
wieder Einzug halten werde. 

An Stelle des am Erscheinen verhinderten Professors Dr. Licht- 
wart-Hamburg referierte der in letzter Stunde gewonnene Garten¬ 
baudirektor Enke-Cöln über die Anlage von Gärten. Er em¬ 
pfahl bei der Neuanlage von Kolonien den bestehenden Bodenbestand 
an Bäumen, Sträuchera u. s. w. nicht einfach auszuroden, sondern 
zu Neuanlagen zu berücksichtigen. Bei der Einrichtung der Gärten 
sei die Zweckmässigkeit der oberste Grundsatz. Wo es möglich sei, 
sei auf einzelne schöne, gemütliche Punkte Rücksicht zu nehmen. 


Digitized by v^ooQle 




245 


Von der Einfriedigung durch Draht oder Eisenteile riet er ab, em¬ 
pfahl dagegen Holzgitter oder Hecken. Baumalleen seien zweck¬ 
mässig nicht anzulegen, sondern es seien bei etwa vorhandenen Vor¬ 
gärten einzelne Bäume, die nicht zu starkes Laub und zu starke 
Krone hätten, wie Akazien, Goldregen u. s. w. zu pflanzen. 

Es folgte eine lange Diskussion. 

Nach Beendigung der Beratungen schloss der Vorsitzende Ex¬ 
zellenz Hentig mit Dankesworten an die Referenten und an alle 
Teilnehmer die diesjährige Tagung der Zentralstelle für Arbeiter- 
Wohlfahrtseinrichtungen. 

Ein Teil der Besucher folgte im Laufe des Nachmittags einer 
Einladung des Fabrikanten Springmann zur Besichtigung der kürz¬ 
lich von ihm erbauten Arbeiter-Wohnhäuser. 


Digitized by v^ooQle 



Bericht über die 6. Jahresversammlung des all¬ 
gemeinen deutschen Vereins für Schulgesund¬ 
heitspflege in Stuttgart vom 14. u. 15. Juni 1905. 

Von 

Dr. Jos. Boden in Cöln. 


Zum sechsten Male schaarte der Allgemeine deutsche Verein 
für Schulgesundheitspflege am 14. und 15. Juni 1905 in Stuttgart 
Ärzte und Schulmänner aus allen Gauen des Reiches zusammen, 
um in ernster gemeinsamer Arbeit die wichtigsten Tagesfragen auf 
dem Gebiete schulhygienischer und pädagogischer Reformen durch¬ 
zuberaten. Einen würdigen Empfang hatte die Hauptstadt des 
schönen Schwabenlandes den Teilnehmern der 6. Jahresversammlung 
durch Veranstaltung eines vortrefflichen Festkonzertes im Stadt¬ 
garten am Vorabend des 14. Juni bereitet. Wenn auch eine offizielle 
Begrüssung nicht stattfand, die der ersten Hauptversammlung Vor¬ 
behalten blieb, so nahmen doch die Stuttgarter Teilnehmer die 
Gelegenheit wahr, in ungezwungenem Zusammensein mit den fremden 
Gästen, die im Stadtgarten den herrlichen Sommerabend genossen, 
die ersten Beziehungen anzukntipfen. Die Stadt Stuttgart widmete 
des weiteren den Kongressteilnehmern neben einem hübschen Führer 
durch die Stadt eine Festschrift über das Schulwesen in Stuttgart, 
bearbeitet von Oberbaurat Mayer, dem Vorstand des städtischen 
Hochbauamtes, und Schulrat Dr. Mosa pp, in welcher zahlreiche 
Abbildungen die neueren Schulhausbauten mit ihren Einrichtungen ver¬ 
anschaulichen. Das „Medizinische Correspondenz-Blatt des württem- 
bergischen ärztlichen Landesvereins“ überreichte eine Festnummer, 
die nach einer schwungvollen Begrüssung interessante Abhandlungen 
aus der Schulgesundheitspflege bringt. Einer fleissigen Arbeit über 
Gewichts- und Längenwachstum der Kinder von Dr. W. Camerer jun. 
in Stuttgart lässt Dr. Zahn, Nervenarzt daselbst, Bemerkungen über 
die Prognose und Behandlung des Stotterns folgen, dem man in 
Stuttgart durch städtische Kurse erfolgreich entgegentritt. Der 
bekannte Augenarzt Prof. Königshöfer, gleichfalls dort, berichtet 
über Kurzsichtigkeit durch Naharbeit, die sogen. Arbeitsmyopie. 


Digitized by c^ooQle 



247 


Dr. Bauer-Stuttgart schreibt über die Schule als Auslesefaktor, 
Dr. M. Reih len bringt Gedanken über das Ergebnis der informa¬ 
torischen Untersuchung der Stuttgarter Volksschulkinder im Jahre 1904 
und über das darauf aufgebaute Gutachten Dr. Gastpars über die 
Schularztfrage in Stuttgart, denen Dr. Gastpar selbst zum Schlüsse 
ein Bild über die Tätigkeit des Stadtarztes in Stuttgart anschliesst. — 
Am 14. begannen die Beratungen, denen um 8 Uhr bereits Be¬ 
sichtigungen einiger Schulbauten, die in neuerer Zeit von der Be¬ 
hörde errichtet worden sind, voraufgingen. Um 9 Uhr wurde die 
erste Hauptversammlung unter zahlreicher Beteiligung im Vortrags¬ 
saale des Kgl. Landesgewerbemuseums durch den Vorsitzenden 
Prof. Dr. med. et phil. Griesbach-Mülhausen i. E. eröffnet. 
Die erste Ansprache richtete Se. Exzellenz der Kultusminister Dr. 
von Weizsäcker an die Versammlung mit der Versicherung, dass 
der König und die Staatsministerien das wohlwollende Interesse, 
das sie den Bestrebungen des Vereins bisher entgegengebracht hätten, 
auch weiterhin zu betätigen entschlossen seien. 

Im Namen der königlich-preussischen Ministerien der geist¬ 
lichen und Medizinal-Angelegenheiten und der öffentlichen Arbeiten 
versichert Geh. Oberbaurat Delhis-Berlin des steten Interesses. 
Als Bautechniker betätige er nur eine einseitige Mitarbeit, aber 
auch diese sei für das Ganze von Wert. Den Willkommgruss der Stadt 
Stuttgart brachte Gemeinderat Dr. Rettich in Vertretung des in 
Urlaub weilenden Stadtoberhauptes. Keinem Kongress könne eine 
Stadtgemeinde grösseres Interesse entgegenbringen als diesem, der 
das Ziel verfolge, die lernende Jugend gesund zu erhalten. Aber 
nicht allein die Gemeinde, sondern auch der Staat habe die Früchte 
der Bestrebungen für die Gesundheit der Schulkinder einzuernten, 
da bekannter Weise von 100 Schulkindern in einer Grossstadt später 
kaum 20 in dieser Stadt verblieben. Wenn später in der Schule 
nicht nur gelernt, sondern auch gepflegt und geheilt werde, was 
von dem künftigen Schularzt zu erwarten sei, so müsse dies auch 
überall geschehen und dazu solle dann nicht nur Gemeinde, sondern 
auch Staat und Reich mitwirken. In Stuttgart sei man bereits 
bahnbrechend und mustergiltig vorgegangen. Der Vorsitzende des 
Kgl. Medizinalkollegiums Präs, von Nestle spricht die Befürchtung 
aus, dass bei aller Fürsorge in der Schule für Beseitigung der Über¬ 
bürdung die freiwerdende Zeit allzu leicht zu vorzeitigen Genüssen 
in der Familie und im gesellschaftlichen Leben ausgenutzt werde. 
Er hoffe, dass man bei den Beratungen auch diesen Punkt durch 
Austausch über gemachte Erfahrungen berücksichtige. 

Prof. Dr. von Weyrauch, der Vorstand der Technischen 
Hochschule erklärte in seiner Begrüssung, dass die gesamte Technik 
■die Förderung der Gesundheits- und Lebensverhältnisse bezwecke 


Digitized by 


Google 



248 


und dass es daher ein sehr greifbares Interesse sei, das die Tech¬ 
nische Hochschule den Arbeiten der Versammlung entgegenbringe. — 
Im Namen des Württembergischen ärztlichen Landesvereins begrüsste 
Medizinalrat Dr. Engelhorn-Göppingen die Versammlung. — 
Dr. Bau er-Stuttgart, der Vorsitzende des Stuttgarter Zweigvereins, 
betonte gleichfalls, dass das Elternhaus in der Lösung der Fragen 
der Schulgesundheitspflege vor allem mitzuwirken habe. Den Grass 
der Lehrerschaft des Allgemeinen deutschen Lehrervereins, der über 
100000 Mitglieder zähle, entbot Oberlehrer Krieg-Stuttgart, während 
Prof. Dr. Hartmann-Leipzig für den deutschen Verband akademisch¬ 
gebildeter Lehrer (mit 12 000 Mitgl.) begrüsste. Studiendirektor 
Dr. Rey d t-Leipzig als Vertreter des Zentralausschusses zur Förderung 
der Volks- und Jugendspiele wies daraufhin, dass die Vermehrung 
der Leibesübungen die Jugend widerstandsfähiger mache gegen die 
Schädigungen, die die Schule den Kindern bereite. Dr. Zollinger- 
Ztirich begrüsste als Abgesandter der schweizerischen Gesellschaft 
für Schulgesundheitspflege mit Freuden die Tagung, der Kleine 
könne stets vom Grossen etwas lernen. Den Schluss der Begrüssungen 
bildete ein Telegramm von dem II. Congr&s fran^ais d’hygiene 
scolaire. 

Mit Dankesworten für die wohlwollenden Begrüssungen der 
Vorredner ging dann der Vorsitzende, Prof. Dr. Griesbach, in die 
Verhandlungen ein und verbreitete sich einleitend über die Frage 
der Unterrichtshygiene. Diese las^e zumal in den höheren 
Schulen noch viel zu wünschen übrig. Hier müssten sich Lehrer und 
Ärzte zur Abhilfe vereinigen; leider werde seitens der Eltern den 
Bestrebungen nicht genügende Sympathie entgegengebracht. Die 
Überbürdung sei zu gross, die Jugend habe nicht genügend Zeit 
zu Spiel und Zerstreuung. Es bestehe grosse Gefahr, dass den 
zu grossen Anforderungen das jugendliche Nervensystem nicht mehr 
gewachsen sei, dass weiterhin auch durch Vererbung eine Schwächung 
des Nervensystems ganzer Generationen drohe. Was verlangt werde, 
gehe vielfach über die Anforderungen der allgemeinen Bildung hinaus 
und gehöre auf die Hochschule. Man müsse in diesen Anforderungen, 
besonders auch in der Examenfrage bescheidener sein. Ebenso not¬ 
wendig sei zweitens die Schaffung einer grösseren Einheitlichkeit 
im Lernsystem. Es solle in den Bundesstaaten ein mehr einheit¬ 
licher Unterrichtscharakter angestrebt werden, besonders in den 
Volksschulen und in erster Linie in konfessioneller Hinsicht. 

Das erste Thema behandelte sodann Universitätsprofessor 
Dr. Vietor-Marburg: Über Anfang und Anordnung des fremd¬ 
sprachlichen Unterrichts. Hierzu waren zwei Referenten be¬ 
stimmt, und zwar sprach Prof. Vietor zunächst als pädagogischer 
Referent. Er führte folgendes aus: In den höheren Schulen werden 


Digitized by 


Google 


249 


täglich mehr als 6 Stunden gegeben (dazu kommen die häuslichen 
Arbeiten). Auf ein einzelnes Fach kommen zwar nur 2 Wochen¬ 
stunden, aber schon in Sexta gibt es 9 verbindliche Fächer. Diese 
Menge der Fächer scheint also die hohe Stundenzahl zu bedingen: 
die Überbürdung liegt in diesem „Fach wesen 44 . Der Ausdruck 
„Fach 44 sei etwas Hohles, Leeres, es bedeute „Spezialität 44 und 
darüber gehe das „Allgemeine 44 verloren. Durch Stoff und Methode 
werden die Kräfte überlastet. 60—63 °/ 0 der Stunden fallen den 
Sprachstunden zu; den Löwenanteil aber erhält der Fremdsprachen- 
Unterricht in den Gymnasien und Oberrealschulen. Die Mutter¬ 
sprache wird dabei vernachlässigt, und das ist in hohem Grade 
bedauerlich! Insbesondere ist es die Art, wie heute Grammatik der 
fremden Sprachen gelehrt wird, welche die meisten mit Bitterkeit 
an die Schulzeit zurückdenken lässt. Bei der lateinischen Grammatik 
ist nach Ansicht der meisten Herausgeber im Anfang ein Einpauken 
nötig. Das ist falsch! Der Unterricht muss von Anfang an ein 
induktiver sein, ein Einführen in den Geist der Sprache, eine 
Anleitung, diese Sprache aus sich heraus zu verstehen. Selbstzweck 
ist ja die Sprache in der Schule so wenig, wie im Leben; sie dient 
gleichsam wie eine Eisenbahn als Mittel zur Verbindung des geistigen 
Verkehrs. Schon der Name Grammatik allein erweckt die widrigste 
Erinnerung. Daher muss alles nicht wirklich Einleuchtende, Greif¬ 
bare aus dem Anfangsunterricht entfernt werden. Das Erregen des 
Interesses, das Selbstsuchen- und Selbstfindenhelfen ist das Wert¬ 
vollste; das ist die Leistung der induktiven Methode. Unnatürlich 
ist es überhaupt, dass eine tote Sprache an erster Stelle steht, man 
solle anfangs Englisch, dann Französisch etc. lehren. So kommt 
der Redner zur Aufstellung folgender Leitsätze: 

1. Es ist wünschenswert, dass dem fremdsprachlichen Unter¬ 
richt eine längere Beschäftigung mit der Muttersprache vorausgeht, 
wobei nicht auf den grammatischen Betrieb, sondern auf die Er¬ 
weckung und Festigung des Sprachgefühls — in Verbindung hier¬ 
mit auch auf die lautliche Schulung an der Hand der Mundart — 
das Hauptgewicht zu legen ist. 

2. Die gewonnene Zeit ist nur zum Teil auf den Unterricht 
im Deutschen, zum anderen Teil auf Erholung, Spiel und freie Be¬ 
tätigung, sowie auf die Anleitung zum Beobachten und auch zeich¬ 
nerischen Darstellen des Beobachteten zu verwenden. 

3. Das Hinaufschieben des fremdsprachlichen Unterrichts darf 
der überhaupt zu fordernden Verkürzung der täglichen Unterrichts¬ 
zeit keinen Eintrag tun, also keine spätere Vermehrung der fremd¬ 
sprachlichen Stunden herbeiführen. 

Der medizinische Referent des Themas: Dr. med. Jäger- 
Schwäbisch-Hall legte zunächst in einer geschichtlichen Darlegung 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 17 


Digitized by 


Google 



250 


die Entwickelung des höheren Schulwesens aus den alten Gelehrten¬ 
schulen der Reformationszeit bis zum Einbau des Realgymnasiums 
und den Versuchen des Reformgymnasiums dar und zeigte, wie 
noch heute die Schule allzusehr unter dem Zeichen des fremdsprach¬ 
lichen Unterrichts stehe; nach Kaiser Wilhelms Wort habe die 
Schule „den Zusammenhang mit dem Leben verloren“ und es fehle 
ihr der Zusammenhang mit der Natur; das Latein habe keinen 
direkten praktischen Zweck mehr. In längeren Ausführungen legt 
sodann der Referent die Aufnahmefähigkeit des Gehirns vom ana¬ 
tomischen und physiologischen Standpunkt aus dar. Mit der Frage 
des Themas ist die Grundfrage unseres gesamten heute bestehenden 
höheren Schulwesens angeschnitten. In dieser Beziehung ist tn 
erster Linie zweierlei zu wünschen: 1. der Unterricht ist im ganzen 
und in seinen Teilen zeitgemässer zu gestalten. Die Schule muss 
die vornehmlich mit dem alten klassischen Unterricht beschrittenen 
Bahnen weltfremder Ideologie verlassen und sich mit ihren Zielen 
auf den Boden der Bedürfnisse des Lebens und der Forderungen 
der Zeit stellen. 2. Der Unterricht ist im ganzen und in seinen Teilen 
naturgeraässer zu gestalten. Er muss den Gesetzen der Biologie 
und Physiologie des jugendlichen Organismus, insonderheit des 
Gehirns, angepasst werden. Die Schule muss die, namentlich mit 
dem grammatikalisch - fremdsprachlichen Unterricht beschrittenen 
Bahnen des einseitigen Intellektualismus und Formalismus verlassen 
und eine naturgemässe, auf der Grundlage der Sinne und ihrer 
Tätigkeit aufgebaute möglichst gleichmässige und harmonische Aus¬ 
bildung aller Geistes- und Körperkräfte ins Auge fassen. — Das 
ganze Geistesleben des Kindes ist angewiesen auf den Weg durch 
die Sinnesorgane, besonders durch das Ohr. Wir sehen z. B. bei 
Ehen mit gemischten Sprachen, dass die Kinder neben ihrer Mutter¬ 
sprache noch 2—3 fremde Sprachen mit grösster Leichtigkeit sprechen. 
Das Gehirn wird aber erst mit den Jahren zu der Reife heran¬ 
gebildet, mit der es schwerer fassliche Eindrücke aufnehmen kann: 
man muss daher immer mit der Unreife des Gehirns rechnen, in 
der sich das Kind bereits Jahre lang mit fremden Sprachen be¬ 
schäftigt; das fremdsprachliche Wort ist ihm anfangs nur ein Laut¬ 
komplex, tote Worte stehen da an Stelle von Vorstellungen, von 
konkreten Darbietungen, die für das Kind noch nicht vorhanden 
sind. Unter Berücksichtigung dieser Punkte ergibt sich für den 
Sprachunterricht im besonderen: 

1. die Muttersprache ist in den Mittelpunkt dieses Unterrichts 
zu stellen; 

2. die Frage nach dem Beginn des fremdsprachlichen Unter¬ 
richts ist in zwei zu zerlegen, da es zwei Wege der Erlernung gibt: 
a) den Weg, wie das Kind die Muttersprache erlernt, b) den Weg 


Digitized by c^ooQle 



251 


-der Grammatik. Der erstere ist der natürliche, physiologisch-biolo¬ 
gische Weg. Er entspricht dem erwerbenden, stoffsammelnden 
Denken der Jugend und der allmählichen Entwicklung des Gehirns 
an der Hand der Sinne und der Anschauung. Diese Art kann er¬ 
setzen, so früh sie will. Der andere Weg, der der Grammatik, 
entspricht dem ordnenden Denken des Erwachsenen, dem fertig 
entwickelten, für den verwickelten Prozess abstrakt-philosophischer 
Denkoperationen ausgereiften Gehirn. Für diese Art gilt deshalb: 
so spät als möglich. Der fremdsprachliche Unterricht auf der Unter¬ 
stufe ist jedenfalls, soweit es irgend die Eigenart des Massenbetriebes 
der Schule ermöglicht, der Ersten Art zuzuweisen. Hieraus ergibt 
sich für die Reihenfolge der Fremdsprachen: 1. Zunächst 
lebende Sprachen, da sie allein der Forderung der natürlichen 
Erlernung genügen können. 2. Ihre Folge müsste sein: erst Eng¬ 
lisch, dann Französisch, weil der Gang vom näherstehenden und 
damit leichteren zum fernstehenden und schwierigeren der natür¬ 
lichen Entwicklung der jugendlichen Kräfte mehr entspricht. 3. Der 
ausschliesslich grammatikalische Betrieb der toten Sprachen (Latein, 
Griechisch und Hebräisch) ist den höheren und höchsten Altersstufen 
zuzuweisen; auch hier soll dieser aber keine geistige Dressuranstalt 
^sein, sondern zu praktischem Gebrauch dienen zum Zwecke der 
Einführung in das Verständnis der Literatur eines fremden Volks. 
Für das nicht ausgereifte Gehirn des lernbegierigen Jünglings ist 
der jetzt meist noch begangene Weg der abstrakten Grammatik 
nichts, er tötet sein Interesse und führt zu Schulekel und Arbeits¬ 
ekel. Hier liegt der Grund der Klagen der Überbürdung und der 
Nervenstörung unserer Jugend, hier der Mangel an praktischer 
Brauchbarkeit auch fürs Leben, hier auch der Grund für die Un- 
beholfenheit im deutschen Sprachgebrauch, der deutsche Perioden 
baut, statt kurze klare Sätze, ohne es selbst in fremder Sprache 
zu einer Beherrschung zu bringen. Für eine frische Zukunft ist 
Umkehr nötig, ein durchgreifender Bruch mit der jetzigen Richtung. 

In der regen Diskussion, die sich an diese beiden Vorträge an¬ 
schloss, befürwortete zunächst Oberrealschuldirektor Dr. Hintz- 
m ann-Elberfeld, dass der fremdsprachliche Unterricht um ein Jahr 
hinaufgeschoben werden müsse, da er die Aufgabe für zu gross 
hielt, als dass ein Kind in dem betreffenden Alter sie leisten könnte. 
Nicht aber sei es angängig, weil früher vieles falsch am Gymna¬ 
sium gehandhabt worden sei, deshalb jetzt gleich das Gymnasium 
*md das Fachklassensystem überhaupt abzuschaffen. Prof. Dr. Miller- 
Stuttgart trat warm für den induktiven Unterricht in der Grammatik 
der Fremdsprachen ein, allerdings sei eine Zeitersparnis damit nicht 
zu erzielen. Für gefährlich halte er, dass den Kindern zu wenig 
Zeit zum Lernen gelassen werde. Die besten Erfolge habe er auf 


Digitized by 


Google 



252 


dem Mädehengymnasium gefunden; hier läsen die Mädchen schon 
früher ihren Horaz, als Schüler am Gymnasium in den höheren 
Klassen, allerdings spreche er dabei von einer Auslese begabter 
Schülerinnen, da minderwertigere ja nicht das Mädchengymnasium 
aufsuchen. Es sei das beste, die Ergebnisse dieser Reform-Gym¬ 
nasien genau zu studieren und dann zu untersuchen, ob sie sich all¬ 
gemein verwerten lassen. Prof. Vietor-Marburg erwiderte, es 
solle durch den induktiven Unterricht auch gar keine Zeit erspart 
werden; vorerst solle man nur den überflüssigen Ballast in der 
Grammatik entfernen und dann auf vernünftigem Wege induktiv 
unterrichten. Direktor Treutlein hat am Karlsruher Reform¬ 
gymnasium gute Erfolge erzielt; mit einer fremden lebenden Sprache 
zu beginnen, sei, wie die Erfahrung ihn gelehrt, sehr zweckmässige 
man solle nur überall den Weg des Versuchs beschreiten, um 
grössere Erfahrungen anzusammeln. Er plädiert für nur zwei Fremd¬ 
sprachen überhaupt, mit denen man am Reformgymnasium völlig 
auskomme, und das bedeute doch schon eine grosse Entlastung. 
Über das Griechische könne man zur Tagesordnung übergehen. 
Hiergegen wandten sich Prof. Feucht-Stuttgart, indem er für das 
Griechische nach der Methode des Franzosen Gouin eine Lanze 
brach. Direktor Horn-Frankfurt wendet sich gegen die allgemeine 
Überschätzung des Wertes fremder Sprachen. Man solle mehr Zeit 
auf die Muttersprache verwenden. In Tilsit sei die Hinaufschiebung 
des fremdsprachlichen Unterrichts um ein Jahr bereits mit bestem 
Erfolge eingeftihrt worden. Man solle wenigstens einmal mit Ver¬ 
suchen beginnen. Der Referent Prof. Vietor brachte nun folgen¬ 
den Antrag ein: 

Die 6. Jahresversammlung des allgemeinen deutschen Vereins 
für Schulgesundheitspflege spricht den Wunsch aus, es möge deu 
Schulen, die sich dazu bereit erklären, versuchsweise er¬ 
laubt werden, den fremdsprachlichen Unterricht erst in 
der zweituntersten Klasse zu beginnen; sie bittet den Vor¬ 
stand, diesen Beschluss den deutschen Regierungen vorzulegen. 

Nachdem der Antrag nahezu einstimmig angenommen worden 
war, führte noch Volksschullehrer Reichert-Stuttgart aus, dass 
die Volksschule an dem Fremdsprachenunterricht insofern ein Inter¬ 
esse habe, als sie doch die Lieferantin für die höheren Schulen sei. 
Es sollten daher die vier ersten Schuljahre überhaupt vom Fremd- 
sprachenunterricht frei bleiben und der ausschliesslichen Pflege der 
deutschen Sprache gewidmet sein. Ein in diesem Sinne von ihm 
formulierter Antrag gelangte jedoch wegen vorgerückter Zeit nicht 
zur Abstimmung, nachdem noch ein Herr Beutter-Göppingen die 
Versammlung mit dem mehr humoristisch, als ernst zu nehmenden 
Vorschlag beehrt hatte, an Stelle des Französischen die italienische 


Digitized by 


Google 



253 


Sprache als zweite Fremdsprache in den Vordergrund zu schieben. — 
Gegen ein Uhr wurden dann die Beratungen ausgesetzt. 

Nach des Tages Arbeit bot der Nachmittag den Teilnehmern 
des Kongresses ein frohes Fest. S. Maj. der König hatte sie huld¬ 
voll zu einem „Sommerfest“ auf Schloss Wilhelma eingeladen. An 
200 Mitglieder der Versammlung hatten sich als Gäste des Königs 
zunächst auf dem „Rosenstein“ eingefunden, von wo man sich nach 
Besichtigung des Schlosses und seiner Kunstschätze durch den Park 
«ach der Wilhelma begab. Hier stand im maurischen Saal ein 
Sekt-Imbiss bereit: In herzlichen gemütvollen Worten begrüsste 
Oberhof marschall Exzellenz Freiherr von Wö 11 warth- Laut er bürg 
den Verein für Schulgesundheitspflege im Namen des Königs, dessen 
warmes Interesse für die Bestrebungen des Vereins versichernd, und 
sprach den Wunsch aus, dass es allen fremden Gästen im Schwaben¬ 
land und bei seinem König wohl gefallen möge. Auf das Hoch, 
das er auf den zu Gast geladenen Verein ausbrachte, erwiderte 
dessen Vorsitzender, Prof. Dr. Griesbach, mit herzlichen Dankes- 
worten für die königliche Huld und mit einem begeistert auf¬ 
genommenen Hoch auf S. Maj. König Wilhelm von Württemberg. 
An das königliche Hoflager nach Friedrichshafen wurde ein Hub 
•digungstelegramm gesandt. Nachdem die Gäste dann noch in den 
herrlich angelegten Wandelgängen des Schlossgartens und in dem 
höher gelegenen, ebenfalls im maurischen Stile gehaltenen, Pavillon 
eine gemütliche ungezwungene Stunde verbracht hatten, verliessen 
sie den königlichen Park, um den Abend auf der Terrasse des 
Wilhelmatheaters zu verbringen. Noch in den Abendstunden lief 
eine freundlich dankende Antwort des Königs ein. 

Vor Beginn der zweiten Hauptversammlung fand eine Ge¬ 
schäftssitzung des Vereins statt. In derselben wurde der Vor¬ 
stand wieder gewählt: Dr. Kor mann-Leipzig, Dr. Bauer-Stutt¬ 
gart, Prof. Dr, Hartmann-Berlin, Stadtschulrat Dr. Wehrhahn- 
Hannover, Geh. Oberbaurat D e 1 i u 8-Berlin, Oberbürgermeister 
Mülle r-Kassel, Sanitätsrat Dr. Sc h m i d t-Bonn, Gemeinderat 
Stockmayer -Stuttgart. Ein neuer Satzungsentwurf, nach welchem 
•der Verein jetzt den Namen: Deutscher Verein für Schul¬ 
gesundheitspflege führt, wurde angenommen. In Aussicht ge¬ 
nommen wurde für die Tagesordnung der nächsten Versammlung 
«die Schulbankfrage. Als nächster Versammlungsort wurde Karlsruhe 
vorgeschlagen, jedoch die Entscheidung darüber unter event. Be¬ 
rücksichtigung einer Stadt Mitteldeutschlands dem Vorstande über¬ 
lassen. Rektor Dr. Salz mann-Stuttgart sprach noch den Wunsch 
aus, der nächste Kongress möge sich auch mit der Frage der 
körperlichen Züchtigung befassen. 

Bei Wiederbeginn der Beratungen um 9 Uhr tiberbrachte 


Digitized by 


Google 



264 


Fräulein Planck-Stuttgart Grüsse vom Bund deutscher Frauen¬ 
vereine, dessen eifriges Bestreben dabin gehe, das Verständnis für die 
hygienischen Aufgaben der Schule auch in den Frauen zu wecken. — 

Sodann begann das Referat des Stuttgarter Stadtarztes Dr. 
Gastpar über Schüleruntersuchungen. Er führte ungefähr 
folgendes aus: Die heutige Jahresversammlung sei besonders dazu 
geeignet, den Zweck der Schüleruntersuchungen und die Art und Weise 
derselben auseinanderzusetzen, um manche Vorurteile, die denselben 
noch so vielfach entgegengebracht würden, zu zerstreuen. Zur 
Beurteilung des Zweckes der Schüleruntersuchungen kommen ethische 
und wirtschaftliche Momente in Betracht. Wir dürfen keine Kräfte 
verkommen lassen! Schule und Elternhaus sind der Boden, auf 
dem das Kind heranwächst. Auf beiden Gebieten liegen Ursachen 
der Schädigungen: im Elternhaus oft mangelhafte Ernährung so¬ 
wohl in der Stadt wie auf dem Land; Stadtkinder sind der Regel 
schlechter ernährt, als Landkinder; die WohnungsVerhältnisse sind in 
der Stadt und auf dem Land gleich schlecht, wenigstens bei den ärmeren 
Schichten; eines haben die Landkinder allerdings voraus: die bessere 
Luft. Dazu kommt noch das oft mangelhafte Verantwortlichkeits- 
gefühl der Eltern für die Gesundheit der Kinder, das häufig noch 
mehr dadurch abgestumpft wird, dass man den Eltern zuviel ab¬ 
nimmt. In der Schule drohen den Kindern Schädigungen durch 
Überfüllung der Klassen, schlechte Ventilation und Überbttrdung. 
Schule und Elternhaus haben daher alle Veranlassung, diese Mängel 
zu beseitigen; um diese Mängel und die dadurch gesetzten Schädi¬ 
gungen aber festzustellen, sind die Schüleruntersuchungen dringend 
notwendig, die allein die Gewähr bieten, durch die Masse der 
Untersuchungen sichere Resultate zu bieten und Abwehrmassregeln 
zu veranlassen. Ist über die Notwendigkeit der Untersuchungen 
so kein Zweifel, so gehen die Anschauungen über den Umfang der¬ 
selben auseinander. Eines aber ist erforderlich: Nur der Arzt soll 
untersuchen, aber häufig bedarf er der Mitwirkung des Lehrers; 
nie jedoch soll die vom Lehrer angestellte Untersuchung die ärzt¬ 
liche überflüssig machen. 

Der Kernpunkt der Frage ist nun zweifellos: Wie soll die 
Untersuchung geschehen? Die Antwort fällt verschieden aus 
beim Kinde, bei den Eltern, beim Lehrer, beim Arzte. Die Kinder 
wollen schnell und schonend untersucht werden, die Eltern verlangen 
Benachrichtigung von der Untersuchung, die ihnen ferner keine 
Unkosten verursachen darf; der Lehrer wünscht, dass keine Störung 
des Schulbetriebes stattfindet, und dass ihm ein Resultat mitgeteilt 
werde; der Arzt endlich will alle Bedingungen erfüllt sehen, die zur 
Untersuchung nötig sind. 

1. Das Kind will rasch und schonend untersucht sein» Meist han* 


Digitized by 


Google 



255 


delt es sich um Klassenuntersuchungen, die zeitraubend sind, aber länger 
als 2 Stunden soll die Untersuchung zweckmässig nicht dauern. Die 
fertig untersuchten Kinder können auf den luftigen Korridor geschickt 
werden. Schonung soll dem Kinde in dreierlei Weise zuteil werden: 
a) kann z. B. bei grosser Hitze im Sommer die Untersuchung vormittags 
bis 11 Uhr beendet sein, b) muss Ansteckung vermieden werden; 
dieKrankheitsVerbreitung durch den Untersucher und seine Instrumente 
kann durch ausreichende Waschgelegenheit, durch gründliche Des¬ 
infektion der Instrumente verhütet werden. Bei Halsuntersuchungen 
wird das Instrument leicht überflüssig, wenn man die Zunge durch 
das Taschentuch vorziehen lässt. In gleich gründlicher Weise soll 
nach der Untersuchung das Lokal gereinigt und desinfiziert werden 
(z. B. durch Formalin, wie in Stuttgart geschieht). Die Ärzte 
sollen stets frische weisse Mäntel haben; c) zur Schonung des 
Schamgefühls werden bei der Untersuchung die Mädchen nur bis 
aufs Hemd entkleidet, während die Knaben nackt untersucht werden 
können; der nackte Körper ist für die Kinder unter sich nichts 
anstössiges; wichtige Auskultationen und Perkussionen sollen nur am 
entkleideten Körper vorgenommen werden, die Kinder suchen bei 
genügender Dezenz nichts dahinter; gewogen und gemessen werden 
dieselben durch Personen des betreffenden Geschlechtes. 

2. Die Eltern müssen die Entscheidung darüber haben, ob 
sie ihr Kind untersuchen lassen wollen oder nicht. In Stuttgart 
durfte nur 8 °/ 0 der Kinder nicht untersucht werden, eine gewiss 
kleine Zahl; vielfach machten die Eltern von der Einladung zu den 
Untersuchungen Gebrauch, machten sogar hin und wieder auf diese 
oder jene Erkrankung aufmerksam. Sie sehen dabei selbst, dass 
die Untersuchungen nichts nachteiliges für ihre Kinder haben, ihr 
Interesse dafür wird geweckt, da sie wohl empfinden, wie man um 
die Gesundheit der Kinder besorgt ist. Das verständige Benehmen 
der Eltern bildete in Stuttgart erfreulicherweise die Regel. 

3. Die Lehrer wünschen keine Störung des Schulunterrichtes. 
Da die Untersuchung meist 2 Stunden beansprucht, — mit 1 Stunde 
Weg dazu geht auch dem Arzt ca. ein halber Tag verloren —, so 
geht es zweckmässigerweise schneller, wenn dem Arzte Vorschläge 
und Benachrichtungen durch die Lehrer gemacht werden. Der 
Lehrer kann dafür natürlich auch Mitteilung über die bevorstehende 
Untersuchung verlangen. Eine Mehrarbeit für die Lehrer, wie sie 
durch das Ausfüllen der Fragebogen geschieht (was in Stuttgart 
aufs pünktlichste besorgt worden ist), kann in Zukunft durch Ein¬ 
stellung von Hilfskräften (Schreiber) vermieden werden. 

4. Der Arzt stellt bei den Untersuchungen die berechtigte 
Forderung, dass ihm eine gründliche Diagnose ermöglicht wird. 
Genügt die Diagnose des praktischen Arztes? Ja, in erster Linie; 


Digitized by 


Google 



256 


es muss ihm überlassen bleiben, einen Spezialkollegen zuzuziehen. 
Die notwendigen Instrumente und Apparate müssen in ausreichen¬ 
der Anzahl vorhanden sein. Mit der Aufnahme des Status, der ein¬ 
fachen Diagnose, wird sich der gewissenhafte Schularzt oft nicht 
begnügen, er wird die Anamnese zu Hülfe rufen, um zu sehen, wie 
das, was er findet, alles entstanden ist. In Stuttgart fand der 
Redner, dass mehr als die Hälfte aller Kinder in keinem eigenen 
Bett, viele überhaupt in keinem Bett schliefen; viele müssen in 
ihren freien Stunden zu Hause Strickmaschinen treten, Pakete 
tragen und dergl., alles Momente, die in dem jugendlichen Alter zu 
Schädigungen führen. Wir müssen aber als Ärzte zur Beurteilung 
offenkundiger Schädigungen die bedingenden Ursachen kennen, daher 
ist die Anamnese notwendig. An prächtigen Tafeln demonstrierte 
der Referent die interessanten Resultate seiner sorgfältigen Be¬ 
obachtungen und statistischen Erhebungen mittels der Fragebogen. 
So zeigte er, dass bezüglich der Augen die meisten Erkrankungen 
in den zentralen Stadtbezirken zu finden sind; die Tuberkulose der 
Kinder trifft man vorwiegend in den Stadtvierteln der armen Be¬ 
völkerung, meist auch in den Dachstockwohnungen. Längenwachs¬ 
tum und Gewichtszunahme tiberwiegt bei gesunden Kindern bedeutend. 

Was die Untersuchung selbst aubetriflft, so soll sie mög¬ 
lichst gründlich sein. Von grosser Wichtigkeit ist die Untersuchung 
des Urins, die bei Massenuntersuchungen sehr schwierig ist: in 
Stuttgart fand sich bei 5000 Urinuntersuchungen bei Knaben das 
verblüffende Resultat, dass bis zu 6°/ 0 der Kinder an Albuminurie 
litten; selbst Blut im Urin traf man bei Knaben, die äusserlich 
keine krankhaften Anzeichen darboten. Die Temperaturmessung 
ist, weil sie eine Belästigung der Kinder bedeutet, schwierig durch¬ 
zuführen, wenn sie auch zu wertvollen Resultaten führen würde. 
Zur Untersuchung auf die geistigen Fähigkeiten oder pathologische 
Zustände ist nur eine längere Beobachtung imstande, und dazu ist 
die Hülfe des Lehrers notwendig. Experimentelle Psychologie, 
Messung der Ermüdung etc. gehören nicht zu den Schülerunter¬ 
suchungen. Die Arbeit des Schularztes wird aber die Unter¬ 
suchungen nicht nur auf das Einzelindividuum beschränken, sondern 
sich auch auf Klassenbesuche, auf die Hygiene des Schulzimmers, 
auf Beobachtung der Prophylaxe bei ansteckenden Krankheiten 
ausdehnen. Und hierin soll kein Unterschied zwischen Arm und 
Reich, zwischen Volksschule und höherer Schule gemacht werden, 
die Kinder sämtlicher Schulen sollen mit gleicher Fürsorge be¬ 
handelt werden. 

Wenn nun schliesslich die Untersuchungen als notwendig er¬ 
kannt, wenn sie ferner technisch durchführbar sind, so müssen auch 
Massnahmen getroffen werden, um den Missständen, die man ge- 


Digitized by v^ooQle 



257 


funden, abzuhelfen. Mit warmen Worten trat der Redner dafür 
ein, dass der Schularzt ein Anwalt der Jugend werde. Der Arzt 
sähe die traurigen Verhältnisse, unter denen die Kinder lebten, er 
sei auch bereit, helfend einzugreifen. Er muss den Weg ins Eltern¬ 
haus finden, muss den Eltern das Verantwortlichkeitsgefühl zu wecken 
suchen. Er soll auch mit den Lehrern Rücksprache nehmen, um 
durch sie und mit ihnen die Gedanken und Ziele der Gesundheits¬ 
pflege in der Schule zu verwirklichen. Der Arzt wird ferner den 
Weg der Öffentlichkeit beschreiten, um dort das allgemeine Interesse 
an seinen Bestrebungen zu erregen und Freunde der guten Sache 
zu sammeln; er braucht sich dabei an der Behandlung selbst zu¬ 
nächst nicht zu beteiligen. Es sei erforderlich, mit viel Kleinarbeit, 
deren Wert aber in der Qualität liege, die Jugend tüchtig zu er¬ 
halten im Kampf der Völker und Staaten; denn nur der Staat 
könne an der Spitze der Völker bleiben, der die tüchtigsten Einzel¬ 
glieder hat. — Reicher Beifall lohnte die trefflichen Ausführungen 
des Redners, der sein Referat in folgende Leitsätze zusammenfasste: 

1. Unser modenies Leben mit dem raschen Verbrauch der 
Kräfte, wie er namentlich in unsern grossen Städten nachweisbar 
ist, zwingt uns, unsere Sorge der heran wachsenden Jugend mehr 
als seither zuzuwenden. 

2. Es ist insbesondere notwendig, dass wir sowohl die körper¬ 
lichen Verhältnisse unserer Jugend in der Stadt und auf dem Lande 
kennen lernen, als auch die hereditären, häuslichen und sozialen 
Verhältnisse, in denen sie aufwächst, erfassen. Alle die normale 
Entwickelung hemmenden Einflüsse, mögen sie ausgehen, von welcher 
Seite sie wollen, sind dabei besonders zu berücksichtigen. 

3. Alle die Untersuchungen wären sinnlos, wenn ihnen nicht 
der Gedanke der energischen Abhilfe der gefundenen Schäden zu¬ 
grunde liegen würde, möge der Schwerpunkt im einzelnen Fall nun 
mehr auf allgemein hygienischem, rein ärztlichem oder pädagogischem 
Gebiet liegen. 

In der Diskussion betonte zunächst Prof. Dr. Leubuscher- 
Meiningen, dass nur Nutzen entstehen könne, wenn die Eltern über 
die Notwendigkeit der zu treffenden Massnahmen aufgeklärt würden. 
Er schlug die allgemeine Einführung von Elternabenden vor. Eben¬ 
sowichtig sei die tätige Mitwirkung der Lehrer bei den Unter¬ 
suchungen; die Lehrer sollten daher sowohl in den Seminaren, wie 
auf der Universität hygienisch ausgebildet werden. In Württemberg 
und Meiningen sei dies bereits geschehen. Er halte ferner eine 
Einschränkung der Untersuchungen in den 3 oberen Mädchenklassen 
nicht für notwendig, denn die Kinder kämen bei Freistellung, 
ob sie sich untersuchen lassen wollten oder nicht, von selbst 
Die Frage, wer Schularzt w r erden solle, sei noch nicht geklärt, 


Digitized by 


Google 



258 


wenigstens ob ein besonderer Schularzt oder ein beamteter Arzt 
dazu verwendet werden solle. Er halte den praktischen Arzt für 
vollkommen ausreichend und zweckentsprechend; denn es sei notwendig, 
dass der Arzt die Kinder nicht nur in der Schule sähe, sondern 
dass er auch über häusliche Verhältnisse, Erblichkeit etc. informiert 
sei. Man nehme daher am besten die Ärzte, die in dem betreffenden 
Schulviertel behandelten und daher die meisten Familien kännten, 
wenigstens besser kännten, als der beamtete Arzt, der nur ein paar¬ 
mal hinkomme. — Lehrer Reichert-Stuttgart lenkte das Angen-, 
merk darauf, dass der schlechte Ernährungszustand der Kinder in 
den ersten zwei Schuljahren nicht allein auf häusliche Verhältnisse 
zurückzuführen sei, sondern dass dies vielfach an der Unzweck¬ 
mässigkeit des Lehrplanes liege. Die Stundenzahl sei zu gross, die 
Kleinen müssten übermässig lang in der Schule bleiben, der Schritt 
von der Ungebundenheit zur Gebundenheit sei zu schroff, die Kinder 
bekämen das „Schulfieber“ und ässen nicht mehr so gut wie 
früher. Hier müsse gründlich reformiert und die Stundenzahl ver¬ 
ringert werden. Kreisarzt Dr. Krieger-Barmen teilt die Schul¬ 
krankheiten in 3 Kategorien ein: 1. solche, die das Kind mitbringt, 
2. solche, die es in der Schule zeigt, ohne ursächlichen Zusammen¬ 
hang mit der Schule, 3. mit solchem Zusammenhang. In dem 
einzelnen Falle sei es nicht zu entscheiden, ob der Schulbesuch oder 
die häuslichen Verhältnisse an den Schädigungen schuld seien. 
Hierfür sei aber auch der internationale Kongress nicht der richtige 
Weg, sondern er mache den Vorschlag, der allgemeine deutsche 
Verein für Schulgesundheitspflege möge eine Kommission wählen, 
zur Hälfte Schulärzte, zur Hälfte Statistiker, die gemeinsam ein 
Formular auszuarbeiten hätten, um die Ergebnisse der Untersuchungen 
festhalten zu können. Geh. Rat Neuburger erwiderte, dass dies 
bereits geschehen sei durch eine Kommission von Ärzten, die in 
einer Woche ihre Untersuchungsergebnisse, die sich auf das Material 
sämtlicher deutschen Schulärzte stütze, vorlegen würden. 

Schulinspektor S c h m e e 1 - W or ms und Stadtschulinspektor 
Müller-Wiesbaden sprechen dafür, dass die Aufnahme in die 
Schule um ein Jahr binaufgerttckt werde, weil häufig in dem ersten 
Schuljahre die Kinder in der Entwicklung sichtlich stehen blieben. 
Schularzt und Lehrer sollten sich hier, bei der Unmöglichkeit, die 
Kinder vor dem Eintritt in die Schule zu untersuchen, die Hand 
reichen und alle Kinder, die schwächlich seien, zurückstellen. Frl. 
Planck-Stuttgart plädiert für die Schulärztin zur Untersuchung 
und Beaufsichtigung der Mädchen aus Gründen der Schamhaftigkeit 
und der weiblichen Erfahrung mit den häuslichen Verhältnissen. 
Der Vorsitzende Prof. Griesbach-Mühlhausen bemerkte, dass die 
nervösen Krankheiten in den höheren Schulen an der Tagesordnung 


Digitized by 


Google 



259 


seien, es sei daher das Schularztwesen und die Schüler¬ 
untersuchungen auch auf die höheren Schulen auszu¬ 
dehnen. In diesem Sinne stellte darauf der Referent Dr. Gastpar 
folgenden Antrag: Die Versammlung wolle beschliessen, den 
Regierungen nahe zu legen, dass die schulärztlichen Überwachungen 
nicht nur auf die Volksschule, sondern auf sämtliche Schulen, 
insbesondere auch auf die höheren Knaben- und Mädchen¬ 
schulen ausgedehnt würden. Den Antrag befürworten Direktor 
Horn-Frankfurt und Prof. Dr. Hartmann-Leipzig; letzterer 
spricht auch für die hygienische Vorbildung der akadem. Lehrer, 
die nach den Mitteilungen des Generaloberarztes Dr. Jäger- 
Stuttgart, früheren Lehrers der Hygiene in Königsberg, wenig Inter¬ 
esse an den hygienischen Fragen zeigen. Pfarrer Dr. Gmelin- 
Grossgartach tritt gleichfalls für die Schtileruntersuchungen auf allen 
Anstalten ein, die in Tübingen, begründet durch die Ergebnisse der 
Augenunter8ucbungen, die für die Gymnasien die schlechtesten 
Resultate ergeben hätten, bereits eingeführt seien. Diese Ansicht 
und damit der Antrag Dr. Gast pars wird bekämpft von Ober¬ 
studienrat Prof. Dr. Egelhaaf-Stuttgart, der entgegnete, dass der 
Schularzt in den Volksschulen deshalb nötig sei, weil die sozialen 
Verhältnisse das bedingten; an der höheren Schule aber sei er 
überflüssig, denn in den Gymnasien fehle es einerseits nicht an 
gesundheitspolizeilicher Überwachung durch die ärztlichen Behörden, 
anderseits hätten fast alle Familien ihren Hausarzt; es würden sich 
die grössten Schwierigkeiten seitens des Elternhauses gegen die 
Eingriffe des Schularztes ergeben. Dagegen wendet sich der Vor¬ 
sitzende Prof. Griesbach: es handele sich nicht darum, ob das, 
was dem einen recht, auch dem andern billig sei, sondern um die 
Frage der Notwendigkeit. Und notwendig seien die Schularztunter¬ 
suchungen auch an den höheren Schulen, das bewiesen schon die 
statistischen Erhebungen über die ärztlichen Untersuchungen der 
Einjährigen, die sich aus den höheren Schulen rekrutierten. Er 
riet daher dringend zu der Annahme des Antrages, die dann auch 
nahezu einstimmig erfolgte. Dr. Gastpar machte darauf die Mit¬ 
teilung, dass ein Ministerialerlass in Württemberg bereits eingebracht 
sei, der nicht nur an den Volksschulen, sondern an allen Schulen, 
Schulärzte einführe. Diese Nachricht wurde von der Versamm¬ 
lung mit lebhaftem Bravo begrüsst. 

Den zweiten Teil der Tagung bildete der Vortrag: Der 
ungeteilte Unterricht. Die Erörterung des Gegenstandes hatten 
drei Referenten übernommen: vom Standpunkt der höheren Schulen 
Oberrealschuldirektor Dr. Hi ntz mann-Elberfeld, für Volksschulen 
Mittelschullehrer Bass-Stuttgart, als medizinischer Referent Dr. 
med. et phil. Hellpach, Nervenarzt in Karlsruhe. Eine Frage 


Digitized by 


Google 



260 


von einschneideuder Bedeutung für das gesamte Schulwesen sei die 
Zeitdauer des Unterrichts und die Einteilung desselben, so führte 
zunächst Dr. Hintzmann aus. Die Zustände, wie sie seit 1901 
in Preussen beständen, seien unhaltbar. In den höheren preussischen 
Schulen würden von Tertia bis Prima wöchentlich 37—41 Stunden 
gegeben; dazu kämen 18 Stunden häusliche Arbeiten, obendrein 
der Schulweg mit durchschnittlich 1 Stunde, der auch keine Er¬ 
holung bedeute. Die notwendige und geeignete Zeit zu den häus¬ 
lichen Arbeiten fehle bei dieser Überbürdung den Schülern voll¬ 
ständig; erst abends 7—10 Uhr könnten sie anfangen, ihre Haus¬ 
arbeiten zu machen. Für das Familienleben bliebe überhaupt keine 
Zeit mehr. Wie soll man dem Übelstand nun abhelfen? Fängt 
man den Nachmittagsunterricht erst um 3 Uhr an, so wird es noch 
schlimmer sein, da dann die häuslichen Arbeiten noch später 
begonnen werden können. Es bleibt zur Abhülfe nichts übrig als 
die Kürzung der Stundenzahl. Dieselbe kann sowohl bei geteiltem, 
wie bei ungeteiltem Unterricht, am besten allerdings bei letzterem, 
geschehen, denn dann fällt zunächst der Schulweg am Nachmittag 
fort. Die Nachmittage werden dadurch sämtlich freigehalten für 
die Beschäftigung zu Hause. Man hat gesagt, man brächte durch 
diese Kürzung eine Hast, ein Jagen in den Unterricht. Dem wider¬ 
spricht jedoch die gute Erfahrung durch eine bereits 5jährige 
Praxis. Man wendet ferner ein, soviel (6) Stunden am Vormittag 
seien ohne geistige Überanstrengung nicht möglich. Um das zu ver¬ 
hüten, werden genügend lange Pausen eingefügt. Zusammenfassend 
stellte der Redner folgende Leitsätze auf: 1. Die Unterrichtszeit, 
welche die preussischen Lehrpläne von 1901 für die mittleren und 
oberen Klassen fordern, ist zu gross. Die Zahl der Unterrichts¬ 
stunden steigt unter Einschluss von 3 Turn-, 2 Chorgesang-, 1 Schreib-, 
2 wahlfreien Zeichen- und 2 wahlfreien englischen und hebräischen 
Stunden bis auf 39. Die Schüler müssen also durchschnittlich bis 
zu 6 1 /* Stunden täglich, d. h. an mehreren Tagen bis zu 7, ja an 
einzelnen sogar 8 Stunden in der Schule zubringen. 

2. Daraus folgt, dass die Schüler zum Anfertigen der häus¬ 
lichen Schularbeiten weder die notwendige oder geeignete Zeit noch 
die erforderliche geistige Kraft und Frische haben. 

3. Den Schülern fehlt weiter erst recht die Zeit und darum 
auch die Möglichkeit, für ihre körperliche Ertüchtigung zu sorgen, 
ihrer Individualität entsprechenden wissenschaftlichen oder künst¬ 
lerischen Neigungen naclizugehen, oder grössere selbständige Arbeiten 
anzufertigen. 

4. Die Erziehung zu selbständiger geistiger Tätigkeit ist aber 
die vornehmste Aufgabe der höheren Schulen. 

5. Um jene Übelstände zu beseitigen und diese Aufgabe 


Digitized by 


Google 



261 


sicherer lösen zu könuen, erscheint es‘geboten, abgesehen’ 
vom Turnen, den gesamten in den Lehrplänen genannten 
Unterricht auf den Vormi ttag, als die für geistige Arbeit 
geeignetste Zeit, zu verlegen, die Nachmittage also für 
Turnen und andere körperliche Übungen (Spiele, Schwimmen, 
Rüdem) und für die häusliche Arbeit und selbstgewählte 
Beschäftigungen freizuhalten. 

6. Das ist nur möglich, wenn jede Unterrichtsstunde auf 
45 Minuten beschränkt wird. Es können dann an den 6 Wochen¬ 
tagen bis zu 36 Unterrichtsstunden vormittags erteilt werden, etwa 
nach folgendem Plan: 

1. Stunde: 7—7 45 (45 Min.) 

1. Pause: 7 15 —7 50 (5 Min.) 

2. Stunde: 7 50 — 8 35 (45 Min.) 

2. Pause: 8 35 —8 50 (15 Min.) 

3. Stunde: 8 50 —9 85 (45 Min.) 

3. Pause: 9 3ß —9 40 (5 Min.) 

4. Stunde: 9 40 —10« (45 Min.) 

4. Pause: 10 26 —10 15 (20 Min.) 

5. Stunde: 10«—11 30 (45 Min.) 

5. Pause: 11 30 —ll 4ß (15 Min.) 

6. Stunde: 11«—12 30 (45 Min.) 

7. Derartige Pläne sind jahrelang erprobt und haben sich nicht 
nur als durchführbar, sondern als anderen Plänen überlegen er¬ 
wiesen. Die Schüler sind im Unterricht frischer und lebendiger, 
im Hause arbeitsfreudiger. 

8. Die Schulverwaltungen sind zu bitten, zunächst wenigstens 
Versuche mit derartigen Lehrplänen machen zu lassen. 

Als pädagogischer Referent für Volksschulen sprach dann 
Lehrer J. Bass: Die für die ungeteilte Unterrichtszeit im all¬ 
gemeinen geltend gemachten Gründe sanitärer und sozialer Natur 
treffen für die Schüler der Volksschule ebenfalls, teilweise sogar in 
verstärktem Masse zu. Vom sanitären Standpunkt spricht z. B* 
gegen den geteilten Unterricht der doppelte Schulweg; derselbe ist 
ein Zwangsweg, besonders da noch etwas Unangenehmes im Hinter¬ 
grund stehe, der Nachmittagsunterricht. Im Sommer spielt dabei 
die Hitze, im Winter die Kälte, allgemein in den Grossstädten der 
nervenauf regende Strassen verkehr eine gewichtige Rolle. Es ist 
statistisch festgestellt, dass die Kinder bei freiem Nachmittag, wo 
sie spielen, Schlittschuh laufen u. dgl. können, frischer werden und 
besser gedeihen. Als soziales Moment spielt bei ungeteiltem 
Unterricht das gemeinsame Mittagsmahl eine Hauptrolle, indem der 
Vater um die Mittagszeit auch seine freie Stunde hat; die Schule 
soll aber in den Betrieb des Familienlebens nicht mehr eingreifen. 


Digitized by 


Google 



262 


als soziale Verhältnisse dies schon tun. Bedenken gegen die freien 
Nachmittage verursacht die Gefahr, dass die Kinder zu [sozialen 
Erwerbszwecken ausgenutzt werden. Dagegen gibt es jedoch ge¬ 
setzliche Handhaben. Wenn anderseits nun auch in den Volksschulen 
die Überbürdung der Schüler durch die Anforderungen des Lehr¬ 
planes und die Zahl der Unterrichtsstunden nicht so bedeutend ist, 
wie in den höheren Schulen, so ist doch auch für die Volks¬ 
schüler ein Gegengewicht gegen die geistige Anstrengung und eine 
zusammenhängende schulfreie Zeit im Interesse einer günsti¬ 
gen körperlichen und somit auch geistigen Entwickelung wünschens¬ 
wert. Wenn auch ferner für die Volksschulen eine pädagogisch 
und psychologisch begründete Notwendigkeit für die ungeteilte 
Unterrichtszeit nicht besteht, so kommt doch auch hier, ebenso 
wie an den höheren Schulen, die Minderwertigkeit des Nach¬ 
mittagsunterrichtes in Betracht, die nicht allein durch die Er¬ 
fahrung, sondern auch experimentell nachgewiesen ist. Die Kinder 
sind lange Zeit nach der Nahrungsaufnahme von dem Verdauungs- 
vorgange abhängig, der das Blut vom Gehirn wegzieht und zu den 
Verdauungsorganen hintreibt. Das Gehirn wird dadurch blutleerer 
lind zu Leistungen geistiger Art ungeeignet. Das fällt beim reinen 
Vormittagsunterricht weg. Wenn auch manche Gründe gegen den 
reinen Vormittagsunterricht beachtenswert sind, so lässt sich doch 
-durch wichtige Regelung desselben mancher Einwand beseitigen. 
Gegen den Nachteil der langen Dauer z. B. kann man doch ent¬ 
gegnen, dass bei Verlängerung des Vormittagsunterrichtes um eine 
4. oder 5. Stunde, diese letztere einer Nachmittagsstunde doch als 
völlig gleichwert, wenn nicht als noch mehr wert gelte. Einer 
durch einen höchstens 5 ständigen Vormittagsunterricht ferner be¬ 
fürchteten Ermüdung der Schüler kann durch zweckmässige Auf¬ 
einanderfolge der Fächer, durch kluge Abwechselung, besonders 
aber auch durch genügende Pausen nach jeder Stunde begegnet 
werden. 

Zudem sind alle Stoffe, die für die allgemeine Geistesbildung 
wertlos sind und nur kurze Triumphe bei den Examina feiern, aus- 
zuschalten. Hierdurch wird auch die Schularbeit vertieft, 
besonders wenn daneben noch eine richtige Verteilung der einzelnen 
Fächer auf bestimmte Stunden durch eine psychologisch begrün¬ 
dete Methode stattfindet, indem man z. B. der letzten Stunde am 
Vormittag durch ein zweckmässiges Fach mehr Interesse abzugewinnen 
sucht, wodurch die Kinder besser zuhören und viel weniger leicht 
ermüden. Die praktische Durchftihrnng der ungeteilten Unter¬ 
richtszeit ist wegen der geringen wöchentlichen Stundenzahl und 
der grösseren Mannigfaltigkeit der Unterrichtsfächer in der Volks¬ 
schule leichter möglich als in den höheren Schulen. Eine Ver- 


Digitized by c^ooQle 



263 


ringerung der wöchentlichen Stundenzahl müsste nur in 
Oberklassen städtischer Volksschulen, sowie in mittleren und oberen 
Klassen der Bürger- und Mädchenmittelschulen eintreten; durch die 
Verlegung der technischen Fächer auf den Nachmittag könnte eine 
solche ganz umgangen werden; eine Verminderung auf 30 Stunden 
wöchentlich dürfte aber wohl keinerlei Schädigung der allgemeinen 
Volksbildung mit sich bringen. Auch dieser Referent empfiehlt, 
einen Versuch mit der ungeteilten Unterrichtszeit, zunächst im 
Sommer, in denjenigen Orten zu machen, in denen die Eltern nach 
vorausgegangener Belehrung dieser Einrichtung zustimmen. In vielen 
Städten hat der Versuch bereits zur dauernden Einrichtung geführt 
und den Beweis erbracht, dass, wenn das Problem der durch¬ 
gehenden Arbeitszeit einmal im breiten Volksleben durchgeführt 
wird, es für die Volksschule nur wünschenswert und förderlich sein 
kann. 

Als medizinischer Referent besprach sodann Dr. med. et 
phil. Hellpach-Karlsruhe das Problem der Unterrichtsteilung un¬ 
gefähr in folgender Weise: Die Aufgabe der geistigen Gesundheits¬ 
pflege gegenüber diesem Problem kann sieb nicht in materielle Fragen 
der Unterrichtsreform einmischen, wenn nicht gerade Zustände vor¬ 
liegen, die mit dem Postulat der Gesunderhaltung der Jugend 
absolut unvereinbar sind. Es ist vielmehr unsere Sache, mit dem 
bestehenden Unterricht in seiner Ausdehnung und seinem Inhalt 
zu rechnen und auf dieser Grundlage eine hygienisch möglichst 
einwandfreie Unterrichtsverteilung anzustreben. Diese soll aber 
keine schematische sein. Es ist vielmehr grundlegend wichtig, sich 
nach dem wichtigsten Markstein im jugendlichen Leben zu richten: 
der Pubertät. Es ist grundfalsch, wenn man diese Periode der 
Umwandlung der Psyche übergehen will. Moralisch und intellek¬ 
tuell muss der Primaner anders behandelt werden, wie der Sextaner. 
Für die Schulstufen bis zur Pubertät, also Volksschule, Unter- und 
Mittelstufe der höheren Schule, ist hygienisch und psychologisch in 
gleichem Masse zweckmässig, die einzelne Unterrichtsstunde auf 
45 Minuten zu vermindern. Eine Ermüdung tritt erfahrungsgemäss 
schon mit 30 Minuten ein, bei 45 Minuten noch mehr; einen Aus¬ 
weg haben wir nur in der Verkürzung der Stunden durch ver¬ 
nünftige Pausen. 5 Minuten sind wertlos, das Minimum einer Pause 
soll 10 Minuten sein. Es ist am zweckmässigsten, unter Einfügung 
einer 15minutigen und mehrerer lOminutigen Pausen den gesamten 
wissenschaftlichen Unterricht auf den Vormittag zu verlegen. 
So können 30 Wochenlektionen an den Vormittagen untergebracht, 
der Nachmittag für den gymnastischen Unterricht reserviert werden. 
Wo das nicht zu machen sei, müsste man sich • helfen mit einer 
Teilung des Unterrichts in Vor- und Nachmittagsunterricht oder 


Digitized by 


Google 



264 


mit einer Verlängerung des Vormittagsunterrichts. Ersteres ist das 
kleinere Übel; aber wann soll der Nachmittagsunterricht stattfinden? 
Von 2—4 Uhr ist die Verdauungszeit, dieselbe ist hygienisch über¬ 
haupt nicht diskutabel. 3—5 Uhr bedeutet nur eine Verzettelung 
der Tageseinteilung. Der einzige hygienisch diskutable Unterricht 
ist der des Spätnachmittags (4 — 7 Uhr). Hindernd ist dabei die 
notwendig werdende Beleuchtung und die damit eintretende Ver¬ 
schlechterung der Luft, ferner der Druck, den der Nachmittags¬ 
unterricht auf den Schüler austtbt. Derselbe bleibt daher immer 
nur ein Notbehelf, und prinzipiell soll für Volksschtiler, für die 
Unter- und Mittelstufe höherer Schulen die ungeteilte Unterrichtszeit 
in 45 Minuten-Einheiten nur am Vormittage gefordert werden 
(8 Uhr 30 bis 1 Uhr mit Pausen). 

Anders ist es mit der Oberstufe. Diese bedeutet einen 
Schritt in eine andere Lebensphase, es sind die Jahre des angehenden 
Jünglingsalters, der Zeit der Persönlichkeitsbildung. Hierfür sind 
aber erforderlich Freiheit und Stetigkeit. Ohne Freiheit kann 
sich keine Persönlichkeit entwickeln und Stetigkeit ist erforderlich 
als Gegengewicht gegen die Sprunghaftigkeit der Mittelstufe. Zur 
Schaffung der Freiheit ist daher weitgehende fakultative Unter- 
richtsgestaltung anzustreben; die Stetigkeit wird erreicht durch 
Vermeidung raschen Wechsels, daher schlägt der Redner vor, auf 
der Oberstufe die Unterrichtsstunde auf 80 Minuten aus¬ 
zudehnen und zwar nur für solche Fächer, die keine unausgesetzte 
einseitige oder übermässige Aufmerksamkeit erfordern, was psycho¬ 
logisch vorteilhaft und hygienisch unbedenklich ist, z. B. Geschichte 
und experimentelle Naturkunde, nicht aber Mathematik und gramma¬ 
tische Fächer. So können an 3 Vormittagen ohne Nachmittags¬ 
unterricht und an 3 anderen Tagen mit Vor- und Nachmittags¬ 
unterricht 32—34 Stunden gut untergebracht werden. Während der 
Zeit vom 1. Juni bis 31. August ist, um während der Hitze ein¬ 
heitliche Verhältnisse herbeizuführen, der Stundenplan, soweit nicht 
Ferien sind, dahin abzuändern, dass unter Kürzung desselben um 
mindestens 3 Stunden der wöchentliche Unterricht in 6 Vormittagen 
zu je 4 Zeitstunden und 2 Nachmittagen zu je 1 1 / 2 Zeitstunden er¬ 
ledigt werden kann. 

Der gymnastische Unterricht, zwischen dem wissenschaft¬ 
lichen eingeschoben, bildet keine Erholung, sondern eine Fortsetzung 
der Ermüdung. Er muss auf der Oberstufe fakultativ sein. Die 
Teilnahme der Schüler am gymnastischen Unterricht muss durch 
vorzügliche Organisation seitens der Schule gesichert sein, und zwar 
ohne Zwang: wer nicht gern turnt, kann Spiel oder Sport treiben. 
Für Springstunden (Freistunden), wie sie bei einer hinreichend 
fakultativen Unterrichtsgestaltung unvermeidlich werden, sind von 


Digitized by c^ooQle 



265 


der Schule Arbeitsräume (nach dem Muster der seminaristischen und 
ähnlichen Räume an Hochschulen) zur Verfügung zu stellen. 

Da die Richtigkeit und Zweckmässigkeit all dieser Vorschläge 
nur durch Versuche und einwandfreie experimentelle Untersuchungen 
festgestellt werden können, verlangt der Redner Freiheit zum 
Probieren. Der Verein müsse sich auf den nüchternen Stand¬ 
punkt der Erfahrung und des Versuchs stellen und nur den Glauben 
an die goldene Praxis gelten lassen. 

Nach dem lang andauernden Beifall der Versammlung, den 
die licht- und geistvollen Darlegungen des Referenten ernteten, be¬ 
gann Prof. Dr. Hartmann-Leipzig die Diskussion, indem er gleich¬ 
falls warm für die Freiheit der Versuche plädierte. Auch die Lehrer 
müssten bei dem Mangel an Pausen unter der Nervenanspannung 
leiden: in der neu vorgeschlagenen Unterrichtseinheit von 45 
Minuten liege daher eine bedeutsame hygienische Reform. Direk¬ 
tor Hörn-Frankfurt empfiehlt die Festsetzung der 30-Stundenzahl, 
damit die jungen Leute allmählich mit Vergnügen in die Schule 
gingen, und fordert Abschaffung des Abiturientenexamens. Ihm 
pflichtet Stadtschulrat Dr. Wehrhahn-Hannover bei, indem er das 
Examen für Ballast erklärt, da es gar kein Urteil und keinen Mass¬ 
stab über die Leistungsfähigkeit des Schülers zulasse. Nach einer 
Rundfrage in Hannover seien über 16000 Eltern für die Einführung 
des ungeteilten Morgenunterrichts, nur 800 für den Nachmittags¬ 
unterricht gewesen. Direktor Reinmüll er-Hamburg berichtete 
über seine Erfahrungen in Hamburg, wo bereits seit 40 Jahren bei 
allen höheren Schulen, seit 20 Jahren bei allen Volksschulen der 
ungeteilte Unterricht eingeführt sei. Die Ermüdung in der letzteu 
Stunde sei ja nicht zu leugnen, allein dieselbe sei nicht so stark, 
dass sie nicht durch die lange Erholungszeit im übrigen Teil des 
Tages vollauf ausgeglichen würde. Auch in Hamburg seien die 
angefragten Eltern mit geringen Ausnahmen für die ungeteilte Schul¬ 
zeit gewesen. 

Nunmehr legte Dr. Hintzmann einen Antrag vor, der die 
Gedanken der Referate am geeignetsten zusammenzufassen schien, 
und so gefasst wurde: „Gegen die heute allgemein übliche Schul¬ 
zeiteinteilung sind im hygienischen und unterrichtlich-erziehcrischen 
Interesse schwere Bedenken zu erheben. Der Vorstand wird daher 
beauftragt, die geeigneten Schritte bei den Regierungen zu tun, um 
zahlreiche Versuche zu veranlassen, durch die die Frage der zweck¬ 
mässigen Unterrichtszeit ihrer Lösung entgegengeführt wird, auch 
die Ärzte- und Lehrervereine um ihre Mitarbeit hierbei anzugehen.“ 

Der Antrag wurde mit einem Zusatz des Referenten Bass: 
„Versuche an Volks- und höheren Schulen“ einstimmig angenommen. 

Um 2 Uhr erst fand die lange, anstrengende Tagung ihren 

Cenralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. ^8 


Digitized by 


Google 



266 


Abschluss. Der Vorsitzende Prof. Dr. Griesbach richtete herz¬ 
liche Worte des Dankes an die Behörden, zumal an diejenige, 
welche den grossen luftigen Saal des Königl. Landesgewerbemuseumg 
dem Kongress zur Verfügung gestellt hatte, ferner an die Herren 
Referenten für ihre bedeutungsvollen Arbeiten und an die treulich 
aushaltende Versammlung. Der Nachmittag war zu Besichtigungen 
der Ostheimer Schule, der Schulbaracken und der Krippe daselbst 
ausersehen; im Anschluss daran fand unter Führung des Geh. Hof¬ 
rats Vetter ein Durchgang durch das Schwimmbad statt, dessen 
Einrichtungen von den auswärtigen Gästen mit ungeteilter An¬ 
erkennung bewundert wurden und woselbst alsdann eine muster- 
giltige Schwimmaufführung im Knaben- und Mädchenbad geboten 
wurde. Am Abend beschloss ein Festmahl im Hotel Marquardt das 
offizielle Festprogramm. Prof. Dr. Griesbach sprach den Trink- 
spruch auf den König von Württemberg, den er in längerer Rede 
feierte, Schulrat Dr. Salzmann auf den Kaiser. Den vom Stadt¬ 
schulrat Dr. Wehrhahn-Hannover auf die Stadt ausgebrachten 
Toast erwiderte im Namen des abwesenden Oberbürgermeisters Ge¬ 
meinderat Dr. Bauer. Manches andere hübsche und gehaltreiche Wort 
würzte noch das ausgezeichnete Festmahl. Für den Schlusstag 
waren noch 2 Ausflüge auf den durch den Wohnort von Schillers 
Eltern berühmten Lichtenstein und nach Marbach geplant so dass 
es an Entgegenkommen seitens der Veranstalter des Kongresses 
nicht fehlte. Ungeteiltes Lob sprach sich infolgedessen auch unter 
allen Teilnehmern an der 6. Jahresversammlung des Deutschen 
Vereins für Schulgesundheitspflege rund, die mit voller Befriedigung 
auf die inhaltreiche Tagung in der Hauptstadt des Schwabenlandes 
zurückblicken dürfen. 


Digitized by v^.ooQle 



267 


Kleine Mitteilungen. 


Die Stadtverordneten-Versammlung in Cöln hatte die An¬ 
stellung eines ärztlichen Beigeordneten beschlossen. Nachdem der 
Gewählte die Allerhöchste Bestätigung erhalten, hat der Oberbürger¬ 
meister demselben folgende Amtsgeschäfte übertragen: 

1. Hygienische Anregungen auf allen Gebieten der städtischen 
Verwaltung. 

2. Wohnungs- und Gesundheitspolizei, Abgabe der nötigen ärzt¬ 
lichen Gutachten, mit Vorsitz in der Gesundheitskommission 
und stellvertretendem Vorsitz in der Kommission für Polizei- 
und Wohnungsaufsicht. 

3. Impfsachen. 

4. Schulgesundheitspflege, ansteckende Krankheiten unter den 
Schulkindern und bei den Lehrpersonen, Schulärzte. 

5. Begutachtung der Haftfähigkeit bei Vollstreckung von Haft¬ 
strafen. 

6. Nahrungsmittel-Untersuchungsanstalt. 

7. Begutachtung von Schul-, Krankenhaus- und sonstigen ge¬ 
eigneten Bauten in hygienischer Beziehung. 

8. Beisitz in der Armendeputation, im Waisenamt, in der Depu¬ 
tation für die städtischen Krankenanstalten, in der Deputation 
für das A. von Oppenheimsche Kinderhospital, Armenärzte, 
Armenapotheke, Desinfektionsanstalt, Bakteriologisches Labo¬ 
ratorium. 

9. Beisitz in der Schuldeputation. 

10. Beisitz in der Kommission für Schlacht- und Viehhofsachen und 
in der Marktkommission, Trichinen- und Fleischschau, Lebens¬ 
mittelpolizei auf den Märkten. 

11. Städtische Bäder mit Vorsitz in der Deputation, Kassenkurator 
der Kasse des Hohenstaufenbades mit Revision dieser Kasse. 

12. Beisitz in der Kommission für Statistik, Medizinalstatistik. 

13. Ärztliche Untersuchung von Beamten, Angestellten, Kopisten 
und Arbeitern bei der Annahme, bei Beurlaubungen und bei 
der Versetzung in den Ruhestand. 


Deutscher Verein fQr Öffentliche Gesundheitspflege. 

Nach einer Mitteilung des ständigen Sekretärs, Dr. Pröbsting 
in Cöln a. Rh., wird die diesjährige Jahresversammlung des Ver- 


Digitized by 


Google 



268 


eins in den Tagen vom 13.—16. September in Mannheim statt¬ 
finden, kurz vor der am 24. September beginnenden Versammlung 
Deutscher Naturforscher und Ärzte in Meran. 

Folgende Verhandlungsgegenstände sind in Aussicht genommen: 

1. TyphuBbekämpfung; 

2. Die Bedeutung öffentlicher Spiel- und Sportplätze für die 
Volksgesundheit; 

3. Müllbeseitigung und Müllverwertung; 

4. Schwimmbäder und Brausebäder; 

5. Selbstverwaltung und Hygiene. 


Literaturbericht. 


Recueil des actes officiels et documents, interessant l’hygiöne 
publique. Travaux du comite eonsultatif d’hygifcne publique de France 
(tome trente-troisi&me). Annee 1903. 

Bemerkens- und lesenswerte Abhandlungen in diesem Jahr¬ 
buche sind folgende: 

1. A. Mustervorschriften der öffentlichen Gesundheitspflege 
in Städten (S. 33). 

2. B. Mustervorschriften der öffentlichen Gesundheitspflege 
in Dörfern (S. 47). 

3. Internationale Gesundheitsberatung in Paris im Jahre 
1903 (S. 155). 

Das internationale Übereinkommen, das in dieser Beratung 
beschlossen worden ist, wird von dem Vorsitzenden derselben^ 
M. Barröre, als ein neuer Verteidigungs- und Schutzwall gegen 
die Verbreitung der verheerenden, epidemischen Krankheiten be¬ 
zeichnet. 

4. Vertilgung der Ratten in den Schiffen von Proust und 
Faivre (S. 337 j. 

Die Verfasser ziehen die Schwefelsäureentwicklung mit dem 
Claytonschen Apparat der Anwendung von Kohlenoxyd und 
Kohlensäure vor. 

5. über dasselbe Thema findet sich S. 476 eine Abhandlung 
von Dr. Würtz, der den Gebrauch des Claytonschen Apparates 
ebenfalls empfiehlt. 

Das Jahrbuch ist wie seine Vorgänger reich an statistischem 
Material und gut ausgestattet. Creutz (Eupen). 


Digitized by 


Google 



269 


P. Th. Malier, Vorlesungen über Infektion und Immunität. (Jena, 
Fischer. 1904. 246 S.) 

Dem Arzte, der die neueren wissenschaftlichen Vorstellungen 
über die Fragen der Infektion und Immunität kennen lernen will, 
ohne die Zeit zu haben, sich durch die riesig angeschwollene 
Literatur selbst hindurchzuarbeiten, wird dieses sehr klar und 
flüssig geschriebene Buch ein zuverlässiger Führer sein. Kr. 

Sperling, Gesundheit und LebensglQck. Ärztlicher Ratgeber für 
Gesunde und Kranke. (Berlin 1904. Verlag von Ullstein & Co.) 

Der vorliegende Band hat den Vorzug eines guten Buches, 
mit persönlicher Note geschrieben zu sein. Die Gesundheitspflege, 
der es sich widmet, ist vom Standpunkte des Geistes und der 
Nerven des gesunden und kranken Menschen behandelt. Be¬ 
deutende Kapitel, wie: „Die Rolle der Nerven im Organismus* 4 , 
„Wenn die Nerven sich melden* 4 , „Über die Ursachen von Nervo¬ 
sität und Nervenkrankheit“, „Das menschliche Nervensystem“, 
„Leben und Nervenleben“, „Krankheiten der Nerven“ und „In¬ 
dividuelles Nervenleben“ tragen diesem Standpunkt des Buches 
Rechnung. Unter diesem Gesichtswinkel kommt indes die ge¬ 
samte Gesundheitspflege zur Besprechung. Aus dem reichen Inhalt 
seien noch die Abschnitte: „Der Mensch in der Abhängigkeit von 
der Aussenwelt“, „Gesundheitspflege im täglichen Leben“, „Über 
den Schlaf“, „Vorsicht mit dem Alkohol“ und „Erste Hülfe bei 
plötzlichen Erkrankungen und Unglücksfällen“ hervorgehoben. 

Stoff, Anordnung und Stil wirken in gleicher Weise zu¬ 
sammen, dieses nützliche Buch beachtens- und lesenswert erscheinen 
zu lassen. Dreyer (Cöln). 

Weiss, Militär- und Volkshygiene. (Halle a. S. 1905. Verlag von Carl 
Marhold.) 

Verf. erblickt in dem Kampfe gegen die Infektionskrankheiten 
als wichtigste Waffe die Aufklärung und Belehrung der breiten 
Massen des Volkes über das Wesen dieser Krankheiten, namentlich 
über die Vorbeugung der Ansteckung. Zu diesem Zwecke haben 
nicht nur sämtliche Schulen in ausgiebigerem Masse wie bisher, 
sondern auch die Geistlichkeit, die Leiter grosser Fabriketablisse¬ 
ments usw., ferner die Gründungen hygienischer Bibliotheken und 
Museen aufklärend zu wirken. Am meisten verspricht sich Verf. 
von der Mitwirkung des Militärs. Er fordert, „dass ohne Hint¬ 
ansetzung des militärischen Selbstzweckes und ohne Gefährdung 
der militärischen Interessen, ein Teil der Dienstzeit, den der Sol¬ 
dat in der Schule verbringt, dazu verwandt wird, den Soldaten 


Digitized by 


Google 



270 


obligater Weise in die Elemente der Infektionslehren einzuführen. ^ 
Verf. erkennt die bisherigen Bestrebungen, welche die hygienische 
Aufklärung der Mannschaft bezwecken, ohne weiteres an, hält aber 
eine Erweiterung des hygienischen Unterrichtes für unbedingt not¬ 
wendig, damit die Mannschaften sich wirklich mit den Lehren der 
Infektion, Desinfektion und Isolierung vertraut machen können. 
Er findet es zweckmässig, dass diese Lehren in einem kleinen 
separaten Büchlein zusammengefasst werden, der Inhalt zum Gegen¬ 
stand einer besonderen Prüfung gemacht, und das Büchlein dem 
Manne bei seiner Entlassung mit in die Heimat gegeben wird. Ob 
es wirklich gelingt, dem gewöhnlichen Manne aus dem Volke, und 
auf dessen Aufklärung kommt es hauptsächlich an, trotz seines nie¬ 
drigen Bildungsgrades, hygienisches Empfinden und hygienische 
Kenntnisse, die er praktisch verwerten kann, in dem Masse, wie 
Verf. es für möglich hält, beizubringen, sei dahingestellt; jedenfalls¬ 
müssen wir sein Bestreben, in dem Kampfe gegen die Infektions¬ 
krankheiten eine neue Waffe einzuführen, mit Freuden begrüssem 

Grässner (Cöln). 

F. A. Schmidt, Physiologie der Leibesübungen. (Voigtländer, 1905.) 

Der Verfasser hat mit der Herausgabe seiner ursprünglich 
bei Gelegenheit der Weltausstellung in St. Louis gehaltenen Vor¬ 
träge den Freunden der Leibesübungen oder vielmehr uns allen r 
die wir uns für ein gesundheitsgemässes Leben interessieren, einen 
grossen Gefallen getan. Nach einleitender Besprechung der deut¬ 
schen und schwedischen Schulgymnastik betrachtet Schmidt die 
Einwirkung der Leibesübungen auf die Knochen, Gelenke, der 
Muskel- und Nervensysteme, die Lungen, das Herz und den Ge¬ 
samtstoffwechsel, und beurteilt zum Schluss den Wert der ver¬ 
schiedenen Übungen und das Übungsbedürfnis in den verschiedenen 
Lebensaltern der beiden Geschlechter. Das Buch ist klar, flüssige 
und, worauf es hier vor allem ankommt, anregend geschrieben. 

Kr. 


Wolf, Die Einwirkung verunreinigter Flüsse auf das im Ufergebiet 
derselben sich bewegende Grundwasser. (Arb. a. d. Kgl. Hyg. 
Inst, zu Dresden. Bd. I, 1903, p. 291—331.) 

Zur Klärung der Streitfrage, ob die bei Hochwasser von 
Flüssen in den anliegenden Wasserwerken aüftretende Keimsteige¬ 
rung dadurch zu erklären ist, dass 1. entsprechend der Annahme 
von Renk, Schill und Me inert unfiltriertes Flusswasser in das- 
Wasserwerk Übertritt, oder 2. nach der Annahme von Niedner 
und Hofmann durch infolge des Hochwassers ansteigendes Grund¬ 
wasser die Keime aus dem Erdreich ausgeschwemmt werden und 


Digitized by v^ooQle 



271 


in das Leitungswasser gelangen, bringt Wolf auf Grund eingehen¬ 
der Untersuchungen neues Material bei. Zunächst bespricht er 
Wasserwerke mit Keimsteigerung bei einsetzender Hochflut des 
benachbarten Flusses. Hierzu gehört zunächst das Wasserwerk 
der Stadt Dresden an der Saloppe. Wolfs Keimzählungen an diesem 
Werke stellen eine Fortsetzung der von Renk aus den Jahren 
1895/96 und von Hofmann aus dem Jahre 1897 veröffentlichten 
Zahlen dar und sind mit diesen direkt vergleichbar, da Verf. die 
damaligen Keimzählungen ebenfalls ausgeführt hatte. Im Jahre 
1900 zeigten die Keimzahlen nun dieselben Schwankungen wie 
früher. Nur gewisse Hochfluten der Elbe erzeugen eine Keim¬ 
steigerung im Saloppeleitungswasser, andere nicht und zwar dann 
nicht, wenn die Hochflut einsetzte, ehe das Wasser der vorher¬ 
gegangenen vollständig verlaufen war. Die von Hofmann gegen 
die Keimsteigerung vorgeschlagenen Massregeln: 1. Einbauen von 
Entlüftungsrohren in die Brunnenschächte, um bei Hochflut auf¬ 
tretende Luftpressungen zu vermeiden, 2. Unterlassung von forciertem 
Pumpen bei Überflutung des Geländes, um Saugwirkungen im Erd¬ 
reich zu verhüten, hatten sich wirkungslos erwiesen, ein Umstand, 
den Verf. als Stütze der von Renk und Schill gegenüber Hof- 
mann vertretenen Ansicht ausspricht, welche, wie oben erwälmt, 
«inen Übertritt unfiltrierten Flusswassers in das Wasserwerk 
annimmt. Zur weiteren Klärung der Frage zog Verf. den von 
Blachstein u. A. eingeführten Nachweis pathogener Bakterien aus 
dem Wasser heran.- Das zu untersuchende Wasser wurde mit einer 
Lösung von Pepton und Kochsalz versetzt, so dass es von beiden 
1 °/ 0 enthielt, 48 Stunden bei 37 0 bebrütet und davon 2 cc Meer¬ 
schweinchen intraperitoneal eingespritzt. Waren pathogene Bakterien 
im Wasser, so ging das Tier in 12 Stunden an eitriger oder 
jauchiger Peritonitis ein, welche durch B. coli resp. B. vulgare 
(Proteus vulgaris) erzeugt wurde. Dies war der Fall bei jeder 
Probe Elbwasser. Das Saloppeleitungswasser wurde dagegen 
für gewöhnlich von den Tieren ohne Schaden vertragen. Aber 
bei Beginn eines jeden Hochwassers sterben die mit Leitungswasser 
resp. Wasser aus den einzelnen Brunnen geimpften Tiere und aus 
dem Peritonealexsudat Hessen sich beide Bakterienarten isolieren, 
ja in einigen Fällen bereits ehe die Keimzahlen 100 erreicht hatten. 
Besonders bei einem Brunnen (IV) zeigte sich der Einfluss des Fluss¬ 
wasserstandes am deutlichsten, sein Wasser wurde 3 Tage früher 
bei Hochwasser infektiös, als das der anderen Brunnen und blieb 
auch länger infektiös. Bei Beginn und während des Ansteigens 
der Hochflut waren beide Bakterienarten (B. coli und Proteus; im 
Wasser. Bald nach dem Überschreiten des Höhepunktes des Hoch¬ 
wassers verschwindet der Proteus aus dem Wasser und die Tiere 


Digitized by t^ooQle 



272 


sterben nunmehr nur an Coliinfektion. Einzelne Tiere erlagen auch 
ausserhalb von Hochfluten der Infektion mit Coli nach Injektion 
der Vorkulturen von Brunnen- oder Leitungswasser. Arbeiten an 
den Brunnen in jener Zeit sind als Ursache nicht auszuschliessen, 
Hessen sich aber nicht direkt als Ursache ermitteln. Einzelne Tiere 
starben ferner längere Zeit nach Injektion von Wasservorkulturen 
mit eigentümlichem Knötchenbefund. Verf. ist der Ansicht, dass 
es sich um abgelaufene Infektion ebenfalls von B. coli handelt mit 
knötchenförmiger Abkapselung der z. T. abgestorbenen Bazillen. 
Doch glaubt Verf., dass der vereinzelte Befund von Colibakterien 
in den Brunnen ausserhalb der Hochwasserzeiten der Bedeutung 
des massenhaften Auftretens von B. coli und Proteus im Leitungs¬ 
wasser bei bestehender Hochflut keinen Abbruch tun könne, und 
namentlich auch nicht geeignet sei, die Ansicht, dass beide Bakterien¬ 
arten aus der Elbe stammen, zu widerlegen. Durch Versuche mit 
gegen B. coli und Proteus immunisierten Meerschweinchen führte 
Verf. den Nachweis, dass ausser einer artfremden Coliform sonstige 
pathogene Bakterienarten im Elbwasser nicht vorhanden waren 1 ). 
Gegen die Annahme nach Hofmann und Niedner, dass das B. coli 
und der Proteus nicht als Zeichen des Übertritts unfiltrierten Elb¬ 
wassers aufzufassen wären, sondern dass sie mit steigendem Wasser 
aus dem Boden ausgewaschen würden, führt Verf. ins Feld, dass 
bei starkem Absaugen der Brunnen beträchtliche Absenkungstrichter 
des Grundwassers entstehen, dass aber trotzdem niemals in den 
Ruhepausen ein Auswaschen der Bakterien aus den vorher wasser¬ 
freien Bodenschichten durch wiederansteigendes Grundw r asser zu 
beobachten ist. Verf. verbreitet sich weiter über den Wert des 
Befundes des B. coli in Wasserproben und betont, dass in Hamburg 
sich ein deutlicher Einfluss der besseren Wasserversorgung auf die 
Typhusmorbidität ergeben hat. (Vor Errichtung der Filterwerke, 
1892, 2102 Erkrankungen, 216 Todesfälle, 1894 nach der 1893 
erfolgten Errichtung der Filter werke 569 Erkrankungen, 47 Todes¬ 
fälle.) Meinert wies ferner für Dresden nach, dass im Gefolge 
der mit Keimsteigerung im Leitungswasser verbundenen Elbhoch¬ 
wasser Durchfallsepidemien unter der Dresdener Bevölkerung auf¬ 
traten. Nach Errichtung des neuen Wasserwerks bei Tolkewitz 
blieben die von diesem allein versorgten Stadtviertel dagegen da¬ 
von so gut wie ganz verschont. Verf. versuchte nun auch bak¬ 
teriologisch den Nachweis zu führen, dass die beiden genannten 
Bakterienarten die Ursache der Kinderdiarrhöen seien. B. coli 

1) Bei den Angaben des Verfs. über die Indolbildung des B. coli ist 
entweder ein Druckfehler vorgekommen oder Verf. hat nicht B. coli com¬ 
mune vor sich gehabt. 


Digitized by t^ooQle 



273 


wurde meist gefunden, B. vulgare (Proteus) aber nur in 5 Fällen 
und nicht bei Hochwasser, sondern bei Niederwasser. 

2. Wasserwerk der Gemeinde Löbtau bei Dresden. 

Es handelt sich um ein Grundwasserwerk, dessen 3 Brunnen 
20, 100 und 40 m von der Weisseritz entfernt liegen, während sieh 
ca. 800 m oberhalb des Wasserwerks ein verschlammter Mühlgraben 
abzweigt, von dem die Brunnen 230, 150 und 80 m entfernt liegen. 
Die Weisseritz hat sehr wechselnde Wasserraengen, tritt bei Hoch¬ 
wasser auch wohl gelegentlich aus und verursacht dann ungeheure 
Zerstörungen. Auch bei diesem Wasserwerk hat sich ein deutlicher 
Einfluss des Flusses ergeben. Bei langanhaltender Trockenheit 
macht sich von den Ausläufern des Erzgebirges her ein Grund¬ 
wasserstrom mit sehr salzreichem hartem Wasser bemerkbar. Der 
Keimgehalt ist dann sehr gering, mitunter fast 0, der Abdampf¬ 
rückstand sehr hoch. Bei Steigen der Weisseritz wird der Keim¬ 
gehalt reicher, das Wasser ärmer an gelösten Bestandteilen. Dabei 
ist es gleichgiltig, ob es sich um Ansteigen der Weisseritz durch 
Schneeschmelze oder Wolkenbrüche handelt, die Keimvermehrung 
tritt ein und hält sich bei Hochstand des Flusses. Der Abdampf¬ 
rückstand kann dabei so gering werden, dass er sich kaum von 
dem des Flusswassers unterscheidet, während er in trockener Zeit 
hoch ist. Während aber die Keimzahlen schon am ersten oder 
zweiten Tage ihr Maximum erreichen und am darauffolgenden wieder 
absinken, macht sich der Einfluss des weicheren Flusswassers auf 
die Rückstandmengen erst einige Tage später bemerkbar. Es scheint 
also das Verhalten der Keimzahlen der Bewegung der Rückstands¬ 
mengen zu widersprechen. Dieser Widerspruch klärt sich dadurch 
auf, dass der Fluss beim Steigen auch das umgehende Erdreich 
mit Wasser erfüllt, wodurch „ein neuer, aus Flusswasser bestehender, 
das Flussbett begleitender Strom“ entsteht, „der sich allerdings 
entsprechend der Reibung in den Hohlräumen im Boden nur lang¬ 
sam ausbreiten kann“. Dieser seitliche Strom verdrängt immer 
mehr Wasser aus dem Brunnen, wodurch sich die Abnahme der 
Rtickstandmengen erklärt. Die hohen Bakterienmengen am ersten 
Tage seien dagegen ohne Zweifel auf nächstem Wege aus dem 
Flusse in den Brunnen eingeschwemmt. Nun sind dabei auch die 
ersten Hochwassermengen bei Regengüssen und Schneeschmelze 
an sich am keimreichsten, dabei wird infolge Ansteigens der Brunnen 
der Überdruck vom Flusse geringer und eine weitere Verdünnung 
des keimhaltigen eingedrungenen Flusswassers steht durch den er¬ 
wähnten Seitenstrom zu erwarten, welcher mehr Zeit hatte, sich 
durch Filtration im Erdreich zu reinigen. Für die Existenz eines 
solchen Seitenstromes spricht auch das Auftreten von Quellen nach 


Digitized by 


Google 



274 


Regengüssen in dem wieder trocken gewordenen Flussbett. Diese 
Quellen versiegen wieder nach 3—4 Wochen. Ihr Wasser ist sehr 
verschieden von dem Grundwasser zu trockener Zeit und lässt eine 
deutliche Beinflussung durch Flusswasser nicht verkennen. — Die 
Keimzahl in den Brunnen stieg bei verschiedenen Hochwassern 
ebenso wie beim Saloppewerk verschieden hoch an. Brunnen V 
zeigte Keimsteigerung auch dann, wenn der Anstieg der Weisseritz 
bei hohem Grundwasserstand erfolgte. Der Flussgrundwasser¬ 
strom ist hier nie so mächtig, dass er das Übertreten von Weisseritz- 
wasser in diesen Brunnen ganz verhindern könnte. Verf. nimmt 
deshalb das Bestehen einer direkten Verbindung zwischen Fluss 
und Entnahmegebiet des Brunnens durch Spalten und Risse an. 
Günstiger liegen die Verhältnisse bei Brunnen II und III, auf welche 
der Fluss nur bei tiefem Grundwasserstand nachteilig zu wirken 
vermag. Bei hohem Grundwasserstand werden dagegen diese beiden 
Brunnen durch den Flussgrundwasserstrom gegen Eindringen von 
Flusswasser geschützt. Durch Tierversuche Hessen sich im August, 
Oktober und November im Wasser des Brunnens I zur Zeit von 
Hochwasser B. coli und Proteus nachweisen, desgleichen im Weisseritz- 
wasser. Dagegen fielen die Tierversuche im Februar und März 
sowohl mit Wasser des Brunnens I wie der Weisseritz negativ aus. 
Verf. nimmt an, dass dabei durch den festgefrorenen Boden 
wenig Fluaswasser in den Brunnen dringen konnte und dass im 
Schneeschmelzwasser beide Arten nur in geringer Menge vorhanden 
waren. Verf. nimmt nach Analogie dieser Beobachtungen am Löb- 
tauer Wasserwerk auch bei dem Saloppewerk einen seitlich neben 
der Elbe fliessenden Grundwasserstrom mit bakterienärmerem Wasser 
an, dessen Flutwelle bei Anstieg der Elbe zeitlich später fällt. Da¬ 
durch werde das Faktum erklärt, dass die Keimsteigerung im Brunnen 
stets in den ersten Hochwassertagen am grössten ist, um dann ab¬ 
zusinken, selbst wenn ein erneuter Anstieg der Eibe eintritt. Der 
Brunnen I des Löbtauer Werkes und Brunnen IV des Saloppewerkes 
sind die empfindlichen Punkte ihrer Wasserwerke. Ersterer wurde 
auf das Gutachten der Zentralstelle hin ausgeschaltet; für letzteren 
empfiehlt Verf. das Gleiche. 

3. Wasserwerke, an denen eine Einwirkung des be¬ 
nachbarten Flusses nicht beobachtet werden kann. Hier¬ 
zu gehört nach Verf. 1. das neue Wasserwerk der Stadt Dresden 
in Tolkewitz (erbaut 1894—98, erweitert 1901). Es liegt auf dem 
linken Ufer der Elbe oberhalb Blasewitz und vermag aus 11 Brunnen 
innerhalb 24 Stunden 40000 cbm zu fördern. Die Brunnen sind 
z. T. bei Hochwasser Überschwemmungen ausgesetzt, aber durch 
ihre Abdichtung und eine natürliche Lehmdecke im Boden, nament¬ 
lich jedoch durch die enormen W'assermassen des vom Gebirge 


Digitized by 


Google 



275 


kommenden Grandwasserstromes gegen Verunreinigungen durch 
eindringendes Flusswasser, wie es scheint, vollkommen geschützt. 
Die Keimzahlen waren stets niedrig, auch bei Hochwasser. Der 
Tierversuch fiel stets negativ aus (bis auf eine Ausnahme, welche 
durch in der Zirkulationsleitung beigemischtes Saloppewasser zu 
erklären sein dürfte). 

2. Das 1892/93 erbaute Wasserwerk der Stadt Meissen 
liegt auf dem linken Elbufer oberhalb Meissen. Es erschliesst mit 
5 Brunnen, welche ca. 100 m vom Fluss entfernt liegen, den von 
den steilen Höhen zur Elbe abfliessenden Grundwasserstrom. Die 
wasserführende Kiesschicht ist durch eine 5 m dicke natürliche 
Lehmdecke selbst bei Hochwasser gesichert. Die Keimzahlen be¬ 
trugen 5—15, selten 20. Niemals konnten durch den Tierversuch 
B. coli oder Proteus im Brunnen-Wasser festgestellt werden. Auch 
die Temperatur beträgt im ganzen Jahre stets 7—8°. Auch bei 
Hochwasser trat keine Keimverraehrung ein. Selbst wenn das ganze 
Gelände bis zu den Mauern des Maschinenhauses überschwemmt 
wird, ist die Reinheit des Wassers des Wasserwerkes nicht bedroht. 
Obwohl der Wasserstand in den Brunnen ausserordentlich wechselt, 
tritt doch keine Keimvermehrung bei Steigen des Wasserstandes 
ein. Verf. führt diese Beobachtung als neuen Gegenbeweis gegen 
die Ansicht an, dass die Bakterien aus dem Boden ausgeschwemmt 
werden könnten. 

Von den vier angeführten Wasserwerken ist nur eines, das Meiss¬ 
ner gänzlich frei von jedem Einfluss des benachbarten Stromes erklärt. 
Dagegen zeigt das Tolkewitzer Wasserwerk durch grössere Tempe¬ 
raturschwankungen wenigstens einen indirekten Einfluss. Das 
Saloppe- und Löbtauer Wasserwerk besitzen keine schützende Lehm¬ 
schicht über der wasserführenden Schicht. Bei Neuanlage von 
Grundwasserwerken in der Nähe eines Flusses empfiehlt Verf. mit 
Recht eine Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse und An¬ 
stellung eingehender Untersuchungen bei verschiedensten Fluss¬ 
wasserständen. In einem Nachtrag bemerkt er, dass er in Erd¬ 
proben, welche über der Sammelgalerie des Saloppewerkes ent¬ 
nommen wurden, weder B. coli noch Proteus finden konnte. 

Czaplewski (Oöln) 

Schubert, Das Schularztwesen in Deutschland. (Hamburg u. Leip¬ 
zig HK)5. Verlag von Voss.) 

Das reiche, durch eine Umfrage bei den grösseren Städten 
des Deutschen Reiches gewonnenen statistische Material und die 
hieran geknüpften Vorschläge machen das Buch zu einem schätz¬ 
baren Ratgeber für Gemeinden und Ärzte bei Einrichtung und 
Ausbau des Schularztwesens. 


Digitized by 


Google 



276 


Das Schwergewicht der schulhygienischen Tätigkeit sieht Verf. 
in der Untersuchung sämtlicher, nicht bloss der anscheinend 
kranken, Kinder, und zwar deshalb, weil viele Krankheiten und 
Gebrechen der Schüler diesen selbst und deren Eltern oft lange 
Zeit unbekannt bleiben und aus dieser Unkenntnis Nachteile für 
die Erreichung des Unterrichtszieles, für die Schulkinder und deren 
Mitschüler resultieren, und weil viele kranke oder mit Krankheits¬ 
anlagen behaftete Kinder von seiten der Schule gewisse Ausnahmen 
und Rücksichten beanspruchen. 

Für die Untersuchnng der Schulneulinge wären zuverlässige 
Angaben über Heredität und Antezedentien der Kinder — in Form 
von seitens der Eltern ausgefüllten Fragebogen — von grösstem 
Nutzen. Eine soziale Bedeutung erhielte die Schularzteinrichtung 
durch die Feststellung des Einflusses der gewerblichen Kinderarbeit 
auf die gefundenen krankhaften Zustände sowie durch Raterteilung 
betr. spätere Berufswahl. Für die Hygiene des Schulhauses ist 
ein Hand in Hand gehen mit dem technischen Sachverständigen not¬ 
wendig. Auf die Hygiene des Unterrichts und der Unterrichts¬ 
mittel ist mehr, als bisher üblich, Gewicht zu legen. Der Schul¬ 
arzt soll ordentliches und vollberechtigtes Mitglied der Schul¬ 
konferenzen und -deputationen sein. In den Unterrichtsplan 
besonders der höheren Schulen ist die Hygiene als besonderes 
Lehrfach aufzunehmen und ist die Anstellung von Schulärzten 
als Lehrer dieses Faches anzustreben. 

Die Behandlung der Kinder ist in keiner Stadt Deutschlands 
Sache des Schularztes. Bermbach (Cöln). 

Bauer, Schulgesundheitspflege. (Der Arzt als Erzieher, Heft 19. 
München 1905.) 

In gemeinverständlicher Darstellung werden der Nutzen, die 
Notwendigkeit, die Entwicklung und die Aufgaben der Schul¬ 
gesundheitspflege eingehend behandelt. Das Büchlein ist zwar in 
erster Linie für den Laien, namentlich den Lehrer, bestimmt, gibt 
aber auch dem Schularzt über manche wichtige Fragen Aufschluss 
und kann deshalb zur Anschaffung empfohlen werden. 

Bermbach (Cöln). 

Brandeis, Beiträge zur Erziehungshygiene. (Prag 1905, Verlag von 
M. Neugebauer.) 

Im ersten Teil behandelt Verf. die Ursachen und Bekämpfung 
der nervösen Erscheinungen unserer Schuljugend. 

Bei der vielfachen nervösen Belastung und Unterernährung 
der Schuljugend vermag die Schule leicht zur Nervosität des Kindes 
zu führen. Die Gleichmässigkeit der Anforderungen an Schwache 


Digitized by t^ooQle 



277 


und Starke, sei es im Unterricht, sei es in der häuslichen Arbeit, 
der Ehrgeiz des Kindes, die Überanstrengung mit Untei rieht in 
Musik, Sprachen usw. neben denjenigen der Schule mit den ex¬ 
tremen Anforderungen an das Gedächtnis, an Auge, Ohr, selbst 
körperliche Arbeit bei ungenügender Erholung und mangelhaftem 
Schlaf erzeugen vereinigt die Nervosität. Nur durch Zusammen¬ 
wirken der Eltern mit Lehrer und Schularzt werden sich alle Miss¬ 
stände beseitigen lassen. Zweckmässige Ernährung auch der ärm¬ 
sten Kinder, individualistische Erziehung des Körpers und Geistes, 
Beschränkung der Leistungen in der Schule und zu Hause, Weg¬ 
fall der Schlussexamina, genügende Pausen und Freiluftspiele sind 
die auch vom Verf. wieder empfohlenen Bekämpfungsmittel. Im 
zweiten Teil beschäftigt sich Verf. mit der Hygiene der Ernährung 
des Schulkindes. Siegert (Cöln). 

Meder, Das S&uglingskrankenhaus als wichtiger Faktor zur wirk¬ 
samen Bekämpfung der hohen Säuglingssterblichkeit. (Monats- 
schr. f. Ges.-Pflege 1905, Nr. 4.) 

Zusammenfassung der in letzter Zeit so vielfach betonten 
Gründe für die Errichtung von Säuglingsspitälern mit spezieller 
Berücksichtigung der Verhältnisse in Wien resp. in Österreich. 
Am Schluss Beschreibung und Abbildung der Planskizze eines 
solchen für 200 Säuglinge. Siegert (Cöln). 

Manchot, Die Milchküche der St. Gertrud-Gemeindepflege in Ham¬ 
burg. (Hamburg 1905. Verlag von C. Bovsen.) 

Dankenswerte Mitteilung der Geschichte, Einrichtung und 
Tätigkeit dieser Milchküche, die allen zur Lektüre empfohlen wer¬ 
den kann, welche, wie es doch so sehr not tut, soweit sie es ver¬ 
mögen, mit arbeiten wollen, dass endlich überall dem Säugling, 
welcher die Mutterbrust entbehren muss, eine einwandfreie Milch 
in rationeller Form verschafft wird. Dass dies Ziel von den Ge¬ 
meinden selbst durchaus keine zu hohen Beiträge verlangt, wird 
zahlenmiissig nachgewiesen. 

(Wann endlich werden alle Städteverwaltungen der unleug¬ 
baren Tatsache zustimmen, dass der Säugling des Unbemittelten 
ebensoviel Recht hat, vor schwerer Erkrankung und dem Massen¬ 
sterben infolge zersetzter, schlechter, in dem Euter der Kuh oder 
nach dem Melken gepanschter Milch geschützt zu werden, wie 
seine Eltern vor Typhus, Cholera usw. durch gesundes Trink¬ 
wasser und Vorschriften über Abortanlagen, Müllabfuhr usw.? An¬ 
merkung des Referenten.) Siegert (Cöln). 


Digitized by v^ooQle 



278 


Eberths, Ein Beitrag zur Bek&mpfung der Säuglingssterblichkeit. 

(Jahrb. f. Kinderheilk., 61. Bd.) 

Der Verf. zitiert zuerst die auch in diesem Centralblatt refe¬ 
rierte Arbeit Heimanns, wonach 22°/ 0 der Lebendgeborenen im 
ersten Jahre wieder wegsterben, ungerechnet diejenigen, die ge¬ 
schwächt aus dem ersten ins zweite Lebensjahr hinübergehen, um 
dann zu sterben. Als Grund dieser grossen Sterblichkeit wird auch 
von ihm die Verdauungsstörung angeführt, die durch unzweck¬ 
mässige Ernährung vielfach veranlasst ist. Eine praktische Be¬ 
lehrung der Mütter sei deshalb ein notwendiges Bestreben, um 
auch hier Verminderung der Sterblichkeit zu erzielen, denn auch 
heute besteht der vor 35 Jahren aufgestellte Satz der Pariser Aka¬ 
demie zu Recht: „Die Unwissenheit in den elementarsten Regeln 
der Ernährung der Säuglinge ist eine der Hauptursachen der so 
zahlreichen tötlichen Verdauungskrankheiten dieses Alters.“ E. hat 
zum Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung auch für Berlin 
bei 270 Müttern eine Rundfrage nach der Art und Weise der 
künstlichen Ernährung ihres Kindes gehalten. Er fand, dass bis 
zu 94,5 °/ 0 der Mütter Fehler in der Ernährung fortdauernd machen, 
der grösste Teil der Mütter machte mehrere Fehler. Z. B. be¬ 
reiteten 92 °/ 0 die Nahrung vor jeder Mahlzeit zu, sterilisierten also 
nicht für den ganzen Tag. 65 °/ 0 Hessen die Nahrung offen stehen, 
50 °/ 0 kühlten nicht ab. 86 °/ 0 gaben zu grosse Mengen Milch, 
78 % zu häufige Mahlzeiten usw. — Allerdings gibt das Material, 
das E. zu dieser Zusammenstellung benutzte, uns keinen einwand¬ 
freien Einblick in die Verbreitung der Unkenntnis über die Säug¬ 
lingsernährung, da ja seine Enquete sich nur auf die Erforschung 
der Ernährung kranker Kinder erstreckte. 

Gesunde Kinder werden ja gemeiniglich nicht zur Poliklinik 
gebracht, und von oberen und niederen Ständen wird ebenfalls 
die öffentliche Beratungsanstalt nicht benutzt. Man könnte also 
mit Recht einwenden, dass die nichtgefragten Kreise und die niederen 
Stände mit gesunden Säuglingen eine bessere und einwandfreiere 
Ernährungsmethode hätten. Das wird ja bis zu einem gewissen 
Grade auch der Fall sein, da ja in diesen Kreisen gemeiniglich 
auch die grössere Einsicht herrscht. Aber die alltägliche Erfahrung 
beweist wohl überall im allgemeinen die Richtigkeit der E.schen 
Behauptung, dass noch grössere und weitere Kreise von einer 
rationellen Ernährung des Säuglings weit entfernt sind. 

Ob eine Ernährung fehlerhaft sei, und als Grundlage für die 
später zu besprechende, den Müttern zur Aufklärung gegebene 
Vorschrift hat E. sich der Heubnerschen Vorschrift an der Königl. 
Charitö als Grundlage bedient. Auf Grund dieser stellt er eine Er¬ 
nährungsbreite fest, d. h. den zwischen dem Minimal- und Maximal’ 


Digitized by v^ooQle 



279 


bedarf des jeweiligen Kindes liegenden Raum. Was er darunter 
versteht, sei am besten an einem Beispiel erklärt, das er selbst 
-anführt. 

Ein 17 wöchentliches Kind von 4200 g Körpergewicht bekommt 
von der Mutter 750 g Milch täglich. Nach der erwähnten Heubner- 
schen Tabelle müsste es aber 6300 g wiegen und bekäme dann 
630 g Milch, das würde den Maximalbedarf darstellen. Sein Ge¬ 
wicht ist aber das eines 5—6 wöchentlichen Kindes, nämlich 4200 g 
und dieses hat nur 350 g Milch nötig (= Minimalbedarf). Zwischen 
diesen beiden Grenzen liege die Ernährungsbreite des erwähnten 
Kindes. Das Kind wurde also überernährt. — Wenn das gefundene 
Gewicht und das Gewicht eines normal entwickelten Säuglings 
gleichen Alters nur um 600 g differierten, so nahm E. die Grenze der 
erlaubten Nahrung bei einer diesen Gewichten entsprechenden 
Nahrung an. Betrug die Differenz aber mehr als 600 g, so nahm 
er die obere Grenze bei der dem gefundenen Gewicht +600 g 
entsprechenden an. Diese etw r as komplizierte Basis empfiehlt er als 
Grundlage für Sammelforschungen, die einer Zentralstelle eingereicht 
werden sollen (Biederts Versuchsanstalt für Kinderernährung?!). 
Er hat sein Material auf dieser Basis gesammelt und darin auch 
die mangelhafteste Kenntnis der gewöhnlichsten Ernährungsmaximen 
gefunden und empfiehlt deshalb seine „Vorschläge zur Bekämpfung 
der Säuglingssterblichkeit“, auf deren Besonderheit ich nunmehr 
eingehe. 

In erster Linie stellt auch er die bekannte Forderung des 
Selbstnährens der Mütter auf, worauf Behörden, Ärzte und Vereine 
energisch hinarbeiten müssten. — Sodann geht er auf die künst¬ 
liche Ernährung ein und empfiehlt dafür eine Normalnahrung, die 
für die meisten Fälle genüge. Bei Störungen aber soll der Arzt 
befragt werden. Die Kenntnis dieser Dinge will E. durch öffent¬ 
liche Verteilung eines Merkbogens und zweier Flaschen erzielen. 
Die Verteilung dieser Gegenstände soll durch das Standesamt bei 
jeder Geburtsanzeige erfolgen. 

Der Merkbogen: */, Meter im Quadrat gross, zum Aufhängen 
eingerichtet, enthält in deutlicher Schrift die Grundsätze der Säug¬ 
lingsernährung, links die Vorschrift, rechts die Erklärung, warum 
das geschieht, z. B.: 

Vorschrift. Warum ? 

Gehe sofort zum Arzt, wenn Diesen Störungen liegt meist 
dein Kind erbricht, Durchfall eine unzweckmässige Ernährung 
hat, oder nicht zunimmt. zu Grunde. Durch rechtzeitige 

Regelung derselben und rasche 
ärztliche Hilfe wird dein Kind 
vor den schweren, oft tötlichen 


Digitized by 


Google 



280 


Magen- und Darmerkrankungen 
bewahrt bleiben. 

Es würde zu weit führen, diese im grossen und ganzen 
zweckmässige Vorschrift hier wörtlich anzugeben, nur Aussetzungen 
seien gestattet: Warum empfiehlt E. schon von dem zehnten Monat 
ab Breie von Kartoffeln, Apfelmus, Spinat, gelben Hüben, Blumen¬ 
kohl, — Dinge, die leider die Mütter vielfach zum Schaden der 
Kinder verabfolgen, die durchaus nicht etwa von allen Kindern, ja 
nicht einmal von der Mehrzahl in diesem Alter in einer in Betracht 
kommenden Menge vertragen werden, sondern die völlig unaus- 
genutzt in manchen Stühlen wieder erscheinen? Warum lässt E. 
die Nahrung nur drei Minuten kochen, wo doch die von ihm ge¬ 
gebene Begründung vielfach bestritten und nicht überall gesichert 
ist? Warum empfiehlt E. nicht die Abkochung in Einzelflaschen 
ä la Soxleth? Der Teurungsgrund, den er angibt, ist nicht stich¬ 
haltig, denn für etwa 80 Pfg. sind Fläschchen und Korkverschluss 
käuflich. Messen kann man auch in jedem einfachen Mess-Cylinder 
oder Fläschchen. — Strittige Fragen soll man nicht in eine all¬ 
gemeine populäre Vorschrift bringen! 

Dieser Vorschrift ist eine Ernährungstabelle für das erste 
Lebensjahr angehängt. Nur ist dieselbe für die einfache Frau im 
Volke zu kompliziert, so kompliziert, dass sie es vorziehen dürfte, 
nicht danach zu handeln. Z. B.: 

2. Tag 3. Tag cbc 2—3 Wochen 
Mische Milch (Gramm) .... 40 120 

Mit Zusatz (Gramm) .... 80 240 

Dazu Zucker (gestrich. Kaffeelöffel) l x / 8 4 1 /* 

Grösse der Mahlzeit (Gramm) .15 45 

Zahl der Mahlzeiten. 8 8 

Erste Mahlzeit früh.5V 2 5 l / 2 

Letzte Mahlzeit abends .... 11 11 

Pause zwischen den Mahzeiten 

(Stunden).2 l / 2 2 1 /* 

u. s. w. bis zur 52. Woche. 

Mit dieser Tabelle beseitigt E. vor allem die Gefahr einer 
falschen Ernährung nicht; denn trotz seiner einleitenden Bemer¬ 
kungen über die Wichtigkeit des Körpergewichtes als Grundlage 
für die Bestimmung der Nahrungsmenge, nimmt er doch wieder 
das Alter als Grundlage, während er doch selbst die Zahlen liefert, 
dass es doch ein grosser Unterschied ist, ob ein Kind von 17 
Wochen mit 6300 Gramm oder 4200 Gramm ernährt wird. 

E. hat offenbar auch die Empfindung gehabt, dass seine Ta¬ 
belle zu kompliziert ist und er hat deshalb einen Apparat kon¬ 
struiert, den ein einfaches Kind von 12—14 Jahren hantieren und 


Digitized by v^ooQle 




m 


an ihm die Nahrung des Kindes leicht bestimmen könne. Der¬ 
selbe besteht aus einem Kochtopf, einer Kochflasche, in der die 
Nahrung gemischt wird, um dann in obigem Kochtopf gekocht zu 
werden und als Hauptsache endlich, aus einem auseinanderlegbaren 
Mantel, in den, wenn zusammengelegt, die Flasche passt. Der Mantel 
besitzt 12 Längsschlitze durch den man in die Flasche hineinsehen 
kann, am Rande des Schlitzes sind Marken für Milch und Zusatz¬ 
flüssigkeiten, Notizen über Zuckerzusatz angebracht. Ein abnehm¬ 
barer Teil dient für Abänderungen in der Kostvorschrift durch 
den Arzt. Durch Merkbogen und diesen Apparat, von Standes¬ 
ämtern verbreitet, glaubt E. die künstliche Säuglingsernährung ver¬ 
nünftig und einheitlich gestalten zu können und damit die Sterb¬ 
lichkeit zu mindern. — Ob diese Annahme berechtigt ist, möchte 
ich bezweifeln. Eine einfache Mutter wird sich schwerlich in diesem 
Zahlengewirre zurecht finden, wenn sie keine andere Anweisung 
hat. Und wenn das der Fall ist, wird sie das unbequeme Ding, bei 
dem man sich so leicht in den Strichen irrt, beiseite lassen. Da 
wäre es weit bequemer, die Vorschrift direkt auf die Flasche auf¬ 
zuätzen, wie bei dem von Escherich angegebenen Apparat, der ja 
auch von anderer Seite vereinfacht ist. Dagegen sind andere Dinge 
nicht angegeben, z. B. eine zweckmässige Beschaffung der Milch, 
eine einfache, vom Laien ausführbare Prüfung der Milch au fihre 
Tauglichkeit und dergl. Vor allem aber ist es bedauerlich, dass 
die Vorschriften über die natürliche Ernährung nicht einen brei¬ 
teren Raum einnehmen, dass Vorschriften fehlen, wie die Mutter 
sich bei ev. Stillfehlern zu verhalten habe, wie die Mutter die Milch- 
Sekretion steigern könne, dass die Mutter weiter stillen darf, wenn 
die Menstruation eintritt, und bei welchen Krankheiten sie nicht 
stillen darf. Über all diese Dinge wird kein Wort verloren, wäh¬ 
rend wir doch wissen, dass selbst unter erschwerenden Umständen 
es möglich ist, das Stillgeschäft der Mutter wenigstens teilweise 
aufrecht zu erhalten. Selter (Solingen). 

Wesener, Die Resultate der prophylaktischen Impfung mit Diph¬ 
therieheilserum im st&dtischen Mariahilf-Krankenhaus zu Aachen 

(Münch, med. Wochenschr. 1905, Nr. 12.) 

Bei den Verhandlungen des internationalen Kongresses für 
Hygiene und Demographie in Brüssel hatte sich unter allgemeiner 
Übereinstimmung in der Debatte über die Prophylaxe der Diphtherie 
ergeben, dass die prophylaktischen Impfungen mit dem Diphtherie¬ 
heilserum in 2—3 °/ 0 der geimpften Fälle nicht verhinderten, dass 
die Krankheit zum Ausbruch kam. Der Schutz der Impfungen 
erstreckte sich auf eine Zeit von 3—4 Wochen, war jedoch bei 
gleichzeitigem Bestehen von Masern noch kürzer. Nachdem in 

19 


Digitized by 


Google 



Nachprüfung dieser Resultate im Mariahilfkrankenhause seit dem 
Jahre 1901 prophylaktisch mit Diphtherieserum zu spritzen be¬ 
gonnen war, führten eingeschleppte Fälle auf den betreffenden 
Sälen keine weiteren Erkrankungen mehr herbei, was früher ge¬ 
legentlich (2 mal) yorgekommen war. Ferner konnte bei zweifel¬ 
haften Fällen yon Angina ohne weiteres die Verlegung auf die 
Diphtheriestation geschehen, da die prophylaktische Injektion die 
Kinder vor Infektion auf der Abteilung schützte. Schliesslich 
wurden die Geschwister von 18 Diphtheriekranken mit prophylak¬ 
tischen Impfungen behandelt; nur in einem Falle blieb der Erfolg 
aus. Als die Impfungen zeitweise unterbleiben mussten, folgten 
wieder häufige Erkrankungen der Geschwister. Bei späterer Wieder¬ 
aufnahme der Geschwisterschutzimpfungen kamen zwar unter 146 Ge¬ 
impften vier leichte Erkrankungen vor, davon jedoch zwei am 
Tage nach der Impfung, eine am zweiten Tage und nur eine 
später (am zehnten Tage). Verfasser schliesst, dass die prophy¬ 
laktische Impfung zwar kein absolutes, aber doch ein recht sicheres 
Vorbeugungsmittel gegen Diphtherie ist, das gestattet, die Isolierung 
weniger streng durchzuführen. Der Verlauf der Erkrankung bei 
den Schutzgeimpften ist meist ein sehr leichter. 200 I-Einheiten 
genügten zur Schutzimpfung. Es empfiehlt sich jedoch, höher zu 
gehen und 300—400 I-E. zur prophylaktischen Impfung zu ver¬ 
wenden. Verfasser weist zahlenmässig nach, dass für die städti¬ 
schen Behörden die prophylaktische Impfung sowohl vom peku¬ 
niären wie vom hygienischen Standpunkt vorteilhaft ist. 

Dreyer (Cöln). 

Roepke u. Hubs, Untersuchungen über die Möglichkeit der Über¬ 
tragung von Krankheitserregern durch den gemeinsamen Abend¬ 
mahlskelch nebst Bemerkungen über die Wahrscheinlichkeit 
solcher Übertragung und Vorschlägen zu ihrer Vermeidung. 

(Deutsche med. Wochenschr. 1905, Nr. 3 u. 4.) 

Die Frage der Übertragung ansteckender Krankheiten durch 
den gemeinsamen Abendmahlskelch, welche seit etwa Jahresfrist 
die Öffentlichkeit beschäftigt und bereits zu einer Rückäusserung 
des Präsidenten des Kaiserlichen Gesundheitsamtes geführt hat, 
wurde von den Verfassern experimentell zu lösen versucht. Eine 
Anzahl Kranker der Eisenbahnheilstätte Stadtwald in Melsungen 
tranken nacheinander unter Drehung des zuvor sterilisierten und 
mit sterilem Rotwein gefüllten Kelches aus letzterem. Mit sterilen 
Gazebäuschen wurden darauf die zurückfliessenden Rotweinreste 
aufgefangen, ebenso die einzelnen Lippenabdrücke aufgetupft, und 
das so gewonnene Material wurde in die Bauchhöhle von Meer¬ 
schweinchen oder Kaninchen verimpft. In einer zweiten Versuchs- 


Digitized by t^ooQle 



283 


reihe wurden die Kelchränder nach einer Empfehlung des Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamtes mit einem sterilen Gläsertuch abgerieben, 
darauf wurde erst mit Gazetupfern leicht nachgewischt, und nun 
wurden letztere in die Bauchhöhle dieser Tiere gebracht. Beide 
erkrankten an Tuberkulose. Das Abreiben des Kelchrandes mit 
reinen Tüchern schützt also keineswegs gegen Übertragungen von 
infektiösen Keimen. In einer dritten Versuchsreihe wurde das 
Material vom oberen äusseren, in einer vierten vom oberen inneren 
Kelchrand entnommen. Sämtliche Tiere erkrankten an Tuberkulose. 
Dabei blieb es gleichgültig, ob die Tupfer direkt in die Bauch¬ 
höhle der Versuchstiere gebracht wurden oder erst in Bouillon 
getaucht und ausgepresst waren oder ob die Bouillon intraperito¬ 
neal verimpft wurde. Im letzteren Fall wurden allerdings infolge 
der Anreicherung des Materials die Tuberkuloseformen schwerer 
und allgemeiner. Die ganzen vier Untersuchungsreihen wurden an 
11 Meerschweinchen ausgeführt. Darunter erkrankten 8. Gelegent¬ 
lich der dritten Untersuchungsreihe wurde auch der Wein auf dem 
Boden des Kelches untersucht. Er enthielt ausser Staphylokokken, 
Streptokokken, Pneumoniekokken und Diphtheriebazillen auch ver¬ 
einzelte Tuberkelbazillen, welche jedoch im Tierexperiment, wohl 
infolge des 14 Tage langen Aufenthaltes im Rotwein, keine Er¬ 
scheinungen mehr hervorriefen. 

Ist auch der Einwand, dass der Prozentsatz der Möglichkeiten 
von Übertragung der Tuberkulose durch den Abendmahlskelch ein 
viel geringerer ist als in den Versuchen der Heilstätte, so ist doch 
auch die Übertragung anderer Krankheitskeime unter gewöhnlichen 
Verhältnissen um so näher liegend, als die Mundreinigung der 
Stadt- wie der Landbevölkerung durchschnittlich weit hinter der 
in der Heilstätte geübten zurücksteht. Die Übertragungsmöglich¬ 
keit aller dieser Keime durch den Abendmahlskelch ist aber um so 
grösser, als die Tonsillen besondere Schlupfwinkel für alle Krank¬ 
heitserreger bilden und als die Abendmahlsfeier meist bei nüch¬ 
ternem Magen stattfindet. Ist doch schon ganz allgemein die Über¬ 
tragung von Krankheiten durch Trinkgefässe mehrfach festgestellt. 
Die Verfasser bringen als Beleg hierfür wieder zwei Kranken¬ 
geschichten aus Jacobis Klinik in Freiburg, in denen die Über¬ 
tragung von Syphilis auf diesem Wege feststand. Auch ist darauf 
hinzuweisen, dass der Regierungsbezirk Aurich, welcher fast aus¬ 
schliesslich evangelische Bevölkerung hat, die grösste Tuberkulose¬ 
mortalität aufweist und dass das orthodox protestantische Minden- 
Ravensberger Land auffallend hohe Tuberkulosesterblichkeitsziffern 
gegenüber anderen ländlichen Bezirken Westfalens hat. 

Verf. empfehlen die möglichste Anschaffung von Einzelkelchen, 
die besonders an Badeplätzen, in Sommerfrischen für Lungenkranke, 


Digitized by 


Google 



284 


in Krankenhäusern, Lungenheilstätten und Heilstätten für Geschlechts¬ 
kranke eine dringende Notwendigkeit sind. Lässt sich ihre Ein¬ 
führung sonst nicht überall erzielen, so ist das Auskochen des 
Kelches durch eine Minute in 50° heisser 2 °/ 0 Sodalösung mit 
darauf folgender Abwaschung in fliessendera Wasser zu empfehlen. 

Dreyer (Cöln). 


Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neuen 

Bücher etc. 

Adam, Dr. Georg, Der gegenwärtige Stand der Abwässer frage dargcstellt 
für die Industrie. Braunschweig 1905. Fr. Vieweg & Sohn. Preis 
3 Mk. 

Ascher, Dr. Louis, Der Einfluss des Rauches auf die Atmungsorgane. 
Stuttgart 1905. Ferd. Enke. Preis 1,60 Mk. 

Baier, Dr., und Dr. Bongert, Untersuchungen über die Wirkungsweise 
der Nassluftkühlung und der Trockenluftkühlung. Berlin 1905. Richard 
Schoetz. 

Baier, Dr., Dr. Bongert u. Stetefeld, Untersuchungen über die hy¬ 
gienische Bedeutung der Kühlanlagen mit offener Salzwasserkühlung. 
München 1905. R. Oldenbourg. 

Bcerwald, Dr. K , u. G. Brauer, Das Turnen im Hause. Leibesübungen 
zur Förderung und Erhaltung der Gesundheit für Jung und Alt. 
3. Aufl. München, R. Oldenbourg. Preis 2,80 Mk. 

Bettmann, Prof. Dr. S., Die ärztliche Überwachung der Prostituierten. 
Jena 1905. Gustav Fischer. Preis 7 Mk. 

Bloch, Dr. J., Die Bereicherung der internen Tripperbehandluug durch 
das Gonosan. Berlin 1905. Louis Marcus. 

Flatau, Dr. G., Über einen neuen Gymnastikapparat und seine Ver¬ 
wendbarkeit bei Behandlung von Nervenleiden. Berlin 1905. Urban 
& Schwarzenberg. 

Forel, Prof. Dr. Aug., Die sexuelle Frage. München 1905. Ernst Rein¬ 
hardt. Preis 8 Mk. 

Förster, Dr. Anton, Kritische Besprechung der Ansichten über die Ent¬ 
stehung von Doppelbildungen. Würzburg 1905. A. Stübers Verlag. 
Preis 1,50 Mk. 

Funaoka, Dr. E., Über die Zuckungsform verschiedener Froschmuskeln. 
Würzburg 1905. A. Stübers Verlag. Preis 80 Pfg. 

Goldscheider, Prof. Dr., Hygiene des Herzens. München 1905. R. Olden¬ 
bourg. Preis 30 Pfg. 

Goldschmidt-Geisa, Die Flora des Rhöngebirges. IV. Würzburg 1905. 
A. Stübers Verlag. Preis 1 Mk. 

Grotjahn, Dr. A., u. Dr. F. Kriegel, Jahresbericht über die Fortschritte 
und Leistungen auf dem Gebiete der sozialen Hygiene und Demo¬ 
graphie. IV. Bd. Jena 1905. Gustav Fischer. Preis 11 Mk. 

Grünbaum, Dr. D., Vergleichende Untersuchungen über die molekulare 
Konzentration des mütterlichen und fötalen Blutes und des Frucht¬ 
wassers. Würzburg 1904. A. Stübers Verlag. Preis 4 Mk. 


Digitized by 


Google 



285 


Hermanides, Dr. S. R., Bekämpfung* der ansteckenden Geschlechts¬ 
krankheiten als Volksseuche. Jena 1905. Gustav Fischer. Preis 4 Mk. 
Hofmann, Dr. F. E., Meteorologische Verhältnisse und medizinische Sta¬ 
tistik für die Jahre 1903 und 1904. Würzburg 1905. A. Stübers Verlag. 
Preis 2,50 Mk. 

Kanngiesser, Dr. Friedr., Über Alter und Dickenwachstum von Würz¬ 
burger Wellenkalkpflanzen. Würzburg 1905. A. Stübers Verlag. Preis 

I, 20 Mk. 

Kraus, Gregor, Anemometrisches vom Krainberg bei Gambach und 
Schlussworte zu Fehrs „Tempe“, Würzburg 1905. A. Stübers Verlag. 
Preis 2 Mk. 

Kuhn, Dr. F., Die Verhütung und operationslose Behandlung des Galleu¬ 
steinleidens. 3. Aufl. München 1905. Verlag der Ärztlichen Rundschau 
(Otto Gmelin). Preis 1,60 Mk. 

Lavaux, M., Über die Anästhesierung der Nieren und oberen Harnwege. 
Leipzig 1905. W. Malende. 

Leidner, Dr. med., Zur Impffrage. Nutzen und Segen des Impfzwanges. 

Naunhof-Leipzig, Schäfer & Schönfelder. 

Programm der Internationalen Abteilung für öffentliche allgemeine Ge¬ 
sundheits-Einrichtungen, Hygiene und sanitäre Hülfe bei Transporten. 
Ausstellung in Mailand 1906. 

Marcinowski, Dr. J., Im Kampf um gesunde Nerven. 2. Aufl. Berlin 
1905. Otto Salle. Preis 2 Mk. 

-Nervosität und Weltanschauung. Berlin 1905. Otto Salle. Preis 

3 Mk. 

Marcuse, Dr. J., Zur Behandlung der Gonorrhoe. Leipzig, W. Malende. 
Mensinga, Dr., Vom Sichinachtnehmen. Studien aus 45jähriger Praxis 
für Ärzte, besonders Frauenärzte. Neuwied 1905. Heusers Verlag. 
Preis 2 Mk. 

Moritz, Dr. E., Über Lebensprognosen. 2. Aufl. St. Petersburg 1905. 
K. Ricker. 

Mutterschutz. Zeitschrift zur Reform der sexuellen Ethik. Frankfurt 
a. M., J. D. Sauerländer. Heft 1. Preis 60 Pfg. 

Neumann, Dr. W., Weiteres über die Wichtelzopfkrankheit. Leipzig 
1905. B. Konegers Verlag. 

Pflüger, Prof. Dr. E. F. W., Das Glykogen und seine Beziehungen zur 
Zuckerkrankheit. 2. Aufl. Bonn 1905. Martin Hager. Preis 10 Mk. 
Rindfleisch, Prof. Dr. E. v., Scirrhus ventriculi Diffusus. Würzburg 1905. 
A. Stübers Verlag. Preis 1 Mk. 

Schmalfuss, Dr. G., Stellung und Aufgaben des Ammenuntersuchungs¬ 
arztes. Jena 1905. Gustav Fischer. Preis 1,20 Mk. 

Schule, H., Über die Frage des Heiratens von früher Geisteskranken. 

II. (Geisteskrankheit und Ehe.) Berlin 1905. Georg Reimer. Preis 
1,20 Mk. 

Schultze, Osk., Weiteres zur Entwickelung der peripheren Nerven mit 
Berücksichtigung der Regenerationsfrage nach Nervenverletzungen. 
Würzburg 1905. A. Stübers Verlag. Preis 1,80 Mk. 
Sitzungsberichte der physikalisch-medizinischen Gesellschaft zu Würz¬ 
burg 1904. Nr. 1—10. 

Trousseau, Dr. A., La Fondation ophthalmologique Adolphe de Roth¬ 
schild. Paris 1905. 

Weygandt, Dr. W., Weitere Beträge zur Lehre vom Kretinismus. Würz¬ 
burg 1904. A. Stübers Verlag. Preis 3 Mk. 


Digitized by 


Google 



286 


Wassermann, Prof. Dr. A., Die Bedeutung der Bakterien für die Ge¬ 
sundheitspflege. München 1905. R. Oldenbourg. Preis 30 Pfg. 
Weber, Dr. Ernst, Ursachen und Folgen der Rechtshändigkeit. Halle a. S. 
Carl Marhold. Preis 1,50 Mk. 

NB. Die für die Leser des „Centralblattes für allgemeine Gesundheits¬ 
pflege“ interessanten Bücher werden seitens der Redaktion zur Besprechung 
an die Herren Mitarbeiter versandt und Referate darüber, soweit der be 
schränkte Raum dieser Zeitschrift es gestattet, zum Abdruck gebracht. Eine 
Verpflichtung zur Besprechung oder Rücksendung nicht besprochener Werke 
wird in keinem Falle übernommen; es muss in Fällen, wo aus besonderen 
Gründen keine Besprechung erfolgt, die Aufnahme des ausführlichen Titels, 
Angabe des Umfanges, Verlegers und Preises an dieser Stelle den Herren 
Einsendern genügen. Die Verlagshandlung. 

Soeben erschien im Verlage von Martin Hager in Bonn: 

Über 

den Einfluss des Seeklimas und der Seebäder 

auf den Stoffwechsel des Menschen. 

Von Prof. Dr. A. Loewy u. Privatdozent Dr. F. Müller, 

Berlin. Berlin. 

27 Seiten. Mit 2 Textfiguren. Preis Mk. 1.—. 

Arbeiten 

anf dem Gebiete der chemischen Physiologie 

herausgegeben von Dr. med. Franz Taugl, 

o. ö. Professor der physiolog. Chemie und Direktor des physiolog.-chem. Instituts 
an der Universität Budapest. 

I. Heft. 1903. gr. 8°. 160 S. Preis Mk. 7.40. 

II. „ 1904. gr. 8°. 192 S. Preis Mk. 9.—. 

Heft III erscheint im Herbst 1905. 

Die Erregung, Hemmung und Narkose 

von N. E. Wedensky, Prof. d. Physiol. in St. Petersburg. 

Mit 33 Textfiguren. 1904. gr. 4°. 152 S. Preis Mk. 6.—. 

Der Alkohol als Nahrnngsstoff. 

Nach einem Vortrag in der VIII. Jahresversammlung des Verbandes 
abstinenter Ärzte des deutschen Sprachgebietes auf der 75. Ver¬ 
sammlung Deutscher Naturforscher u. Arzte in Kassel am 25.Sept. 1903 

von Prof. Dr. Rud. Rosemann. 

1904. gr. 8°. 22 S. Preis Mk. —.80. 


Digitized by Csoooie 





Das preussische Gesetz, betr. die Bekämpfung 
übertragbarer Krankheiten. 

Von 

Landesrat Schmedding (M(lnster), 

Mitglied des Hauses der Abgeordneten. 


Nach langen Beratungen und Kämpfen, die wiederholt im Sande 
zu verlaufen drohten, ist endlich das in der Überschrift genannte 
Gesetz im preussischen Landtage am 30. Juni d. J. zur An¬ 
nahme gelangt. Bei seiner grossen Bedeutung, die es nicht nur 
für ärztliche Kreise, sondern auch für das ganze Volkswohl besitzt, 
dürfte es angezeigt sein, dasselbe hier einer kurzen Erörterung zu 
unterziehen. Mit Rücksicht auf die Berufsstellung des Verfassers, der, 
nebenbei bemerkt, im Abgeordnetenhause das Amt des Berichterstatters 
über das Gesetz wahrzunehmen hatte, wird es erklärlich erscheinen, 
wenn — wie vorweg hervorgehoben sein mag — weniger die me¬ 
dizinische als die verwaltungsrechtliche und volkswirtschaftliche 
Seite des Gesetzes hier in den Vordergrund tritt. 

Dasselbe charakterisiert sich in erster Linie als ein landesrecht¬ 
liches Ausführungsgesetz zum Reichsgesetz, betr. die Bekämpfung 
gemeingefährlicher Krankheiten vom 30. Juni 1900 (R.-G.-Bl. 
S. 306 ff.), gewöhnlich kurz Reichsseuchengesetz genannt, und gibt 
diesem nach verschiedener Richtung hin erst die Möglichkeit der 
Durchführung. In zweiter Linie geht es aber auch über den Rahmen 
des Reichsgesetzes vielfach hinaus. 

Das Reichsgesetz hat sich bekanntlich nur „mit der Bekämpfung 
der Volksseuchen im engeren Sinne und zwar der wichtigsten pan 
demischen Krankheiten — Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, 
Pest und Pocken — befasst und sich in bezug auf die anderen 
übertragbaren Krankheiten auf einige wenige Bestimmungen von all¬ 
gemeiner Bedeutung beschränkt (vgl. die §§ 5 Abs. 2, 35 Abs. 2, 
38, 39 Abs. 3), die eigentliche Bekämpfung dieser Krankheiten da¬ 
gegen, insbesondere die Anordnung der Abwehr- und Unterdrückungs¬ 
massnahmen, der landesgesetzlichen Regelung Vorbehalten (vgl. § 48 
und Begründung zu dem § 46 des Entwurfs des Reichsgesetzes, 

Centralblatt f. all#. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 20 


Digitized by CsOOQle 



288 


S. 50. 51 der Drucksache Nr. 690, Reichstag 10. Legislaturperiode 
I. Session 1898/1900). 

Ferner hat das Reicbsgesetz auch für die Bekämpfung 
der gemeingefährlichen Krankheiten eine Reihe von Ausführungs¬ 
bestimmungen den Landesgesetzen tiberlassen. 

Hierdurch erwuchs der Landesgesetzgebung eine doppelte Auf¬ 
gabe: einmal, die der landesgesetzlichen Regelung vorbehaltenen 
Ausführungsbestimmungen zur Bekämpfung der gemeingefährlichen 
Krankheiten zu erlassen, — soweit nach dem Stande der schon be¬ 
stehenden preussischen Gesetzgebung ein Bedürfnis hierzu vorlag und 
die erforderlichen Massnahmen nicht im Verwaltungswege getroffen 
werden können — und zweitens, die für die Bekämpfung der gemein¬ 
gefährlichen Krankheiten reichsgesetzlich getroffenen Massnahmen, 
soweit nach Lage der Verhältnisse angezeigt, auch auf die nicht 
gemeingefährlichen (übertragbaren) Krankheiten auszudehnen. 

In ersterer Beziehung kommt, abgesehen von den in den §§ 5 
Abs. 1. 16, 35 Abs. 3, 37 Abs. 2 des Reichsgesetzes enthaltenen 
Vorschriften, inbesondere die Regelung der in den §§ 34 und 37 
daselbst vorbehaltenen Kosten- und Entschädigungsfrage in Betracht. 

Die gesetzliche Regelung der Bekämpfung auch der ander¬ 
weitigen übertragbaren Krankheiten w T ar für Preussen um so dringender 
geboten, als die zur Zeit für die älteren Provinzen der Monarchie 
noch gültigen, mit Gesetzkraft ausgestatteten Allerhöchst bestätigten 
sanitätspolizeilichen Vorschriften (Regulativ) bei ansteckenden Krank¬ 
heiten vom '8. August 1835 (Gesetzsamml. S. 240) — nicht er¬ 
schöpfend und für die heutigen Verhältnisse auch zum Teil ver¬ 
altet sind. In den neuen Provinzen ist die Ordnung der Materie 
im wesenllichen auf Grund des allgemeinen Polizeiverordnungsrechts 
erfolgt, ein Zustand, welcher schon mit Rücksicht auf die bei dieser 
Regelung unvermeidbare Verschiedenheit der Behandlung und wegen 
des Mangels bestimmter die Zuständigkeit des polizeilichen Ein¬ 
schreitens im Einzelfalle begrenzender gesetzlicher Normen ebenfalls 
als ein befriedigender nicht wird erachtet werden können.“ (Siehe 
Begründung zum Gesetzentwurf; Drucks, des H. der Abg. Nr. 25 
von 1904.) 

Für Altpreussen kam der Übelstand hinzu, dass die höchst- 
instanzlichen Gerichte „auf Grund der Annahme, dass das Regulativ 
die Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten erschöpfend geregelt 
habe und habe regeln wollen, eine Ergänzung seiner Bestimmungen 
im Wege des Polizeiverordnungsrechts für unzulässig erklärt haben.“ 
(Begr. des Ges. S. 15.) 

So wurde denn die Neuordnung der Materie und die Ersetzung 
des Regulativs durch eine dem heutigen Stande der medizinischen 
Wissenschaft entsprechende Seuchenordnung als unabweisliches Be- 


Digitized by 


Google 



289 


dürfnis immer mehr und mehr empfunden. Nachdem in bezug auf 
die gemeingef4hrlichen Krankheiten diesem Bedürfnis bereits durch 
das Reichsseuchengesetz Rechnung getragen worden war, wird nun¬ 
mehr auch bei einer grossen Reihe anderer übertragbarer Krank¬ 
heiten durch das in der Überschrift genannte Gesetz dasselbe Re¬ 
sultat erreicht. 

Das preussische Gesetz trifft hauptsächlich Bestimmung: 

1. über die Krankheiten, welche angezeigt werden müssen; 

2. über die anzeigepflichtigen Personen; 

3. über die Feststellung der übertragbaren Krankheiten; 

4. über die Schutzmassregeln zur Verhütung der Verbreitung 
der übertragbaren Krankheiten; 

5. über das Verfahren und die zuständigen Behörden; 

6. über die Entschädigungen, welche an die von den Schutz¬ 
massregeln betroffenen Personen zu zahlen sind und über das Ver¬ 
fahren zur Feststellung der Entschädigungen; 

7. über die Träger der aus der Durchführung des Gesetzes 
erwachsenen Kosten; 

8. über Strafvorschriften; 

9. über Aufhebung anderer mit dem Gesetze kollidierender 
älterer Gesetze und den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes. 

Zu 1. Die Krankheiten, auf welche nach dem Preussischen 
Gesetze die Anzeigepflicht sich erstreckt, sind ausser den im § 1 
des Reichsgesetzes aufgeführten sechs gemeingefährlichen Krank¬ 
heiten: nämlich Aussatz (Lepra), Cholera (asiatische), Fleckfieber 
{Flecktyphus), Gelbfieber, Pest (orientalische Beulenpest), Pocken 
(Blattern) noch folgende: 

Diphtherie (Rachenbräune), 

Genickstarre, übertragbare, 

Kindbettfieber (Wochenbett-, Puerperalfieber), 
Körnerkrankheit (Granulöse, Trachom), 

Rückfallfieber (Febris recurrenz), 

Ruhr, übertragbare (Dysenterie), 

Scharlach (Scharlachfieber), 

Typhus (Unterleibstyphus), 

Milzbrand, 

Rotz, 

Tollwut (Lyssa), sowie Bissverletzungen durch tolle oder 
der Tollwut verdächtige Tiere, 

Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung, 

Trichinose. 

Alle diese Krankheiten zusammen — also einschliesslich der gemein¬ 
gefährlichen des Reichsgesetzes — werden im preussischen Ge¬ 
setze unter dem Gesamtnamen „übertragbare Krankheiten“ ver- 


Digitized by 


Google 



290 


standen. Ob diese Zusammenfassung eine glückliche ist, kann füg¬ 
licherweise in Zweifel gezogen werden. Immerhin liess sich auf diese 
Weise der Vorteil erreichen, dass im Gesetze die schwerfällige Über¬ 
schrift des Entwurfs: „Ausführungsgesetz zu dem Reichsgesetze, 
betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, vom 
30. Juni 1900“ vermieden wurde. Entnommen ist übrigens der 
Sammelnamen dem § 35 des Reichsgesetzes, nach welchem die Ge¬ 
meinden zur Herstellung von Trink- und Wirtschaftswasserleitungen 
zum Schutze nicht nur gegen gemeingefährliche, sondern ganz all¬ 
gemein gegen „übertragbare Krankheiten“ angehalten werden 
können. Zu den übertragbaren Krankheiten im medizinischen Sinne 
gehören bekanntlich u. a. auch Masern, Wurmkrankheit, Syphilis, 
Röteln, Malaria, Keuchhusten und Influenza. Der Gesetzgeber hat 
davon abgesehen, auch auf diese Krankheiten die Anzeigepflicht zu 
erstrecken. Ein Teil derselben war bisher nach dem Regulativ vom 
8. August 1835, das sich auch noch auf Krätze, Weichselzopf, bös¬ 
artigen Kopfgrind, Krebs und Gicht bezog, anzeigepflichtig. Mit dem In¬ 
krafttreten des neuen Gesetzes hören die diesbezüglichen Verpflicbtuugs- 
bestimmungen auf. Die Beschränkung auf die oben genannten, fortan 
anzeigepflichtigen Krankheiten ist vom Gesetzgeber in den Motiven 
des Gesetzes (Drucks, des Abg.-Hauses Nr. 25. S. 27) eingehend 
begründet worden und man wird dieser Begründung, auf die hier 
nur kurz verwiesen werden kann, seine Anerkennung nicht versagen 
können. Um so mehr aber muss es bedauert werden, dass ln dem 
preussischen Gesetze abweichend vom ursprünglichen Entwürfe — ab¬ 
gesehen von der sogleich besonders zu erwähnenden Tuberkulose — 
überall nur die wirklichen Erkrankungs- und Todesfälle der Anzeige¬ 
pflicht unterworfen sind, während doch eine wirksame und recht¬ 
zeitige Bekämpfung der Seuchen, mindestens bei Kindbettfieber, 
Rückfallfieber, Typhus und Rotz es nötig gemacht hätte, hier auch 
schon den Verdacht dieser Krankheiten einzubeziehen. Zutreffend 
hatte hierüber die Begründung des Gesetzentwurfes (Drucks. 25 
a. a. 0. S. 32) bemerkt: 

„Wie schon früher ausgeführt ist, erzeugt der Typhus, bei uns 
fast jedes Jahr mehr oder weniger heftige Epidemien, welche der 
Gesundheit und dem Vermögen der Bevölkerung schwere Schädigungen 
zuftigen. Bei der genaueren Erforschung dieser Epidemien hat sich 
nachweisen lassen, dass sie ihren Anfang fast stets von leichten 
Typhusanfällen genommen haben, welche den Behörden unbekannt 
geblieben waren, da sie wegen ihrer Leichtigkeit nicht als Typhus 
erkannt bezw. überhaupt nicht angezeigt worden sind. Es gibt eine 
beträchtliche Anzahl von Typhusfällen, die so leicht verlaufen, dass 
die Kranken sich zwar matt und unpässlich fühlen, wohl etwas über 
Kopfschmerz, Frösteln, Mangel an Appetit und leichten Durchfall 


Digitized by 


Google 



291 


klagen, im übrigen aber fast während der ganzen Dauer der Krankheit 
ausser Bett bleiben und vielfach auch nicht behindert sind, ihrer 
gewohnten Beschäftigung nachzugehen. Diese sogenannten „am¬ 
bulanten“ Typhen begünstigten die Verbreitung der Seuche in viel 
höherem Grade, als die schweren Erkrankungen. Die Leichtkranken, 
sogenannte „Bazillenträger“, welche frei umhergehen, aber auch wie 
Schwerkranke, wenn auch nicht in gleichem Masse, an Durchfällen 
leiden, können die in den Stuhlentleerungen und dem Harn enthaltenen 
Typhusbazillen und damit die Gefahr der Ansteckung viel leichter 
verbreiten, als Kranke, welche, an das Bett gefesselt, nur mit wenigen 
Menschen in Berührung kommen. Einschleppungen von Typhus aus 
dem Auslande und von Ort zu Ort kommen meistens gerade durch 
solche ambulanten Typhuskranken zustande, ganz in derselben Weise, 
wie es bei der Cholera der Fall zu sein pflegt. 

Aber nicht nur solche leichten Fälle entziehen sich der Kenntnis 
der Behörden, sondern nicht selten werden auch ausgesprochene 
Typhusfälle gar nicht oder erst nach mehrwöchiger Dauer zur Anzeige 
gebracht. Das hat vorwiegend seinen Grund darin, dass die für die 
Typhuserkrankung charakteristischen Erscheinungen nicht gleich im 
Anfänge deutlich erkennbar hervortreten, dass sie allmählich und suk¬ 
zessiv sich entwickeln und einige von ihnen in manchen Fällen über¬ 
haupt nicht zur Beobachtung gelangen. Vorsichtige Ärzte pflegen eine 
Erkrankung erst dann als Typhus zu erklären, wenn sie alle Symptome 
der Krankheit beobachtet haben, bis dahin aber, zur Vermeidung einer 
Beunruhigung des Kranken durch eine vorschnelle Typhusdiagnose, 
von „gastrischem Fieber“ zu sprechen oder der Krankheit gar keinen 
Namen zu geben. Dies wäre unbedenklich, wenn sie die Krankheit 
trotzdem als Typhus behandelten und von vornherein durch Absonderung 
des Kranken und Desinfektion seiner Wäsche und Ausleerungen 
einer Weiterverbreitung der Krankheit entgegentreten würden. Dies 
wird jedoch meistens unterlassen. 

Die vorstehenden Erwägungen enthalten eine ausreichende Recht¬ 
fertigung für die Einführung der Anzeigepflicht auch für solche Er¬ 
krankungen, welche nur den Verdacht des Typhus erwecken. Die 
Anzeige versetzt die Behörden in die Lage, mit Hülfe der beamteten 
Ärzte sofort die erforderlichen Massregeln anzuordnen und dadurch 
manche Epidemie zu verhüten, welche bei der gegenwärtigen Lage 
der Verhältnisse unvermeidlich ist. 

Eine noch grössere Bedeutung hat die Anzeigepflicht für ver¬ 
dächtige Fälle von Rotz, weil diese Krankheit besonders bösartig 
und ansteckend und ihre sichere Erkennung mit den grössten 
Schwierigkeiten verbunden ist, so dass bei dem langwierigen Ver¬ 
lauf der Erkrankung schon vor ihrer sicheren Feststellung zahlreiche 
Übertragungen stattfinden können. 


Digitized by 


Google 



292 


Das Rückfallfieber ist mit Hülfe des Mikroskops leicht zu 
diagnostizieren, ohne dieses aber erst erkennbar, wenn der erste 
Anfall der Krankheit vorüber und ein zweiter erfolgt ist, was einen 
Zeitraum von 8—14 Tagen erfordern kann. Wird nicht auch der 
Verdacht der Krankheit anzeigepflichtig gemacht, so entzieht sich 
der Fall der Kenntnis der Behörden, oder diese erfahren erst zu 
einem Zeitpunkte davon, nachdem schon vielleicht zahlreiche Über¬ 
tragungen der Krankheit stattgefunden haben. Bei der Meldung 
auch des Krankheitsverdachts dagegen ist der beamtete Arzt in der 
Lage, durch unverzügliche Vornahme einer mikroskopischen Unter¬ 
suchung des Blutes die Krankheit rechtzeitig als solche festzustellen 
und die erforderlichen Schutzmassregeln in die Wege zu leiten. 

Der Umstand, dass auch das Kindbettfieber in der ersten Zeit 
der Erkrankung als solches häufig schwer erkennbar ist, lässt es 
als geboten erscheinen, auch Erkrankungen, welche den Verdacht 
dieser Krankheit erwecken, anzeigepflichtig zu machen, um recht¬ 
zeitig die Handhabe zu einer sicheren und wirksamen Bekämpfung 
dieser für die gebärenden Frauen verhängnisvollen Krankheit zu 
gewinnen.“ 

Überzeugt von der Richtigkeit und Wichtigkeit dieser Gründe 
hat denn auch das Haus der Abgeordneten, dem Gesetzentwürfe 
folgend, die genannten Verdachtsfälle in die Anzeigepflicht ein¬ 
beziehen wollen und den bezüglichen Bestimmungen seine Zustimmung 
erteilt. (Stenogr. Bericht d. H. d. A. für 1905, S. 12642 ff.) Leider 
hat das Herrenhaus einen anderen Standpunkt eingenommen und 
die Anzeigepflicht bei Verdachtsfällen gänzlich gestrichen (Stenogr. 
Bericht des Herrenhauses, S. 931 ff.) und zwar hauptsächlich deshalb, 
weil sich zu wenig übersehen lasse, zu welcher Zeit der Verdacht 
erkannt werden kann; es würden deshalb voraussichtlich ängstliche 
Ärzte, um nicht strafbar zu werden, manche Fälle zur Anzeige 
bringen, von denen sich hinterher ergebe, dass sie mit den vom 
Gesetze betroffenen Krankheiten nichts gemein hätten. Um aber 
die Ärzte und das ganze Publikum vor solchen ausserordentlich 
lästigen Verhältnissen zu schützen, sei es wünschenswert, die Ver¬ 
dachtsfälle im Gesetze nicht zu berücksichtigen. 

Im Hinblick auf die grossen Verheerungen, die auch jetzt noch 
insbesondere Typhus und Kindbettfieber alljährlich im deutschen 
Vaterlande anrichten — so sind z. B. im Jahre 1902 noch 28460 
Typhusfälle, davon fast 3000 mit tödlichem Erfolge, vorgekommen 
— dürfte es nicht als eine Verbesserung des Gesetzes angesehen 
werden, wenn das Herrenhaus jenen Standpunkt eingenommen hat 
Nachdem dies aber einmal geschehen war, handelte es sich schliess¬ 
lich für das Haus der Abgeordneten um die Frage, ob es das Ge¬ 
setz in der Fassung des Herrenhauses annehmeu oder das ganze 


Digitized by 


Google 



293 


Gesetz fallen lassen wollte. Den ersteren Weg hat das Abgeordneten¬ 
haus eingeschlageu und hiermit die Möglichkeit der Verabschiedung 
des lang ersehnten Gesetzes geboten. Die Verdachtsfälle sind hier¬ 
mit aus dem preussischen Gesetze beseitigt, während nach dem 
Reichsgesetze jeder Fall, welcher den Verdacht einer der sechs ge¬ 
meingefährlichen Krankheiten erweckt, nach wie vor angezeigt 
werden muss. 

Was die vorhin schon genannte Tuberkulose anbelangt, so 
sollte nach dem Entwürfe des preuss. Gesetzes (§ 1 Abs. 3) nicht 
nur jeder Todesfall an Lungen- und Kehlkopf tuberkulöse, 
sondern auch der Wohnungswechsel einer an vorgeschrittener Lungen- 
und Kehlkopftuberkulose erkrankten Person angezeigt werden. Es 
war u. E. hiermit das Mindestmass dessen gefordert, was zur Be¬ 
kämpfung des bekanntermassen ausserordentlich stark verbreiteten 
Würgengels des Volkes unbedingt erforderlich ist; denn darüber kann 
ein Zweifel nicht bestehen, dass gerade das Beziehen der durch 
Tuberkulose verseuchten Wohnungen für die Gesundheit der Be¬ 
wohner die grössten Gefahren mit sich bringt. Obwohl in der Ver¬ 
sammlung des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 
zu Dresden im Sept. 1903, ferner in der internationalen Tuberku¬ 
losenkonferenz in Kopenhagen im Mai 1904 einstimmig der Beschluss 
gefasst worden ist, dass für alle Todesfälle und alle vorgeschrittenen 
Erkrankungen an Lungen- und Kehlkopftuberkulose die Anzeige- 
pflicht unentbehrlich sei, obwohl endlich schon in Norwegen, Italien 
und Österreich die Anzeigepflicht eingeführt worden ist, auch ver¬ 
schiedene deutsche Staaten und preussische Bezirke dieselbe schon 
kannten, hat dennoch das Abgeordnetenhaus es lediglich bei der 
Pflicht zur Anzeige von Todesfällen bewenden lassen, und das Herren¬ 
haus ist ihm hierin beigetreten. Massgebend war in erster Linie 
die Rücksicht auf die an Tuberkulose Erkrankten, von denen der 
Landtag annahm, dass sie es sehr lästig empfinden müssten, ge- 
wissermasseu unter Polizeiaufsicht zu stehen und dass ihnen b:i 
strenger Durchführung der Anzeigepflicht Schwierigkeiten in Ge¬ 
winnung neuer Wohnungen begegnen würden. Es lässt sich gewiss 
nicht in Abrede stellen, dass dieser Gesichtspunkt Einiges für sich 
haben mag; indessen wichtiger will uns doch scheinen, dass die 
vielen Millionen, die jetzt noch gesund sind, vor Ansteckung ge¬ 
schützt werden. Aus diesem Grunde ist es lebhaft zu beklagen, dass, 
wenn die Anzeigepflicht der Krankheitsfälle selbst nicht zur Ein¬ 
führung gelangen konnte, dann doch nicht wenigstens der Wohnungs¬ 
wechsel angezeigt werden muss. Hoffentlich gelingt es in absehbarer 
Zeit, wenn einmal das neue Gesetz sich eingelebt hat und seine 
wohltätigen Wirkungen von der breiten Masse des Volkes anerkannt 
worden sind, jenen Mangel zu beseitigen und der Kgl. Staatsregierung 


Digitized by 


Google 



294 


die Handhabe zu bieten, um der Tuberkulose, der innerhalb der 
preussischen Staaten in den Jahren 1890 bis 1896 durchschnittlich 
jährlich 74 050 Personen — d. h. 236,6 von je 100 000 der am 

1. Januar Lebenden — zum Opfer fielen, in wirksamer Weise und 
rechtzeitig entgegentreten zu können. 

Zu 2. Während, wie aus Vorstehendem sich ergibt, die ob¬ 
jektive Anzeigepflicht Gegenstand langwieriger Erörterungen im 
Landtage war, haben die Bestimmungen des Entwurfs über die sub¬ 
jektive Anzeigepflicht zu grösseren Bemängelungen nicht geführt. 
Sie ist genau so wie im Reichsgesetze (§ 2) auch im preuss. Ausf.- 
Gesetze dahin geregelt, dass zur Anzeige verpflichtet sind: 

1. der zugezogene Arzt, 

2. der Haushaltungsvorstand, 

3. jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten 
„beschäftigte“ Person, 

4. derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Er- 
krankungs- oder Todesfall sich ereignet hat, 

5. der Leiclienbeschauer. 

Für Krankheits- und Todesfälle, welche sich in öffentlichen 
Kranken-, Entbinduugs-, Pflege-, Gefangenen- und ähnlichen Anstalten 
ereignen, ist der Vorsteher der Anstalt oder die von der zuständigen 
Stelle damit beauftragte Person ausschliesslich zur Erstattung der 
Anzeige verpflichtet. 

Auf Schiffen oder Flössen gilt als der zur Erstattung der An¬ 
zeige verpflichtete Haushaltungsvorstand der Schiffer oder Floss- 
führer oder deren Stellvertreter. 

Die Verpflichtung der unter Nr. 2 bis 5 genannten Personen 
tritt nur dann ein, wenn ein früher genannter Verpflichteter nicht 
vorhanden ist. 

Nach dem Gesetzentwürfe sollten die unter 1 und 3 bezeich- 
neten Personen in jedem Falle, in welchen sie von Unteroffizieren 
und Mannschaften des aktiven Heeres zur Behandlung von Syphilis, 
Tripper oder Schanker zugezogen werden, dies dem Kommando des 
betreffenden Truppenteils oder dem bei demselben angestellten Ober- 
Militärarzte unverzüglich anzeigen. 

Der diesbezügliche Vorschlag des Entwurfes wurde jedoch vom 
Abgeordnetenhause in der III. Lesung verworfen und zwar haupt¬ 
sächlich aus folgender Erwägung: „Vor allem hielt man es für be¬ 
denklich, das Prinzip der Verschwiegenheitspflicht des Arztes, welche 
sogar den gewerbsmässigen Prostituierten gegenüber gewahrt werden 
soll, ausschliesslich gegenüber den Soldaten niederer Chargen zu 
durchbrechen. Hierzu liege um so weniger Veranlassung vor, als 
ja die Kranken durch Inanspruchnahme des Zivilarztes die Absicht 
bekundeten, sich überhaupt behandeln zu lassen, andererseits gerade 


Digitized by 


Google 



295 


aus naheliegenden Gründen den Zivilarzt aufsuchen, auf dessen Ver¬ 
schwiegenheit sie bauen. 

Die bezügliche Bestimmung des Entwurfes habe schon 
jetzt grosse Unzufriedenheit in ärztlic'hen Kreisen her¬ 
vorgerufen und es sei zu befürchten, dass bei Aufrechterhaltung der 
Bestimmung ein Teil der Ärzte es nach wie vor für ihre Gewissens¬ 
pflicht halten würde, die sie konsultierenden geschlechtskranken 
Soldaten, selbst auf die Gefahr hin, in Strafe genommen zu werden, 
nicht anzuzeigen, während ein anderer Teil die Behandlung ablehnen 
werde, um einem Konflikt zwischen der Arztpflicht und der durch 
die vorliegende Bestimmung geschaffenen Pflicht vorzubeugen. Die 
Folge werde sein, dass die Bestimmung ohne Wirkung bleiben werde, 
wie ja auch eine ähnliche im Regulativ vom 8. August 1835 ent¬ 
haltene Vorschrift, obwohl sie später höheren Ortes zur Nachachtuug 
eingeschärft worden, ohne Erfolg geblieben sei. Ausserdem wurde 
geltend gemacht, dass die qu. Bestimmung — welche einen un¬ 
schönen Gegensatz zwischen Militär- und Zivilpersonen 
und den Ärzten eine überaus lästige Gewissenspflicht schaffe — doch 
offenbar nur den Zweck habe, die an einer Geschlechtskrankheit 
leidenden Soldaten zwangsweise in das Militärlazarett zu bringen. 
Hierdurch werde aber besonders für die Einjährig-Freiwilligen eine 
grosse Härte begründet, da sie im allgemeinen lieber von Zivilärzten 
und ausserhalb des Militärlazaretts sich behandeln Hessen. 

Überdies müsse angenommen werden, dass viele Soldaten bei 
Aufrechterhaltung der qu. Vorschrift auch einen Zivilarzt nicht auf¬ 
suchen würden, weil sie Furcht vor der Offenbarung ihrer Krank¬ 
heit haben werden. (Vergl. Bericht der Kommission des Abg.- 
Hauses, Drucks. Nr. 555 S. 3 — 4.) Obwohl ein Vertreter des 
Kriegsministeriums der Streichung energisch widersprach, ist es da¬ 
bei geblieben. 

Zu 3. In den Bestimmungen über Ermittelung der Krank¬ 
heit lehnt sich das preuss. Ausf.-Ges. (§§ 6 — 7) eng an das Reichs¬ 
seuchengesetz an, dessen Bestimmungen im allgemeinen auch bei den 
übertragbaren Krankheiten des preuss. Gesetzes für anwendbar er¬ 
klärt werden. Nach dem Reichsgesetze muss die Polizeibehörde, 
sobald sie von dem Ausbruch oder dem Verdachte des Auftretens 
einer gemeingefährlichen Krankheit Kenntnis erhält, den zuständigen 
beamteten Arzt benachrichtigen. Letzterer erhält hiermit die Pflicht, 
Ermittlungen über den Ort, den Stand und die Ursache der Krankheit 
anzustellen. „Er soll aber nicht genötigt sein, auf die polizeiliche 
Nachricht in allen Fällen zu warten; geht ihm anderweit eine Nach¬ 
richt zu, nach welcher das Auftreten eines bedrohlichen Krankheits¬ 
falles weitere Kreise der Bevölkerung als gefährdet erscheinen lässt, 
so soll er der Not der Lage gerecht werden können und ohne polizei- 


Digitized by 


Google 



296 


liehe Benachrichtigung die Feststellung vornehmen dürfen.“ (Begr. 
zum Reichsges. S. 23.) 

Von diesen Vorschriften weicht das preuss. Ges. hauptsächlich 
in folgenden drei Punkten ab: 

a) Nach dem Reichsgesetz tritt- die Ermittelungspflicht schon 
ein, sobald der Verdacht des Auftretens einer gemeingefährlichen 
Krankheit vorliegt; anders nach preussischem Gesetz. Abge sehen 
von Kindbettfieber und Typhus ordnet dasselbe die Ermittelungen 
nur an bei Erkrankungen und Todesfällen. Der Gesetzentwurf wollte 
weiter gehen und wenigstens noch bei Auftreten des Verdachts von 
Rückfallfieber und Rotz Ermittelungen eintreten lassen. Diese Aus¬ 
dehnung hat aber im preuss. Herrenhause keine Gnade gefunden. 
So sehr man dies vom sanitären Standpunkte aus wird beklagen 
müssen, so muss man sich doch andererseits freuen, dass wenigstens 
bei Kindbettfieber und Typhus die Verdachtsfälle zur Begründung 
der Ermittlungspflicht gerettet worden sind. Eins lässt sich dabei 
freilich nicht leugnen: Es ist damit eine gewisse Inkonsequenz mit 
dem § 1 des Ges. begründet worden. Denn anzeigepflichtig ist 
Verdacht bei Typhus und Kindbettfieber nicht; trotzdem tritt Er¬ 
mittlungspflicht ein, sobald die Polizei von irgend einer Seite Kenntnis 
von dem aufgetauchten Verdacht erhält. 

b) Nach dem Reichsgesetze sind die Ermittelungsmassnahmen 
ganz in die Hände des beamteten Arztes gelegt, „weil hierdurch 
deren rasche und gleichmässige Erledigung gewährleistet wird“. 
(Begr. a. a. 0.) Das preuss. Gesetz weicht hiervon ab bei Diphtherie, 
Körnerkrankheit und Scharlach, indem hierbei die Feststellung durch 
jeden Arzt genügen soll und auch von solcher Feststellung noch ab¬ 
gesehen werden kann, wenn die Anzeige über den Ausbruch der 
Krankheit von eiuem Arzte erstattet worden ist. Die Abweichung 
von der Regel ist in der Begründung des Gesetzentwurfes (S. 38) 
mit dem Hinweise begründet, dass Dyphtherie, Scharlach und Körner¬ 
krankheit „wegen ihrer verhältnismässig leichten Erkennbarkeit die 
Mitwirkung des beamteten Arztes im allgemeinen entbehrlich“ mache 
und dass dringende Veranlassung vorliege, „die ohnehin starke Be¬ 
lastung der beamteten Ärzte durch Dienstgeschäfte nicht über da9 
unvermeidliche Mass hinaus weiter zu steigern“. 

Ein Versuch der vom Abgeordnetenhause zur Vorberatung des 
Gesetzes eingesetzten Kommission, bei jenen drei Krankheiten die 
Ermittelungen durch den beamteten Arzt wenigstens in den Fällen 
vorzuschreiben, in welchen die Krankheit nicht von einem Arzt an¬ 
gezeigt worden ist, scheiterte an dem Widerstande der Kgl. Staats¬ 
regierung. Diese berief sich dabei auf einen Beschluss der preuss. 
Ärztekammer aus dem Jahre 1903, worin darum petitioniert worden 
sei, „man möge den Ärzten doch nicht ein solches Misstrauensvotum 


Digitized by 


Google 



297 


geben, zu erklären, dass die Feststellung dieser Krankheiten durch 
den beamteten Arzt erforderlich sei.“ (S. Bericht der Kommission 
des Abg.-Hauses Drucksache Nr. 207 S. 10.) Eine andere Ansicht 
vertrat z. B. Rapmund in Heft 24 der Zeitschrift für Medizinal¬ 
kunde für 1904, der u. E. in zutreffender Weise erklärte, wie folgt: 

„Ebenso ist leider im § 6, Abs. 3 die Bestimmung stehen ge¬ 
blieben, dass die Ortspolizeibehörde „bei Diphtherie, Körnerkrank¬ 
heit und Scharlach die ersten Fälle feststellen zu lassen hat, aller¬ 
dings nur dann, wenn sie nicht von einem Arzte angezeigt sind. 
Wir stehen in dieser Hinsicht nach wie vor auf dem Standpunkt, 
dass die Feststellung ansteckender Krankheiten stets eine amts¬ 
ärztliche sein muss, und andere Arzte zu solchen Tätigkeiten 
nicht ohne Not heranzuziehen sind. Die Ansicht, dass die Kreis¬ 
ärzte ausserstande seien, den an sie in dieser Beziehung zu 
stellenden Anforderungen nachzukommen, ist unzutreffend, denn 
derartige Ermittelungen werden infolge der einschränkenden Fassung 
des § 6, Abs. 3 gar nicht so häufig notwendig sein, als vielfach 
angenommen wird, jedenfalls bei weitem nicht so häufig als bei den 
Viehseuchen, bei denen durch das Gesetz in allen ersten Fällen 
ohne jede Einschränkung die Feststellung durch den beamteten Tier¬ 
arzt vorgeschrieben ist, während die Ermittelung bei Scharlach, Diph¬ 
therie und Körnerkrankheit überhaupt nur bei den nicht von Ärzten 
angezeigten ersten Erkrankungsfällen erforderlich sein soll. Wenn 
ausserdem die Kommission den § 25 des Gesetzentwurfes dahin ab¬ 
geändert hat, dass auch bei diesen Feststellungen der Staat die 
Kosten tragen soll, dann ist es doch nur konsequent, dass diese 
Tätigkeit auch den Amtsärzten übertragen wird. § 6, Abs. 3 
sollte deshalb dahin abgeändert werden, „dass auch bei den ersten 
Fällen von Diphtherie, Scharlach und Körnerkrankheit eine amtsärzt¬ 
liche Feststellung stattzufinden hat, soweit diese nicht von einem 
Arzte angezeigt sind.“ 

Prof. Löffler dagegen billigt in Nr. 49 der deutschen medi¬ 
zinischen Wochenschrift für 1904 den entgegengesetzten Stand¬ 
punkt. Nachdem dieser einmal Aufnahme in das Gesetzbuch ge¬ 
funden hat, dürfte es überflüssig sein, noch in eine nähere Prüfung 
der Lage hier einzutreten. 

c) Bei Vornahme der zur Feststellung der Krankheit erforder¬ 
lichen Massnahmen ist der beamtete Arzt durch das preussische Ge¬ 
setz nicht so frei gestellt wie im Reichsgesetze. Nach letzterem 
ist ihm, soweit er es zur Feststellung der Krankheit für erforder¬ 
lich und ohne Schädigung des Kranken für zulässig hält, der Zu¬ 
tritt zum Kranken oder zur Leiche und die Vornahme der zu den 
Ermittelungen über die Krankheit erforderlichen Untersuchungen 
unbedingt zu gestatten. Weder der behandelnde Arzt, noch auch 


Digitized by 


Google 



298 — 


der Haushaltungsvorstand können ihm verwehren, das zu tun, was 
er für erforderlich hält. Der beamtete Arzt allein hat also das 
Entscheidungsrecht. Anders nach preussischem Rechte. Hier ist 
ihm der Zutritt zum Kranken untersagt, wenn der behandelnde Arzt 
erklärt, dass von dem Zutritt eine Gefährdung der Gesundheit oder 
des Lebens des Kranken zu befürchten ist. Noch mehr ist er ein¬ 
geschränkt bei Kindbettfieber oder Verdacht desselben, indem hier¬ 
bei der Zutritt zur Kranken nur mit Zustimmung des Haushaltungs¬ 
vorstandes gestattet ist. Nach preussischem Rechte unterliegt hier¬ 
mit schliesslich der beamtete Arzt dem Befinden des behandelnden 
Arztes bezw. des Haushaltungsvorstandes; u. E. sehr zum Schaden 
der Volkswohlfahrt. Wenn auch anzunehmen ist, dass die beamteten 
Ärzte sich ein kollegiales gutes Verhältnis zu den übrigen Ärzten 
ihres Kreises angelegen sein lassen, auch auf uneinsichtige und 
weigerliche Haushaltungsvorstände mit Nachdruck einzuwirken ver¬ 
stehen werden, so ist es doch immerhin denkbar, dass Privatärzte 
oder Haushaltungsvorstände in unnötiger oder unbegründeter Weise 
dem Zutritt zum Kranken Widerstand entgegensetzen und hierdurch 
die Feststellung der Krankheit und in weiterer Folge die Bekämpfung 
einer übertragbaren Krankheit erschweren oder gar verhindern wer¬ 
den. Zur Vermeidung solcher Übelstände wäre es gewiss besser 
gewesen, wenn der preussische Landtag sich dazu hätte verstehen 
können, von den Bestimmungen des Reichsgesetzes im preuss. Ausf.- 
Gesetze nicht abzuweichen. Leider ist das doch geschehen; hoffen 
wir, dass die vollendete Tatsache in Wirklichkeit nicht die traurigen 
Folgen haben wird, die sie zweifellos haben kann! 

4. Die Massregeln, welche das preussische Gesetz gegenüber 
den übertragbaren Krankheiten vorschlägt, „sind zwar im all¬ 
gemeinen dieselben, welche das Reichsgesetz zur Bekämpfung der 
gemeingefährlichen Krankheiten für zulässig erklärt. Um jedoch 
voreiligen, unnötigen und zu weit gehenden Massregeln vorzubeugen, 
ist in dem §8 des „Entwurfes“ jetzt (Gesetzes) eine Spezialisierung 
dahin gegeben, dass „die Massnahmen, welche bei jeder einzelnen 
der hier in Betracht kommenden übertragbaren Krankheiten an¬ 
geordnet werden können, genau und bestimmt bezeichnet sind“ 
(Begr. des Entwurfs S. 39), also mit der Massgabe, dass im Einzel¬ 
falle die für die betreffende Krankheit als zulässig bezeichnete 
Massnahme nicht angewendet werden muss, sondern nur an¬ 
gewendet werden darf. Bezüglich der Einzelheiten kann auch 
hier nur auf § 8 des Gesetzes verwiesen werden. Von besonderem 
Interesse dürfte sein, dass das Gesetz insofern eine nicht unwesent¬ 
liche Änderung des ursprünglichen Entwurfes gebracht hat, als es 
bei Diphtherie und Scharlach den Eltern nicht mehr das absolute 
Recht beilegt, die Überführung ihrer Kinder in ein Krankenhaus 


Digitized by 


Google 



299 


oder in einen anderen geeigneten Unterknnftsraum durch ihren 
blossen Widerspruch zu verhindern. Der Widerspruch soll vielmehr 
nur dann noch berücksichtigt werden müssen, wenn nach der An¬ 
sicht des beamteten Arztes oder des behandelnden Arztes eine aus¬ 
reichende Absonderung in der Wohnung sicher gestellt ist. Diese 
Änderung verdient mit Recht voll gebilligt zu werden. „Wie über¬ 
aus häufig kommt es noch vor, dass in Ein-Zimmer-Wohnungen 
ganze Familien hausen. Wie soll es da möglich sein, die weitere 
Ausbreitung der Krankheit zu verhindern, wenn nicht die Infektions¬ 
quelle beseitigt, das erkrankte Individuum herausgenommen wird? 
In der Regel wird ja in solchen Fällen gegen die Entfernung eines 
erkrankten Kindes aus der Behausung und gegen die Überführung 
in ein Krankenhaus seitens der Eltern ein Einspruch nicht erhoben 
werden. Aber es liegt doch die Möglichkeit vor, dass trotz der 
trostlosesten Wohnungsverhältnisse und trotz der grössten Misere 
die Eltern ihr krankes Kind bei sich behalten wollen. Bliebe ihnen 
ein t Einspruchsrecht gegen die Herausnahme gesetzlich gewahrt, so 
würde in manchen Fällen die ganze Bekämpfung illusorisch gemacht 
werden. Das geht aber im allgemeinen Interesse nicht an.“ (Löffler: 
Der Entwurf des Ausführungsgesetzes usw. in Nr. 49 der Deutschen 
Medizinischen Wochenschrift für 1904). Dass übrigens bei der Ent¬ 
scheidung über die Zugkraft des Widerspruchs der Eltern dem 
Urteile des behandelnden Arztes gerade so viel Gewicht 
beigelegt wird, wie dem von der Privatpraxis unabhängigeren be 
amteten Arzte, dürfte freilich nicht ganz unbedenklich sein. Immerhin 
bringt die Fassung des Gesetzes einen so grossen Vorzug vor der 
des Entwurfes, dass man sich mit jener, wenn auch nicht ganz 
unbedenklichen Fassung des Gesetzes um so lieber wird abfinden, 
als man doch die Überzeugung haben darf, dass es einem einsichts¬ 
vollen und energischen beamteten Arzte gelingen wird, seine An¬ 
sicht auch bei dem Privatärzte zur Anerkennung zu bringen. 

Wenn in den Gesetzes Vorschriften über die Schutzmassregeln bei 
Rückfallfieber, Ruhr und Typhus das Verbot oder die Beschränkung 
der Ansammlung von grossen Menschenmengen erst für zulässig er¬ 
klärt sind, „sobald die Krankheit einen epidemischen Charakter an¬ 
genommen hat, so wird man darüber zweifelhaft sein können, ob 
diese Bestimmung nicht zu eng gefasst ist. In dieser Hinsicht heisst 
es wohl nicht mit Unrecht in dem bezüglichen Aufsatze des 
Dr. Rapmund in Heft 4 der Zeitschrift für Medizinalbeamte von 
1904: „Ganz abgesehen davon, dass nach der Fassung der Vorschrift 
die Annahme des Eintritts dieses Zeitpunktes sehr von dem sub¬ 
jektiven Ermessen der Behörden abhängt, wird vor allem ein ver¬ 
spätetes Verbot nicht mehr den erwarteten Erfolg haben; denn es 
soll eben das epidemische Auftreten der Krankheit verhindern und 


Digitized by 


Google 



300 


bat, in dieser Weise gebraucht, viel mehr Aussicht auf Erfolg, als 
wenn es erst in Kraft tritt, nachdem die Krankheit bereits zur 
Epidemie ausgewachsen ist. Dass kein Missbrauch mit jener Mass- 
regel getrieben wird, dafür genügt ein entsprechender Hinweis in 
den Ausführungsbestimmungen; eine gesetzliche Festlegung einer 
solchen beschränkenden Vorschrift kann aber vorkommendenfalls 
zur grössten Schädigung der öffentlichen Gesundheit führen, indem 
sich die Behörden mit Rücksicht auf jene Bestimmung scheuen, recht¬ 
zeitig eine solche den Verkehr allerdings einschränkende, aber zur 
Verhütung einer Epidemie unbedingt notwendige Anordnung zu treffen. u 

Diese gewiss beachtenswerte Kritik hat im Landtage keine 
Vertreter gefunden, offenbar aus dem Grunde, weil durch ent¬ 
sprechende Vorschläge die Feinde der ganzen Gesetzesvorlage, die 
denselben ohnehin ein zu scharfer Eingriff in die Freiheit des 
Volkes zu sein schien, nur noch vermehrt worden wären, während 
es für die Freunde darauf ankam, nicht durch neue Gesichtspunkte 
und Änderungsanträge die Verabschiedung zu erschweren. 

5. In den den vierten Abschnitt umfassenden §§12 und 13 des 
Gesetzes werden Vorschriften über das Verfahren und die Behörden 
gegeben und zwar werden geregelt die Fragen: 

a) welche Polizeibehörden zuständig sind zur Vornahme 
der im Gesetze den Behörden überwiesenen Obliegenheiten; 

b) welche Ärzte als beamtete Ärzte im Sinne des Ge¬ 
setzes gelten; 

c) in welcher Weise die Anordnungen der Polizei¬ 
behörden angefochten werden können. 

Die Regelung der beiden ersten Fragen ist im Gesetze in 
einfacher und klarer Weise erfolgt, so dass hier darüber hinweg¬ 
gegangen werden kann. In bezug auf die Anfechtung der polizei¬ 
lichen Anordnungen hatte der Gesetzentwurf den Vorschlag ge¬ 
bracht, dass gegen solche Anordnungen nur die Beschwerde im 
Aufsichtswege stattfinde, so dass nacheinander zur Entschei¬ 
dung berufen gewesen wären der Landrat, der Regierungspräsident 
bezw. Oberpräsident und der Minister der Medizinalangelegenbeiten 
(letzterer im Einvernehmen mit den sonst beteiligten Ministern). Die 
so vorgeschlagene Regelung des Instauzenzuges hätte den Vorteil ge¬ 
bracht, dass die angefochtene Anordnung nicht nur in bezug auf recht¬ 
liche Zulässigkei t,sondern auch in bezug auf rechtliche Zweckmässig¬ 
keit und Notwendigkeit einer Nachprüfung unterzogen werden konnte. 
Dessenungeachtet hat der Landtag es im Interesse grösseren Rechts¬ 
schutzes für richtiger gehalten, die Anordnungen der Polizeibehörden 
durch die im Landesverwaltungsgesetze zugelassenen Rechtsmittel 
anfechten zu lassen. Darnach gibt es nach näherer Massgabe der 
§§ 127 — 128 des Landes Verwaltungsgesetzes entweder die Be- 


Digitized by c^ooQle 



301 


schwerde mit nachfolgender Klage im Verwaltungsstreitverfahren 
oder von vornherein die Anfechtung im Klagewege. 

Die Königliche Staatsregierung hat anfänglich diese Ab¬ 
änderung energisch bekämpft, schliesslich aber, mehr der Not als 
dem eigenen Triebe gehorchend, nachgegeben und die Abänderung 
gebilligt. Ob dieselbe in der Tat eine Verbesserung des Gesetzes 
darstellt, glauben wir hier ununtersucht lassen zu dürfen, da diese 
Frage weniger die medizinischen, als vielmehr die juristischen und 
Verwaltungs-Kreise interessieren wird. 

6. Das Reichsgesetz hat in den §§ 28—33 gewissen Personen, 
denen aus der Durchführung einer Schutzmassregel Schäden er¬ 
wachsen, — nämlich aus der Beschränkung der Wahl des Auf¬ 
enthaltes oder der Arbeitstätte, aus der Absonderung, aus einer 
Desinfektion und aus der Vernichtung verseuchter Sachen, — einen 
gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung aus „öffentlichen 
Mitteln“ (§ 34) eingeräumt, indessen nicht weiter bestimmt, wie die 
Entschädigung ermittelt werden soll. Diese Lücken auszufüllen, 
sind die §§ 14—24 des preussischen Gesetzes bestimmt. Gleich¬ 
zeitig regelt letzteres dabei die Fragen, ob und inwieweit auch für 
diejenigen Schäden, welche in Durchführung der preussisch recht¬ 
lichen Bestimmungen bei den im preussischen Ausführ.-Gesetze 
hinzugekommenen Krankheiten entstehen, Entschädigung geleistet 
werden muss. Im allgemeinen geht es davon aus, dass jeder die 
Folgen der im Interesse der Allgemeinheit vorgenommenen polizei¬ 
lichen Massnahmen selbst tragen muss. Nur bei der ärmeren Be¬ 
völkerung ist bei Desinfektion und Vernichtung eine Ausnahme zu¬ 
gelassen, wenn der Geschädigte den Schaden ohne Beeinträchtigung 
des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts nicht zu 
tragen vermag. 

In der Kommission des Abgeordnetenhauses, welche mit der 
Vorberatung des Gesetzentwurfes befasst worden war, sind Versuche 
gemacht worden, weitergehende Ausnahmen zuzulassen; indessen 
ohne Erfolg. (Vgl. S. 23 ff. der Drucksach. Nr. 207 des Hauses 
der Abg.) Das Abgeordnetenhaus und nach ihm das Herrenhaus 
haben die Versuche nicht wiederholt und so sind im wesentlichen 
die Vorschläge der Regierungsvorlage zur Annahme gelangt. Das¬ 
selbe gilt von den sonstigen Bestimmungen über das Verfahren zur 
Ermittelung der Entschädigungen, die bei ihrer Einfachheit und 
ihrer Unwichtigkeit für ärztliche Kreise hier keine genügende Ver¬ 
anlassung zu einer näheren Erörterung bieten dürften. 

7. Im engsten Zusammenhang mit den Gesetzesvorschriften 
über die zu gewährenden Entschädigungen steht die Regelung der 
Frage, wer für die Kosten der Entschädigungen und für alle 
sonstigen aus Durchführung der Seuchengesetze entstehenden Kosten 


Digitized by 


Google 



302 


aufzukommen hat. Das Reicbsgesetz hat sich diese Frage leicht 
gemacht, indem es, wie bereits oben unter Nr. 6 erwähnt wurde, 
laut § 34 die Entschädigungen, wie auch gemäss § 37 die Kosten 
der behördlichen Ermittelungen, der Beobachtung in den Fällen des 
§12, der polizeilich angeordneten und überwachten Desinfektion 
und gewisser Vorsichtsmassregeln für Aufbewahrung, Einsargung, 
Beförderung und Bestattung von Leichen, „aus öffentlichen Mitteln“ 
zu bestreiten vorschreibt. Der näheren Bezeichnung dessen, der 
für die öffentlichen Mittel zu sorgen hat, hat sich das Reichsgesetz 
enthalten mit der Massgabe, dass es diese Regelung dem Landes¬ 
recht Vorbehalten hat (§ 37 Abs. 2). Es war hierbei offenbar die 
Erwartung massgebend, dass in den einzelnen Bundesstaaten zur 
näheren Feststellung des Kostenträgers neue Ausftthrungsgesetzc 
erlassen werden würden. Von diesem Standpunkt ging auch die 
preussische Staatsregierung aus, als sie den mehrfach erwähnten 
Gesetzentwurf dem Landtage vorlegte. Sie hatte darin folgende 
Vorschläge aufgestellt: 

Es sollten übernehmen: 

a) die Staatskasse die Kosten der landespolizeilichen Mass¬ 
nahmen und der amtsärztlichen Feststellung der gemeingefährlichen 
und derjenigen übertragbaren Krankheiten, auf welche die Be 
Stimmungen der §§ 6—10 des Reichsgesetzes für anwendbar erklärt 
sind (§§ 6 Abs. 1. 7 dieses Gesetzes), sowie die Kosten, welche 
durch die Beteiligung des beamteten Arztes bei der Anordnung, 
Leitung und Überwachung der Schutzmassregeln gegen diese 
Krankheiten entstehen; 

b) die übrigen Kosten, soweit sie überhaupt aus öffentlichen 
Mitteln gedeckt werden müssen, die Gemeinden mit der Mass 
gäbe, dass 

aa) denjenigen Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern, 
und einem Kommunalsteuer-Soll von wenigstens 150°/ 0 , denen aus 
der Bestreitung dieser Kosten das Koramunaldefizit um mindestens 
5°/ 0 vergrössert wird, der Mehrbetrag zu zwei Dritteilen vom Kreise 
— dem wiederum der Staat die Hälfte beizusteuern hat — er¬ 
stattet werden sollte (§ 26 des Entwurfes); 

bb) die Kreisverbände verpflichtet sein sollten, denjenigen 
Gemeinden, welche aus eigener Kraft nicht imstande wären, die 
ihnen auf erlegten neuen Einrichtungen zur Bekämpfung über¬ 
tragbarer Krankheiten zur Ausführung zu bringen, eine Beihilfe zu 
gewähren. 

Diese Vorschläge waren es in erster Linie, welche das Zu¬ 
standekommen des Gesetzes lange Zeit in Frage stellten und zu 
den langwierigsten Erörterungen sowohl in der zur Vorberatung des 
Gesetzes gewählten Kommission wie auch in den Plenarverhand- 


Digitized by v^.ooQle 



303 


langen des Abgeordneten- und des Herrenhauses Anlass geboten 
haben. Es standen sich dabei „zwei Anschauungen diametral 
gegenüber“. Die eine ging „davon aus, dass die im Entwürfe vor¬ 
geschriebenen Massnahmen iiu allgemeinen staatlichen Interesse aus¬ 
geführt werden. Deshalb müsse der Staat auch alle Kosten tragen. 
Nach der anderen von der Regierung, insonderheit von dem Herrn 
Finanzminister, vertretenen Anschauung ist bei den Massnahmen zu 
unterscheiden zwischen solchen, welche im allgemeinen staatlichen 
und solchen, welche im lokalen, kommunalen Interesse ausgeführt 
werden. Soweit das allgemeine staatliche Interesse in Frage steht, 
soll der Staat die Kosten tragen, wo aber die Massnahmen nur 
einem begrenzten Bezirke, einer Gemeinde zugute kämen, da müsse 
diese auch für die Kosten aufkommen, wie es bisher nach dem 
Regulativ von 1835 auch stets der Fall gewesen sei. Nun aber 
fürchteten die Vertreter einer grossen Partei, welche ihren Haupt¬ 
stützpunkt auf dem Lande hat, dass viele ländliche Gemeinden 
durch die ihnen aus dem Gesetz erwachsenden Kosten geradezu 
erdrückt werden würden. Vor allem aber glaubten sie, dass die 
Entscheidung, ob es sich im gegebenen Falle um allgemeine oder 
um lokale Interessen handle, welche die Durchführung gewisser 
Massnahmen erheischten, sehr schwer zu treffen sein werde, und 
dass die Neigung bestehen werde, staatlicherseits stets die Kosten 
vom Staate abzuwälzen und den Gemeinden aufzuerlegen (vgl. 
Loeffler in der Deutschen medizin. Wochenschrift a. a. 0. S. 8). 
Die letztere Ansicht gewann im Verlauf der Verhandlungen mehr 
und mehr Oberhand bei den Volksvertretern. Nach langwierigen 
Verhandlungen kam schliesslich zwischen den Parteien ein Kom¬ 
promiss zustande, das bis auf einen, unten noch näher zu be¬ 
zeichnenden Punkt, von den Vertretern der Königlichen Staats¬ 
regierung gebilligt wurde. Danach soll die Kostenfrage fortan 
folgendermassen gelöst werden: 

a) die Kosten der landespolizeilichen Massnahmen (soweit sie 
überhaupt aus öffentlichen Mitteln gedeckt werden müssen) hat 
nach wie vor der Staat zu übernehmen. Dahin gehören alle Mass¬ 
nahmen, „welche vornehmlich zu dem Zwecke getroffen werden, 
um die Einschleppung einer Seuche aus ausserpreussischen Ländern 
in das Inland oder deren Weiterverbreitung aus einer Gegend des 
Staatsgebietes in die andere zu verhindern, z. B. die Einrichtung 
und der Betrieb von Quarantäneanstalten in den preussischen See¬ 
häfen nebst der etwa nötigen Herstellung von Verbindungen der 
Quarantäneanstalten mit den Hafenämtern.“ (Begr. des Ges.-Ent¬ 
wurfs; Drucksache des Abg.-Hauses Nr. 25 für 1904 S. 53; dort 
auch weitere Beispiele.) 

b) die Kosten, welche durch die amtliche Beteiligung des 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 21 


Digitized by 


Google 



304 


beamteten Arztes bei der Ausführung des Reichsgesetzes, betreffend 
die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, sowie bei der Aus¬ 
führung des preuss. Ausf.-Gesetzes entstehen, fallen ebenfalls der 
Staatskasse zur Last. Das gleiche ist der Fall, wenn es sich um 
die ärztliche Feststellung von Scharlach, Körnerkrankheit und Diph¬ 
therie handelt (§ 6 Abs. 4). 

Diese Bestimmung geht erheblich weiter wie die des Entwurfes, 
wie sich hauptsächlich darin zeigt, dass jetzt die Staatskasse auch 
bei Scharlach, Körnerkrankheit und Diphtherie die Kosten der ärzt¬ 
lichen Feststellung tragen wird, während nach dem Entwürfe diese 
drei Krankheiten den Fiskus nicht belasten sollten. Es muss hier¬ 
bei daran erinnert werden, dass nach § 6 Abs. 2 die Polizeibehörde 
die ersten Fälle dieser drei Krankheiten nur hat feststellen zu 
lassen, wenn sie nicht von einem Arzte angezeigt werden. In 
Städten und volkreichen Gegenden, wo der Ärzte genug sind und 
wo die Bevölkerung mehr gewohnt ist, sich der Ärzte in Krankheits¬ 
fällen rechtzeitig zu bedienen, wird die angenommene Bestimmung 
keine wesentliche Belastung des Fiskus zur Folge haben, da dort 
in der Regel eine besondere ärztliche Feststellung infolge der vom 
Hausarzte rechtzeitig eingelaufenen Anzeige unterlassen werden 
kann. Anders aber gestaltet es sich voraussichtlich in den östlichen 
Provinzen, überhaupt in Gegenden mit dünnerer und ärmerer Be¬ 
völkerung. Dort ist nicht in jedem Orte oder Gutsbezirke ein Arzt 
ansässig; der nächste Arzt wohnt vielleicht meilenweit entfernt. In 
solchen Gegenden werden deshalb aus der Heranholung des nächsten 
Arztes nicht unbedeutende Kosten für den Staat erwachsen und 
man wird es erklärlich finden, wenn die Vertreter der Kgl. Staats¬ 
regierung sich hiergegen wehrten, zumal die Gefahr nicht ausge¬ 
schlossen erscheint, dass fortan Krankheiten als Diphtherie, Scharlach 
und Körnerkrankheit zur Anzeige gelangen, die sich bei der Fest¬ 
stellung durch den hiermit beauftragten Arzt als erheblich geringere 
und ungefährlichere Krankheiten heraussteilen. Da aber diese Ge¬ 
fahr nicht beseitigt würde, wenn die Gemeinden mit den Fest¬ 
stellungskosten belastet worden wären, da ferner die Feststellung 
doch im Interesse des Staates erfolgt und da endlich schon jetzt 
viele Gemeinden so mit Kommunallasten überhäuft sind, dass sie 
weitere Lasten zu übernehmen ausserstande sind, so dürfte es ge¬ 
rechtfertigt erscheinen, wenn der Landtag die Übernahme aller 
Feststellungskosten auf die Staatskasse zur condicio sine qua non 
gemacht hat. Der Finanzminister hat sich, wenn auch schweren 
Herzens, schliesslich der Bedingung unterworfen. 

c) Bei allen übrigen Kosten, welche aus Anlass der Be¬ 
kämpfung von übertragbaren Krankheiten entstehen, ist zu unter¬ 
scheiden zwischen 


Digitized by v^ooQle 



305 


I. Kosten der eigentlichen Bekämpfung von übertragbaren 
Krankheiten, 

II. Kosten neuer Einrichtungen, unabhängig von dem schon 
erfolgten Ausbruch übertragbarer Krankheiten; m. a. W. der pro¬ 
phylaktischen Einrichtungen. 

Zu I. Bei der ersten Kategorie fallen die Kosten — voraus¬ 
gesetzt, dass es sich nicht um landespolizeiliche, stets der Staats¬ 
kasse zur Last fallende Massnahmen handelt (siehe oben die Aus¬ 
führung unter a) — entweder der von der Bekämpfungsmassnahme 
betroffenen Privatperson oder der Gemeinde, welche die Kosten der 
örtlichen Polizeiverwaltung zu tragen hat, zur Last. 

Welche Alternative im Einzelfalle zutrifft, ist nicht ohne 
weiteres aus den beiden in Frage kommenden Gesetzen zu erkennen. 
Dieselben sind in diesem Punkte verhältnismässig sehr kompliziert 
abgefasst und u. E. ohne Kommentar schwerlich zu verstehen, so 
dass bei der praktischen Handhabung der Gesetze u. E. noch oft 
Zweifel über das, was Rechtens ist, entstehen werden. Hier möge 
die Bemerkung genügen, dass jene beiden Gesetze, allerdings an 
verschiedenen Stellen, angeben, in welchen Fällen die Kosten aus 
öffentlichen Mitteln bestritten werden müssen. Also wenn dies der 
Fall ist — immer vorausgesetzt, dass es sich nicht um landespolizei¬ 
liche Massnahmen handelt, — hat die Gemeinde für die Unkosten 
aufzukommen, in allen anderen Fällen der Betroffene 1 ). 

Hinsichtlich der leistungsschwachen Gemeinden, welche aus 
den nach Vorstehendem ihnen zur Last fallenden Kosten zu stark 
in Anspruch genommen werden würden, ist es, um ihnen eine Ent¬ 
lastung zu ermöglichen, bei der schon im Gesetzentwürfe vorge¬ 
schlagenen, oben auf S. 302 unter b aa aufgeführten Bestimmung ver¬ 
blieben. Hinzugekommen ist die gewiss recht praktische Vorschrift, 
dass Streitigkeiten zwischen den Gemeinden und Kreisen über die zu 
erstattenden Beträge der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren 
unterliegen. Ausserdem ist den besonderen Verhältnissen der Guts¬ 
bezirke in angemessener Weise Rechnung getragen. 

Zu II. Am längsten ist im Landtage gestritten worden über 
die Regelung der Kosten neuer Einrichtungen (prophylaktischer 
Massnahmen). Die Regierungsvertreter widerrieten bis zum Schluss 
mit der möglichsten Kraftanstrengung einer Heranziehung des Staates 
zu diesen Kosten. Gleichwohl hat der Landtag folgende Bestimmungen 
beschlossen: 


1) Wer näheren Aufschluss über diese Frage wünscht, findet solchen 
in dem demnächst vom Verf. im Verlage der Aschendorffschen Buchhand¬ 
lung (Münster) erscheinenden Kommentar: „Die Gesetze betr. Bekämpfung 
ansteckender Krankheiten*. 


Digitized by 


Google 



306 


§ 29. Die Gemeinden sind verpflichtet, diejenigen Einrichtungen, 
welche zur Bekämpfung der übertragbaren (§ 1 Abs. 1) Krankheiten 
notwendig sind, zu treffen und für deren ordnungsmässige Unter¬ 
haltung zu sorgen. 

Die Kreise sind befugt, diese Einrichtungen an Stelle der Ge¬ 
meinden zu treffen und zu unterhalten. 

§ 30. Die Anordnung zur Beschaffung der in § 29 bezeichneten 
Einrichtungen erlässt die Kommunalaufsichtsbehörde. 

Gegen die Anordnung findet innerhalb zwei Wochen die Be¬ 
schwerde und zwar bei Landgemeinden an den Kreisausschuss, in 
den Hohenzollernschen Landen an den Amtsausschuss, bei Stadt¬ 
gemeinden an den Bezirksausschuss und mit Ausnahme der Hohen¬ 
zollernschen Lande in weiterer Instanz an den Provinzialrat statt. 
Wird die Beschwerde auf die Behauptung mangelnder Leistungs¬ 
fähigkeit zur Ausführung der Anordnung gestützt, so ist auch über 
die Höhe der von der Gemeinde zu gewährenden Leistung zu be- 
sehliessen. Gegen die Entscheidung des Provinzialrats, in den Hohen¬ 
zollernschen Landen gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses, 
steht den Parteien die Klage im Verwaltungsstreitverfahren inner¬ 
halb derselben Frist beim Oberverwaltungsgericht zu. Auf diese 
Klage findet die Vorschrift des § 127 Abs. 3 des Gesetzes über die 
allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 entsprechende An¬ 
wendung. Sofern die Provinz an den Kosten teilzunehmen hat, 
steht die Beschwerde bezw. Klage auch der Provinzialverwaltung zu. 

§ 31. Reicht die im Beschlussverfahren festgesetzte Leistung 
der Gemeinde nicht zur Ausführung der angeordneten Einrichtung 
aus, so trägt, sofern die Kommunalaufsichtsbehörde ihre Anordnung 
aufrecht hält, die Provinz die Mehrkosten. Die Hälfte derselben 
ist vom Staate zu erstatten. 

§ 32. Bei dringender Gefahr im Verzüge kann die Kommunal¬ 
aufsichtsbehörde nach Anhörung der Kommunalbehörde die An¬ 
ordnung zur Durchführung bringen, bevor das Verfahren nach § 30 
eingeleitet oder zum Abschluss gebracht ist. 

Die Kosten der Einrichtung trägt in diesem Falle der Staat, 
sofern die Anordnung der Kommunalaufsichtsbehörde aufgehoben wird. 

Reicht die im Beschlussverfahren festgesetzte Leistung zur 
Deckung der Kosten nicht aus, so greift die Bestimmung des 
§ 31 Platz. 

Am bedenklichsten ist den Vertretern der Kgl. Staatsregierung, 
vor allem dem Finanzminister, der Abs. 2 des § 32 erschienen. 
Letzterer erblickte darin einen Bruch mit dem bisher regelmässig 
festgehaltenen Prinzip unseres öffentlichen Rechts, wonach der Staat, 
wenn er zum Schutze öffentlicher Interessen eintritt, also in Aus¬ 
übung seiner Landeshoheit öffentliche Interessen schützt, nicht 


Digitized by v^ooQle 



307 


kostenerstattungspflichtig wird lediglich darum, weil eine über¬ 
geordnete Instanz anderer Meinung ist als die untergeordnete. 
Dieses Bedenken ist jedoch in dem Landtage überwunden worden 
durch die Erwägung, dass es, wie wohl nicht zu verkennen ist, 
eine grosse Härte für eine Gemeinde bedeuten würde, wenn sie zu 
grossen Ausgaben für eine Einrichtung gezwungen wird, von der 
hinterher im Streitverfahren festgestellt wird, dass sie ungerecht¬ 
fertigt, unnötig oder unzweckmässig war. Das letzte Wort in dieser 
Streitfrage hat die Kgl. Staatsregierung noch nicht gesprochen, da 
die Publikation des Gesetzes zur Zeit noch aussteht. Nach dem 
ganzen Gange der Verhandlungen dürfte aber anzunebmen sein, dass 
die Kgl. Staatsregierung ihren Widerspruch fallen lassen wird. 
Hierzu dürfte sie um so mehr in der Lage sein, als sie es in der 
Hand hat, durch entsprechende Verfügungen die ihr unterstellten 
Organe anzuhalten, von der Befugnis des § 32 nur in Ausnahme¬ 
fällen Gebrauch zu machen. Tut sie dies, so wird freilich der 
Hauptzweck des § 32, schon in seuchefreier Zeit das nötige Rüst¬ 
zeug zur wirksamen Bekämpfung etwa eintretender Seuchen zu be¬ 
schaffen, erheblich in Frage gestellt werden. 

Um welche neuen Einrichtungen es sich im § 32 überhaupt 
handelt, ist durch die Begründung des Gesetzentwurfes (Drucks, des 
Abg.-Hauses Nr. 25 S. 56) eiuigerraassen klar gestellt, indem dort 
als solche aufgeftibrt worden sind: „Beobachtungs- und Absonderungs¬ 
räume, Unterkunftsstätten für Kranke, Desinfektionsapparate, Be¬ 
förderungsmittel für Kranke und Verstorbene, Leichenräume u. dgl. u 
Es gehören aber nicht dazu ganze Wasserleitungsanlagen und Ka¬ 
nalisationsanlagen. (Vgl. stenogr. Ber. des Herrenhauses v. 31. Mai 
1905 S. 952.) 

8. Damit das preussische Gesetz kein toter Buchstabe bleibe, 
sind in den §§ 34—36 nach dem Vorbilde der §§ 44—46 des Reichs¬ 
seuchengesetzes Strafvorschriften gegeben, welche vorzugsweise die 
schuldhafte Unterlassung der Anzeige sowie die Verletzung der auf 
Grund des Gesetzes erlassenen Anordnungen unter Strafe stellen. 
Endlich ist noch: 

9. in den Schlussbestimmungen der §§ 37 und 38 des Gesetzes 
insbesondere das Verhältnis desselben zu den zur Zeit sonst noch 
bestehenden gesetzlichen Bestimmungen über die Bekämpfung an¬ 
steckender Krankheiten geregelt und Anordnung über die Zeit des 
Inkrafttretens des Gesetzes getroffen. Danach treten mit Ausnahme 
des § 55 des Regulativs vom 8. August 1835, betr. Massnahmen bei 
Ausbruch von Pocken, sowie der sonst bestehenden gesetzlichen Vor¬ 
schriften über Zwangsimpfung bei Ausbruch einer Pockenepidemie 
und des § 10 Abs. 3 des Gesetzes betr. Dienststellung des Kreis¬ 
arztes etc. über die Belassung der Sanitätskommissionen in grösseren 


Digitized by 


Google 



308 


Städten alle sonstigen zur Zeit noch bestehenden gesetzlichen Be¬ 
stimmungen der vorhin bezeichneten Art ausser Kraft, so dass u. a. 
fortan, wie bereits oben unter Nr. 1 mitgeteilt wurde, eine Anzeige¬ 
pflicht für die nicht im § 1 des neuen Gesetzes bezeichneten über¬ 
tragbaren Krankheiten nicht mehr bestehen wird. 

Die Bestimmung des Inkrafttretens des Gesetzes endlich ist 
mit der Massgabe einer Kgl. Verordnung Vorbehalten, dass die¬ 
jenigen Vorschriften, welche sich auf Genickstarre beziehen, mit 
dem Tage der Verkündigung des Gesetzes in Kraft treten. 

Die Kgl. Staatsregierung liess durch ihre Kommissare im 
preussischen Landtage wiederholt den Wunsch nach möglichst 
schleuniger Beratung und möglichst frühzeitiger Verabschiedung des 
Gesetzes zum Ausdruck bringen; besonders geschah dieses, als im 
vorigen Winter die Genickstarre eine bedenkliche Verbreitung zu 
nehmen begann. 

Um so mehr muss es befremdlich erscheinen, dass bis heute, 
13. August 1905, die Veröffentlichung des Gesetzes noch nicht er¬ 
folgt ist. 

Wir möchten nicht schliessen, ohne der bestimmten Hoffnung 
Ausdruck zu geben, dass der Zeitpunkt nicht mehr fern ist, wo das 
von allen interessierten Kreisen so lang ersehnte Gesetz endlich in 
Kraft tritt, damit sichere Gelegenheit geboten wird, von ganzen Fa¬ 
milien, Gegenden und Kreisen das ihnen durch den Ausbruch über¬ 
tragbarer Krankheiten leicht entstehende Unheil fern zu halten. 


Digitized by 


Google 



Zweiter Jahresbericht (1904) des Versorgungs- 
hauses für Mütter und Säuglinge zu Solingen- 

Haan. 

(Leiter Dr. Paul Selter, Solingen.) 

Zugleich ein Beitrag zur Hygiene des Keuchhustens 
und des Ammenwesens 

von 

Dr. Walther Nebel, eheni. Assistenzarzt. 


(Mit 2 Belegungsplänen.) 


Vom 1. Januar 1904 bis 31. Dezember 1904 traten im Be¬ 
triebe der Anstalt keine wesentlichen Veränderungen ein. Es wurde 
zwar ein Anschluss an die rheinische innere Mission angestrebt und 
auch erreicht. Doch kam es in diesem Zeitraum noch nicht über 
Vorverhandlungen formeller Art hinaus, die sich für das Prinzip 
einer Angliederung an diese Organisation ausspraehen. Die wohl¬ 
tätigen Folgen dieser Verschmelzung werden hoffentlich in den ärzt¬ 
lichen Berichten der nächsten Jahre einen erfreulichen Ausdruck 
finden. 

Die Grundsätze der Verpflegung bot der erste Jahresbericht. 
Diese blieben im wesentlichen dieselben. Gerne hätten wir auch 
ihre Durchführung verbessert, aber der kümmerliche finanzielle 
Unterbau liess nur im bescheidensten Masse die hierzu notwendigen 
Gerätschaften und Einrichtungen beschaffen. Das Haus erwies sich 
andauernd als zu klein. Zwar wurden 12 Betten mehr angeschafft. 
Aber an den meisten Tagen waren wir gezwungen, mehrere Bettchen 
mit zwei Säuglingen zu belegen; eine Massnahme, die zwar hygie¬ 
nisch bedenklich ist, die aber mit Rücksicht auf die Zustände, unter 
denen die Kinder draussen leben müssen, als das geringere Übel 
im Vergleich zu einer Aufnahmeverweigerung erscheint. 

Wie der Mangel an Bettchen chronisch war, so macht sich auch 
der Mangel an Pflegerinnen besonders drückend bemerkbar. Den 
wenigen vorhandenen Pflegerinnen gebührt der Dank der Ärzte: sie 
haben eine Riesenarbeit geleistet, zeitweise verpflegten 3—4 Pfleger- 


Digitized by t^ooQle 



310 


innen 54 Kinder; nebenher waren ständig 1—2 Wöchnerinnen zu 

warten. 


An Personal waren vorhanden: 


ein Assistenzarzt, 


eine Verwaltungsschwester, 

drei Pflegeschwestern, 

eine Schwester für die Milchküche, 

eine Hülfspflegerin, 

eine Elevin. 


Das Personal von fünf Pflegerinnen ist insofern zu hoch angegeben. 

als in einem guten Dritteile des Jahres eine von 
holungsurlaub war. 

ihnen auf Er- 

In dem Berichtsjahre wurden 183 Personen verpflegt. 

Mädchen: Bestand vom Vorjahre . . 

18 

aufgenommen. 

55. 


73 

Davon wurden entbunden im Hause . . 

38 

ausserhalb. . 

16. 

Die übrigen waren also obdachlos oder zur Beobachtung eingewiesen. 

Entlassen wurden: 


Mädchen: 53. als Ammen .... 

17 

als Dienstmädchen . . 

11 

nach Hause .... 

17 

in andere Anstalten . 

6 

in Kliniken .... 

2. 

Von diesen waren eingewiesen: 


von der Provinzialfürsorge. 

13 

von Armenverwaltungen. 

12 

von Privatleuten. 

28. 


Es blieben am 31. XII. 04 im Bestände 20. Es starb kein 
Mädchen. 

Von nennenswerten Erkrankungen seien angeführt: 

Im Wochenbett: 1 mal leichte Parametritis, 

1 mal gonorrhoische Arthritis (draussen ent¬ 
bunden), 

1 mal schwere Parametritis mit schwerer, 
eitriger, aufsteigender Cystitis. 

Ausserdem kamen eine Anzahl Schrunden an Warzen mit leichter 
Mastitis vor. 

Von den im Hause geleiteten 38 Entbindungen verliefen 37 
spontan, einmal wurde mit Zange entbunden; sämtliche Kinder 
lebten, ein Kind starb nach 24 Stunden an Atelektase. Sämtliche 
Niedergekommenen sowie sämtliche aufgenommenen Entbundenen 
konnten ihre Kinder stillen. 


Digitized by v^ooQle 







311 


An Kindern waren von 1903 im Bestände 37, 

aufgeuommen wurden 62 Pfleglinge, 
11 Kra nke, 
Gesamtzahl 110. 


Entlassen wurden: 

als gesund.42 

als gebessert ..6 

als ungeheilt.1 


gestorben sind an Kranken . . . \ „ 

„ Pfleglingen . . 1 

Gesamtzahl 65. 


Es bleiben im Bestände am 31. XII. 05: 45. 

Die Gesamtmortalität betrug 14,5 °/ 0 . 

Todesursachen: 

Akute und chronische Darmerkrankungeu . . 7 

Darmtuberkulose.1 

Sepsis (einschliesslich gonorrhoischer) ... 3 

Lues.1 

Nephritis.1 

Pneumonie.1 

Atelektase der Lungen.1 

Otitis media mit Meningitis.1 


16. 

In dem verflossenen Berichtsjahre kamen u. a. zwei Beobach¬ 
tungen vor, die allgemeines Interesse verdienen und daher im folgen¬ 
den mitgeteilt werden. 

I. Über Verbreitung und Einschränkung 
einer Stickhustenepidemie. 

Bevor ich auf die Epidemie selbst eingehe, muss ich die sani¬ 
tären Einrichtungen und Anordnungen schildern, wie sie zur Zeit 
der Einschleppung in unserer Anstalt bestanden. 

Jedes neu aufgenommene Kind hatte eine Quarantänezeit von 
14 Tagen auf einem Isolierzimmer durchzumachen. Jedes Kind 
hatte seine besondere Nummer. Jeden Morgen werden die Kinder 
in dem Badezimmer, in welchem sich drei Wannen befinden, ge¬ 
badet. Die Wannen werden vor jedem Bade mit Bürste und Seife 
gereinigt. Jedes Kind hat sein numeriertes Badezeug: ein grosses 
Tuch und zwei Waschläppchen, von denen eins zum Waschen des 
Körpers, das zweite zum Waschen des Gesichts und Kopfes aus 
einem numerierten Waschnapf benutzt wird. Die drei Kinder, die 
zu gleicher Zeit gebadet werden, werden jedes auf das eigene Bade¬ 
zeug auf einen grossen Tisch nebeneinander gelegt. Zuerst werden 


Digitized by v^ooQle 












312 


die gesunden Kinder, dann die kranken Kinder nnd zuletzt die 
Quarantänekinder gebadet. Eine Sonderung beim Baden nach den 
einzelnen Zimmern war sonst nicht vorgeschrieben. 

Am 23. November 1904 kam ein neues Kind, Heinrich Riffeler r 
geb. am 14. VII. 04, in die Anstalt. Es war ein kräftiger Knabe, 
der ein etwas juchzendes Weinen hatte, bei dem ähnliche Töne 
vorkamen wie bei der Reprise des Keuchhustens. Die Mutter, die 
schwere Knochen- und Drüsen Tuberkulose als Kind durchgeroacht 
hatte, leidet an ausserordentlich starker Haut- und Knochentuber¬ 
kulose. Der linke Arm erscheint verstümmelt wie bei der Lepra 
mutilans. Ausserdem wurde später an der Haut eine reichliche Aus 
saat von Tuberkuliden beobachtet. Sie hatte ihr Kind immer ge¬ 
stillt. Wir waren nun aber besonders mit Rücksicht auf die Mutter 
gezwungen, das Kind zu entwöhnen Die Mutter, die gleich bei der 
Aufnahme wegen des schluchzenden Weinens mit geringen Husten 
und später öfters gefragt wurde, ob ihr Kind mit keuchhustenkranken 
Kindern zusammen gewesen sei, leugnete diese Tatsache. Beim 
Kind entwickelte sich ein Husten, der immer pertussisähnlicher wurde. 
Die Diagnose wurde aber offen gelassen mit Rücksicht darauf, dass 
bei Tuberkulose der Bronchialdrüsen ein ähnlicher Husten Vorkommen 
kann, und das Kind monatelang von seiner hochgradig tuberkulösen 
Mutter gestillt worden war. 

Am 10. XII. 04 erkrankte ein zweites Kind, Haus Koch auf 
einem anderen Zimmer an einem Husten, bei dem in Serien schnelle 
Stösse hintereinander auftraten. Dabei kam dem Kinde reichlich 
schleimiges Sekret aus Mund und Nase. Auch Erbrechen 
trat nach zwei Tagen hinzu. Das Sputum wurde mikroskopisch an 
Grampräparaten untersucht. Es fanden sich reichlich kleine, gram¬ 
feste Kokken, wie sie bei den meisten Befunden von Stickhusten 
erhoben wurden. Dieser zweite Fall von Stickhusten befestigte 
neben dem bakteriologischen Befund die Diagnose Pertussis im ersten 
Falle. Es wurde der Mutter gegenüber bestimmt behauptet, ihr 
Kind habe Stickhusten. Da gestand sie, dass in dem Hause, wo 
ihr Kind früher in Pflege stand, stickhustenkranke Kinder waren; 
sie hätte es aber geleugnet, weil sie Angst hatte, deshalb aus dem 
Hause entfernt zu werden. 

Es wurde nun nachgeforscht, wie das andere Kind erkrankt sein 
könnte. Es war an zwei Wege zu denken: 

1. ob die Ansteckung durch die Vernachlässigung des vor- 
schriftsmässigen Händewaschens seitens des Pflegepersonals ge¬ 
kommen sei, oder 

2. ob die Quarantänevorscbrift übertreten wurde, indem das 
Kind im Badezimmer gebadet wurde, während noch andere Kinder 
darin waren. 


Digitized by 


Google 



313 


Es fand sich, dass durch eine Nachlässigkeit einer Pflegerin 
das Quarantänekind mit anderen Kindern zu gleicher Zeit gebadet 
worden war. 

Es hatte also im Badezimmer die Stickhustenepideraie höchst 
wahrscheinlich ihre Verbreitung angetreten. 

Ein Kind war erkrankt. Dass wahrscheinlich noch bei an- 
deren Kindern Stickhusten aufreten würde, schien uns sicher. Aber 
es war vor der Hand gar nicht festzustellen, wie weit und in 
welchen Zimmern dies der Fall sein könnte. Es hiess also jetzt, 
auf der Hut zu sein. Das Pflegepersonal hatte auf jeden Husten 
zu achten und dem Arzte sofort davon Mitteilung zu machen. Die 
hustenden Kinder sollten als keuchhustenverdächtig isoliert und die 
Kinder, bei denen die Diagnose sicher zu stellen war, als keuchhusten¬ 
kranke wieder in einem besonderen Zimmer abgesondert werden. 

Damit nach Möglichkeit keine neuen Zimmer infiziert wurden 
— die infizierten konnte man wegen der etwa 11 tägigen Inkubations¬ 
zeit ja noch nicht kennen —, sollten zu gleicher Zeit immer nur 
Kinder eines einzigen Zimmers gebadet werden. Die eines neuen 
Zimmers sollten erst an die Reihe kommen, wenn das Personal sich 
die Hände, die Wannen und Tische gereinigt hätte. 

In der Zeit der Epidemie waren zwischen 42 bis 46 Kinder 
im Hause. 

Ich lasse jetzt eine Tabelle folgen und einen Lageplan (S. 314) 
mit Namen der Kinder und Tagen der ersten Hustenanfälle. An der 
Hand dieser beiden lässt sich Gang und Zeit der Verschleppung am 
leichtesten veranschaulichen, besser als durch viele Worte. 

Isoliert wegen Stickhusten 


1 . 

Riffeier, aufgenommen 23. XI. 04. 

11. XII. 04. 

2. 

Koch. 

19. XII. 04. 

3. 

Korsten. 

23. XII. 04. 

4. 

Hansen. 

26. XII. 04. 

5. 

Wassmann. 

26. XII. 04. 

6. 

Münch. 

29. XII. 04. 

7. 

Graf. 

29. XII. 04. 

8. 

Kühl. 

30. XII. 04. 

9. 

Büscher. 

3. I. 05. 

10. 

Malkowski. 

8. I. 05. 

11. 

Sackebier. 

13. I. 05. 

12. 

Hochstein. 

13. 1. 05. 

13. 

Speikamp ........ 

13. I. 05. 

14. 

Diergardt. 

22. I. 05. 

15. 

Rutenbeck. 

22. I. 05. 

16. 

Schuh . 

7. II. 05. 

17. 

Himisch. 

7. II. 05. 


Digitized by t^ooQle 



















Fall 14 ereignete sich in einem Zimmer der ersten Etage. 


314 



Digitized by t^ooQle 


Belegungsplan 1 der zweiten Etage. Belegungsplau II der zweiten Etage. 





315 


18. 

Hildebrandt .... 

Isoliert wegen Stickhusten 

.... 7. II. 05. 

19. 

Bruckner. 

.... 21. II. 

05. 

20. 

Kraus. 

.... 21. II. 

05. 

21. 

Jansen. 

.... 2. III. 05. 


Fall 1 kam mit andern Kindern aus dem Pflegezimmer 2 
im Badezimmer zusammen. Dort wurde in erster Linie Kind 2 
infiziert. Ob nun auch Kind 3, 4, 5, 6 im Badezimmer von Fall 

1 infiziert wurden, oder ob sie von Fall 2 angesteckt wurden, ist 
nicht festzustellen. Bei Fall 2 bildete sich Stickhusten aus; es 
wurde zunächst ein nicht charakteristischer Husten mit bronchi- 
tischem Befunde konstatiert. Daher kam das Kind aufs Bronchitis¬ 
zimmer und wurde mit Bädern und Wickeln behandelt. Aber es 
trat trotzdem eine verdächtige Verschlimmerung des Hustens ein. 
Auf dem Bronchitiszimmer wurden von ihm nun Kind 7 und 8 an¬ 
gesteckt; dagegen blieb ein anderes Kind dauernd verschont. In¬ 
zwischen konnte die Diagnose Pertussis durch Verschlimmerung des 
Hustens trotz entsprechender Therapie, seine sich immer mehr der 
typischen Pertussis nähernde Beschaffenheit, den bakteriellen Nach¬ 
weis und das Auftreten weiterer, aber vorläufig uncharakteristi¬ 
scher Huster sichergestellt werden. 

Auf dem Tuberkulosezimmer waren Kind 9 und 11 durch In¬ 
fektion ebenfalls auf dem Badezimmer infiziert. Aus dem Zimmer 

2 wurden die nicht kranken Kinder herausgeuommen und auf ein an 
deres Isolierzimmer gelegt. Die Betten dieser Kinder wurden im 
Zimmer in Entfernungen von etwa 2 m aufgestellt. Wenn von 
diesen Kindern eines an Husten erkrankte, wurde es weiter isoliert. 
Von diesen Kindern erkrankten aber noch alle bis auf eines, das 
dauernd verschont blieb. 

Wie die Infektion in das Zimmer 3 kam, war nicht sicher 
festzustellen. Bei Kind 15 wurden dort am 22. I. zuerst Husten- 
stösse bemerkt. Dieses Zimmer beherbergte die grössten Kinder 
von 1—2 Jahren. Sie spielten zusammen auf der Erde, und es wurde 
von vornherein angenommen, dass sie alle bereits von Kind 15 in¬ 
fiziert seien, was sich auch in den nächsten Wochen bestätigte. 

Auf dem Pflegezimmer I der 1. Etage erkrankte Kind 14. 
Es wurde sofort isoliert und zeigte bald typischen Stickhusten. 
Glücklicherweise wurde kein weiteres von den 8 Kindern dieses 
Zimmers befallen. 

Eine Episode verdient noch Beachtung. Fall 1 hatte nach 
14 tägiger Quarantäne 2 Tage im sog. Enteritiszimmer mit noch zwei 
anderen Kindern zusammen gelegen. Am zweiten Tage wurden 
vom Arzte pertussisähnliche Hustenanfälle gehört das Kind daher 
sofort aus dem Zimmer entfernt und die beiden Kinder auf diesem 


Digitized by 


Google 







316 


Zimmer in Isolation gelassen. Die beiden Kinder blieben merk¬ 
würdigerweise dauernd gesund. 

Es erkrankten während der Epidemie die Belegschaften von 
vier Pflegezimmern. Auf dem Zimmer, wo die grösseren Kinder 
waren, die bereits auf dem Boden spielten und infolgedessen nicht 
in ihren Bettchen isoliert waren, erkrankten sie sämtlich. 

Auf dem Tuberkulosezimmer erkrankte ebenfalls die ganze 
Belegschaft von zwei Kindern. Auf Zimmer 2 und dem Bronchitis¬ 
zimmer blieben je ein Kind verschont. Auf einem Zimmer der 
ersten Etage blieb es bei einem einzigen sporadischen Falle und 
auf dem Enteritiszimmer blieben die beiden Kinder, welche mit Fall 
1 zwei Tage zusammen gelegen hatten, dauernd verschont. 

Bei der Verbreitung der Pertussis könnte es sich 

1. um Luftinfektion handeln, indem das Kontagium (bakte¬ 
rieller Art) vom Luftstrom getrieben und so ausgesäet wird; 

2. könnte durch direkte oder indirekte Berührung von Per¬ 
sonen oder Gegenständen das Kontagium übergeimpft werden 
(Schmier-Berührungsinfektion); 

3. es wird durch die Hustenstösse ein Spray infizierter feuchter 
Teilchen in die Luft geblasen, der eine Verbreitung der Krankheit 
vermitteln kann. 

Der sporadische Fall auf der ersten Etage in einem stark¬ 
belegten Zimmer, das Verschontbleiben von Kindern auf zwei infi¬ 
zierten Zimmern beweisen, dass die Luftinfektion bei grösseren 
Zwischenräumen zwischen den Bettchen von etwa 1 1 / 8 bis 2 m 
praktisch keine Rolle spielt. 

Die Berührungsinfektion wird nach unseren Erfahrungen durch 
sorgfältiges Waschen der Hände mit Wasser und Seife sicher ver¬ 
mieden. Im übrigen scheint sie bei der geringen Lebensfähigkeit 
des Virus eine sehr geringe Rolle zu spielen. Die grösste Bedeutung 
aber für die Verbreitung und Übertragung des Stickhustens scheint 
der Hustenspray zu haben. Die ausgehusteten Schleim- und Wasser¬ 
teilchen, auf denen die Pertussiserreger gleichsam reiten, fallen 
allmählich auf den Boden, verlieren dort die zum Weiterleben nötige 
Wärme und Feuchtigkeit und sterben ab. 

Befindet sich aber in diesem Hustenspray ein Mensch, so wird 
durch die Inspiration eine Menge dieser infizierten Teilchen einge¬ 
atmet. Zu dem kommt, dass die Bakterien, die gerade durch den 
Hustenstoss aus der feuchten Wärme eines Respirationsweges ver- 
stossen sind, bald einen neuen Nährboden von gleicher Art und 
Güte wieder gewonnen haben. Aus dieser Sachlage geht anschau¬ 
lich hervor, das die Art der Infektion schnell und sicher von statten 
gehen muss, und welche Bedeutung gerade diese Umstände für die 
Verbreitung haben müssen. Man denke an Volksfeste und Schulen: 
dort hat ein Kind einen Stickhustenanfall. Während dessen stehen 


Digitized by v^ooQle 




317 


1 / 2 Dutzend anderer Kinder umher, wieder audere von verschiedener 
Grösse passieren den Spray; bis der aber wie ein Mückenschwarm 
sich zu Boden gesenkt haben kann, ist er von so und so viel 
Kindern eingeatmet worden, und rächt sich durch sichere Infektion. 

Es sei erlaubt, hier einzufügen, das wir im Haaner Säug¬ 
lingsheim in den beiden früheren Wintern viele Bronchitiden zu ver¬ 
zeichnen hatten. Es liegt aber nahe, in Anbetracht der nur ver¬ 
einzelten Bronchitiden im letzten Winter, anzunehmen, dass auch 
bei der Verbreitung dieser Erkrankung das gegenseitige Anhusten 
der Kinder auf dem Wickeltische im Badezimmer eine analoge Über¬ 
tragung durch Hustenspray stattfaud, und dass das Wenigerwerden 
der Bronchitiden nur der einfachen Massregel zu danken war: den 
Kindern nicht Gelegenheit zu geben, sich anhusten zu müssen. 

Wesentlich bleibt, dass es uns gelang, in einem Säuglings¬ 
heime mit überlegten Zimmern, bei einem überlasteten Pflegepersonal 
eine Stickhustenepidemie einzudämmen. Von 46 Kindern erkrankten 
im ganzen 21. Die ganze Epidemie ist seit Mitte Mai 1905 völlig 
erloschen. Die infizierten Zimmer desinfizierten wir anfangs durch 
Waschen von Boden und Wänden mit schwacher Lysollösung. 
Später unterliessen wir auch noch diese Lysoldesinfektion und be¬ 
gnügten uns mit einfachem Lüften und Abwischen der Zimmer und 
ihrer Einrichtung. 

II. Ammenwesen mit besonderer Berücksichtigung 
der Syphilis. 

Sind Mütter nicht in der Lage, ihr neugeborenes Kind zu 
stillen oder genügend zu stillen, so haben sie im Interesse ihres Kindes 
die Pflicht, sich nach Menschenmilch umzusehen; denn erfahrungs- 
gemäss ist nur diese sicher im stände, falls das Kind überhaupt 
einer Nahrungsaufnahme und -Verarbeitung fähig ist, es zum Gedeihen 
und Blühen zu bringen. 

Die künstliche Ernährung mit Kuhmilch, Ziegenmilch, Butter¬ 
milch, saurer Milch und anderen Präparaten ist in beschränktem Masse 
hierzu geeignet und befähigt. Die Mütter finden zum Stillen ihres 
Kindes eine bekannte Frau, die gegen oder ohne Vergütung dem 
Kleinen ihre Brust mitreicht. In anderen Fällen greift man zur kom¬ 
binierten Ernährung, ersetzt also das Fehlende durch künstliche 
Nahrung. Es ist aber nur ein darauf geschulter Arzt im stände, 
durch kurze Versuche und Messungen die Art und Menge dieser 
Beikost zu bestimmen. 

In anderen Fällen, leider nur bei einigermassen Bemittelten, 
nimmt man zu einer Amme die Zuflucht. 

Die sich nun um eine Amme bewerben, haben die Pflicht, 
sich zu vergewissern, ob sie selbst und ihr Kind (also die Eltern 


Digitized by v^ooQle 



318 


des zu stillenden Kindes) gesund und frei von Syphilis sind. Denn 
hat das Kind Syphilis, so besteht die grosse, schwere Gefahr, dass 
die zu mietende Amme syphilitisch wird und an Körper und Geist 
auf Jahrzehnte hin sehr geschädigt wird. Das erste Stadium der 
Syphilis, und meist auch das zweite, bringen zwar nur sehr geringe 
Beschwerden. Die grössten Beschwerden sind eigentlich in der 
Syphiliskur mit Quecksilber- und Jodpräparaten zu suchen. 

In einigen schweren Fällen macht allerdings auch schon das 
erste und zweite Stadium beträchtliche Beschwerden, besonders wenn 
keine Kur eingeleitet wird. 

Dann aber folgt in vielen, besonders in unbehandelten Fällen 
das dritte Stadium. Kein Körperteil ist sicher vor Erkrankung, 
ähnlich wie bei der Tuberkulose. Mit Vorliebe werden Gehirn, 
Auge und Knochen befallen. Hat man auch ein ziemlich sicheres 
Mittel zur Heilung in der Anwendung von Jodpräparaten, so bleibt 
die Schädigung des Erkrankten jedenfalls bis zur Heilung bestehen, 
zum andern bringt auch die Kur mancherlei Beschwerden, wie 
heftigen Schnupfen und anderes, mit sich. 

Als schlimmste Gefahr lauern aber die Späterkrankungen auf. 
Wird auch nicht jeder Syphiliserkrankte, -Behandelte und -Ge¬ 
heilte von diesen Leiden befallen, so sind die Erkrankten desto 
schlimmer daran. Auch kann kein Arzt jemanden die Versicherung 
geben, er werde von diesen Leiden (Tabes dorsalis = Rückenmarks¬ 
schwindsucht und Progressive Paralyse = Gehirnerweichung) ver¬ 
schont bleiben. 

Ist ein Kind syphilitisch, so könnte es natürlich eine syphili¬ 
tische Amme ruhig und mit Vorteil erhalten. Ist aber die Amme, 
die gemietet wird, gesund, so darf sie ihre Milch nur abdrttcken 
und dem Kinde aus einem Fläschchen schenken. 

Wie sich die Amme im übrigen zum Kinde zu verhalten hat, 
dass sie sich vor allen Dingen der Küsse und ähnlicher Zärtlich¬ 
keiten enthält, sich nach jeder Berührung die Finger wäscht, dar¬ 
über ist sie vom Arzte zu unterrichten. 

Einen weiteren Punkt, den die Mieter von Ammen mit Rück¬ 
sichtnahme auf deren Kind zu beachten haben, ist, dass sie nicht 
gleich nach dem Wochenbette, also eine möglichst frische Amme 
mieten. Denn wie das zu stillende Kind, bedarf das Ammenkind 
der Mutterbrust. Ja, es hat das Recht auf die Ernährung durch 
die Mutter, und diese die Pflicht, vor allen Dingen ihr eigenes Kind 
zu nähren. Die Ammenmieter beteiligen sich aber an einer Schä¬ 
digung des Ammenkindes, falls dieses die künstliche Ernährung, und 
das dürfte in den meisten Fällen zutreffen, nicht verträgt. Es wer¬ 
den sich nur wenige Leute dazu verstehen, das Ammenkind mit 
aufzunehmen. Teils ist das Gedankenlosigkeit, teils aber ist die 


Digitized by 


Google 



319 


Amme auch unfähig, mehr als ein Kind mit Milch zu versehen. 
Sie wäre also vom sittlichen Standpunkte aus ungeeignet, als 
Amme auszugehen. 

Ist das Kind der Amme bei der Geburt oder später, etwa an 
Lebensschwäcbe, gestorben, so würde nichts gegen den frühzeitigen 
Ammendienst einzuwenden sein. Man muss jedenfalls verlangen, 
dass das Kind der Amme gut gediehen ist und die künstliche Er¬ 
nährung verträgt, bevor man den Ammendienst unter Vernach¬ 
lässigung des eigenen Kindes gestatten kann. Dieses ist aber vor 
Ablauf des zweiten Lebensmonates überhaupt kaum der Fall. Bis 
dahin ist das Kind soweit gediehen und gekräftigt, dass man künst¬ 
liche Ernährung versuchen darf. In den meisten Fällen findet man 
aber, wie leicht selbst in den Wintermonaten diese künstlich er¬ 
nährten Kinder zu Verdauungsstörungen neigen, die ihr Körper¬ 
gewicht zurückbringen oder ihr Gedeihen wenigstens stark auf¬ 
halten. Und das Körpergewicht ist der sicherste Massstab des Ge¬ 
deihens eines Säuglings und läuft diesem parallel. 

Ferner haben die Ammenmieter bei einer etwa 14 Tage ent¬ 
bundenen Amme durchaus keine Garantie, ob sie ihre Milch behält. 
Denn eine Amme muss erst gezogen und erzogen werden. Hat da¬ 
gegen eine Amme bereits zwei Monate gestillt und ein gut gedeihen¬ 
des Kind, so haben sie meist die Garantie, dass sie auf noch meh¬ 
rere Monate genügend Milch behält. Eine Amme aber zu ziehen, 
dauert meist mehr als 14 Tage. 

Zuerst müssen die Brustwarzen herausgesogen und abgehärtet 
werden. An ihnen entstehen leicht Schrunden, die äusserst schmerz¬ 
haft sind, und diese Schrunden führen allzuleicht zu einer schweren 
eitrigen Entzündung der Brustdrüsen. Eine Ammenbrust muss aber 
und kann auch zur Produktion einer grösseren Milchmenge erzogen 
werden, und dieses besorgt am besten ein gut saugendes Kind mit 
lebhaftem Nahrungsbedürfnis. Diese Erziehung der Ammenwarze 
und Ammenbrust während der zwei Monate, wo sie ihr Kind stillt, 
ist ein ausserordentlicher Vorteil für die Ammenmieter, ganz ab¬ 
gesehen von dem Nutzen, den sie als wirkliche Mutter ihrem der 
Mutterbrust bedürftigen Kind geleistet hat. 

Ferner haben die Ammenmieter eine weit grössere Sicherheit 
dafür, ob ihre Amme gesund, d. h. frei von Syphilis ist. Wir haben 
den Fall erlebt, dass eine Mutter kein Zeichen von Syphilis an sich 
zeigte, und dass ihr Kind scheinbar ganz gesund und kräftig war. 
Nach etwa sieben Wochen bekommt das Kind syphilitischen Aus¬ 
schlag, syphilitische Knochen Verdickungen, Schrunden am Munde, 
graues Aussehen, pergamentartige Handteller und Fusssohlen. Das 
Kind ist also hochgradig syphilitisch. Die Mutter zeigt kein Zeichen 
von Syphilis, wird aber nicht als Amme ausgeschickt und darf nur 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 22 


Digitized by v^ooQle 



320 


ihr Kind stillen. Das Kind ist später trotz scheinbar erfolgreicher 
Kur an Gehirnsyphilis gestorben. 

In einem anderen Falle wird uns ein sieben Wochen altes Kind 
in das Heim gebracht. Es ist noch in ganz gutem Ernährungs¬ 
zustände. Man sieht aber, es ist bereits etwas abgemagert und bat 
eine — offenkundige Syphilis. Die Mutter aber dient als Amme, 
in einem Dienst, den sie gleich nach dem Wochenbette, von einer 
Hebamme aus, angetreten hat. An der Mutter haben wir zwar nie 
Syphiliszeichen gesehen, durften aber aus gesetzlichen Rücksichten 
ihre Mieter nicht von der Syphilis des Kindes benachrichtigen. 

Es ist zwar ärztlicherseits zuzugeben, dass eine Syphilis sich 
auch noch später als nach zwei Monaten am Kinde zeigen kann, 
zuzugeben ist aber auch, dass durch zweimonatliche Beobachtung 
eine grössere Menge syphilitischer Fälle ermittelt und ausgeschaltet 
wird. Wollte man absolute Sicherheit haben, müsste man auf den 
Ammendienst verzichten, und das hiesse doch in anbetracht der 
guten Erfolge, die von diesem Dienste geleistet sind und werden, 
das Kind mit dem Bade ausschütten. 


Digitized by 


Google 



321 


Literaturbericht. 


'Vogel, Die wehrpflichtige Jugend Bayerns. (München 1905. J. F. 
Lehmanns Verlag.) 

Aus den Aushebungsresultaten in Bayern in den Jahren 1896 
und 1902 zieht Vogel den Schluss, dass ebensowenig aus der 
„Industrialisierung“, wie aus der Städtevergrösserung und -Ver¬ 
mehrung eine Besorgnis für die Abnahme der Wehrfähigkeit sich 
ergebe. Ebensowenig bestehe eine Gefahr, dass mit Abnahme 
-der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung die bei zunehmender 
Gesamtbevölkerung geforderte höhere Zahl der Militärdiensttaug¬ 
lichen nicht mehr erreicht werden könne, da nicht die Land¬ 
wirtschaft, sondern das Landgewerbe die grössere Zahl von Taug¬ 
lichen stelle. Wohl aber liege für Bayern bezüglich Abnahme der 
Wehrfähigkeit eine grosse Gefahr in der geringen Bevölkerungs¬ 
dichte, in dem geringen Geburtenüberschuss, in der hohen Kinder¬ 
sterblichkeit in den frühen Jugendjahren infolge zahlreicher In¬ 
fektionskrankheiten, besonders der Tuberkulose. Eine Erhöhung der 
Wehrkraft und der Wehrfähigkeit verlange daher vor allem eine 
energische Bekämpfung der Kindersterblickeit und der Tuberkulose. 
Zur Erhöhung der Tüchtigkeit des Nachwuchses bedürfe es aber 
dringend der Umgestaltung unserer körperlichen Jugenderziehung. 
Ausführlich beweist Vogel die Vorteile des methodischen Turnens, 
des Schulturnens gegenüber den Turnspielen. Auf das Durchturnen 
des Körpers sei der Hauptwert zu legen; nur dieses bereite zum 
Waffendienst vor; schon die einfachste Übung erfordere Selbst¬ 
beherrschung und Willenskraft. Vogel verlangt für jeden Tag der 
Schulwoche eine Stunde körperliche Übungen und an den freien 
Nachmittagen und am Sonntag Marschübungen. In scharfer Weise 
spricht er sich gegen das Radfahren in jugendlichem Alter aus, 
da es der Jugend die Vorteile der Marschübungen entziehe; ferner 
führe, weil die Jugend ein Masshalten nicht kenne, die Übertreibung 
dieses Sportes zu Schädigungen des Herzens. 

Graessner (Cöln). 

Abelsdorff, Die Wehrfähigkeit zweier Generationen mit Rücksicht 
auf Herkunft und Beruf. (Berlin 1905. Georg Reimer.) 

In Übereinstimmung mit Vogel kommt auch Abelsdorff, dessen 
statistisches Material sich auf Norddeutschland und auf bestimmte 
Berufsklassen bezieht, zu dem Urteil, dass die Tauglichkeit der 


Digitized by 


Google 



3 22 


landgeborenen Bevölkerung die der Grossstadt übertrifft. Ferner 
weist er nach, dass bei industriellen Erwerbstätigen die Militär¬ 
tauglichkeit der Landgeborenen beträchtlich grösser als die der 
Mittel- und Grossstadtgebürtigen ist. Er sieht in den nachteiligen 
Wirkungen des Stadtlebens, vor allem in dem ständigen Aufenthalt 
in der Grossstadt aber doch eine Gefahr für die Wehrkraft unserer 
Industriebevölkerung und verlangt, dass Staat und Gemeinde ver¬ 
suchen müssen, dem unaufhaltsamen Zuzug in die Stadt Einhalt 
zu gebieten. Er schlägt vor, dass die Industrie wieder auf daa 
Land hinausgeschoben werde, so dass auch der gewerbliche Arbeiter 
einige Tagesstunden in gesunder Luft verbringen könne. Da für 
kleinere Gewerbe eine solche Verlegung vorläufig noch eine Existenz¬ 
gefährdung bedeuten könne, müssen die Grossbetriebe den Anfang 
machen, wie dieses schon von der Firma Borsig (Verlegung von 
Berlin nach Tegel) und anderen Werken geschehen sei. 

Graessner (Cöln). 

Rommel, Zur Leistungsfähigkeit der weiblichen Brustdrüse. (M. 

M. W. 1905, Nr. 10.) 

Die Statistik lehrt, dass grade in Bayern, Hand in Hand gehend 
mit einer grossen Säuglingssterblichkeit, die Unfähigkeit der Mütter, 
ihre Kinder selbst zu stillen, besonders gross ist. Dieser Zustand 
wurde von mehreren Forschern auf eine vererbte Hypoplasie und 
funktionelle Schwäche der Brustdrüse zurückgeführt. Verf. tritt 
dieser Ansicht auf Grund seiner im Münchener Säuglingsheim 
gesammelten Erfahrungen entgegen. Diesem werden Wöchnerinnen, 
meist aus der Kgl. Frauenklinik zugewiesen, etwa zwischen dem 
7. und 10. Tage des Wochenbettes und mit einer durchschnitt¬ 
lichen Milchmenge von nur 400 g pro die. Aus diesem doch 
gewiss massigen Material gelang es Verf. in den meisten Fällen 
hervorragende Ammen zu bilden, deren durchnittliche Milchproduk¬ 
tion über 1000 g pro die betrug, häufig aber auf zwei, drei ja 
vier Liter pro Tag gesteigert wurde. Diese Leistungen wurden 
erreicht durch methodisches Anlegen stark saugender Säuglinge, 
durch Massage der Brüste und daneben noch durch Abdrücken 
überschüssiger Milchmengen. Nach diesen Erfolgen erscheint es 
zweifellos, dass die Unsitte des Nichtstillens nicht auf einer Un¬ 
fähigkeit hierzu beruht und erfolgreich bekämpft werden kann und 
muss. Nur mit Hilfe der Ärzte, Hebammen und Wärterinnen ist 
eine Besserung der Verhältnisse erreichbar. Leider ist aber die 
Ausbildung grade in diesem so wichtigen Zweige der öffentlichen 
Gesundheitspflege meist nur sehr oberflächlich. Eine Besserung 
auf dieser Grundlage wird aber viele Jahre dauern. Bis dahin ist 
es notwendig, besonders durch Aufklärung der Laienkreise für die 


Digitized by 


Google 



323 


Verbreitung der natürlichen Ernährung der Kinder an der Mutter¬ 
brust zu wirken. Dietrich (Cöln). 

Kümmel, Die progressive Zahnkaries in Schule und Heer und die 
zahnhygienischen Aufgaben der Sanitätsbehörden im Interesse 
der Volkswirtschaft. (Leipzig 1904. Krüger & Co.) 

Statistisch nachgewiesen hat die Zahnverderbnis in den letzten 
30 Jahren erheblich zugenommen. Kümmel glaubt behaupten zu 
können, dass durchschnittlich nur 10 °/ 0 der Gesamtbevölkerung 
gesunde Gebisse haben. Es gilt ihm nachzuweisen, dass die Karies 
eine Volkskrankheit ersten Ranges ist, und dass sie nicht nur die 
nationale Wehrkraft, sondern die Leistungsfähigkeit eines Volkes 
überhaupt beeinträchtigt. Ein wirksames Mittel, um der Karies 
Einhalt zu gebieten, sieht er in der Belehrung und entsprechenden 
Erziehung des einer gehörigen Zahnpflege ermangelnden Publikums. 
Er verlangt die Anstellung von wissenschaftlich gebildeten Zahn¬ 
ärzten als kommunalamtliche Medizinalpersonen für Schulen, Waisen¬ 
häuser usw. Solange diese Forderung keine Berücksichtigung findet, 
fordert er seine Kollegen auf unentgeltlich die Überwachung der 
Zahnpflege in öffentlichen Anstalten zu übernehmen. Für das Heer 
wünscht Kümmel die Heranziehung geschulter Spezialisten in aus¬ 
gedehnterem Masse wie bisher. Graessner (Cöln). 

Runge, Der Krebs der Gebärmutter. Ein Mahn wort an die Frauen¬ 
welt. (Berlin 1905. J. Springer.) 

Ein erfolgreicher Kampf gegen den Gebärmutterkrebs kann 
nur durch rechtzeitige Operation geführt werden. Die frühzeitige 
Operation ist das einzige Mittel, um diese sonst unrettbar zum 
Tode führende Krankheit zu heilen. Um eine rechtzeitige Operation 
zu ermöglichen, ist es notwendig, die Krankheit früh zu erkennen; 
dieses ist meist nicht leicht, da die Frauen von dem entstehenden 
bösartigen Leiden anfänglich wenig Beschwerden haben. Um 
diesem Übelstande zu begegnen, haben nach dem Vorgänge von 
^Professor Winter in Königsberg die Frauenärzte Deutschlands an 
vielen Orten sich in Rundschreiben an Ärzte und Hebammen ge¬ 
wandt, mit der Bitte, ihr Augenmerk auf beginnende Krebs¬ 
erkrankungen zu lenken, um den erkrankten Frauen die Segnung 
einer lebensrettenden Operation zuteil werden zu lassen. Auch 
direkt an die Frauenwelt hat man sich auf dem Wege der Presse, 
in Vorträgen und Broschüren gewandt. Zweifellos kann hierdurch 
deicht eine Beunruhigung weiter Kreise, ja vereinzelt wohl gar eine 
krankhafte Krebsfurcht herbeigeführt werden. Soll dieses vermieden 
werden, so gehört zu solchem Hinabsteigen in die Öffentlichkeit 
sehr viel natürlicher Takt und persönliches Geschick. Beides finden 


Digitized by 


Google 



324 


wir vereinigt in der vorliegenden Broschüre des berühmten Göttinger 
Gynäkologen. Besonders glücklich erscheint die Fassung des jedem 
Hefte in mehreren Exemplaren beigegebenen Merkblattes, das zur 
Verbreitung in Bekanntenkreisen bestimmt ist und folgendermassen 
lautet: 

„Der Krebs der Gebärmutter beginnt ohne allen Schmerz und 
ohne jedes Krankheitsgefühl. 

Blutungen und Ausflüsse sind die ersten Zeichen des Gebär¬ 
mutter krebse«. Die Blutungen treten als verstärkte Periode auf,, 
oder auch ausserhalb der Periode, ja auch, nachdem die Periode 
schon jahrelang aufgehört hat. Der Gebärmutterkrebs führt, sieb 
selbst überlassen, stets zum Tode. Durch eine Operation ist er 
aber heilbar. Diese Operation muss in den ersten Anfängen der 
Krebserkrankung ausgeführt werden. Ohne Operation ist eine 
Heilung unmöglich« Wie kann eine Krebskranke gerettet werden? 
Wenn die Erscheinungen von Blutungen und Ausfluss auftreten, 
muss jede Frau ohne Zeitverlust sofort ärztlichen Rat aufsuchen,, 
auch während der Blutung. Die vorgeschlagene Operation muss 
unverzüglich ausgeführt werden. Jeder Tag erhöht die Gefahr für 
die Frau. Wer also sein Leben liebt, gehe zum Arzt und nur zum 
Arzt, wenn sich die genannten verdächtigen Erscheinungen zeigen, 
und schiebe keine Stunde diesen Entschluss aufl u 

Dietrich (Cöln). 

A. Wolpert und H. Wolpert, Die Heizung. (Berlin C., W. & S. Löwen- 
thal.) 

Dieses Buch ist der für sich abgeschlossene vierte Band des reich¬ 
haltigen und ausführlichen Werkes „Theorie und Praxis der Ven¬ 
tilation und Heizung“, weiches vollständig neu bearbeitet von 
Prof. Dr. A. Wolpert, früher in Nürnberg, jetzt in Charlottenburg,* 
und Privatdozent Dr. H. Wolpert in Berlin herausgegeben wird^ 

Dasselbe teilt sich in zwei Hauptabschnitte, und zwar werden 
im ersten die heizungstechnischen Grundlagen und im zweiten dte 
Heizungsanlagen selbst behandelt. 

Besonders hervorzuheben sind die hier aufgenommenen vielen 
neuen Konstruktionen von Zimmeröfen und von Hauptbestandteilen, 
der Zentralheizungen, wie Standrohr-Einrichtungen bei Niederdruck¬ 
dampfkesseln und dergl. Auch die neuesten Systeme von Gasöfen 
und elektrischen Öfen, welch letztere wegen ihrer hohen Betriebs¬ 
kosten allerdings noch viel zu wenig zur Verwendung kommen,, 
sind dargestellt und beschrieben. 

Es ist erfreulich, dass das Wolpertsche Werk, welches wohL 
eines der ersten war, das die Theorie und Praxis der Heizungs¬ 
einrichtungen behandelte, in der neuen Auflage in allen Punkten 


Digitized by 


Google 



325 


eine so grosse Bereicherung erfahren hat und in dieser alle Neue¬ 
rungen enthält, um welche sich die Heizungstechnik im Laufe der 
Jahre bereichert hat. 

Über alle Fragen, welche dieses Thema betreffen, kann man 
hier ausgiebigen Bescheid finden, weshalb auch der vierte Band 
zum Studium sowohl wie als Nachschlagebuch jedermann empfohlen 
werden kann. Herbst (Cöln). 

Heim, Der Reinheitszustand künstlicher und natürlicher Mineral¬ 
wässer. (Hygion. Rundschau 1905, S. 163.) 

Verfasser berichtet über die Ergebnisse der auf seine An¬ 
regung von G. Schütz ausgeführten Untersuchung vieler natürlicher 
Mineralwässer und künstlicher Selterwässer aus verschiedenen Orten 
Deutschlands. Im ganzen wurden 157 Proben untersucht. In künst¬ 
lichen Selterwässern wurden Keimzahlen zwischen 0 (nur einmal 
beobachtet) und nahezu 200000 gefunden, der Durchschnitt betrug 
rund 14000 Keime im Kubikzentimeter. Die natürlichen Mineral¬ 
wässer enthielten im Durchschnitt sogar 35000 Keime, also doppelt 
so viel als die künstlichen. Keimfrei war nur eine Probe (Levico); 
die Höchstzahl von nahezu */* Million Bakterien wies eine faulig 
riechende Probe von Karlsbader Mühlbrunnen auf. 

Bei den künstlichen Mineralwässern können die Bakterien 
auch aus dem verwendeten Wasser stammen, während die natür¬ 
lichen Quellwässer ursprünglich keimfrei sein müssen. In den 
meisten Fällen wird die hohe Keimzahl auf mangelhafte Rein¬ 
lichkeit bei der Füllung, unreine Flaschen und Stopfen zurück¬ 
zuführen sein. 

Der Preis der natürlichen Mineralwässer steht in keinem 
richtigen Verhältnisse zur Ware, er ist in Anbetracht der leichten 
Gewinnung horrend. Das mit vielem Aufwande hergestellte Bier 
kostet in Flaschen weniger als die natürlichen Mineralwässer. 
Wenn ein Fabrikant ein reinlich gewonnenes künstliches Selter¬ 
wasser mm sieben Pfg. an die Verbraucher abgeben kann, so muss 
das die Verwaltung einer Quelle zu noch billigerem Preise tun 
können, sofern sie gar keinen Zusatz zu machen hat, oder wenn z. B. 
enteisent und Kohlensäure zugegeben wird, zu demselben Preise. 

Wenn dem Volke die Quellen, von denen jahraus und jahrein 
eine ungemessene Menge Wasser ungenützt fortläuft, durch Stellung 
eines kleineren Preises bei gleichzeitiger Wahrung grösserer Rein¬ 
lichkeit zugänglich würden, so müsste der Alkoholgenuss dadurch 
zweifellos eine entsprechende Einschränkung erfahren, ein gutes 
Stück Nationalvermögen würde erspart, und die Brunnenverwaltungen 
gewännen dabei durch Ausdehnung ihres Absatzes. 

Grosse-Bohle (Cöln). 


Digitized by 


Google 



326 


Renk, Untersuchungen und Gutachten, betreffend den Einfluss der 
Stadt Dresden auf die Beschaffenheit der Elbe. (Arbeiten aus den 
Kgl. hygienischen Instituten zu Dresden. 1903.) 

Gegen die Einleitung von Jauche in die Elbe durch die 
Düngerexportgesellschaft waren verschiedene Beschwerden erhoben 
worden. Verf. wies nach, dass die chemische Beschaffenheit des 
Elbwassers sich durch den Einfluss der Jauche nicht nachweisbar 
verändert, abgesehen von einer sehr geringen Erhöhung des Ammoniak¬ 
gehaltes und einer minimalen Abnahme des freien Sauerstoffes, 
und dass die Keimzahlen ebenfalls nicht ansteigen. Ebenso hat 
sich ein Einfluss der Schleusenwässer von Dresden nur schwer er¬ 
kennen lassen; die Keimzahlen waren unterhalb der Stadt sogar 
niedriger als oberhalb. Die Stadt Dresden beabsichtigt, die Abort¬ 
anlagen an die Schleusen anzuschliessen. Nach Verwirklichung 
dieses Planes würde die Menge der in ein Liter Elbwasser beim 
Eintritte in die Stadt bereits vorhandenen Stoffe sich durch den 
Hinzutritt der Schleusenwässer bei einem Wasserstande von 0 cm 
Pegel um 2,8 mg, von —170 cm um 17,8 mg vermehren. Der 
Zuwachs an Bestandteilen würde also auch bei niedrigstem Wasser¬ 
stande nur sehr gering sein. Die Zahlen verlieren noch weiter 
an Bedeutung, wenn man die grosse selbstreinigende Kraft der 
Elbe berücksichtigt, welche Schorler erwiesen hat und die haupt¬ 
sächlich auf dem reichen Gehalte des Stromes an .Algen und an¬ 
deren Wasserpflanzen beruht. Von den groben Schwimm- und 
Sinkstoffen sollen jedoch die Abwässer befreit werden. 

Grosse-Bohle (Cöln). 

* 

Koehsehmieder, Wärmetechnische Ausnutzung und Vergasung der 
Abfallstoffe. (Technisches Gemeindeblatt 1905, Nr. 19.) 

Der Wärmewert der Abfallstoffe ist um so grösser, je höher 
der Betrag an organischen Verbindungen gegenüber Mineralstoffen 
und Wasser ist. Besonders schädigend auf den Heizeffekt wirkt 
das Wasser, da dieses einen grossen Teil der durch die Ver¬ 
brennung der organischen Stoffe entstehenden Wärme absorbiert, 
um in Dampfform übergehen zu können. Frischer Klärschlamm 
mit etwa 90 °/ 0 Wasser liefert infolgedessen bei der Verbrennung 
überhaupt keinen Wärmeüberschuss. Erst wenn der Wassergehalt 
auf 80 °I Q gebracht ist, erhält der Schlamm einen gewissen Heiz¬ 
wert, der sich mit der weiteren Abnahme des Wassers fortgesetzt 
steigert. 10 kg. Trockensubstanz liefern bei einem Schlamme mit 
80°/ 0 Wasser beispielsweise 14400, bei einem Schlamme mit 10°/® 
Wasser 39296 Wärmeeinheiten. Die Klärrückstände sind wegen 
ihres Wassergehaltes, aber auch wegen des bis zu 20 °/ 0 betragenden 
Fettgehaltes als Feuerungsmaterial wenig geeignet. Vermengen 


Digitized by v^ooQle 



327 


•des Schlammes mit anderen Brennstoffen, wie Braunkohle, schwächt 
die Übelstände ab, hebt sie aber nicht auf. 

Wasser- und Fettgehalt behindern auch die Verwendung des 
Schlammes zur Gaserzeugung: das verdampfende Wasser bindet 
viel Wärme und die bei 300 Grad destilierenden Zersetzungs¬ 
produkte der Fette schlagen sich in den Apparaten zum Teil nieder. 
Überdies ist das gewonnene Gas geringwertig. Durch Überleiten 
des Wasserdampfes und der teerartigen Dämpfe über glühende 
Kohle kann die verlorene Wärme wieder eingebracht und die Ab¬ 
scheidung fettiger und teerartiger Massen verhindert werden. Durch 
glühende Kohle werden Wasser und Kohlensäure in Wasserstoff 
und Kohlenoxyd umgesetzt. Nach dem Verfahren des Verfassers 
wird das Gas vorteilhafter über ein erhitztes Gemenge von Kohle 
und Metall, z. B. Eisen, geleitet. Eisen zersetzt nämlich Wasser 
schon bei einer viel niedrigeren Temperatur als Kohle; das hierbei 
gebildete Eisenhydroxyd wird im weiteren Verlaufe des Prozesses 
wieder zu Metall reduziert. Der Klärschlamm muss bis auf 40°/ 0 
Wassergehalt vorgetrocknet oder mit Steinkohlen gemischt vergast 
werden. Grosse-Bohle (Cöln). 

Renk, Die Verwendung schwefligsaurer Salze zur angeblichen 
Konservierung von Fleisch. (Arbeiten aus den Kgl. hygienischen 
Instituten zu Dresden. 1903.) 

Verfasser veröffentlicht ein von ihm über diesen Gegenstand 
früher erstattetes Gutachten. Die Verwendung schweflichsaurer 
Salze bei Herstellung von Hackfleisch ist ein sehr bedauerliches 
Verfahren, weil es den Konsumenten täuscht und in seiner Gesundheit 
bedroht und den Schlächter verleitet, das Mass der Reinlichkeit in 
seinem Betriebe herabzusetzen, möglicherweise auch bedenkliche 
Fleischwaren zu Hackfleisch zu verarbeiten. (Die Verwendung 
der schwefligen Säure und ihrer Salze zur Konservierung von 
Fleischwaren ist nunmehr bekanntlich auf Grund des Fleisch¬ 
beschaugesetzes verboten. Ref.) Grosse-Bohle (Cöln). 

Xirstein, Leitfaden für Desinfektoren in Frage und Antwort. 2. Aufl. 
(Berlin 1905. J. Springer.) 

ln kurz gefassten, leichtverständlichen Fragen und Antworten 
erläutert Verfasser zunächst einige zur Sache gehörenden Grund¬ 
begriffe. Im Hauptteile werden alsdann in derselben Form die 
gebräuchlichsten Desinfektionsmittel und ihre Anwendung bei den 
— nach dem Vorgänge von Flügge in drei Gruppen geschiedenen — 
ansteckenden Krankheiten besprochen. Für die Desinfektion von 
Wohnräumen empfiehlt Verfasser ausschliesslich das sogenannte 
Breslauer Verfahren. Dem Büchlein sind mehrere Anlagen bei- 


Digitized by 


Google 



328 


gegeben, worin die vom Desinfektor der Reihe nach auszuführenden 
Verrichtungen und die mitzuführenden Gegenstände angegeben 
werden. Grosse-Bohle (Cöln). 

Vivaldi und Rodella, Die Austerninfektionen. (Hygien. Rundschau 
1906, S. 174.) 

In Padua wurden im Laufe der letzten Jahre nicht sehen 
sehr schwere Infektionsfälle festgestellt, die von den behandelnden 
Ärzten als Typhus erklärt und dem Genüsse von Weichtieren zu- 
geschrieben wurden. Diese Fälle veranlassten die Verf., methodische 
Untersuchungen über das Austernmaterial anzustellen, das von 
Venedig und Chioggia nach Padua eingeführt wird. Typhusbazillen 
fanden sie darin nie, dagegen fast immer B. coli und die gewöhn¬ 
lichen saprophytischen Arten. 10 von 20 Austernproben riefen 
krankhafte Erscheinungen in den damit geimpften Versuchstieren 
hervor. In vier Proben fand sich ein dem B. coli ähnlicher Bazillus, 
der alle Charaktereigenschaften besitzt, um in die Gruppe der 
Kapselbazillen eingereiht werden zu können. Dieser Bazillus ist 
mit bedeutender Virulenz ausgestattet. Die Kulturen töteten bei 
Einspritzung unter die Haut Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen 
nach 1—2 Tagen; bei Einführung in die Verdauungswege töteten 
sie ebenfalls die Mäuse und einen Teil der behandelten Kaninchen,, 
während sie Meerschweinchen nicht schädigten. Die Autopsie der 
getöteten Tiere ergab u. a. Milzanschwellung und starken Magen- 
und Darmkatarrh. 

Zur Verhütung von Austeminfektionen ist darauf zu dringen, 
dass die Zuchtparke der Austern von jeder Verunreinigung bewahrt 
bleiben und dass die Mollusken nur in frischestem Zustande zum 
Verkaufe gelangen. Grosse-Bohle (Cöln). 

Dörfler, Zur Verhütung des Puerperalfiebers. Eine Studie aus der 
Praxis. (M. M. W. 1895, Nr. 9.) 

Es ist ein trauriges Bild, das uns hier der Verfasser von der 
Misswirtschaft der Hebammen aus den ländlichen Bezirken seiner 
Praxis entwirft; traurig in Hinblick auf die viele vergebliche 
Arbeit, die auf diesem Gebiete schon geleistet ist, trauriger in 
Hinblick auf den grossen Verlust nationaler Gesundheit, der unter 
den obwaltenden Verhältnissen unvermeidlich ist. Unerschrocken 
deckt der Verfasser diesen wundesten Punkt unserer Volkshygiene 
auf und macht seinerseits Vorschläge, wie dem Übel zu steuern 
sei. Bei seinen Forderungen rechnet er mit dem vorhandenen 
minderwertigen Hebammen-Material. Er will neben besserer Aus¬ 
bildung und Fortbildung, die Benutzung von Gummi-Handschuhen 
obligatorisch machen, wodurch allein eine bessere Aseptik zu er- 


Digitized by 


Google 


329 


reichen ist. Dazu verlangt er eine staatliche Garantie der Ge- 
bührenauszahlung in der Weise, dass der Standesbeamte bei der 
Geburtsanmeldung gleichzeitig die Taxe für die Hebamme erhebt; 
ausserdem Aussetzung von Prämien und Elinrichtung von Unter¬ 
stützungskassen für Invalidität, Krankheit und Sterbefall. 

Dietrich (Cöln). 

Schürer von Waldheim, Ignaz Philipp Semmelweis, sein Leben und 
Wirken. Urteile der Mit- und Nachwelt. (Wien u. Leipzig 1905. A. Hart¬ 
leben.) 

Die Fortschritte auf dem Gebiete der Naturwissenschaften und 
der Medizin waren namentlich in der zweiten Hälfte des vorigen 
Jahrhunderts so schnell aufeinander folgend, so bedeutend und 
umwälzend, dass es schwierig ist, den historischen Überblick zu 
behalten und eine gerechte Würdigung der Verdienste des ein¬ 
zelnen an dem Gesamtfortschritte zu gewinnen. Ein Markstein 
in der praktischen Medizin ist die Erkennung des Wundflebers und 
die damit verbundene Einführung der Antisepsis. Sie ist eng ver¬ 
knüpft mit dem Namen des englischen Arztes Li st er und des 
französischen Forschers Pasteur. Dass ein Deutsch-Österreicher 
eigentlich den Anspruch erheben darf, an erster Stelle genannt 
zu werden, ist erst spät gewürdigt worden. Es war Semmel weis, 
der im Jahre 1847 in Wien das Wochenbettsfieber als ein Wund¬ 
fieber erkannte, das durch Sauberkeit und Desinfektion vermieden 
werden kann. Für die jüngere Generationen der Ärzte, die in den 
Anschauungen der Anti- und Asepsis erzogen sind, ist es schwer 
sich vorzustellen, dass eine so epochemachende, weittragende Ent¬ 
deckung wie die von Semmelweis über 20 Jahre kämpfen musste, 
um allgemeine Anerkennung zu finden. Da ist ein Buch wie das 
vorliegende sehr zu begrüssen, nicht nur um den Verdiensten des 
lange verkannten Forschers gerecht zu werden — dieser Ehrenschuld 
kam schon 1882 Hegar durch seine vorzügliche Semmelweis- 
Biographie nach — sondern vor allem, um uns ein Spiegelbild der 
damaligen Zeit zu geben, in der der Boden für ein Verständnis 
so umwälzender Anschauungen wie der von Semmel weis eben 
noch nicht vorhanden war. Darin erblickt Ref. den Hauptwert 
des Buches, in dem mit grösstem Fleiss und viel Geschick alles 
zusammengetragen ist, was für die Beurteilung der damaligen Zu¬ 
stände von Wert ist. Verf. hat es verstanden, die Jahre der Gärung 
in der Frage der Herkunft des Wochenbettfiebers so plastisch zu 
schildern, dass wir sie gleichsam miterleben. Wir verstehen jetzt, 
wie ein Teil der Schuld seiner Verkennung in Semmelweis per¬ 
sönlichem Verhalten lag. Wie er es verschmähte, zeitig als Vor- 
kämpfer für seine Lehre in Wort und Schrift aufzutreten; wie er 


Digitized by 


Google 



330 


'es unterliess, Irrtümer zu widerlegen und Angriffe abzuwehren. 
So gewinnen wir auf dem Hintergründe der Zeitgeschichte ein Bild 
seines Charakters, das uns sowohl Achtung als Mitgefühl einflösst. 
Ein tragisches Geschick liess erst dem früh Verschiedenen die all¬ 
seitige Anerkennung werden, die es dem Lebenden versagt hatte. 
Die Nachwelt schuldet einem Mann wie Semmelweis aber nicht nur 
Anerkennung, sondern auch Dankbarkeit. Aus diesem Geiste heraus 
hat Verf. sein Buch geschrieben, das nicht nur an Ausführlichkeit 
allem was bisher über Semmelweis existierte überlegen ist, 
sondern geradezu ein literarisches Denkmal bedeutet, das ihm ein 
Einzelner im Sinne Vieler errichtete. Möge es recht . viel und 
gründlich gelesen werden. Dietrich (Cöln). 

Brennecke, Reform des Hebammenwesens oder Reform der ge- 
burtshülflichen Ordnung? (Magdeburg 1905. Faber.) 

Anlässlich des dem preussischen Landtage zugegangenen 
(inzwischen erledigten) Gesetzentwurfes betreffend Neuregelung des 
Hebammenwesens erhebt der auf dem Gebiete der Geburts- und 
Wochenbetts-Hygiene rülnnlichst bekannte Verfasser nochmals seine 
warnende Stimme gegen die Beschränkung der Reform rein auf 
das Hebammenwesen. Seine Forderungen beziehen sich auf eine 
umfassende Reform der ganzen geburtshilflichen Ordnung. Der 
soziale Organismus der Geburts- und Wochenbettshygiene müsse 
umfassen: Ärzte, Hebammen, Wochenpflegerinnen, Hauspflegerinnen, 
Helferinnen und Frauenvereine und die Wechselbeziehungen dieser 
einzelnen Organe sind zu einander in klarer Weise festzulegen. 
Diesen Gedanken hat Verfasser ausführlich behandelt in zwei dem 
Kultusministerium überreichten Denkschriften vom Juni 1901 und 
vom Februar 1903, betitelt: „Zur Reform des Hebammenwesens“ 
und „Auf welche Gegenstände hat sich die Neubearbeitung des 
preussischen Hebammenlehrbuchs in erster Linie zu erstrecken und 
welche Gesichtspunkte sind hierbei zugrunde zu legen“. Im An¬ 
schluss an diese beiden Arbeiten wird in extenso der Vortrag 
mitgeteilt, den Verfasser am 19. September 1898 in der gynäko¬ 
logischen Sektion der Naturforscher-Versammlung zu Düsseldorf 
gehalten hat, über: „Die Stellung der geburtshilflichen Lehr¬ 
anstalten und der Wöchnerinnen-Asyle im Organismus der Geburts¬ 
und Wochenbetthygiene“, sowie das von ihm auf der XXI. Ver¬ 
sammlung des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 
zu Kiel am 10. September 1896 erstattete Referat über „Das Ziel 
der sozialen Entwicklung auf geburtshilflichem Gebiet: — Die 
Errichtung von Heimstätten für Wöchnerinnen“. So fest der Ver¬ 
fasser auf die Durchführung der von ihm geplanten grosszügigen 
Reform besteht und die isolierte Reform des Hebammenwesens nur 


Digitized by 


Google 



331 


als eine Abschlagszahlung betrachtet, so ist letztere für ihn auch 
nur annehmbar, wenn sie die folgenden Kardinal-Forderungen 
erfüllt: 

1. Entwickeltere Intelligenz und bessere allgemeine Vorbildung 
der zum Hebammenunterricht zuzulassenden Schülerinnen und 
dementsprechende wesentliche Vertiefung des ganzen Hebammen- 
Unterrichts; 

2. Anstellung sämtlicher Hebammen als Bezirkshebammen 
und grundsätzliche Beseitigung aller sogenannten freipraktizierenden 
Hebammen; 

3. genügende pekuniäre Sicherstellung der Bezirkshebammen 

durch Garantierung eines dem Gehalt der Lehrerinnen gleich zu 
bemessenden Mindesteinkommens, samt Alters- und Invaliditfits- 
versorgung derselben. Dietrich (Cöln). 


Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neuen 

Bücher etc. 

Brat, H., Über Erfolge der Sauerstofftherapie unter besonderer Berück¬ 
sichtigung der in den Gewerbebetrieben gewonnenen Erfahrungen 
bei gewerblichen Vergiftungen. Jena 1905. Gustav Fischer. Preis 75 Pfg. 

Caspari, Dr. W., Privatdozent an der kgl. landwirtschaftlichen Hochschule 
Berlin, Physiologische Studien über Vegetarismus. Mit 2 Lichtdruck- 
und 1 Kurventafel. 128 S. Bonn 1905. Martin Hager. Preis 3 Mk. 

Elsaesser, Dr., Über die sog. Bergmannskrankheiten. Abzehrung und 
Wurmkrankheit unter den Bergleuten, auch mit Rücksicht auf ihre 
Gefahren für die Allgemeinheit. Arnsberg 1905. F. W. Becker. Preis 
60 Pfg. 

Frese, Dr., Die Prinzessin Luise von Sachsen-Coburg und Gotha geb. 
Prinzessin von Belgien. Eine forensisch-psychiatrische Studie. Halle 
1905. Carl Marhold. Preis 2 Mk. 

Kamen, Dr. L., Die Infektionskrankheiten rücksichtlich ihrer Verbreitung, 
Verhütung und Bekämpfung. Kurzgefasstes Lehrbuch für Militärärzte, 
Sanitätsbeamte und Studierende der Medizin. Mit etwa 60 Abb. im 
Text und 5 Taf. Lfg. 2/4. Wien 1905. Josef SafaL Preis k 1,50 Mk. 

Kraft und Schönheit. Zeitschrift für vernünftige Leibeszucht. 5. Jahrg., 
Nr. 7. 

Müller, P. Johs, Handbuch über Schulmöbel der Werkstätten für Schul¬ 
einrichtung. Charlottenburg 5. 

Mutterschutz. Zeitschrift für Reform der sexuellen Ethik. I. Jahrg., 
1. Heft. Frankfurt a. M. J. D. Sauerländers Verlag. Preis 60 Pfg. 

Plehn, Die Gewinnung und der Vertrieb hygienisch einwandfreier Milch. 
Leipzig 1905. M. Heinsius Nachf. Preis 60 Pfg. 

56. Bericht der Lese- undRedehalle der deutschen Studenten in Prag. 
1904. 


Digitized by 


Google 



332 


Schanz, Dr. Fritz, Die Armen-Krankenpflege. 

— Die Krankenfürsorge der Gemeinden. 

-Die Stellung des Arztes an den öffentlichen Krankenanstalten. 

Schlegtendal, Dr., Die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Re¬ 
gierungsbezirk Aachen. Jena 1905. Gustav Fischer. Preis 60 Pfg. 
Schmidt, Dr., Über das im Kreise Ottweiler geübte Verfahren der Typhua- 
bekämpfung mittelst Aufstellung fliegender Baracken im Typhus- 
gebiete. Jena 1905. Gustav Fischer. Preis 80 Pfg. 

Sen ft, Dr. E., Mikroskopische Untersuchung des Wassers mit Bezug auf 
die in Abwässern und Schmutzwässern vorkommenden Mikroorganis¬ 
men und Verunreinigungen. Mit 180 Textfig. u. 10 Taf. Wien 1905. 
Josef Safar. Preis 9,60 Mk. 

Stransky, Dr. E., Über Sprachverwirrtheit. Beiträge zur Kenntnis der¬ 
selben bei Geisteskranken und Geistesgesunden. Halle 1905. Carl 
Marhold. Preis 2,80 Mk. 

Vorberg, Dr. G., Kurpfuscher! Eine zeitgemässe Betrachtung. Mit einem 
Vorworte von Prof. Dr. H. Sahli. Leipzig 1905. Franz Deuticke. Preis 
2,50 Mk. 

Bericht des Wiener Stadtphysikates über seine Amtstätigkeit und 
über die Gesundheitsverhältnisse der k. k. Reichshaupt- und Residenz¬ 
stadt Wien 1900—1902. Wien 1905. Gerlach & Wiedling. 

NB. Die für die Leser des „Centralblattes für allgemeine Gesundheits¬ 
pflege“ interessanten Bücher werden seitens der Redaktion zur Besprechung 
an die Herren Mitarbeiter versandt und Referate darüber, soweit der be 
schränkte Raum dieser Zeitschrift es gestattet, zum Abdruck gebracht. Eine 
Verpflichtung zur Besprechung oder Rücksendung nicht besprochener Werke 
wird in keinem Falle übernommen; es muss in Fällen, wo aus besonderen 
Gründen keine Besprechung erfolgt, die Aufnahme des ausführlichen Titelß, 
Angabe des Umfanges, Verlegers und Preises an dieser Stelle den Herren 
Einsendern genügen. D ; e Verlagshandluilfl. 


Soeben erschien: 

Physiologische Studien 

über 

Vegetarismus 

von 

Dr. W. Caspari, 

Privatdozent an der kgl. landwirtschaftlichen Hochschule Berlin. 
Mit 2 Lichtdruck- und 1 Kurve, 'ifel. 

128 S. - Preis 8,— Mk. 

Verlag von Martin Hager in Bonn. 


Digitized by v^ooQle 


Über den Umfang der Säuglingssterblichkeit 
in der Stadt Dortmund. 

(Studie aus dem städtischen Statistischen Amt.) 

Von 

Dr. August Busch. 


(Mit 6 Abbildungen.) 


Bei der ausserordentlichen Bedeutung, welche die Frage der 
Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit besitzt, dürfte ein Beitrag 
zur Statistik, welcher Beobachtungen aus einer grossen westlichen 
Industriestadt enthält, von Wert sein. 

Wie ja bei dem Studium einer grossen Zahl sozialer Probleme 
das Auge des Beobachters sich vor allem der Grossstadt zuwendet, 
geschieht dieses auch bei Untersuchungen über die Säuglingssterblich¬ 
keit. Einerseits ist hier das Beobachtungsmaterial verhältnismässig 
leicht und auch vollständig erhältlich, andererseits bietet aber auch 
die Grossstadt vor allem die Möglichkeit, diejenigen Vorschläge, 
welche sich auf Massnahmen zur Bekämpfung des Übels beziehen, 
zur Ausführung zu bringen und ihre Wirkung zu beobachten. 

Die vorliegende Untersuchung ist rein statistischer Art und es 
wurde somit vom wissenschaftlichen Standpunkte aus der Statistik 
in erster Linie der Versuch, Gesetzmässigkeiten zu finden, zugewiesen. 
Es ist bekannt, dass gerade Statistiken, welche sich auf das Arbeits¬ 
feld des Arztes erstrecken, für die Methodik der Behandlung 
besondere Schwierigkeiten bieten, deren Beseitigung teils durch 
eine peinlich exakte Bearbeitung zu erreichen ist, teils aber auch 
durch Anordnungen in der staatlichen und kommunalen Verwaltung 
unterstützt werden kann. Wenn beispielsweise für die Beschaffung 
einer einigermassen einwandfreien Todesursachen-Statistik allgemein 
die obligatorische Leichenschau als Grundbedingung angesehen wird, 
so muss bezüglich der Beobachtung der Säuglingssterblichkeit dieser 
Bedingung noch ein ganz besonderer Wert zugeschrieben werden. 
Alle diejenigen Gründe, welche bei der Forderung einer vollständigen 
Durchführung der obligatorischen Leichenschau angegeben werden, 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 23 


Digitized by t^ooQle 



334 


wie die Möglichkeit der Erkennung verbrecherischer Handlungen, 
sowie die dauernde Überwachung sanitärer Verhältnisse treffen für 
die Beobachtung der Kindersterblichkeit in verstärktem Masse zu. 

In der Erkenntnis der verschiedensten allgemeinen Schwierig¬ 
keiten der Methodik dieser Statistik sollte daher nicht vergessen werden, 
dass bei Anerkennung der Unhaltbarkeit der Zustände dennoch ent¬ 
sprechende Schlüsse aus den Zahlen der Statistik nur mit grösster 
Vorsicht gezogen werden dürfen. Es sei daher gestattet, vor dem 
Eintritt in die Darstellung der Verhältnisse in Dortmund selbst, 
einige Betrachtungen allgemeiner, aber grundlegender Natur voraus¬ 
zuschicken. 

Zur Schilderung des Umfanges der Säuglingssterblichkeit wird 
diejenige Zahl von im 1. Lebensjahr gestorbenen Kindern, welche 
auf 100 bezw. 1000 Lebendgeburten des betreffenden Jahres kommen, 
berechnet. Nach dieser Rechnung treffen in Deutschland z. Zt. 
jährlich auf 1000 Lebendgeburten rund 200 Sterbefälle von Kindern 
im 1. Lebensjahre. Es wird nun weiter gefolgert, dass beim Ver¬ 
gleich mit anderen Ländern die Ziffer für Deutschland eine er¬ 
schreckende Höhe erreicht hat. Ohne hierbei das Vorhandensein 
eines Übelstandes in Abrede zu stellen, ohne die Notwendigkeit 
der Ergreifung entsprechender Massnahmen leugnen zu wollen, sollte 
doch vom nationalökonomisch-statistischen Standpunkte aus eine 
derartige Folgerung aus Zahlen nur in solchen Fällen gezogen werden, 
in denen einigermassen der Grösse nach vergleichbare Zahlen ein¬ 
ander gegenüberetehen. 

Wenn wir für die Gestaltung der Grösse der Kindersterblich¬ 
keit die Möglichkeit des Vorhandenseins von Gesetzmässigkeiten 
nicht ohne weiteres bestreiten wollen, so muss die Verschiedenheit 
der Bedeutung der Prozentziffer der Säuglingssterblichkeit in bezug 
auf die Zahl der Lebendgeburten in verschiedenen Gebieten die ge¬ 
bührende Beachtung finden. Wenn wir anerkennen, dass die Höhe der 
Geburtenziffer in einem Abhängigkeitsverhältnis zur wirtschaftlichen 
Lage eines Landes, zur Ausdehnung der Industriealisierung desselben, 
zu den Wohlhabenheits Verhältnissen der Bevölkerung und zum Alters¬ 
aufbau derselben steht, so müssen wir zum mindesten als möglich 
anerkennen, dass auch eine gesetzliche Beziehung zwischen der 
Säuglingssterblichkeit und der Geburtenziffer, sowie auch den diese 
beeinflussenden Ursachen besteht. Es ist also nicht ausgeschlossen, 
dass beim Vergleich von politisch und wirtschaftlich in sich ge¬ 
schlossenen Gebieten eine Gesetzmässigkeit bestehen kann, nach der 
in Gebieten mit hoher Geburtenziffer und hohem Geburtenüberschuss 
die Säuglingssterblichkeit nicht nur absolut, sondern auch relativ 
grösser sein muss, als in anderen. 

Es wird beispielsweise Frankreich im Gegensatz zu Deutschland 


Digitized by 


Google 



335 


angeführt, unter der Annahme besserer Verhältnisse daselbst, als in 
Deutschland. Es dürfte aber gerade in diesem Falle einleucbten, 
«lass selbst ein niedriger Prozentsatz der Sterbefälle von Säuglingen, 
an der Zahl der Lebendgeburten, für Frankreich mit seinem dauernd 
im Rückgang befindlichen Geburten-Überschuss von einer wesentlich 
grösseren volkswirtschaftlichen Bedeutung ist, als ein etwas höherer 
Prozentsatz für das Deutsche Reich. 

Auf die Vergrösserung der Sterblichkeit in höheren Lebens¬ 
altern, sowie auch die geringere Leistungsfähigkeit künstlich er¬ 
haltener Individuen, worauf von manchen Seiten hingewiesen wird, 
-einzageben, ist hier nicht die Stelle, es soll lediglich festgestellt 
werden, dass es einer genauen Untersuchung über das Vor¬ 
handensein von Gesetzmässigkeiten bedarf, um unter¬ 
scheiden zu können zwischen denjenigen Einflüssen auf 
die Kindersterblichkeit, welche wirksam bekämpft werden 
können und solchen, welche, als natürlichen Gesetzen 
folgend, wohl kaum zu verhindern sind. 

Mit entsprechender Modifizierung wird natürlich die prozen¬ 
tual berechnete Säuglingssterblichkeit in ihrem Umfang bei kleineren 
Gebieten zu beurteilen sein. Dem vorliegenden Beobachtungsmaterial 
folgend seien zunächst die Verhältnisse im Königreich Preussen zur Dar¬ 
stellung gebracht.. Nach dem statistischen Jahrbuch für den preussischen 
Staat 1 ) kamen jährlich durchschnittlich im 1. Lebensjahr verstorbene 
Kinder auf 1000 Lebendgeburten: 206,0 in derZeitperiode 1875—1880, 
sodann 207,6 in den Jahren 1881—1890 und 203,2 in den Jahren 
1891—1900. Bei einer Unterscheidung von ehelichen und unehelichen 
Geburten ergibt sich für die unehelichen Geburten, den allgemeinen 
Beobachtungen entsprechend, ein wesentlich höherer Prozentsatz als 
für die ersteren. Es kamen im 1. Lebensjahre Verstorbene auf 
1000 Lebendgeburten jährlich in der Periode 1875—1880 bei den 
ehelichen Geburten 194,0, bei den unehelichen Geburten 353,1, in 
den Jahren 1881—1890 bei den ehelichen Geburten 194,8, bei den 
unehelichen Geburten 354,7, in den Jahren 1891—1900 bei den 
ehelichen Geburten 190,6, bei den unehelichen Geburten 355,8. Bei 
der gegenseitigen Beurteilung der Zahlen für die ehelichen und un¬ 
ehelichen Geburten ist jedoch die eingangs gemachte Ausführung zu 
berücksichtigen, dass solche Prozentsätze nur dann einander gegen¬ 
übergestellt werden dürfen, wenn sie sich auf einigermassen gleich 
grosse Beobachtungszahlen beziehen. 

Wenn man nun bedenkt, dass die Zahl der unehelichen Ge¬ 
burten in Preussen nach den Beobachtungen in den letzten Jahren 
«twa 7 °/ 0 von der Gesamtzahl der Geburten ausmacht, so geht hieraus 


1) Jahrg. II 1904 (1905) S. 18. 


Digitized by 


Google 



336 


bereits hervor, dass die ausserordentlich gross erscheinende Differenz, 
zwischen den °/ 00 -Ziffem in der Sterblichkeit der ehelichen und un¬ 
ehelichen Säuglinge zu einer richtigen Beurteilung wesentlich reduziert 
werden muss. Es ist bekanntlich ferner noch bei der Beurteilung 
des Unterschiedes im Verhalten der unehelichen zu den ehelichea 
Geburten die Zahl der späterhin legitimierten Kinder in, Rücksicht 
zu ziehen und es sei hier noch ferner darauf aufmerksam gemacht, 
dass wohl, in der Annahme aus der Höhe der unehelichen Geburtea 
auf andere allgemeine Verhältnisse schliessen zu können, eigentlich 
nicht nur die Zahl der unehelich geborenen, sondern auch die Zahl 
der ausserehelich erzeugten Kinder in Rücksicht zu ziehen sein wtirde- 
In Gegenden, wo das Schlafgängerwesen besonders stark ausgebildet 
ist, herrschen oft Zustände, auf welche man für gewöhnlich aus der 
Zahl der unehelichen Geburten schliessen zu dürfen glaubt, Ver¬ 
hältnisse, in denen die Lebenswahrscheinlichkeit der Kinder in ganz 
besonderem Masse herabgesetzt wird. Betrachtet man nun die für 
Preussen oben angegebenen Zahlen für die prozentuale Grösse der 
Säuglingssterblichkeit, so könnte man daraus schliessen, dass die 
Kindersterblichkeit in diesem Staat eine Tendenz zum Rückgang zeigt. 
Mit Rücksicht aber auf die dauernd steigende Gesamt-Geburtenziffer 
ist trotz des sinkenden oder wenigstens gleichbleibenden Prozent¬ 
satzes der Sterbefälle eine erhebliche Steigerung der absoluten 
Sterblichkeit als vorhanden zu erkennen. Es scheint, als ob diese* 
Frage doch einer eingehenderen Untersuchung bedürfe, unter Zu¬ 
grundelegung der Verhältnisse in verschieden grossen Verwaltungs¬ 
gebieten, um beurteilen zu können, bei welchen Zahlen-Verhältnissen 
man von grösserer oder geringerer Säuglingssterblichkeit reden darf. 

Das preussische statistische Jahrbuch gibt in seinen Aufstellungen 
des weiteren die prozentuale Säuglingssterblichkeit für die einzelnen 
Regierungsbezirke. In der beifolgenden Tabelle Nr. I (S. 338) sind die* 
Zahlen als Mittelwerte aus der Periode 1891—1900 und der Pe¬ 
riode 1875—1880 einander gegenübergestellt unter Gruppierung 
der Regierungsbezirke nach der Grössen-Ziffer in der erstgenannten 
Periode. Ferner sind die hierdurch bestimmten Grössen der Säuglings¬ 
sterblichkeit in dem Kartogramm Fig. I durch verschiedene Ab¬ 
tönung zur Darstellung gebracht. Es möge nun angenommen werden, 
dass die Grösse der Regierungsbezirke sowie die absoluten Ziffern 
der Säuglingssterblichkeit sich in solchen Grenzen bewegen, dasa 
sie noch miteinander vergleichbar sind. Wie aus den Zahlen er¬ 
sichtlich ist, schwankt die °/ 00 -Ziffer für die Säuglingssterblichkeit 
zwischen rund 100 und annähernd 300 in den einzelnen Regierungs¬ 
bezirken und wie das Kartogramm lehrt, zeigen die östlichen Be¬ 
zirke eine weit grössere prozentuale Kindersterblichkeit als die 
westlichen. Unter sämtlichen Regierungsbezirken treten Stettin, 


Digitized by t^ooQle 



337 



Digitized by t^ooQle 


Stat/iKttim Amt 4er Stadt Dortmund 
















338 


Tabelle I. 

Auf 1000 Lebendgeburten kamen im Durchschnitt jährlich 
im 1. Lebensjahr Verstorbene. 


In den 

In den Zeit- 

In den 

In den Zeit- 

Regierungs- 

abschnitten 

Regierungs- i 

abschnitten 

bezirken 

1891/1900j 1875/80 

bezirken 

1891/1900 

1875/80 

Aurich. 

102 

115 

Oppeln. 

211 

212 

Osnabrück.... 

121 

129 

Königsberg . . . 

215 

217 

Kassel. 

135 

164 

Cöln. 

218 

202 

Minden . 

135 

151 

Bromberg. 

223 

215 

Stade. 

138 

137 

Merseburg .... 

224 

214 

Wiesbaden .... 1 

142 

162 

Marienwerder . 

226 

226 

Arnsberg. 

151 

151 

St. Berlin . . . . 

230 

304 

Lüneburg. 

157 

150 

Gumbinnen . . 

230 

219 

Trier. 

157 

157 

Stralsund. 

230 

19b 

Hildesheim .... 

159 

161 

Magdeburg... . 

231 

21 £ 

Koblenz. 

161 

179 

Sigmaringen . . 

233 

317 

Schleswig. 

162 

150 

Frankfurt. 

234 

220 

Münster. 1 

164 

150 

Danzig. 

243 

23b 

Hannover . 

170 

165 

Potsdam. 

256 

254 

Köslin.■. 

172 

166 

Stettin. 

259 

221 

Düsseldorf . ... 

! 174 

166 

Breslau. 

273 

274 

Erfurt. 1 

! 175 

186 

Liegnitz. 

273 

| 289 

Posen. 




203 

216 

Im Königreich 



Aachen. 

210 

193 

Preussen .... ’ 

203 

, 206 


(Entnommen dem Statistischen Jahrbuch für den Preussischen Staat 1904.) 


Potsdam, Liegnitz und Breslau ganz besonders hervor. Es erhellt 
aber ferner aus der Zahlen-Aufstellung deutlich, dass zwischen der 
Periode 1875—1880 und der Periode 1891—1900 nur geringe Ver¬ 
schiebungen in der Grössen-Gruppierung der Regierungsbezirke ein¬ 
getreten sind. Ein grosser Teil derselben zeigt einen Rückgang der 
Promilleziffer, viele einen Stillstand und wie bereits erwähnt, ist 
das Gesamt-Resultat in der letzten Zeitperiode ein Rückgang der 
°/ 00 -Ziffer gegen die frühere Zeit für das gesamte Königreich, so 
dass also das Kartogramm in seinem grossen Zuge als Darstellung* 
der Verhältnisse seit den 70er Jahren gelten darf. Ohne auf die 
verschiedenen wirtschaftlichen Einflüsse in östlichen und westlichen 
Provinzen einzugehen, könnte vielleicht noch die Möglichkeit in Rück¬ 
sicht gezogen werden, dass auf diese Verteilung der Sterblichkeits¬ 
verhältnisse herbstliche Rückwanderungen der Bevölkerung (oszillie¬ 
rende Wanderungen) aus den westlichen Teilen des Königreich» 
nach den östlichen Teilen in bedeutendem Masse mitwirken, so das» 
also ein Teil der im Osten verstorbenen Säuglinge eigentlich auf 
Rechnung der Sterblichkeitsursachen im Westen zu setzen wäre. 


Digitized by v^ooQle 
































339 


Jedenfalls lässt sich aber trotzdem vom Standpunkte 
der vorliegenden Arbeit als besonders interessant kon¬ 
statieren, dass die Säuglingssterblichkeit im Westen ver¬ 
hältnismässig geringer erscheint als im Osten. Noch etwas 
prägnanter tritt diese Tatsache hervor, wenn man die Darstellung 
auf grössere Gebiete, die Provinzen, erstreckt. In der Tabelle Nr. II 


Tabelle II. 

Die Geburtenziffer und die Säuglingssterblichkeit in den Preussischen 
Provinzen in den Jahren 1882 und 1903. 


In den preussischen 

Provinzen: 

1 

betrug die Zahl der 
Lebendgeborenen 

1882 0 1903») 

starben E 
1. Lebe 

1882 0 

Binder im 
nsjahre 

1903») 

Das si 
1000 L 
gebo 

1882 

nd auf 
ebend- 

rene 

1903 1 2 3 ) 

Ostpreusseu.! 

76 524 

69 033 

; 18 753 

15 670 

245 

227 

Westpreussen .... 

61 495 

64 305 

15 078 

14 597 

245 

227 

Stadt Berlin. 

44146 

47 789 

12 044 

9 462 

273 

198 

Brandenburg . 

83 611 

94 804 

19 387 

21 521 

232 

227 

Pommern. 1 

58 305 

55 460 

11 390 

12 312 

195 

222 

Posen. 

72 460 

79 293 

16 675 

16 414 

230 

207 

Schlesien. 

150 924 

180 101 

39 821 

1 42 504 

263 

236 

Sachsen.| 

88 378 

95 660 

18 718 

20 471 

212 

214 

Schleswig-Holstein 

36 551 

44 483 

' 5 289 

6 895 

145 

155 

Hannover . 

68 947 

82 332 

1 9 912 

12 103 

144 

147 

Westfalen.1 

79 158 

136 8851 

11700 

20 530 

1 148 

150 

Hessen-Nassau ... 

52 280 

60 3931, 8 228 

8 395 

157 

139 

Rheinland.Ij 

153 544 

222 548 

27 590 

38 501 1 

1 180 

173 

Hohenzollern.i 

2 623 

2147 

627 

i 509 | 

| 239 

237 

Königr. Preussen . 

11 028 946 

1235 213 

I 215212 

239 884 | 

209 

| 194 ~ 


sind die Verhältnisse in den Provinzen ziffernmässig dargestellt 
nach den Notierungen aus dem Jahre 1882 und nach denen aus 
dem Jahre 1903; ein umfassenderes Zahlenmaterial als für diese 
beiden Jahre stand z. Zt. nicht zur Verfügung. Es ist aber auch 
aus diesem interessant zu ersehen, welche Differenzen in dem ca. 
20jährigen Zeitraum in der Zahl der Lebendgeburten eingetreten 
sind und wie sich dem gegenüber die Säuglingssterblichkeit ver¬ 
hält. Die Zahlen sind auch genügend gross, um besondere Extreme 
in einem der beiden Jahre in den Witterungs Verhältnissen oder der- 

1) Preussische Statistik LXXV 1884. Die Kindersterblichkeit in 
Preusseu 1882. 

2) Statistisches Jahi-buch für den Preussischen Staat II 1904. 

3) Berechnet aus der %o-Ziffer wegen Mangel an Material. Die 
Fehlergrenze beträgt höchstens 1 °/ Q0 . 


Digitized by 


Google 

















340 


gleichen, wenigstens für die allgemeine Beurteilung, verschwinden 
zu lassen. Nimmt man also auch hier wieder die Zulässigkeit einer 
Vergleichung der für die Provinzen gefundenen Zahlen an, so ergibt 
sich folgendes: 

Die Zahl der Lebendgeburten ist im Jahre 1903 kleiner, 
als im Jahre 1882 in den Provinzen: Ostpreussen, Pommern und 
Hohenzollern. Hierbei ist die Sterbeziffer der Säuglinge im 
Jahre 1903 grösser in Pommern, und zwar absolut und relativ, da¬ 
gegen kleiner in Ostpreussen und Hohenzollern. 

Die Zahl der Lebendgeburten ist dagegen im Jahre 1903 
in allen übrigen Provinzen grösser.— Es finden sieh aber unter diesen 
mehrere, in denen die Sterbeziffer der Säuglinge gesunken ist, in 
einigen besteht sogar ein Unterschied zwischen dem Verhalten der 
absoluten und der relativen Sterbeziffer. 

Die absolute, wie auch die relative Sterbeziffer steigt 
in Sachsen, Schleswig, Hannover, Westfalen (in den Provinzen 
Sachsen und Westfalen ist die Promilleziffer nur wenig gestiegen). 

Die absolute und die relative Ziffer sinkt in West- 
preussen, Berlin und Posen. 

Die absolute Ziffer steigt, bei gleichzeitigem Sinken der Pro- 
milleziffer in Brandenburg, Schlesien, Hessen-Nassau und im Rheinland. 

Wenn im früheren bezüglich eines Staates, als auch noch mehr 
bezüglich kleiner Verwaltungsbezirke darauf hingewiesen werden 
musste, dass der Vergleich der Sterbeziffern mit Vorsicht zu ge¬ 
schehen hat, so kommen diese Erwägungen noch weit mehr in Be¬ 
tracht bei der Beobachtung noch kleinerer Gebiete, wie beispiels¬ 
weise von Stadtgemeinden. Bei der Beobachtung derselben ist noch 
viel mehr darauf zu achten, dass nur solche Städte mit einigermassen 
gleich grossen Geburten- und Sterbeziffern einander gegentibergestellt 
werden. Um indessen wenigstens einen allgemeinen Anhalt für den 
Vergleich der Verhältnisse in Dortmund mit denjenigen in anderen 
Grossstädten zu haben, seien hier die Ziffern für eine Anzahl Gross¬ 
städte aus dem Statistischen Jahrbuch für den preussischen Staat 
für 1904 entnommen (s. S. 341). 

Welcher Wert der °/ 00 -Ziffer für die unehelichen Geburten 
beizulegen ist im Verhältnis zur °/ 00 -Ziffer der ehelichen Geburten 
oder der Gesamtzahl ist bereits erörtert worden. 

Die für die Stadt Dortmund festgestellten Zahlen sind 
folgende: Es kamen auf 1000 Lebendgeburten im Durchschnitt der 
Jahre 1876/80 1881/85 1886/90 1891/95 1896/1900 1901/04 

185,8 173,1 179,7 178,7 191,8 174,7 

Sterbefälle von Säuglingen Für die ausserehelicheu Geburten ergibt 
sich in den Jahren 1897—1900 eine °/ 00 -Ziffer von 379,6, in den 
Jahren 1901—1904 von 468,6. 


Digitized by 


Google 




341 


Zahl der jährlich (1891—1900) verstorbenen 
Säuglinge auf 1000 Lebendgeburten: 


Stadt 

| über- 
jl haupt 

il t 

bei den 
Ehe¬ 
lichen 

bei den 
Unehe¬ 
lichen 

Berlin. 

I 1 1 

1 230 1 

205 

381 

Breslau. 

* 268 

245 

380 

Cöln. 

247 

232 

368 

Frankfurt a. M.. . . 

159 

138 

314 

Hannover. 

191 

170 

302 

Magdeburg. 

260 

238 • 

434 

Düsseldorf. 

208 

197 

398 

Stettin. 

314 

297 

476 

Königsberg i. Pr . 

269 

236 

432 

Altona. 

1 207 

183 

399 

Elberfeld. 

1 163 

152 

397 

Halle a. S. 

f 222 

207 

320 

Barmen. 

158 

149 

421 

Danzig. 

275 

! 255 

412 

Aachen . 

i 256 

245 

465 

Crefeld. 

; 205 

194 

379 


Zur Gewinnung eines Anhalts für die Beurteilung des bekannten 
Fehlers in dieser Rechnung der aus der Verschiebung durch Wanderung 
usw. entsteht, seien hier die Zahlen, welche für Dortmund in Be¬ 
tracht kommen, gegeben. 


Im Jahre: 

1896 

1837 1898 | 1899 | 1900 ! 1901 

1902 1903 

1904 

Versterben im 1. Le¬ 
bensjahre . 

. 928 

937 1131 1158 ! 1186 

1194 

1000 i 1091 

1224 

Davon waren in Dort¬ 
mund geboren .... 

872 ' 

893 : 1064 1098 j 1100 

1145 , 

935|1004 

1110 


Um die Bedeutung der Kindersterblichkeit für die Entwicklung 
der Stadt Dortmund etwas genauer zu kennzeichnen, sind in der 
folgenden Tabelle einige Ziffern über den gesamten natürlichen Be¬ 
völkerungswechsel in Dortmund in der Zeilperiode 1876—1904 ge¬ 
geben. 

Der natürliche Bevölkerungswechsel in Dortmund. 


(Jahresmittel aus fünfjährigen Perioden 1876—1904.) 


Periode 

Zahl der 

1 Lebend- 

J g e ’ 
j borenen 

Davon 

waren 

unehe¬ 

lich 

i Zahl der 

1 Ge- 
1 storbenen 
(o. Totgeb.) 

Davon im 
1. Lebens¬ 
jahre ge¬ 
storben 

D. s. auf 
1000 
Lebend¬ 
geborene 

Geburten¬ 

über¬ 

schuss 

1876/80 

3134 

105 

1748 

582 

185,8 

1386 

1881/85 

3345 

118 

1905 

579 

173,1 

1440 

1886/90 

r 3558 

131 

2015 

640 

179,7 

1543 

1891/95 

Ü 4132 

140 

2122 

731 

178,7 

: 2010 

1896/1900 

5566 

233 

2783 

1068 

191,8 

2783 

1901/04 

6447 

288 

3016 

1127 

174,7 

3431 


Digitized by v^ooQle 


















342 


Man erkennt hieraus, dass die Säuglingssterblichkeit anscheinend 
eine Verbesserung in den letzten Jahren erfahren hat, indem einer¬ 
seits die °/ 00 -Ziffer eine Tendenz zum Sinken zeigt, andererseits auch 
die absolute Grösse eine Besserung erkennen lässt. 

Wie man sieht, beträgt die jährliche Zahl der Lebendgeburten 
in den Jahren 1901/04 mehr als doppelt soviel, als in den Jahren 
1876/80, während die Säuglingssterblichkeit sich nicht vollständig 
verdoppelt hat. Immerhin ist doch wohl der Tatsache, dass jährlich 
etwa 1 j 6 —Vs der lebendgeborenen Kinder sterben, die gebührende Be¬ 
achtung zu schenken. Wie ferner zu ersehen ist, betrug in den 
Jahren 1876—80 die Säuglingssterblichkeit etwa Vs der gesamten 
Sterblichkeit und sie beträgt in den letzten Jahren sogar noch mehr 
als Vs- Auf diese Weise hat die Stadt Dortmund in den letzten 
Jahren nur mit einem natürlichen Zuwachs von etwa 3000 Seelen 
zu rechnen. In etwas eingehenderer Weise sind die Zahlen, welche 
sich auf die Entwickelung der Stadt unter dem Einfluss des na¬ 
türlichen Bevölkerungswechsels beziehen, graphisch dargestellt. In 
der Tafel Fig. II sind durch einzelne Stäbe für die Jahre 187a 
bis 1904 die Gesamtzahlen der Lebendgeburten mit Unterscheidung 
des Geschlechtes aufgetragen und man erkennt vor allem das starke 
Ansteigen der Geburtenziffer in den 90 er Jahren. Nach unten ge¬ 
richtet sind in dem gleichen Diagramm die Zahlen der Sterbefälle 
zur Darstellung gebracht; der Anteil der im 1. Lebensjahr verstorbenen 
Kinder ist durch eine dunklere Abtönung hervorgehoben. Die Diffe¬ 
renz der von der O-Linie aus nach oben und unten gezeichneten Stäbe 
gibt den Überschuss der Lebendgeburten über die Sterbefälle und 
ist in einer besonderen Figur nochmals dargestellt. Es möge bei 
dieser Gelegenheit noch erwähnt sein, dass bezüglich der Sexual¬ 
proportion bei den Lebendgeburten folgende Verhältnisse herrschen. 

Auf je 100 lebendgeborene Knaben kamen im Mittel pro Jahr 
in den Jahren 1876/80 1881/85 1 886/90 1891/95 1896/1900 

Mädchengeburten 104,2 105,9 105,1 105,6 106,1. 

Bei der Gesamt-Geburtenziffer kamen auf 100 Knaben 
in den Jahren 1876/80 1881/85 188 6/90 18 91/95 1896/1900 

Mädchengeburten 105,2 lüö,2 105,7 105,5 106,6. 

Bezüglich der Säuglingssterbefälle ist aus den Jahren 1896—1904 
zu berechnen, dass auf 100 im 1. Lebeusjahr verstorbene Mädchen 
124,4 Knaben kommen. Eine weitere Unterscheidung der Säuglings¬ 
sterblichkeit bei den Mädchen und Knaben, sowie bei den unehelich 
und ehelich Geborenen soll hier nicht durchgeführt werden, da ge¬ 
nügend anderweitige Forschungen vorhanden sind, welche allgemein 
gültiges einwandfreies Material liefern und welche eben das bekannte 
Bevölkerungsgesetz erkennen lassen, nach welchem in einem sich 
günstig entwickelnden Volke ein Überschuss der Knabengeburten 


Digitized by 


Google 




343 


Der natürliche Bevölkernngswechsel in Dortmund. 




^ CL*\\\ 


?oco 

6000 

5000 

4 -OOO 

5000 

2000 

10OO 


1 000 


2000 


5000 


-4-1 

1 900 


-U 

1 90*. 




Cvfy t>CT &Ylb/Otä&, O/tCWtA 1 

-1-f-1-T -j— 


Fig. II.. 


Digitized by v^ooQle 










344 


über die Mädchengeburten vorhanden ist, so dass hierdurch der grösseren 
Empfindlichkeit der Knaben im 1. Lebensjahre ein Äquivalent ge¬ 
boten ist. Es möge ferner noch konstatiert werden, dass 
nach dem üblichen Rechnungsverfahren die Stadt Dort¬ 
mund bezüglich der Säuglingssterblichkeit unter den im 
früheren aufgeftihrten Städten mit denjenigen, in welchen 
die geringste Säuglingssterblichkeit herrscht, zusammen 
geht. 

Es möge nun eine Anzahl einzelner Untersuchungen folgen, 
welche im grossen Zuge ihres Ergebnisses wohl zum Teil aus anderen 
Beobachtungen bekannt, immerhin aber, soweit sie von diesen ab¬ 
weichen, interessant sind. 

Von besonderem Interesse sind die Anteile verschiedener Alters¬ 
stufen an der Säuglingssterblichkeit, ferner die klimatischen Einflüsse 
und endlich diejenigen wirtschaftlicher Natur. Für die Beobachtung, 
wie die Säuglingssterblichkeit in einzelnen Altersstufen sich gestaltet, 
liegen für Dortmund seit dem Jahre 1896 Beobachtungen vor und es 
sind hier diejenigen Zahlen wiedergegebeu, welche sich auf die 
Sterblichkeit am 1. Lebenstage, in der 1. Lebenswoche, im 1. Lebens¬ 
monat und endlich im 1. und 2. Lebenshalbjahr beziehen. 


Der Anteil einiger Altersstufen an der Säuglingssterblichkeit 
in den Jahren 1896—1904. 


Es verstürben 

1896 

l| 

1897 

1898 

1899 

: 1900 

; 1901 

1 

, 1902 

! i 

1903 

j 1904 

im 1. Lebensjahre.... 

1 1224 

1091 

1000 

1 1194 

1186 

1158 

1131 | 

937 

! 928 

„ 1. Lebenshalbjahre 

854 

769 

667 

«53 

777 

| 787 

732 j 

671 

, 627 

n 2. 

370 

322 

333 | 

| 341 

409 

371 

399 1 

266 

| 301 

„ 1. Lebensmonat... 

! 327 

292 

266 

333 

271 I 

| 275 

268 1 

248 

. 242 

in der 1. Lebenswoche 

1 187 

CO 

176 

191 

161 1 

' 151 

150 ! 

144 1 

! 147 

am 1. Lebenstage.... 

| 102 

i 

88 

88 

99 

i 

88j 

95 

88 | 

93 

90 


Aus diesen Beobachtungen geht vor allem hervor, dass die 
Sterbenswahrscheinlichkeit im 1. Lebenshalbjahr wesentlich grösser 
ist, als im 2., indem die Zahl der im 1. Lebenshalbjahr gestorbenen 
Kinder im Mittel der Beobachtungsjahre 68,8 °/ 0 derjenigen im 1. 
vollen Lebensjahre ausmacht. 

Die Zahl der im ersten Lebensmonat Gestorbenen beträgt 
25,6 °/ 0 der Sterbefälle im Jahr, auf die erste Lebenswoche kommen 
15 °/ 0 und endlich auf den ersten Lebenstag 8,4 °/ 0 . 

Etwas anders gestalten sich diese gegenseitigen Zahlenverhält¬ 
nisse bei Betrachtung des Anteils der genannten Altersstufen in den 
verschiedenen Jahreszeiten. Die Untersuchung ist hier bis zur Unter¬ 
scheidung der Kalendermonate durchgeführt und in der folgenden 


Digitized by v^ooQle 




Tabelle sowie dem beigegebenen Diagramm Fig. III a ist das Ei 
gebnis dargestellt. 


Die Säuglingssterblichkeit in Dortmund. 
(Mittelwert aus den Jahren 1896—1904 nach Monaten) 





346 


Der Anteil einiger Altersstufen an der Säuglingssterblichkeit 
(Mittelwert 1896 — 1904). 


Es 

verstarben 

Jan. 

Febr. 

März 

Apr-1 

Mai 

Juni 

Juli | 

Au«r. 

I 

Sept. 

| Okt. 

Nov. Dez. 

Zu¬ 

sammen 

im 1. Lebens¬ 
jahre. 

76,33 

66,56 

83,56 

76,89! 

82,00 

79,89 

142,33 

165,11 

103,44 

77.11 

65,44 75,56 1094,32 

im 1. Lebens¬ 
halbjahr. . 

54,78 

44,33 

54,33 

49,33 

53,67 

52,67 

96,44 

108,57 

74,78 

55,22 

1 ! 

49,33j55,ll 

752,56 

im 1. Lebens- | 
monat 

22,33 

18.89 

21,11 

22,11 

23,00 

21,89 

26.00 

! 31,22 

25,78 

21,22 

1 1 

22,56 24,11 280,22 

in der 1. Le- j 
benswoche 

13,33 

1 13,00 

13,67 

13,11 

14,11 

13.44 

13,11 

14,56 

13,78 

1 

13,89 13.67 14,77 

164.44 

am 1.Lebens¬ 
tage . 

8,40 

, 7,20 

7,30 j 

8,10 

7,40 

7,70 

7,60 

8,70 

7,90 

7,30 

7,00 7,70 

I I 

92,30 


Man erkennt die bekannte Schwankung in den absoluten Sterb- 
lichkeitsziffern nach oben, in der heissen Jahreszeit, man ersieht 
aber auch sofort, dass die Schwankungen in den einzelnen Alters¬ 
stufen verschiedener Natur sind und dass auch der verhältnismässige 
Anteil der Altersstufen an der Sterbeziffer in einzelnen Monaten ver¬ 
schieden ist. 


Der °/ 0 -Anteil einiger Altersstufen an der Säuglingssterblichkeit 
(Mittelwert 1896—1904). 


°/ 0 -Anteil 
der Verstorbenen 

Jan. 

Febr. März 

Apr. Mai 

Juni 

Juli 

Aug. 

Sept. 

Okt. Nov. 

| 

Dez. 

pro 

Jahr 

im 1. Lebensjahre 

8 

O 

© 

o 

© 

o 

©' 

© 

8 

© 

© 

© 

© 

100,0 

100,0 

100,0 

100,0 

100,0 100,0 

100.0, 

100,0 

„ 1. Lebenshalb¬ 
jahre . 

71,8: 

66,6 

65,0 

64,2 65,5 

65,9 

67,8 

65,8 

72,3 

71,6 75,4 

Hi 

68,8 

„ 1.Lebensmonat 
in der 1. Lebens¬ 

29,3 

28.4 

25,3 

28,8 28,0 

27,4 

18,3 

18,9 

24,9 

27,5 34,5 

31,9 

25.6 

woche . 

17,5 

19,5 

16,4 

17,1 17,2 

16,8 

9,2 

8,8 

13,3 

18,0 20,9 

19,5 

10,2 

15,0 

am 1. Lebenstage 

11,0 

10,8 

1 8 ’ 7 

10,5 9,0 

9,6 

5,3 

5,3 

7,6 

9,5 10,7 

8,4 


Trägt man diese Verhältniszahlen der vorstehenden Tabelle 
in ein Diagramm ein, so erhält man Kurven, wie die beigegebene 
Fig. III b. 

Als Mittelwert aus den Beobachtungen von 9 Jahren sind die 
Ziffern der Sterblichkeit der Säuglinge im ersten Lebensmonat und 
im ersten Lebenshalbjahr in Prozenten der Gesamtsterbeziffer der¬ 
selben aufgetragen und man erhält auf diese Weise Kurven, welche 
die Sterbenswahrscheinlichkeit dieser Altersgruppen bezogen auf die 
Gesamtsterbeziffer, unter Berücksichtigung der Sterbemonate, charak¬ 
terisieren, allerdings möge auch hier wiederum Berücksichtigung finden, 


Digitized by t^ooQle 









347 


dass die Prozentsätze in den verschiedenen Monaten von sehr ver¬ 
schieden grossen Zahlen gerechnet ;werden. Immerhin lehrt die 
Darstellung, dass in den ersten Lebensmonaten die Kurve wesentlich 
mit der Jahreszeit schwankt, während sie am Ende des ersten Lebens¬ 
halbjahres bereits eine gewisse Gleichförmigkeit erlangt hat. 

Die Untersuchung 

Der °/ 0 -Auteil der Altersstufen an der Säug¬ 
lingssterblichkeit. 

(Nach Monaten-Mittel 1896—1904.) 

Im 1. Lebensjahr verstorben 


der Grundursachen 
dieser Vorgänge muss 
dem Arzt überlassen 
werden, und es möge 
auf andere Beobach¬ 
tungen verwiesen wer¬ 
den, nach welchen die 
Säuglingssterblichkeit 
von der Güte der Nah¬ 
rungsmittel, vor allem 
aber davon abhängig 
ist, ob die Kinder von 
der Mutter selbst ge¬ 
stillt werden, oder mit 
Kuhmilch oder sonsti¬ 
gen N ah rungsm i ttel n 
genährt werden. Dass 
während der heisseren 
Jahreszeit die Nah¬ 
rungsmittel leichter 
verderben, die Milch 
beispielsweise beson - 
ders leicht dem Sauer¬ 
werden ausgesetzt ist 
und dass diese Ver¬ 
änderungen der Stoffe 
einen schädlichen Ein¬ 
fluss auf den jungen 
Organismus ausüben 
müssen, ist ohne wei- 


1 00f- 


75 

70 

65 

60 - 

50 


35 

30 

25 

20 

15 


i - '—i i i 1 i i ""H 

1 i ! i 1 1 • 1 j 

' ■ i i ! i 1 

1 | 4 

1 1 
! 1- ! 

i j | 1 ! 1 ! l | i 1 | i 

, i , ' . ! i .1 ' ' 

1 | ' 1 ' | '| 
I . 1. J&{w^(ux£Cä<x 

U' 

InM 

! I * i i . ! / 

' 1 

1 i 

!_!_! 

I 1 1 | j 

1 1 1 1 1 1 1 1 1 

1 i 

1 1 1 

__1_,_ 

, 1 I 1 1 1 

i 1 : ; 1 ' .!. ' 

m 

i ! 


1. 

'VWDJtO lÄtMs. I | 




— r~ 

1 

1 

Hi ! ! 

' i ' 1 

' ' ' i i i 

1 . 

!_ 

i - ! 

_ L _ i _J 

nTiTi|in' 

' ! i i . , i i : ; ! 

1 1 .! i ! i i i 1 i 1 1 j 


£91LßlMl.d. 3 01. fr. 0 9Z.9. 


Fiff. IIIb. 


teresklar. Es erscheint 

aber auch einleuchtend, dass die Bekämpfung der Säuglingssterb¬ 
lichkeit sich vor allem denjenigen Einflüssen zuzuwenden hat, welche 
die in den gezeichneten Kurven hervortretenden Extreme erzeugen. 

Einen wertvollen Beitrag zur Erforschung dieser bietet eine 
Sonderung der Sterbefälle nach den Todesursachen. Auf die teil¬ 
weise Unzulänglichkeit unserer Todesursachenstatistik überhaupt ist 
bereits hingewiesen worden und das Gesagte möge bei der Durch- 


Digitized by t^ooQle 




348 


sicht der hier folgenden Zusammenstellung beachtet werden. Für 
die zwei Jahre 1901 und 1902 sind die Todesursachen ausgezählt 
worden und zwar nach der Einteilung in grössere Gruppen. 


Die Säuglingssterblichkeit nach Todesursachen. 
1901. 


Todesursache 

Jan. 

Febr. 

März 

April 

Mai | 

Juni 

J uli i 

bij 

PS 

< 

Sept. 

1 . 1 

g 

> 

© 

£ 

s | 
<u 

G ' 

Zu¬ 

sammen 

Brechdurchfall und 
Darmkrankheiten 

3 

14 

9 

3, 

13, 

29 

129 

108 

42 

27 

18 

8 

403 

Krämpfe. 

*20 

11 

30 

31 

25 

15! 

27 

23' 

14 

15 

15 

21 

247 

Lebensschwäche . . 

113 

16 

21 

21 

25 

14 

15 

21 

24 

11 

18 

13 

212 

Erkrankung der At¬ 
mungsorgane . . . 

,18 

13 

13 

13 ' 

13 1 

8 

6 

9 

5 

6 

12 

9 

125 

Infektionskrank¬ 
heiten . 

2 ' 

_ 

5 

1 

1 

1 

2 

3 

2 

2 

1 

4 

24 

Alle übrigen Krank- , 
heiten. 

11 

8 

16 

19 

15 

14 

27 

jsJ 

17 

20 | 

10 | 

7 ! 

1 183 

Gesamtsterbeziffer 

67 

62 

i 94 j 

88! 

92 | 

81 

206 

183 

104 

81 ! 

74 

62 t 

1194 


1902. 


Todesursache 

Jan. 

Febr. 

März 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

Aug. 

Sept. 

Okt. 

> 

© 

* 

Dez. 

Zu¬ 

sammen 

Brechdurchfall und 
Darmkrankheiten 

9 

7 

6 

5 

11 

12 

44 

60 

70 

23 

13 

5 

265 

Krämpfe. 

25 

15 

17 

20 

17 

25 

16 

20 

22 

11 

14 

25 

227 

Lebensschwäche . . 

13 

15 

13 

17 

18 

6 

17 

17 

20 

15 

14 

14 

17$ 

Erkrankung der At-1 
mungsorgane . . . 

11 

13 

16 

13 

15 

13 

7 

8 

9 

4 

9 ! 

13 

131 

Infektionskrank¬ 
heiten .j 

i 5 

5 

4 

2 

5 

5 | 

6 

4 

3 

4 

3 I 

i 

47 

Alle übrigen Krank-1 
heiten. 1 

7 

10 

ii 7 ! 

iwl 

12, 

10 

8 

13 

16 

19 

14 

12 j 

151 

Gesamtsterbeziffer | 

70 

| 65 

73 

70 

78 

71 

98 

' 122 

140 

| 76 

| 67 

! 701 

j 1000 


Wie man aus den Zahlenaufstellungen ersieht, nehmen Brech¬ 
durchfall und Darmkrankheiten, Krämpfe und allgemeine Lebens¬ 
schwäche den Hauptanteil an den Todesursachen und eine vor¬ 
kommende Änderung in der Grösse der Gesamtsäuglingssterblichkeit 
scheint jeweils vorwiegend auf eine Änderung im Anteil dieser Todes¬ 
ursachen, besonders der beiden erstgenannten zurückzuführen sein. 

In Verhältnisteilen ausgerechnet nehmen im Jahre 1901 die 
Krankheitsgruppen: 1) Brechdurchfall und Darmkrankheiten, 2) Kräm¬ 
pfe, 3) Lebensschwäche, 4) Erkrankung der Atmungsorgane, 5) In¬ 
fektionskrankheiten, 6) alle übrigen Krankheiten zusammen folgende 


Digitized by t^ooQle 













349 


Prozentanteile eiu: 1) 33,7%, 2) 20,7°/ 0 , 3) 17,8%, 4) 10,5°/ o , 
5) 2,0 % und 6) 15,3 °/ 0 . 

Im Jahre 1902 stellten sich die Prozentziffern wie folgt: 

1) 26,5°/ 0 , 2) 22,7°/ 0 , 3) 17,9%, 4) 13,1 °/ 0 , 5) 4,7%, 6) 15,1%. 

Ein aus den Notierungen der im Jahre 1897 bis 1904 berechneter 
Mittelwert ergibt 30% für den Anteil der ersten Todesursache. Die 
Gesamtzahlen der Sterbefälle sind 1194 und 1000, lassen sich also 
miteinander vergleichen. 

Wie man aus dieser Aufstellung sieht, sind vorwiegend Schwan¬ 
kungen in dem Anteil der unter 1) genannten Todesursachen vor¬ 
handen, während alle übrigen in den beiden Beobachtungsjahreu 
ziemlich gleichblieben. Auch die monatlichen Schwankungen sind 
bei der ersten Todesursache die stärksten, die übrigen zeigen nicht 
die abnormen Steigerungen zu bestimmten Zeiten, indessen sind die 
Zahlen zu klein, um aus ihnen noch weitergeheude Folgerungen ziehen 
zu können. 

Des weiteren kommen die Fehler in den Notierungen bei den 
Meldungen der Todesursachen hinzu, so dass hier nicht weiter 
auf diese Fragen eingegangen werden soll. 

Wie bereits hervorgehoben wurde, wirken klimatische Ver¬ 
hältnisse indirekt auf die Grösse der Säuglingssterblichkeit, besonders 
bei derjenigen infolge von Brechdurchfall und Darmkrankheiten, es 
mögen daher einige Angaben über den Zusammenhang von Säuglings¬ 
sterblichkeit und Klima in Dortmund folgen. 


Gegenüberstellung der Säuglingssterblichkeit und der mittleren Tages¬ 
temperatur in den einzelnen Kalendermonaten (Mittelwert 1898—1904). 


Im Monat « > « ä. I 3 

;l ^ i Cu 1 5? , < j 

Juni 

« bb 

0 p 

' ^ i < 

Sept. 

Okt. 

Nov. 

Dez. l 

betrug die mittlere ,| i i 





l 

Tagestemperatur °C. . 2,6 2,1 4,1 8,0 11,8 

15,5 

17,3 16,7 

13.8' 9,7 

5,6 

2,3 

betrug die Zahl der 1 



I 



im 1. Lebensjahre ■ 1 j 


’ 

‘ 



Verstorbenen . . . . .73,1,70.087,9182,086,9)76,6,152,0; 173,1| 

[113,9 82,3:66,4,75,7 


In der Tabelle sind die Grösse der mittleren Tagestemperatur 
und die Grösse der Säuglingssterblichkeit in den einzelnen Kalender¬ 
monaten einander gegentibergestellt und in einem Polardiagramm 
eingetragen (Fig. IV). Die Beobachtungen stellen einen Mittelwert 
aus den Notierungen von 7 Jahren dar. 

Es ist aus den Aufzeichnungen zu ersehen, dass in Dortmund 
im allgemeinen ein gemässigtes Klima herrscht, wobei für die Gegen¬ 
überstellung der Säuglingssterblichkeit mit der Temperaturkurve zu 
beachten ist, dass extreme Temperaturen an einzelnen Tagen bereits 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 24 


Digitized by 


Google 



Digitized by Google 








351 


imstande sind, die Kurve der Säuglingssterblichkeit erheblich zu be¬ 
einflussen. 

Bezüglich der mittleren Temperaturkurve, an welche wir uns 
bei einer generellen Beobachtung halten müssen, ist zu erkennen, 
dass dieselbe eine Phasenverschiebung gegen die Sterblichkeitskurve 
besitzt. Beispielsweise erreicht die Sterblichkeitskurve ihren Höhe¬ 
punkt im August, während die Temperaturkurve denselben bereits 
im Juli erreicht hat, woraus gefolgert werden kann, dass schädliche 
Einflüsse der hohen Temperaturen im Juli sich erst im August gel¬ 
tend macheu. 

Um dieses zu studieren sind wiederum die Beobachtungen aus 
den beiden Jahren 1901 und 1902, über welche schon oben einige 
Mitteilungen gemacht wurden, berausgegriffen worden. Die Gesamt¬ 
sterbeziffer der Säuglinge betrug 1194 im Jahre 1901 und 1000 im 
Jahre 1902. 

Wie das beigegebene Diagramm Fig. V lehrt, konzentriert 
sich der Mehrbetrag im Jahre 1901 vorwiegend auf die Monate 
Juli, August und September und in diesen sind die Sterbefälle an 
Brechdurchfall und Darmkrankheiten ausschlaggebend. In der Zeich¬ 
nung ist die Zahl der an diesen Krankheiten Verstorbenen durch be¬ 
sondere Schraffur hervorgehoben. Interessant ist das gegenseitige 
Verhalten der Monate Juli bis September in den zwei Jahren. Im 
Jahre 1901 fällt die Sterbeziffer vom Juli zum September ab, während 
sie umgekehrt im Jahre 1902 an steigt, auch zeigt die Figur deutlich, 
dass die Haüptursache hieran die verschieden grosse Sterblichkeit 
an Brechdurchfall und Darmkrankheiten ist. 

Zur Vervollständigung ist hier die Kurve der mittleren Tages¬ 
temperatur eingezeichnet. Man sieht, dass dieselbe im Jahre 1901 
eine vollständig andere Form besitzt, als im Jahre 1902, vor allem 
aber auch in der heissen Jahreszeit höhere Werte auf weist. Dies 
würde nun wohl generell mit der grösseren Sterbeziffer im Jahre 1901 
gut übereinstimmen, indessen ist der Temperaturunterschied im 
Maximalpunkt der Kurve, im Juli 1901 mit 18,9° C. gegen 15,8° C. 
im Juli 1902 nur 3,1° C. 

Auch die Maximaltemperaturen, welche in den beiden Jahren 
beobachtet wurden, sind nicht so bedeutend voneinander verschieden, 
dass man eine genaue Abhängigkeit der Beobachtungen voneinander 
feststellen könnte. Es betrug die Maximaltemperatur: 



1 Juni 

Juli 

August 

September 


1 am 

| °C. 

am 1 

i 

«c. | 

i am i 

°C. 

| am 

| «c. 

i 

1901 

i 

23. 

30,0 

1 1 

13. 

31,0 

10. 

i 

! 31,8 | 

, 21. 

1 

27,3 

1902 

3.U.29. 

30,5 

16. 

27,8 

i 

29. 

26,5 

3. 

27,6 


Digitized by v^ooQle 




Die Säuglingssterblichkeit in den Jahren 1901 und 1902 
nach Monaten. 



lilllll An Brechdurchfall u. i 
Darmkranhheiten verstorben 


iää 


1 

m 

\ \ i 

^ Alle ubrfgen 




Todesursc 

1 

ichen 


_ 

J 














1 9\ 

?2 ] 

I 



i _' 

1 

M 4;-t\ 


rx.1 

s,<S| 

1 i 

1 

i i 

i 

i ! 

1 , 

i 

• l 

I 1 

I 

1 i 
, 1 

i i 

! i 

i f 

i/ 

*N 

V 

1 1 

1 1 

1 » 

i 1 

i 


der 

Kurve 
mittle , 

* 

r 

\ 

J | 



Tagest 

emper 

mC?. 

7tor. 


N 








$3! 

t 1 

|4 

^4- 

t i 

i 

|4: 


• ! 

1 , 

i i 

1 i 

t r 

;/ 

N 

J; 


i i 

. i 

1 i 

1 . 

i 1 j 

/ 


\ 

!: 

1 

i i 

i / 

1 / 

der 

Kurve 

m/ff/ei 

\ 

Yen 

Jl 

TT 

i !, 


' 

Tage', 

tempe 
,n CP. 

ratur 


N 

\V 







Fig. V. 


Digitized by t^ooQle 





































































































































353 


Es ist nun bereits von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen 
worden, dass die Temperaturverhältnisse nicht allein bei der Be¬ 
urteilung des Einflusses klimatischer Verhältnisse betrachtet werden 
dürfen, sondern dass auch Gewitter, ferner die Luftfeuchtigkeit mit 
zu berücksichtigen sind. Es ist auch für Dortmund versucht worden, 
solche Beziehungen aus den Beobachtungen direkt abzuleiten, in¬ 
dessen konnten genau erkennbare Gesetzmässigkeiten nicht gefunden 
werden. Hier folgen die Zahlen (s. S. 354). 

Eine ganz interessante Gegenüberstellung der Sterbemonate und 
der Geburtsmonate gibt die folgende Tabelle, aus der jedoch ohne 
eine erhebliche Vergrösseruug des Beobachtungsmaterials keine 
Schlüsse gezogen werden dürfen. Die Tabelle ist den Notierungen 
des Jahres 1900 entnommen, da diese, als im Anschluss an die 
Volkszählung gewannen, zu den im späteren gegebenen Zusammen¬ 
stellungen benutzt werden sollten. 

















354 


k-i 

i—i 

k—i 

k—i 

k—i 



k—i 

p 

8 

8 

8 

g 

X 

CP 


X 

cp 

* 

CO 

CO 


___ 

CP 


X 

8 

1—1 


IO 


t-A 


r 

CP 

CP 

8 

CD 

CP 


CP 

CO 

co 

00 

*“* 

o 


CP 

CO 

k-1 



k—i 

to 


1—1 

IO 

kP» 

IO 

X 

CP 

o 


—J 

4*. 

co 

co 

CO 

—J 

k—1 


CD 


4-* 

l-k 


k—i 

t-A 


k—i 

CP 

k—1 

4k. 

o 

na 



k—i 

O 

CP 

o 

4k. 

4k. 

CO 




CO - 
CD ^ 

•J 

OC CP 

So CP 

CO CD 

X SP 

Cp 

X 

CP 

-S 00 
°* 00 

cc - 00 

ZT 

- co 
ra ~ 

~ 05 

*5 

b* ~ 

4k. Io 

co -P 

"-4 

CP 

"o 

3 

3 

3 

3 ° 

3 

3 -2 

3 

o 

3 ° 

3 ° 

3 ° 

3 ° 

— ©^ 

3 

3 ° 

3 

o 

os ^ 

i—i 4k. 

k—1 

-± Ol 

o CP 

k—i 

4k. CP 

00 

CP CP 

3 cp 

i~* 

2 

X 

CD 

- CD 

S 1 o 

.r 3 ^ 

CO lo 

s ^ 

OD ^ 

•' 4k. 

? 

“ X 

? ö 

4k P 

zT 

co 

"x 

3 -® 

3 -2 

3 -3 

3 

3 ^ 


3 

© 

3 o 

3 ° 

3 ° 

3 ° 

3 ° 

3 ° 

3 

© 

CP 

oc 


-i . 

CP 

4k. «j, 

S* ro 

00 •- _ 

4k. 

CP 

cp £ 
cc 

& S£ 

© - Ä 

-q CP 

b -2 

CO cp 

W £ 

k—i CD 

~_v LO 

CD - , 

Jfk 

"cP 

CP 

CP 

ZT o 1 



- 10 


3 

3 

3 

3 ° 

3 

3 ^2 

3 

_© 

3 et" 

3 ° 

3 ° 

3 *' 

3 ° 

3 ° 

3 

© 

ES ;p 

35 SP 

OC <3* 

t—i 

© CD 

jo _oo 

£ Sft 

co ^ 

CD ÖD 

co 

4k 

CD 

V -■* 

© - 00 

"cc ^ 

CD i® 

—J - , 

üi 


oc 

4k 

CP 

»- 1 o 

- SC 


o 

3 ° 

3 ° 

3 ^2 

3 -S 

3 

- 

3 -2 

3 

© 

3 

3 ©" 

3 ° 

_3_ _ 

3 e 

3 ° 

3 

© 


- 

»—i 

k-i 

k-1 




CP 

CP 


Ol 

CD 

jp 


4k. 

"*-* 

Io 

"cd 


"k-k 



cP 


k—1 


■ ■ 

l—l 

(— 


k-i 

3 

CD 

CP 

X 

CP 

j<t 


4k 

CP 

co 

"x 

"cP 

© 

"«<i 


"4k. 


1—1 


—i 


i—i 


4-1 

CP 

CP 

4k. 


CD 



X 

*CD 

Ol 

"cp 

© 

o 

"-vl 


00 


“ ~ 



1—1 

l-k 


4-* 

*3 

4k 

3 

4k 

Jfk 

OS 


CP 

Co 

*00 

"cp 

V 

'co 

ro 


"o 

--- 

- 

" 


r 3 




k—1 1—1 

CC CP 

1 

X 

1- 

ro 

co 

ro 


to 

co 

to k* 

P r 1 

1 

r 1 


to 

p 



co 

r 4 


IO — 1 

C |0 

f A 






CO 

io 

— CD 

io J-* 

CD ~1 


1 

p 

ro 

P 

to 

to 


4k 

IO 

cp 


1—1. 

cp 







p p 








■jö 

_ 






CD 

to 

CD ^ 

i-i P 

X 

1 

20 



r 4 

co 

3 ^ 

ro 

O 



p 




p 







1 

jo 

r 1 

! 

X 

to 

to 

r 1 


i 


i—i 



4k 





4k» 








c-t 


c_ 

£ 


tt 


< s 

CS 


o* © 

CD ‘ 


X 2 £ 





C-H 

c 


g ! 



5 


> 


crq 


Oi 

Q 


o 

PS 


O 

o* 


Digitized by v^ooQle 






in Rlicksieht ziehen würde. Es wäre dieses allerdings nur dann 
möglich, wenn gelegentlich der grossen staatlichen Zählungen auch 
auf solche Fragen mehr Rücksicht genommen würde. 

Wir beschränken uns daher darauf, eine Anzahl Untersuchungen 
vorzunehmen, welche sich auf das Gebiet der Stadt Dortmund beziehen 
und lediglich dazu dienen sollen, die Verhältnisse, in denen die Kinder 
zur Welt gekommen sind, zu schildern, ohne hierbei Schlüsse all¬ 
gemeinerer Natur ziehen zu wollen. 

Es wäre zunächst zu untersuchen, wie sich bezüglich der 
Säuglingssterblichkeit die verschiedenen Stadtgegenden verhalten und 
es liegen ja auch bereits aus anderen Städten solche Untersuchungen 
vor, welche allerdings gezeigt haben, dass die Verhältniszahlen in 
der Säuglingssterblichkeit sehr bedeutende Unterschiede in den 
einzelnen Stadtteilen aufweisen. Es möge indessen solchen Unter¬ 
suchungen nicht allzugrosser Wert beigelegt werden, da die Auswahl 
der Grösse der einander gegentibergestellten Bezirke eine gewisse 
Willkür in sich schliesst. Hält man sich aber an bestimmte Be- 
zirkseinteilungen, wie sie zu sonstigen Verwaltungszweckeu benutzt 
werden, so kann es leicht Vorkommen, dass extreme Fälle unbeachtet 
bleiben. Es könnte beispielsweise, um einen äussersten Fall heraus¬ 
zunehmen, in einem Bezirk die Zahl der Lebendgeburten zwei be¬ 
tragen haben und es würde dann bei einem rein schematischen 
Recbnungsverfahren, wenn ein Säugling gestorben wäre eine Sterb¬ 
lichkeit von 50°/ o angegeben werden. Um nun wenigstens derartige, 
aus den Zahlenunterschieden herzuleitende Fehler auszuschliessen, ist 
versucht worden, für Dortmund eine solche Bezirkseinteilung zu 
wählen, welche in den untersuchten Gebieten nicht zu sehr vonein¬ 
ander verschiedene Zahlen der Lebendgeburten ergab. 

Man erhält auf diese Weise ein Gebiet, welches die Altstadt 
und einen um dieselbe sich ziehenden Häuserring in sich schliesst, 
ferner die südliche Aussenstadt und einen westlichen Teil und einen 
östlichen Teil der Nordstadt. — Die Zahlen beziehen sich auf das 
Jahr 1904. Auf die Innenstadt entfallen 1108 Lebendgeburten, auf 
die südliche Aussenstadt 1760, auf den Nord westen 1737 und auf den 
Nordosten 2078, zusammen 6683, wozu noch 67 nach auswärts ge¬ 
hörige Kinder kommen, die hier nicht in Rechnung gesetzt werden 
dürfen. — In den gleichen Gebieten betrug die Zahl der im 1. Lebens¬ 
jahr Verstorbenen bezw. 163, 251, 361,425. — Hiernach berechnet sich 
eine Promilleziffer der Säuglingssterblichkeit für die Innenstadt 
von 147, für die Aussenstadt von 143, für den Nordwesten von 208 
und für den Nordosten von 205. Es ergibt sich also, dass die Innen¬ 
stadt und die Stidstadt unter dem für die Gesamtstadt zu berechnen¬ 
den Promillesatz von 183 bleiben, während die Nordstadt denselben 
übersteigt und auch eben den hohen Promillesatz für die ganze Stadt 


Digitized by t^ooQle 



356 


bewirkt. Zergliedert man indessen die Innenstadt in die eigentliche 
Altstadt und den ringförmigen Stadtteil, welcher sich um dieselbe 
schliesst, so findet man, dass in diesen beiden Teilen noch eine 
Unterschiedlichkeit besteht. Der °/ 00 -Satz beträgt für die Altstadt 
153, für den Ring 144. Zur Kontrolle seien die Verhältnisse aus 
dem Jahre 1900 herangezogen. Dort findet sich für die Gesamt¬ 
innenstadt eine Promilleziffer von 142, die eigentliche Altstadt zeigt 
aber einen Satz von 202, während derselbe in dem sie umschliessenden 
Ring nur 112 beträgt. Möglich ist nun, dass das Sinken derPro- 
milleziffer (vom Jahre 1900 gegen das Jahr 1904) in der Altstadt 
durch eine Anzahl grösserer Strassendurchbrüehe vorwiegend herbei¬ 
geführt wurde. Für gewöhnlich wird nun die Verschiedenheit der 
relativen Säuglingssterblichkeit in den einzelnen Stadtteilen aus der 
Verschiedenheit der wirtschaftlichen Lage der Bewohner abgeleitet. — 
Dass diese für solche Verschiedenartigkeiten mitbestimmend sind, 
wird niemand bestreiten, es würde aber doch zu weit gegangen sein, 
wenn man sie allein als Ursache ansehen wollte. Ganz abgesehen 
von der Verschiedenheit des Verantwortlichkeitsgefühls, welches zu 
einer mehr oder weniger sorgfältigen Wartung der Kinder anhält, 
wird auch noch eine grosse Zahl von äusseren Einflüssen zu be¬ 
rücksichtigen sein, wie beispielsweise die Dichtigkeit der Bebauuug, 
die Belegung der Wohnungen, welche bekanntlich nicht allein von 
der sozialen Stellung der Bewohner abhängen muss, sowie vor allem 
auch klimatische Einflüsse und in Industriestädten beispielsweise 
auch weiter noch die Lage der Wohnung in der Nähe von Fabriken 
und dergleichen mehr. Die folgende Tabelle soll einen Überblick 
geben, wie in den einzelnen Jahreszeiten die Säuglingssterblichkeit 
in den oben angegebenen Bezirken schwankt und es ist leicht zu 
erkennen, dass die Sterblichkeit in der Innenstadt einige Unter¬ 
schiede gegen diejenige der äusseren Stadtteile zeigt, die Schwankung 
in den Jahreszeiten ist indessen ziemlich gleichartig. 


in den Monaten 


Zahl der verstorbenen 1 
Säuglinge 
iui Stadtteil 

Januar 

bis 

März 

April 

bis 

Juni 

Juli 

bis 

September 

Oktober 

bis 

Dezember 

Innenstadt (Verwal- | 
tungsbezirk 1 — 9) 

[ », 

! ; 

37 

1 

59 

36 

Südstadt (Verwal- | 

tungsbezirk 10—15) 

1 

; 44 

58 

107 

42 

Nordwesten (Verwal- | 
tungsbezirk 16—20) 

! 

74 

73 

159 

55 

Nordosten (Verwal¬ 
tungsbezirk 21—24) | 

88 

77 

183 

' TT 

1 


Digitized by 


Google 






857 


Es sei hier noch an die Beobachtungen in anderen Städten 
erinnert, nach welchen in kühl gelegenen Wohnungen die Sterblich¬ 
keit im Sommer geringer ist als iu anderen, selbst wenn sie der 
Grösse nach nicht als völlig ausreichend angesehen werden können. 
Derartige Untersuchungen müssen indessen der Enquete Vorbehalten 
bleiben. 

Einen weiteren Einblick in die Materie gibt die Untersuchung 
<ler engeren Umgebung, in welcher die verstorbenen Säuglinge zur Welt 
gekommen sind, die Zusammensetzung der Haushalte, die Grösse der 
Belegung der Wohnung. 

Es wurde daher eine Untersuchung vorgenommen, welche sich 
auf das Jahr 1900 erstreckt, unter Benutzung der Ergebnisse der 
mit der Volkszählung dieses Jahres verbundenen Wohnungszählung 
und es wurde in der Weise vorgegangen, dass nach den standes¬ 
amtlichen Notierungen der Sterbefälle aus den Karten der Wohnungs¬ 
zählung die betreffende Wohnungskarte der Angehörigen des ver¬ 
storbenen Säuglings herausgesucht wurde. Bei denjenigen, bei welchen 
die Wohnungsangabe auf der Sterbekarte nicht mit derjenigen auf 
der Wohnungskarte tibereinstimmte, wurde auf dem Einwohnermelde¬ 
amt festgestellt, wo die betreffende Familie am 1. Dezember 1900 
gewohnt hatte. Auf diese Weise ist ein ziemlich vollständiges Ma¬ 
terial zusammengekommen, welches für den hier gemachten Versuch 
vollauf genügte. Die Untersuchung gibt allerdings für diejenigen 
Familien, welche in der Zeit zwischen dem Tod des Säuglings und 
dem Zähltermin umgezogen sind, nicht mehr genau das Bild der 
Verhältnisse, in denen der Säugling hätte leben müssen, es soll aber 
auch nur eine allgemeine Charakteristik gegeben werden. Um das 
Bild möglichst klar zu bekommen, sind nur die Fälle, in denen die 
Geburt eine eheliche war, herausgegriffen worden. Im ganzen sind 
dies 1080 Geburten, bei 5 von diesen erfolgte die Geburt in der 
Eisenbahn, auf einem Schiff etc., bei weiteren 117 Fällen konnten 
die nötigen Erhebungen nicht erfolgen, weil die Familienhäuptcr 
nicht der Meldepflicht genügt hatten. Es blieben also als Be¬ 
obachtungsmaterial 958 Fälle übrig. — Hiernach wurde nun zunächst 
die Zusammensetzung der Haushalte und die Stärke der Familien 
ausgezählt. — Es fanden sich 181 Familien, in denen der verstorbene 
Säugling das einzi ge Kind war, ferner 649, in denen nur Kinder unter 
14 Jahren vorhanden waren, 14, in denen ausser dem Säugling nur 
Kinder über 14 Jahren und 114, in denen Kinder im Alter unter 
undüber 14 Jahren waren. Die folgende Tabelle gibt das Resultat 
der Auszählung. 


Digitized by 


Google 



358 


Im Alter , . desel. 1 unter und über 

von (nur; unter 14 Jahren ! üb j 4 j i 14 Jahren 1 


waren: 1 2 3 4| 5j 6^ 7 

in: 182 196145 81 26,13! 3 

i, 1 ; l , 1 l 

8 lj 2 3 2 

3 10| 2 2 4 

, 1 1 II 1 

3 1 4i 5 6 

14 25 23 22 

illl 

7- 8' 1 

21 5 

Kinder 

Familien. 


Des weiteren interessiert die Zusammensetzung der Hausbalte» 
Es fanden sich 716 Haushalte } in denen nur Angehörige des Haus¬ 
haltsvorstands lebten, in den übrigen 242 waren noch fremde Per¬ 
sonen vorhanden. 

Die Stärke der Haushalte stellt sich wie folgt: 


Zahl der Haushalte . * . 
Zahl der Personen pro 

i 

11 

125156157 

1 ! 

153 

i 

126 

STs'eajaT'ao 1 

7 I 8| 910; 

12j 9 

Haushalt J ). 

1 

1 2, 3 4 

1 I 1 

i & 

6 

i 


1112 


11 

mehr als 12» 


Die Grösse der Wohnungen, in denen diese Haushalte unter¬ 
gebracht waren, ist aus der folgenden Aufstellung zu ersehen. 

Zahl der Haushalte. ..129 |411323j 97 I 47 21 j IG | 14 

Zimmerzahl p. Haushalt 1| 2 3 4*5 6 i 7 I mehr als 7 

, 11,11 ! ! 


Dass gerade die kleineren Wohnungen in den Vordergrund 
treten, ist nicht weiter bemerkenswert, da ja der grösste Teil der 
Bevölkerung in den kleineren Wohnungen lebt. Ob indessen die 
Wohnungen vom sanitären und auch moralischen Standtpunkte ge¬ 
nügten, ist eine Frage, welche durch die Kombination der beiden 
vorigen Aufstellungen beleuchtet wird. 


Die untersuchten Wohnungen nach Zimmer- und BewohnerzahL 


Zahl der die 
Wohnung 
bewohnenden 
Personen 

Zimmerzahl der Wohnungen 

1 

2 

3 

4 

5 

• 

7 

mehr 
als 7 

1 in 11 Fällen 

0 

5 

1 

— 

— 


— 

— 

2 „ 125 , 

7 

87 

25 

4 

1 

1 

— 

— 

3 n 156 v 

10 

99 

27 

14 

4 

1 

1 

— 

4 , 157 , 

4 

89 

50 

9 

4 

1 

— 

— 

5 , 153 , 

3 

55 

64 

12 

8 

7 

3 

1 

6 n 126 „ 

— 

38 

62 

18 

5 

1 

2 


7, 78 , 1 

— 

22 

38 

6 

7 

2 

2 

1 

8 . 63 „ 

— 

9 

! 28 

12 

4 

3 

5 1 

1 2 

9 , 37 , 

— 

6 

18 

7 ' 

2 

| - 

2 

1 2 

10 , 20 . 

— 

4 

5 ' 

4 

2 

3 

— 

i 2 

üb.lOin 32 „ 

— 

1 

4 

1 8 

10 

2 

1 

6 

Zahl der Fälle 

29 

| 415 

| 322 

| 94 

1 47 

1 21 

1 16 

1 14 


1) In diesen Zahlen ist der verstorbene Säugling nicht eingerechnet. 
Das gleiche gilt für die späteren Aufstellungen. 


Digitized by t^ooQle 







359 


Diese Zusammenstellungen mögen nun als einfache Beobachtungs¬ 
resultate wiedergegeben werden, ohne aus ihnen weitergehende 
Schlüsse zu ziehen. Vielleicht geben sie die Anregung zu anderen 
ähnlichen Untersuchungen an anderen Orten, denn die reine Sta¬ 
tistik wird auch auf diesem Gebiet der Enquete, welche zur ein¬ 
gehenden Erforschung solcher sozialer Probleme unerlässlich ist, den 
nötigen Anhalt geben, wo sie einzusetzen hat. Zur richtigen Wür¬ 
digung der erforschten Fälle müssten auch eigentlich weiter noch 
diejenigen, in denen die Säuglinge am Leben geblieben sind, gegen¬ 
übergestellt werden. 

Bezüglich der Bestrebungen und Einrichtungen, welche in der 
Stadt Dortmund der Fürsorge für die Kinder in umfangreichem Mass 
gewidmet sind, möge vorläufig auf die städtischen Verwaltungs- 
bericbte und die gelegentlich der Tagung des deutschen Vereins für 
Armenpflege und Wohltätigkeit in Mannheim im September 1905 ge¬ 
gebenen Veröffentlichungen verwiesen werden. Die Statistik wird 
sich mit der Untersuchung ihrer Wirkung erst nach einem längeren 
Zeitraum zu beschäftigen haben. 


Digitized by v^ooQle 



Bericht über die 30. Versammlung des Deutschen 
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 
in Mannheim vom 13. bis 10. September 1905. 

Von 

Dr. Pröbsting in Cüln. 


Unter den grossen deutschen Städten ist Mannheim wohl die 
jüngste, ihre Geschichte reicht nur 300 Jahre zurück. Aber wenn 
der Stadt die grosse historische Vergangenheit fehlt, wenn die Pa¬ 
tina des Alters fast nirgends zu finden ist, so besitzt die Stadt doch 
einen grossen Vorzug gegenüber den alten Städten, dass sie in ihrer 
Bauart hygienischen Anforderungen in weitestem Masse entspricht. 
Breite Strassen und weite Plätze bringen Licht und Luft allen Be¬ 
wohnern in reichster Fülle. Das ist vielleicht mit ein Grund, dass 
Mannheim in manchen Bestrebungen der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege eine führende Stellung einnimmt. 

Ein blühender Handel, eine grosse wachsende Industrie haben 
die Stadt in den Stand gesetzt, vorzügliche hygienische Einrichtungen 
zu treffen, und so ist es nicht zu verwundern, dass recht viele Mit¬ 
glieder des Vereins der Einladung nach Mannheim gefolgt waren; 
über 400 Teilnehmer wohnten den Verhandlungen bei. 

Nachdem am 12. September eine gesellige Vereinigung zur 
Begrüssung im Friedrichspark stattgefunden hatte, begannen am 
folgenden Tage die Verhandlungen im Musensaale des Rosengartens. 

Der Vorsitzende, Geh. Hofrat Prof. Dr. Gärtner-Jena eröffnete 
die Versammlung mit herzlichen Worten der Begrüssung. Namens 
der badischeu Regierung hiess dann Landeskommissär Geh. Rat 
Dr. Pfisterer die Versammlung willkommen, im Namen der Stadt 
begrüsste Oberbürgermeister Beck die Erschienenen. Die Univer¬ 
sität Heidelberg liess durch Geh. Hofrath Prof. Dr. Knauff, die 
technische Hochschule in Karlsruhe durch Oberbaurat Prof. Bau¬ 
meister ihren Willkommengruss entbieten. 

Nachdem der Vorsitzende auf die freundliche Begrüssung ge¬ 
dankt hatte, erstattete der ständige Sekretär des Vereins, Dr. Pröb- 


Digitized by C^ooQle 



361 


sting-Cöln den Jahresbericht. Danach beträgt die Einnahme im 
Jahre 1905 im ganzen Mk. 18 903,40, die Ausgaben stellten sich 
auf Mk. 17 046,60, so dass am Schluss des Jahres ein Kassenbestand 
von Mk. 1856,80 vorhanden war. 

Der Verein zählt zur Zeit 1684 Mitglieder und hat im Laufe 
des Jahres 31 Mitglieder durch den Tod verloren. Die Versammlung 
ehrte das Andenken an die Verstorbenen durch Erheben von den 
Sitzen. 

Dann llberbrachte noch Ingenieur Dr. med. Imbeaux-Nancy 
Griisse der Vereinigung französischer Hygieniker und lud zu der 
ersten. Versammlung des Vereins in Paris ein. 

Zum ersten Thema der Tagesordnung: Typhusbekämpfung 
nahm als Referent Stabsarzt Dr. von Drigalski-Kassel das Wort. 

Ausgehend von den Arbeiten der Typhuskommission, die seit 
mehreren Jahren in den südwestlichen Teilen der Monarchie Unter¬ 
suchungen über die dort herrschende Typhus-Endemie anstellt, be¬ 
sprach Referent Entstehung, Wesen und Verbreitung des Typhus. 
Der Erreger der Krankheit ist der Typhusbazillus, der am häufig¬ 
sten mit Wasser und Milch in den Menschen gelangt. Hier ruft er 
nicht etwa nur eine lokale Darminfektion hervor, sondern der ganze 
Körper wird durchseucht, so dass kaum ein Organ frei bleibt. Es 
kann daher nicht überraschen, dass wir die Bazillen in allen Aus¬ 
scheidungen der Kranken wiederfinden, am häufigsten im Harn und 
im Stuhlgang; in 546 Fällen wurden 38mal die Bazillen im Harn 
und 348mal im Stuhlgang nachgewiesen. Dabei können Typhus¬ 
bazillen noch Wochen und Monate nach der Genesung ausgeschieden 
werden. Der Referent hat einen Fall beobachtet, in dem dies noch 
nach l 1 / 2 Jahren der Fall war. Das gibt uns auch einen Finger¬ 
zeig für die Erklärung der sog. Typhushäuser, Häuser, in denen 
beständig Typhuserkrankungen ausbrechen. Sie sind nämlich von 
solchen anscheinend völlig gesunden Bazillenträgern bewohnt, durch 
welche eben immer wieder neue Infektionen zustande kommen. 
Andererseits kommt nicht in jedem Falle bei einer Infektion das Bild 
des sog. klinischen Typhus zustande, sondern die Erkrankung tritt 
in den verschiedensten Formen auf, so dass wir unsere landläufigen 
Anschauungen über den klinischen Typhus modifizieren müssen. 
Der in gewaltigen Massen in der Erde abgelagerte Bazillus ist im 
allgemeinen nicht zu fürchten. Infektionen, z. B. bei Kanal- oder 
Erdarbeitern, die in hochgradig verseuchtem Boden arbeiteten, ge¬ 
hören zu den grössten Seltenheiten. Gefährlich wird der Bazillus 
eben nur, wenn er in die Nahrungsmittel gerät. Praktisch sind aber 
nur Milch und Wasser von Bedeutung. Als Bekämpfungsmassregel 
vom bakteriologisch-wissenschaftlichen Standpunkte kommen in erster 
Linie in Betracht: gründliche Desinfektion aller Ausscheidungen^ 


Digitized by 


Google 



362 


während und nach der Krankheit, bis zum völligen Verschwinden 
der Bazillen, weiterhin Absonderung der Kranken, wenn möglich in 
Krankenhäusern, und endlich Sorge für einwandfreies Wasser und 
Milch. 

Der Korreferent, Regierungs- und Medizinalrat Dr. Spring¬ 
feld-Arnsberg behandelte das Thema vom Standpunkte des Ver- 
waltungs- und Medizinalbeamten, dessen Aufgabe es ist, „das Gold 
der bakteriologischen Wissenschaft in die Scheidemünze des ge¬ 
wöhnlichen Lebens umzusetzen“. Welche Bedeutung der Typhus 
für Deutschland hat, geht daraus hervor, dass hier jährlich 
40—50 000 Menschen an Typhus erkranken. Wie können wir 
dieser Seuche Herr werden? Eine Ausrottung ist nur möglich 
durch Verhütung der Masseninfektion und durch die Vernichtung 
der Keime in der Nähe der Kontaktfälle. Jede Infektion muss 
daher möglichst rasch zur Kenntnis der Medizinalbeamten ge¬ 
bracht werden. Der beamtete Arzt hat dann die Wege der In¬ 
fektion derart zu erforschen, dass er sämtliche Infektionen ermittelt. 
Hierzu ist die bakteriologische Untersuchung vielfach notwendig, und 
daher ist dem beamteten Arzt die Hülfe bakteriologischer Institute 
zu sichern. Weiterhin ist ihm ein gehörig vorgebildetes Unter- 
personal beizugeben. Die bisher übliche Zentralisation in der Kreis¬ 
instanz genügt nicht, es ist zum mindesten die Zentralisation in der 
Bezirksinstanz zu fordern. Zur Verhütung von Massenaussaaten 
durch Wasserleitungen sind diese Anlagen gesetzlich dem § 30 der 
R.-G.-O. zu unterstellen. Ausserdem ist eine Brunnenordnung zu 
erlassen, welche gewährleistet, dass Brunnen nur von sachverstän¬ 
digen Personen gebaut werden. So, lediglich durch die Handhabung 
einer schlagfertigen Medizinalpolizei, kann der Typhus in Deutsch¬ 
land ausgerottet werden. Referent hat dieses Verfahren im Reg.- 
Bez. Arnsberg mit dem Erfolge erprobt, dass seit dem Jahre 1900 
die Sterblichkeitsziffer an Typbus von 2,53 auf 10 000 Einwohner 
auf 0,7 herabgemindert worden ist. Der Redner schloss: „Sorgen 
Sie für eine gute gesunde Wasserversorgung und eine tüchtige 
Medizinalpolizei, dann wird der Typhus einer späteren Generation 
nur eine düstere Sage sein.“ 

An diese beiden Vorträge schloss sich eine lebhafte Diskussion, 
in der zuerst Privatdozent Dr. Wey 1-Charlottenburg das Wort nahm. 
Er hat für eine lange Reihe von Jahren die Typhussterbliehkeit 
graphisch dargestellt und gefunden, dass in den drei Städten Berlin, 
München und Wien die Typhussterblichkeit fast in ganz gleicher 
Weise verlaufen ist. Bis zum Jahre 1880 ein ständiges Ansteigen 
der Seuche und nach diesem Jahre ein ständiger Abfall. Hygienische 
Einrichtungen in diesen Städten hatten, wie es schien, keinerlei Ein¬ 
fluss auf die Sterblichkeitsziffer. Wir wissen somit noch nicht die 


Digitized by 


Google 



363 


Momente, welche hier in Frage kommen. Das darf lins aber keines* 
wegs veranlassen, die Hände in den Schoss zu legen. 

Prof. Dr. Jäger-Strassburg verbreitete sich eingehend über die 
Technik der Brunnenkoustruktion und forderte Unterweisung der 
Ärzte, besonders der beamteten Ärzte in dieser wichtigen Frage. 

Prof. Dr. Fisch er-Kiel machte Angaben über die Typhus¬ 
bekämpfung in der Provinz Schleswig-Holstein. Er stimmte den Re¬ 
ferenten bei, dass Wasser und Milch die hauptsächlichsten Träger 
•des Typhusgiftes seien. Allein in seiner Heimat habe er vielfach 
verdorbenes Fleisch als Erreger des Typhusgiftes konstatieren können, 
und diese Beobachtung sei ja auch schon früher gemacht worden, 
wobei er an die bekannte Klotener Epidemie erinnerte. Redner 
verwies noch auf die hohe Ansteckungsgefahr, die für das Pflege¬ 
personal besteht und empfahl für diese die Schutzimpfung, die ja 
Auch bei unseren Schutztruppen in Stidwestafrika, wie es scheint 
mit recht gutem Erfolge, ausgeführt worden ist. 

Stadtphysikus San.-Rat Dr. Eberstaller-Graz berichtete über 
einige Fälle von Masseninfektion, bei denen einmal die Milch und 
das zweite Mal Flaschenbier als Träger fungiert haben. Die letz¬ 
teren Infektionen kamen dadurch zustande, dass ein typhuskranker 
Hausknecht Bier in Flaschen abgefüllt und dadurch auf eine sehr 
grosse Anzahl von Personen die Krankheit übertragen hatte. 

Prof. Griesbach-Mühlhausen i. E. empfahl Massnahmen zur 
Belehrung von Schülern und Lehrern über die Gefahren der Über¬ 
tragung. Hauptsächlich lenkte er die Aufmerksamkeit auf die ge¬ 
meinsamen Trinkbecher in den Schulen und auf die Aborte, die oft 
ausserordentlich schmutzig seien. 

Reg.- und Med.-Rat Demuth-Speyer war ebenfalls der Meinung, 
dass man den Bazillenträgern die grösste Aufmerksamkeit schenken 
müsste und berichtete über Fälle, in denen solche zweifellos In¬ 
fektionen verursacht haben. 

Ingenieur Smreker-Mannheim glaubte nicht an die Gefährlich¬ 
keit der Robrbrticbe bei Wasserleitungen. Selbst der berühmte 
Rohrbruch im Gelsenkirchener Typhusprozess habe keine Infektion 
verursacht. 

Stadtbezirksarzt Dr. Poetter-Chemnitz hat in einem Hause die 
Beobachtung gemacht, dass die Übertragung des Typhus ganz zweifel¬ 
los durch Fliegen erfolgte. Bakteriologische Untersuchungen, die 
daraufhin an der Universität Leipzig angestellt wurden, ergaben, dass 
Tpphusbazillen sich 23 Tage lang virulent in Fliegen auf halten können. 

Generalstabsarzt d. A. v. Bestelmeyer-München forderte mög¬ 
lichste Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahr der Ansteckung 
und der Übertragung durch unreines Wasser und schlechte Milch. 
Die Erfahrung der Hygiene müsste viel mehr Allgemeingut werden. 


Digitized by 


Google 



364 


Direktor Dr. Czaplewski-Cöln machte auf die Desinfektion 
der an Typhus Verstorbenen durch Formalin aufmerksam. Aborte 
sollen überall mit Waschgelegenheiten ausgestattet sein, und Brunnen 
dürfen nicht in direkter Nachbarschaft von Aborten, Dunggruben 
usw. angelegt werden. 

In einem kurzen Schlussworte bemerkte Stabsarzt Dr. von Dri- 
galski, dass die heutige Debatte dieselben Resultate ergeben 
hätten, wie die Lehren der Koch sehen Schule. Den Immunisierungs- 
versuchen stehe er sehr skeptisch gegenüber. Gelänge es, Leute 
immun zu machen gegen Bazillen, so könnten diese ahnungslos als 
Typhusträger herumgehen und so eine grosse Gefahr darstellen. 

Med.- und Reg.-Rat Springfeld möchte die Bedeutung der 
Bazillenträger doch nicht überschätzen. Er glaubt mit Koch, dass 
diese keine allzugrosse Rolle spielen. 

Die Referenten hatten ihre Ausführung in folgenden Leitsätzen 
zusammengefasst: 

1. Die Typhusbekämpfung beruht auf den Ergebnissen der Typhus¬ 
forschung. 

2. Der Typhus ist nicht eine mehr oder minder lokale Infektion, 
etwa des Darmkanals beim „Darmtyphus 44 oder der Luftwege 
beim „Pneumotyphus 44 , soudern eine Allgemeininfektion (Bakteri- 
aemie). 

3. Die Erreger können ausgesehieden werden durch alle möglichen 
Se- und Exkrete, vor allem durch den Harn und Stuhl. 

4. Im Stuhlgang werden die Erreger öfters schon in den ersten 
Krankheitstagen, verhältnismässig reichlich und häufig aber in 
der Periode der Genesung ausgeschieden. 

5. Im Harn und im Stuhl längst Gesundeter können Typhusbazillen 
jahrelang ausgeschieden werden. Die äussere Beschaffenheit 
dieser Exkrete lässt keine Vermutung bezüglich ihrer Infek¬ 
tiosität zu. 

6. Bakteriologisch ist festgestellt, dass die Typhusinfektion sehr 
mannigfache Krankheitsbilder zeitigen kann, welche vollkommen 
von dem des sog. „klinischen Typhus 44 abweichen; sie müssen 
bakteriologisch geklärt werden. 

7. Es liegt wenig Grund vor, den Typhusbazillus in der Aussen- 
welt sehr zu fürchten — es sei denn, dass er in Wasser oder 
Milch gerät. 

8. Die Bekämpfungsmassregeln richten sich zunächst gegen den 
endemischen Typhus: 

a) Untersuchungen der Umgebung des Kranken zur Auf¬ 
findung der Infektionsquelle. 

b) Isolierung der Kranken, wenn möglich Krankenhaus¬ 
behandlung. 


Digitized by 


Google 



365 


e) Desinfektionen während und nach der Krankheit; 

d) Bakteriologische Überwachung der Genesenden bezw. 
Genesenen. 

9. Die allgemein hygienischen, insbesondere der Vorbeugung dienen¬ 
den Massnahmen richten sich gegen bestimmte Gefahren, welche 
gesetzt werden 

a) durch schlechte WohnungsVerhältnisse; 

b) durch unzweckmässige Abfallbeseitung; 

c) durch nicht einwandfreie Wasserversorgung; 

d) durch infizierte Nahrungsmittel. 

10. Der epidemische Typhus erfordert die gleichen Massnahmen 
im breiteren Umfange, wobei zuweilen besondere Schwierig¬ 
keiten der Bekämpfung, z. B. durch Berufsinteressen zu über¬ 
winden sind. Die Mitwirkung von Behörden und gewerblichen 
Körperschaften macht sich noch mehr notwendig als bei der 
Bekämpfung des endemischen Typhus. 

11. Der Unterleibstyphus ist in Deutschland endemisch verbreitet. 

12. Die Epidemien kommen in der Regel nur zustande durch die 
Wechselwirkung von gelegentlich eintretenden Massenaussaaten 
von Bazillen über eine grössere Anzahl von Personen und 
grössere Gebietsteile und von Einzelinfektionen in der Umgebung 
der bei den Massenaussaaten primär Erkrankten (Koutaktfälle). 

13. Die Masseninfektionen werden ohne Vermittelung des Bodens 
durch Genuss verseuchten Wassers oder verseuchter Milch hervor- 
gerufen. Andere Nahrungsmittel spielen dabei praktisch keine 
Rolle. 

14. Wasserepidemien sind Folgezustände von Strom Verseuchungen 
oder von Verseuchungen der Wasserversorgungsanlagen. 

Bei der Mehrzahl aller Stromepidemien waren die Abgänge 
von Typhuskranken direkt und wiederholt in den Strom gelangt. 
Die Verseuchung der Ströme durch die Laugen Wässer der ge* 
düngten Äcker führt selten zu Stromepidemien, und die in¬ 
dustrielle Verschmutzung der Ströme hindert häufig Stromepi¬ 
demien. 

15. Die Verseuchungen der Wasserleitungen sind bisher zustande 
gekommen: 

a) bei den Quellwasserleitungen durch Düngung des tributären 
Gebietes mit Abgängen von Typhuskranken, Auslaugung 
desselben und Undichtigkeiten der Förderungsanlage: 

b) bei den Flusswasserleitungen: 

a) durch Rohrbrüche oder Kreuzung undichter Kanäle 
mit Zubringern des Wassers; 
ß) durch Stromverseuchung und Benutzung des unfiltrierten 
oder mangelhaft filtrierten Flusswassers. 

Ccntralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 25 


Digitized by t^ooQle 



366 


Eine Verseuchung des Meteorgrundwasserstromes ist bisher 
nicht beobachtet worden. 

16. Brunnenepidemieu werden in der Regel hervorgerufen durch 
direktes Hineinlaufen der Abgänge von Typhuskranken in die 
Brunnen, seltener durch unterirdische offene Kommunikationen 
von Dunggruben mit den Brunnen. 

17. Massenaussaaten durch den Milchverkehr sind verhältnismässig 
selten nachgewiesen. 

Die Infektion der Milch wird bei den Molkereien und in 
den Milchhandlungen in der Regel durch verseuchtes Wasser 
hervorgerufen, seltener durch die Hände erkrankter oder mit 
der Pflege von Typhuskranken beschäftigter Personen. 

18. Die Kontaktfälle reihen sich an die ausgesäten Fälle entweder 
sofort oder nach längeren Intervallen an. Die Frühkontakte 
werden hervorgerufen durch Infektionen an Kranken oder ge¬ 
sunden Typhusbazillenträgern, die Spätkontakte durch Bazillen, 
welche sich in der Umgebung der Erkrankten gehalten haben. 
Die Mehrzahl der Fälle sind Frühkontakte. 

19. Die Ausrottung der Typhusepidemien ist hiernach nur möglich 
durch Verhütung und Bekämpfung der Massenaussaaten und 
Vernichtung der Keime in der Nähe der Kontaktfälle. 

20. Da die Typhusseuche durch den Personenverkehr und die Wasser- 
und Milchbewegung einen pandemischen Charakter hat, ist für 
ihre Bekämpfung eine möglichst weitgehende Zentralisation der 
Beobachtung und Bekämpfung notwendig. 

Die bisher übliche Zentralisation in der Kreisinstanz genügt 
nicht, es ist zum mindesten die Zentralisation in der Bezirks¬ 
instanz zu fordern. 

Die Errichtung besonderer, von den Polizeibehörden ver¬ 
schiedener Sanitätsbehörden zur Bekämpfung des Typhus ist 
zum mindesten unnötig. 

21. Jede Typhusinfektion muss so früh wie möglich den Medizinal¬ 
beamten zur Kenntnis kommen. Da die Anmeldungen der Ärzte 
nie vollständig sein können, bleibt nichts anders übrig, als den 
Rest der Fälle aufzusuchen. Dafür bilden die Standesamts¬ 
register, die Bücher der Krankenkassen und die Schul versäumnis¬ 
listen wertvolle Unterlagen. Es ist deshalb notwendig, dass 
den beamteten Ärzten Abschriften dieser Listen allwöchentlich 
zugefertigt werden. 

22. Der beamtete Arzt hat bei seinen Feststellungen die Wege der 
Infektiouen derart zu erforschen, dass er sämtliche Infektionen 
ermittelt und die Einzelfälle als Kontaktfälle oder als Produkte 
einer Massenaussaat einwandfrei zur Darstellung bringen kann. 

23. Zur Feststellung der Infektionen ist die bakteriologische Unter- 


Digitized by 


Google 



367 


suchung vielfach notwendig. Da der Kreisarzt sie nicht aus¬ 
führen kann, ist ihm die Hülfe bakteriologischer Institute zu 
sichern. Die hygienischen Institute der Universitäten reichen 
bei gehörig organisierter Verbindung mit den beamteten Ärzten 
hierzu aus, so dass die Errichtung besonderer Typhusstationen 
von Regierungsinstituten erübrigt. 

24. Zur Sicherung der Diagnose, ob Massenaussaat oder Kontakt¬ 
infektion vorliegt, ist eine sorgfältige Registrierung und stati¬ 
stische Verarbeitung der Eiuzelfälle in der Lokal- und Bezirks¬ 
instanz und der Besitz hygienisch-topographischen Materials für 
alle Ortschaften dem beamteten Arzte unerlässlich. 

25. Die Bekämpfung des Typhus ist dem beamteten Arzte ohne 
ein gehörig vorgebildetes Unterpersonal unmöglich. Es ist 
deshalb erforderlich, jedem beamteten Arzte der Lokalinstanz 
eine gehörige Anzahl hygieuisch geprüfter Unterbeamten mit 
festem Gehalt zu unterstellen. 

26. Wo eine Isolierung des Typhuskranken in seiner Behausung 
nicht möglich ist, oder die Gefahr vorliegt, dass seine Abgänge 
zu Massenaussaateu von Typhusbazillen führen, ist der Erkrankte 
dem Krankenhause zu überweisen. 

27. Bleibt er in seiner Behausung, so ist eine fortlaufende Desinfektion 
seiner Abgänge neben entsprechender Isolierung nicht nur an¬ 
zuordnen, sondern Fürsorge zu treffen, dass die Isolierung und 
Desinfektion durch die Unterbeamteu des beamteten Arztes über¬ 
wacht wird. 

28. Die Schlussdesinfektion der Effekten ist mittels strömenden 
Wasserdampfes vorzunehmen, die der Räume mit Formalin, neben 
mechanisch-chemischer Reinigung, die der Aborte etc. mittels 
Kalkmilch. Die Desinfektion sogenannter Typhushäuser ist unter 
Aufsicht der Kreisärzte zu bewirken. 

29. Zur Verhütung von Massenaussaaten durch den Milchverkehr 
ist der Erlass von Verordnungen erforderlich, welche eine ein¬ 
wandfreie Wasserversorgung der Molkereien und Milchhand¬ 
lungen, die Sauberkeit in der Milchbehandlung und die Entfernung 
darmkranker Personeu aus den Geschäften gewährleisten. 

4)0. Zur Verhütung von Massenaussaaten durch Wasserleitungen ist 
ein Gesetz erforderlich, welches diese Anlagen dem § 30 d. R.-G.-O. 
unterstellt, ausserdem der Erlass von Polizei-Verordnungen, welche 
den Betrieb derart regeln, dass Typhusbazillen nicht in die Lei¬ 
tung gelangen können, endlich sind alle Wasserversorgungs* 
anlagen der fortlaufenden Aufsicht der beamteten Ärzte zu unter¬ 
stellen. 

31. Zur Verhütung von Massenaussaaten durch Brunnen ist eine 
deutsche Bruunenordnung notwendig, welche gewährleistet, dass 


Digitized by 


Google 



368 


Brunnen nur von sachverständigen Personen gebaut werden, 
dass das Eindringen von krankmachenden Bakterien unmöglich 
ist, und welche eine dauernde Überwachung ihres Zustandes- 
durch den beamteten Arzt bezw. seine Organe vorsieht. 

Der vorgerückten Zeit wegen musste das zweite Thema: Die 
Bedeutung öffentlicher Spiel- und Sportplätze für die 
Volksgesundheit auf den folgenden Tag verschoben werden. 

Als erster Referent behandelte dann San.-Rat Dr. Schmidt- 
Bonn am zweiten Verhandlungstage diesen Gegenstand. 

Ausgehend von der leider häufig konstatierten Tatsache, dass 
eine sehr grosse Zahl unserer Schulkinder körperlich minderwertig 
ist, forderte er umfassende Massregeln zur Besserung dieser traurigen 
Verhältnisse. Wenn die üntersuchungen ergeben haben, dass 20 
bis 50°/ 0 aller Schulkinder mit chronischen Leiden behaftet sind, 
wenn oft nur ein Drittel oder ein Viertel der Schulkinder voll ent¬ 
wickelt ist, so muss man leider zugeben, dass in unseren grossen 
Städten kein frisches, arbeitsfrohes und arbeitsfähiges Geschlecht 
heranwächst. Es soll nicht verkannt werden, dass auch soziale 
Missstände, wie schlechte Ernährung, ungesunde Wohnungen usw. 
eine grosse Rolle spielen. Die grosse Zahl der skrophulösen und 
rachitischen Kinder, die stetig wachsende Menge der blutarmen 
Kinder beweist dies zur Genüge. Aber neben diesen Missständen 
ist auch unser unzweckmässiges Schulsystem schuld an dem traurigen 
Zustand unserer Schuljugend. Die Kinder müssen in dumpfen Schul¬ 
stuben stundenlang stillesitzen, sie haben zumeist viel zu wenig Ge¬ 
legenheit zur körperlichen Bewegung. Von den Strassen unserer 
Grossstädte ist das junge Volk längst vertrieben, der steigende Ver¬ 
kehr, die gefahr- und toddrohenden Strassenbahnen haben die Kleinen 
verscheucht. Himmelhoch ragen die Häuser empor, die engen Höfe 
zwischen ihnen sind kein geeigneter Erholungsort für unser Licht 
und Sonne verlangendes junges Volk. Zwischen diesen ungeheuren 
Steinhaufen müssen wir freie Plätze schaffen, wo die Kinder nach 
Herzenslust spielen und sich tummeln können. Diese Plätze müssen 
besonders in den engen Vierteln liegen, wo die kleinen Leute mit 
den zahlreichen Kindern hausen. Auch die Schulhöfe müssten viel 
praktischer eingerichtet werden. 

Aber nicht nur für die Schuljugend müssen wir sorgen. Auch 
auf den Handlungslehrling und den jungen Fabrikarbeiter, der von 
früh bis abends in schlechter Luft arbeitet, ohne jede Gelegenheit, 
in frischer, guter Luft sich zu bewegen, muss sich unsere Sorge 
erstrecken. 

In unserer Jugend liegt die Zukunft unseres Volkes, diese ge¬ 
sund und kräftig zu erhalten ist daher unsere erste Pflicht. Ein 


Digitized by 


Google 



369 


vorzügliches Mittel hierzu ist aber Spiel und Sport. Diese pflegen 
und diese fördern bedeutet Erhaltung und Wahrung unserer Volks¬ 
kraft und Volksgesundheit. 

Der zweite Referent, Oberbaurat Klette-Dresden verbreitete 
sich über die zweckmässige Einrichtung dieser Spiel- und Sport¬ 
plätze. Sie sollen in freier und gesunder Gegend liegen und den 
Wohnungen der Spielbedürftigen leicht und bequem zugänglich sein. 
Welchen Einfluss die Entfernung ausübt, das zeigt ein Beispiel in 
Dresden: ein zu einer Volksschule günstig gelegener Platz wurde 
von 6400 Schülern besucht, während ein entfernter gelegener nur 
von 231 aufgesucht wurde. 

Die Bedürfnisse der noch nicht schulpflichtigen Jugend sind 
gering und leicht zu befriedigen. Für sie sind Plätze unter Bäumen 
anzulegen; die zweckmässigste Grundform ist die des Kreises von 
etwa 15—25 m Durchmesser. In der Mitte des Platzes soll ein 
Sandhaufen liegen, der recht oft zu erneuern ist. Der Platz ist 
durch eine dichte Vergitterung abzuschliessen, um die Kinder zu¬ 
sammenzuhalten. Solche Spielplätze sollen in reichlicher Anzahl in 
allen öffentlichen Anlagen eingerichtet werden. 

Anders liegen nun die Verhältnisse bei der schulpflichtigen 
Jugend. Der jüngere Teil ist noch unselbständig und bedarf noch 
des besonderen Schutzes, den ihm nur die Schule bieten kann. Da¬ 
her sollen für diese die Schulen und Schulhöfe geöffnet werden. Für 
die grossen turnpflichtigen Schüler sind Spielplätze anzulegen, für 
welche in erster Linie weite, freigelegene, ebene Anger in Frage 
kommen. Sie müssen abseits vom Verkehr liegen, Wege dürfen sie 
nicht durchschneiden oder ihnen entlang geführt werden. Bäume 
und Anpflanzungen sind nur ausserhalb an den Rändern zulässig. 
Die beste Oberflächenbefestigung bietet kurzgehaltener, dichter Rasen, 
der jedoch bei lebhaftem Spielbetrieb sehr schwer zu erhalten ist. 

Wie gross muss nun die Fläche sein zur Anlage ausreichend 
geräumiger Spielplätze? Hier gehen nun vielfach die Forderungen 
weit über das zulässige und notwendige Mass hinaus. Für die Be¬ 
messung der einzelnen Plätze soll als massgebend das Fussballspiel 
angesehen werden, es erfordert bei 110 m Länge 75 m Breite. Alle 
übrigen Spiele erfordern geringere Masse, können also auf den für 
Fussball bemessenen Plätzen gespielt werden. Bei dieser Annahme 
würde das Bedürfnis der spielenden Dresdener Schuljugend mit 
20,625 ha zu befriedigen sein. Solche Plätze sind aber wohl zu 
beschaffen. 

Redner ermahnt zum Schluss Masshalten in den Forderungen 
und der Entwicklung Zeit lassen! Klein anfangen, gross aufhören — 
das sei die Losung. 

Auch an diese Vorträge schloss sich eine lebhafte Besprechung. 


Digitized by 


Google 



370 


Stadtschulrat Dr. S i c k i n g er-Mannheim stimmte den Referenten 
in ihren Forderungen vom Standpunkte des Schulmannes zu. Nicht 
nur die geistige Erziehung, sondern auch die körperliche Ausbildung 
sei Aufgabe der Schule, die als soziale Einrichtung alle Aufgaben 
erfüllen müsse, welche die Familie nicht erfüllen könne. 

Oberlehrer a. D. Hoffmann-Mannheim hielt Spielplätze für die 
grossen Städte dringend geboten, nicht so notwendig seien sie für 
kleine Städte. Es sei die erste Pflicht, die Jugend gesuud zu er¬ 
halten, dann brauche man nicht so zahlreiche Krankenhäuser, Lungen¬ 
anstalten usw. Die Referenten hätten von Wohnungselend gesprochen, 
aber dieses sei nicht Schuld der Hausbesitzer, sondern der Bewohner. 
Daher müssen wir eine Wohnungsaufsicht haben. 

Prof. Dr. Griesbach-Mülhausen wandte sich gegen die Über¬ 
bürdung der Schüler, die mit dem Aufrücken der Schüler stetig zu¬ 
nehme. Nach der langen Sitzzeit kämen die häuslichen Arbeiten, 
wo bleibe da die Zeit für das Spiel. Die Überbürdung sei keine 
leere Phrase. Bemerkenswert sei der Rückgang der tauglichen 
Wehrpflichtigen aus den höheren Gesellschaftsschichten. Die Nach¬ 
mittage müssten schulfrei sein und für das Spielen und Turnen be¬ 
nutzt werden. 

Oberbaurat Prof. Baumeister-Karlsruhe fragte an, ob das 
aus England importierte Fussballspiel wirklich ein so zweckmässiges 
sei. Wir hätten so schöne deutsche Spiele, die nicht so grosse 
Spielplätze verlangen. Die Gemeinden könnten solche Plätze dann 
mit viel geringeren Kosten anlegen. 

Dr. Werner-Leipzig möchte bei der Anlage von Spielplätzen 
auf die körperlich Minderwertigen Rücksicht nehmen. 

Oberbürgermeister Dr. Beutler-Dresden warnte vor Über¬ 
treibungen. Unsere heutige Jugend in den Städten werde nicht von 
den Rasenplätzen vertrieben, das Gegenteil sei der Fall. Auch die 
gänzliche Abschaffung des Nachmittagsunterrichts sei nicht angängig, 
da dann das Unterrichtsziel nicht erreicht werden könne. Unser 
deutsches Volk ist nicht allein ein gesundes Volk, es soll auch in 
geistiger Beziehung an der Spitze bleiben, und das kann es nur, 
wenn die geistige Ausbildung auf gleicher Höhe bleibt wie bisher. 

Baumeister Stadtrat Hartwig-Dresden bestritt, dass der 
Grossstädter entkräftet sei. Die Überbürdung der Kinder sei durch 
die Eltern bedingt, die auch den unfähigen Jungen studieren lassen, 
obwohl er sich viel besser zu einem Handwerk eignen würde. 

In seinem Schlusswort nahm Dr. Schmidt das Fussballspiel 
in Schutz, das mit dem verrufenen Sport-Fussballspiel nicht zu ver¬ 
gleichen sei. Aber auch unsere nationalen Ballspiele müssten geübt 
und gepflegt werden. 

Oberbaurat Klette regte an, die Militärverwaltung zu be- 


Digitized by v^.ooQle 



371 


stimmen, ihre Exerzierplätze der Jugend zu Spielplätzen zur Ver¬ 
fügung zu stellen. 

Die Referenten batten folgende Leitsätze aufgestellt: 

1. Reichliche und regelmässige Bewegung ist für die Jugend ein 
unersetzliches Lebensbedürfnis zum vollen Wachstum des Körpers. 

2. Neben der Ausbildung der Bewegungsorgane selbst ist vor allem 
die Entwickelung eines kräftigen Herzens, einer atemtüchtigen 
und widerstandsfähigen Lunge, sowie einer gesunden Blutfülle, 
entsprechende Ernährung vorausgesetzt, gebunden an ein reich¬ 
liches Mass von Bewegung im Freien. 

3 Die Pflege geeigneter Leibesbewegung und Leibestibung ist 
grundlegend für die gesamte spätere Lebensfttlle und Arbeits¬ 
kraft des Individuums, und anderswie nicht ersetzbar. 

4. Eiue Jagend, der das Austummeln im Freien, in frischer Luft 
und Sonnenschein verwehrt oder verkümmert wird, wird blass, 
welk, blutarm und sucht ihrem Erholungstrieb auf unhygienischen 
und meist bedenklichen Wegen Genüge zu tun. 

5. Das ungeheuerliche Wachstum der Städte, die Zunahme der 
Bevölkeruugsdichtigkeit, die immer intensiver sich gestaltende 
Ausnutzung der bebaubaren städtischen Bodenfläche, die Be¬ 
schlagnahme der öffentlichen Strassen und zum Teil auch der 
Plätze für den Strasseubahnverkehr — alles das bedeutet für 
die grossen Massen des Volkes die Verkümmerung eines ihrer 
wichtigsten Daseins- und Erholungsbedürfnisse, nämlich der 
unmittelbaren bequemen Gelegenheit zur Bewegung im Freien. 

6. Es ist im Sinne der Volksgesundheitspflege eine unabweisbare 
Pflicht der Gemeinden, in allen Stadtgebieten und ganz besonders 
in den dichter bewohnten Arbeiter- und Geschäftsvierteln Plätze 
frei zu halten, welche der bewegungsbedürftigen Jugend un¬ 
gehindert zur Benutzung stehen. Nach dieser Richtung hin 
muss namentlich auch der Sucht mancher städtischen Bau¬ 
verwaltungen Einhalt geschehen, alle und jede freie Plätze mit 
umgitterten Schmuckanlagen zu bedecken. 

7. Neben diesen bescheidenen Plätzen für die Kleinsten und Kleineren 
sind weiterhin, möglichst auf die Haupt-Stadtgebiete verteilt, 
grössere Spiel- und Sportplätze anzulegen für die gesamte 
Schuljugend sowie für die Leibesübungen und Spiele der mehr 
herangewachsenen jungen Leute. 

Am zweckmässigsten ist es, wenn diese Spielplätze sich in¬ 
mitten grösserer städtischer Anlagen oder Parks befinden. 

8. Da, wo eine Stadtgemeinde ein grösseres Waldgebiet als „Stadt¬ 
wald“ u. dergl. eingerichtet hat, ist eine mit Wald umgebene 
Fläche mit besonders weiten Abmessungen empfehlenswert, um 
grössere Schul-, Jugend- oder Volksfeste im Freien abzuhalten. 


Digitized by 


Google 



372 


Es sollten in solchen grösseren öffentlichen Anlagen aber 
alle Haupt-Rasenplätze so gehalten sein, dass sie unbedenklich 
einem jeden aus dem Volke zur Erholung zugänglich sind. 

9. Alle Spielplätze in Städten sollen so liegen, so angelegt, aus- 
gestattet und unterhalten sein, dass sie viel und gern aufgesucht 
und benutzt werden; sie müssen daher den Wohnungen der 
Spielbedürftigen nahe in freier und gesunder Gegend liegen und 
bequem zugängig sein. 

10. Für noch nicht schulpflichtige Kinder sollen Spielplätze in reich¬ 
lichen und jedenfalls ausreichender Zahl tunlichst in allen öffent¬ 
lichen Anlagen vorgesehen und eingerichtet werden. 

11. Für die schulpflichtige Jugend sollen — wenn nicht anderweit 
grosse und bequem gelegene Tummelplätze zur Verfügung 
stehen — die Schulhöfe für geleitete und beaufsichtigte Be¬ 
wegungsspiele zu bestimmten Zeiten geöffnet werden. 

12. Für die nicht mehr schulpflichtige Jugend sollen möglichst 
grosse Rasenflächen, wenn nicht in, so doch nahe der Stadt 
angelegt bezw. eingerichtet werden. Diese sollen 

an der Oberfläche frei, eben und möglichst horizontal liegen, 
und so gehalten sein, dass jede Staubentwicklung, sowie alle 
Schlamm- und Pfützenbildung ausgeschlossen bleibt, 
für die Spielenden in unmittelbarer Nähe Unterkunftsräume 
mit Gelegenheit zur Kleiderablage, Verrichtung der Notdurft, 
Aufbewahrung der Spielgeräte, sowie zum Waschen und 
Trinken und 

für die Zuschauer freie Übersicht, Schatten und Sitzgelegen¬ 
heit bieten. 

Plätze für Lawntennis, Radfahren, Rudern und Schwimmen etc. 
brauchen nicht mit den Spielplätzen in unmittelbarer Verbindung 
zu stehen. 

Der zweite Gegenstand des zweiten Verhandlungstages lautete: 
Schwimmbäder und Brausebäder. Auch hierfür waren zwei 
Referenten bestellt: San.-Rat Dr. Kabierske-Breslau und Baurat 
Beigeordneter Schnitze-Bonn. 

In den letzten Jahren, so führte der erste Referent aus, ist in un¬ 
serem Vaterlande eine grosse Badefreudigkeit erwacht. Die Bewegung 
zieht "unaufhaltsam durch die deutschen Lande und verspricht ein 
Segen für das Vaterland zu werden. Zwei Bestrebungen gehen 
nebeneinander her, die eine für die Verbreitung von Schwimmbädern, 
die andere für die von Brausebädern, und beide sind nicht ohne 
Gegensätze geblieben. 

Geschichtlich ist das Brausebad schon sehr alt. Auf griechischen 
Vasen aus dem 6. Jahrhundert vor Chr. sehen wir bereits Abbil- 


Digitized by 


Google 



373 


düngen aus einem Brausebad für Frauen. Aber die Sitte ging ver¬ 
loren, die Römer kannten sie nicht, und erst im 11. Jahrhundert wurde 
die Brause von den Italienern neuerfunden, und für sie der Name 
„doccia u Dusche geschaffen. Bei uns erhielten die Brausebäder 
zuerst im Jahre 1878 als Kasernenbäder und dann 1883 als Volks¬ 
bäder weiteste Verbreitung. Seitdem bat diese Badform einen 
Siegeszug durch die ganze zivilisierte Welt angetreten. Was nun 
seine Wirkung angeht, so ist es zunächst als Reinigungsbad zu 
betrachten, -indem es den Schmutz und die Ausscheidungen der Haut 
von dem Körper fortschafft. Allein es ist nicht nur der Schmutz, den 
wir entfernen, sondern in dem Schmutz leben Millionen von Mikro¬ 
organismen, die meist harmloser Natur, oft aber auch Feinde 
unserer Gesundheit sind. Dazu kommt dann die mechanische Be¬ 
einflussung der Haut durch das Badewasser und die massierenden 
und frottierenden Hände. Noch vielseitiger ist die Wirkung, wenn 
kühles Brunnenwasser gebraucht wird; daun tritt die physiologische 
Wirkung des kühlen Wassers hinzu. Ein weiterer Vorzug der 
Brausebäder sind ferner die geringen Auslagen für Einrichtung und 
Betrieb. Man berechnet die Kosten einer Dusche durchschnittlich 
auf Mk 1000, der Betrieb ist billig, der Wasserverbrauch ausser¬ 
ordentlich gering, nur 30 bis 50 1 werden für ein Bad gerechnet, 
während man für die Wanne 300 und für ein Schwimmbad 1500 1 
rechnen muss. So lassen sich Bäder mit Handtüchern und Seife 
wohl überall mit 10 Pfg. ohne Verlust abgeben. In den Brause¬ 
bädern haben wir somit eine Badeform gewonnen, die ausser¬ 
ordentlich wohlfeil und von unschätzbarem Wert für die Gesundheit 
unsers Volkes geworden ist. Daher müssen wir fordern, dass jede 
Kommune verpflichtet sein sollte, Brausebäder in genügender Anzahl 
zu errichten. 

Wo jedoch die Mittel vorhanden sind, da sollen wir unsere 
Forderungen höher stellen und Schwimmbäder fordern, denn diese 
Form des Badens dürfte nach allen Richtungen hin als die bessere 
zu bezeichnen sein. Beim Gebrauche der Schwimmbäder liegt der 
Nachdruck nicht auf der Reinigung, sondern auf der Entwickelung, 
Kräftigung und Festigung unseres Körpers. Schwimmen ist Turnen 
im Wasser, vielleicht die vollendetste aller Turnübungen, da es 
alle Muskeln des Körpers in Anspruch nimmt. Und nicht allein 
die Muskeln werden gekräftigt, auch das Atmen wird vertieft und 
der Umfang der Atmung vergrössert, das Herz und das ganze 
Gefässystem müssen sich der Atmung anpassen lernen und tüchtiger 
arbeiten, damit steigert sich ihre elastische Kraft, und Reaktions¬ 
fähigkeit. Auf unsere Nerven wirkt das kühle Wasser erfrischend 
und kräftigend ein, ein grosser Vorzug bei der reizbaren Nerven¬ 
schwäche vieler unserer Mitmenschen. Daneben wirkt aber auch 


Digitized by v^.ooQle 



374 


das Schwimmen auf unseren Charakter, es stählt unsere Willenskraft 
und Selbstbeherrschung, es befähigt uns, für andere das Leben zu 
wagen, jeder Gefahr furchtlos gegenüber zu stehen und im Kampfe 
unsere Pflicht zu tun. 

Ganz besonders ist das Schwimmbad der weiblichen Jugend 
zu empfehlen, da bei dieser körperliche Übungen so ausserordentlich 
wenig gepflegt werden. Das Schwimmbad sollte der Tummelplatz 
der Leibesübungen für die weibliche Jugend sein. So sind denn 
die Hallenbäder keineswegs ein Luxuserzeugnis, sondern das Er¬ 
gebnis eines gesteigerten hygienischen Verständnisses und einer 
klaren Erkenntnis der Wachstumsbedingung des Körpers. 

Der zweite Referent besprach das Thema von der tech¬ 
nischen Seite. 

Der Bauplatz soll, wenn möglich, mitten im Verkehrszentrum, 
und wenn irgendwie angängig, in der Nähe von Bildungsanstalten 
gelegen sein. Die Grösse ist natürlich von der Grösse der Anstalt 
abhängig, für eine mittelgrosse Anstalt mit doppelten Schwimmbecken, 
Wannen- und Schwitzbädern sind 2500 bis 3000 qm erforderlich. 

Die Schwimmhalle selbst bestand anfangs nur aus dem Bassin 
mit dem Umgang und den an den Aussenrändern des Raumes ge¬ 
legenen Auskleidezellen. Da man aber schon bald die Erfahrung 
machte, dass durch den Gebrauch der Seife das Wasser in dem 
Schwimmbecken stark verunreinigt wurde, so fügt man der Schwimm¬ 
halle einen Nebenraum an, der zur Vorreinigung des Körpers mittels 
Abseifens bestimmt und mit Brausen ausgerüstet war. 

Um die Auskleidezellen legte man später — zuerst bei dem 
1875 eröffneten Bassinbad zu Badenweiler — einen besonderen 
äusseren Umgang, um das Betreten der eigentlichen Baderäume mit 
Schuhen zu vermeiden. 

Das Schwimmbassin der Schwimmhalle selbst zeigt meist die 
Form eines Rechtecks; ein Drittel der Länge, welches dem Reinigungs¬ 
raum zunächst liegt, ist für Nichtschwimmer, zwei Drittel für Schwimmer 
bestimmt. 

Was die Grösse des deutschen Schwimmbassins anlangt, so 
schwankt diese zwischen Längen von 30 bis 14 m und Breiten von 
15 bis 7 m, somit zwischen Wasseroberflächen von 400 bis 100 qm 
und Wassermengen von 6U0 bis 150 cbm. Für ein Männerschwimm¬ 
bad dürfte das zweckmässige Mittelmass 20m Länge, 10m Breite, 
somit 200 qm Oberfläche mit 300 cbm Füllung betragen. Wenn 
irgend möglich, so soll ein städtisches Schwimmbad mit zwei 
Schwimmbecken gesondert für Männer und Frauen ausgerüstet sein. 
In einigen grossen Städten, so zuerst in Köln, sind Schwimmbäder 
mit drei Schwimmbecken erbaut worden, das dritte Becken wurde 
dann als Volksbad eingerichtet. 


Digitized by 


Google 



375 


Die Auskleidezellen werden am besten an den beiden Lang¬ 
seiten des Beckens anzulegen sein, die Zellen sollen auch bei den sog. 
Volksschwimmbädern geschlossen sein. Dem Brauseraum hat man 
neuerdings in einigen Schwimmbädern ein kleines auf etwa 30° C. 
temperiertes Warmluftbad angefügt, um schwächlichen, anämischen 
Personen vor und nach dem Bade Gelegenheit zur Erwärmung des 
Körpers zu geben. Auch Schwitzbäder hat man mehrfach unmittel¬ 
bar mit der Schwimmhalle verbunden, um den Gebrauch des Schwimm¬ 
bades im Anschluss an das Schwitzbad zu ermöglichen. 

Ausserordentliche Schwierigkeiten haben die Deckenkonstruk¬ 
tionen der Schwimmhallen bereitet. Neuerdings haben wir in den 
Betongewölben mit Eiseneinlagen ein vortreffliches Material gefunden, 
welches eine technisch vollkommene dabei künstlerische und wohlfeile 
Deckenherstellung gestattet. 

Was nun die künstlerische Ausstattung der Baderäume angeht, 
so ist hier Masshalten dringend geboten, um solche Anlagen nicht 
übermässig zu verteuern; in erster Linie soll das gesundheitlich 
Zweckmässige das Bestimmende sein. 

Die meisten deutschen Schwimmhallen sind auch diesem Grund¬ 
sätze gefolgt, um nicht durch künstlerische Übertreibungen die 
Mittel, die für gesundheitliche Zwecke zur Verfügung gestellt waren, 
allzusehr zu schmälern. 

In bezug auf die Rentabilität muss auch noch heute, wie bei 
der Anlage des vor 50 Jahren eröffneten ersten deutschen Schwimm¬ 
bades der Gesichtspunkt gelten: Keine vorwiegende Rücksicht 
auf Rentabilität. Hebung der Reinlichkeit in den unbemittelten 
Volksklassen. 

Nach den neuesten Zusammenstellungen haben wir jetzt in 
Deutschland 155 Schwimmhallen zumeist in West- und Mitteldeutsch¬ 
land. Zahlreiche Bauten sind projektiert oder schon in der Aus¬ 
führung, so dass wir eine gedeihliche Fortentwicklung auf diesem 
Gebiet konstatieren können. 

In der anschliessenden Besprechung forderte Geh. Med.-Rat 
Prof. Dr. Lassar-Berlin die Errichtung vieler kleiner, einfacher 
Bäder. Die heutigen Einrichtungen seien für das vorhandene Bade¬ 
bedürfnis bei weitem nicht ausreichend, denn im ganzen deutschen 
Reich seien nur etwa 150 Schwimmhallen und etwa 7000 Brause¬ 
zellen vorhanden. Die Furcht von einer event. Ansteckung, vor 
Übertragung von Krankheiten durch Schwimmbäder sei durchaus 
unbegründet, noch niemals sei eine solche Übertragung sicher nach¬ 
gewiesen worden. 

Stadtrat und Baurat H erzberg -Berlin schloss sich diesen 
Forderungen an, und wünschte namentlich, dass sehr viel mehr 
öffentliche Waschgelegenheiten geschaffen würden. Durch gesetz- 


Digitized by 


Google 



376 


liehe Vorschriften die Gemeinden zur Errichtung öffentlicher Bade¬ 
einrichtungen zu zwingen, hielt er für recht bedenklich. 

Dir. Dr. Czaplewski-Köln bezeichnete das Baden im offenen 
Fluss für nicht ganz unbedenklich. Noch vor kurzem konnte er 
«achweisen, dass ein Typhus durch ein solches aus selbstmörderischer 
Absicht genommenes Bad entstanden war. 

Baurat Hartwig-Dresden glaubte, dass auch die Wannenbäder 
gelegentlich Ansteckungen, z. B. von Typhus, vermitteln könnten. 

Oberbürgermeister Fuss-Kiel, stellte folgende Resolution: 

„Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege sieht 
in der Schaffung von Volksbrausebädern eine Mindestforderung, 
die im hygienischen Interesse an alle deutsche Städte gestellt 
werden muss. Er empfiehlt jedoch dringend, daneben auch auf 
die Schaffung von Schwimmhallenbädern hinzuwirken und hält 
die gegen sie hier und da erhobenen hygienischen Bedenken bei 
einigermassen vorsichtiger Einrichtung ihrer Anlage und ihres 
Betriebes nicht für begründet.“ 

Nachdem sich mehrere Redner für und gegen diese Resolution 
ausgesprochen hatten, wurde dieselbe mit grosser Majorität ange¬ 
nommen. 

Den Ausführungen der Referenten lagen folgende Leitsätze 
zugrunde: 

1. Die Brausebäder sind künstliche Duschbäder mit verschieden 
zu temperierendem Wasser, die unabhängig von jeder Witterung 
genommen werden können. Sie bezwecken und erreichen in 
richtiger Anordnung und Gebrauchsweise eine möglichst voll¬ 
kommene Reinigung des Körpers in schneller und einfacher 
Weise und müssen daher für Schulen, Kasernen, Fabrikations¬ 
betriebe, öffentliche Verkehrsanstalten, kurz überall, wo das 
engere Zusammenleben der Menschen und deren Arbeitstätigkeit 
die Einwirkung, Entstehung und Verbreitung gesundheitsschäd¬ 
licher Stoffe leichter möglich macht, als Abwehrmittel gegen 
Krankheit und Schwächung des Körpere aufs nachdrücklichste 
empfohlen werden. 

2 . Eine sinngemässe Anwendung kalter Brausebäder steigert bei 
regelmässigem Gebrauche die Reaktionskraft der Haut und 
macht sie wetterfester und widerstandsfähiger gegen Erkältungs- 
einfltisse. 

3. Da die Herstellung von Brausebädern, wie ihr Betrieb ver¬ 
hältnismässig billig und wassersparsam ist, können sie gegen 
geringe Vergütung verabfolgt werden, und sind somit für kleinere 
und ärmere Gemeinden und für wasserarme Gegenden heute 
das empfehlenswerteste Bademittel. 

4. Soweit genügende Badeeinrichtungen fehlen, sollten die Ge- 


Digitized by t^ooQle 



377 


meinden im Interesse der öffentlichen Gesundheit durch gesetz¬ 
liche Vorschrift gezwungen werden, Brausebäder in genügender 
Anzahl zu errichten. 

5. Die Schwimmbäder verfolgen andere Zwecke. Bei ihrem Ge¬ 
brauche liegt der Hauptnacbdruck nicht auf der Reinigung des 
Körpers, sondern auf seiner Entwicklung, Kräftigung und 
Festigung. Nicht warmes Wasser und Seife spielen hier die 
Hauptrolle, sondern kaltes Wasser und turnerische Arbeit durch 
Schwimmen, Tauchen und Springen. Das Turnen im Wasser 
ist eine der besten Leibesübungen, welche, Jahr aus Jahr ein 
regelmässig betrieben, den Körper in seiner ganzen Struktur 
kräftig, ihn gegen Erkältungseinflüsse abhärtet, die Menschen 
beherzter und mutiger macht, sie gegen die Gefahr des Er¬ 
trinkens sichert und zu beherzter Lebensrettung unserer Mit¬ 
menschen aus Wassersgefahr befähigt. Auch wird ein Stück 
nationaler Wehrkraft damit erworben, was nicht zu unterschätzen 
ist, da seit Einführung der zweijährigen Dienstzeit die Aus¬ 
bildung unserer Armee im Schwimmen in bedauerlichem Rück¬ 
gänge ist. 

6. Einen ganz hervorragenden Wert hat das Schwimmen für die 
heran wachsende Jugend. Die Kräftigung der Atmung, Blut- 
bewegung und Nerventätigkeit, die vortreffliche Ausbildung 
des Brustkorbes, der Widerstandskraft gegen Erkrankung der 
Luftwege lassen in ihm eines der besten prophylaktischen Mittel 
gegen Schwindsucht erkennen. Die weibliche Jugend ist be¬ 
sonders auf den Wert des Schwimmens hinzu weisen, da sich 
bei ihr die Gelegenheiten zu einer kräftigen Ausbildung des 
Körpers weniger bieten, und die Eltern ihre Kinder ohne Sorge 
einer Körperübung überlassen können, die sie nächst dem 
Turnen am besten für ihre späteren schweren Körperaufgaben 
vorbereitet und bildet. 

7. Die modernen Hallenbäder sind als grössten Fortschritt der 
heutigen Badebewegung zu begrüssen, die machtvoll wie zu 
keiner anderen Zeit die ganzen deutschen Lande durchzieht. 
Sie ermöglichen, unabhängig von Wind und Wetter und zu 
jeder Tages- und Jahreszeit das Schwimmen zu üben und 
schliessen auch die Vorteile der Brausebäder in sich ein; denn, 
als Grundsatz gilt bei ihnen: ohne Brausebad kein Schwimmbad. 

Für die Bewohner grosser Städte, die zumeist auf den 
gesunden Aufenthalt im Freien und die Bewegung in Sonne 
und staubfreier Luft verzichten müssen, ist das Hallenbad ein 
Segen geworden, eine neue Quelle der Freude und Kraft; vor 
allem für unsere Frauenwelt, welche nicht wie Männer ihre 
Kräfte in sportlicher und turnerischer Arbeit stählen kann. 


Digitized by 


Google 



378 


Für die Frauen ist das Hallenbad der beste Tummel¬ 
platz ihrer körperlichen Übungen geworden. 

Hinsichtlich der Hallenbäder und deren Bau durch die 
Kommunen ist eine gesetzliche Verpflichtung heute nicht zu 
verlangen. Es kann den städtischen Vertretern aller Kommunen 
über lOOOO Einwohner nur eindringlichst empfohlen werden, 
eine solche Quelle der Kraft und Gesundheit für ihre Mitbürger 
zu gewinnen und je nach den Mitteln der Stadt unterstützend 
oder selbsttätig einem der besten Fortschritte unserer Zeit zu 
folgen. 

8. Zur Erreichung des gesundheitlichen Nutzens der Bäder ist die 
Verwendung öffentlicher Mittel für den Bau und Betrieb gemein¬ 
nütziger Badeanstalten sowohl solcher mit Brausebädern wie 
mit Schwimmbädern berechtigt und notwendig. Insbesondere 
soll die Forderung der von vornherein gesicherten Rentabilität 
der Anstalten nicht die Vorbedingung ihrer Herstellung sein. 
Die Versorgung mit Brausebädern ist jeder Stadtgemeinde 
finanziell möglich. Durch zahlreiche Beispiele ist nachgewiesen, 
dass die Errichtung und der Betrieb öffentlicher Schwimm¬ 
hallen nicht nur für grössere, sondern auch für kleine Städte 
möglich ist und keine unerschwingliche Belastung der Gemeinden 
darstellt. 

9. Für den Bau von Badeanstalten aus öffentlichen Mitteln soll 
der Grundsatz, dass sie in gemeinnütziger Weise der öffentlichen 
Gesundheitspflege zu dienen haben, stets der in erster Linie 
massgebende sein. Zu diesem Zwecke sind die Bauwerke auf 
Grund der besten Erfahrungen zweckmässig und wirtschaftlich 
herzustellen. Die zu weit gehende Verfolgung nebensächlicher 
Zwecke, z. B. das Streben nach künstlerischen Wirkungen unter 
dem Aufwande erheblicher Mittel hierfür, schädigt den Haupt¬ 
zweck. 

10. Massnahmen, welche eine Scheiduug der öffentlichen Bäder in 
besondere Anstalten für Bemittelte und für Unbemittelte be¬ 
zwecken oder das Ziel verfolgen, aus öffentlichen Mitteln nur 
für Unbemittelte Bäder zu errichten, können nicht als zweck¬ 
mässig empfohlen werden. Öffentliche Badeanstalten sollen 
den gemeinsamen Bedürfnissen der ganzen städtischen Bürger¬ 
schaft dienen. Im einzelnen können sie den Ansprüchen der 
Ortsteile und Bevölkerungsklassen, für deren Gebrauch sie 
bestimmt sind, wohl besonders angepasst werden. Unbemittelten 
ist ihre Benutzung vorzugsweise zu den ihnen bequemsten 
Besuchszeiten bei einem ihren Einkommensverhältnissen an¬ 
gemessenen Eintrittsgelde zu gestatten. 

11. Es erscheint nicht zweckmässig, in Schwimmbädern eine ver- 


Digitized by 


Google 



379 


schiedenartige Behandlung der Besucher insofern durchzuftthren, 
dass man den Unbemittelten gemeinsame offene Auskleideplätze 
anweist; es empfiehlt sich vielmehr, für alle erwachsenen Be¬ 
sucher gesonderte Auskleidezellen einzurichten. 

12. Es wird angeregt, auch die Brausebäder so herzustellen, dass 
bei gesonderten Anskleidezellen das Bad gemeinschaftlich im 
offenen Raume, wie es in den Reinigungsräumen der Schwimm¬ 
hallen geschieht, genommen wird. Dies würde eine bequeme 
Überwachung der Badenden, dadurch grössere Gewähr für die 
Erreichung des Zwecks der Körperreinigung sowie Verhütung 
von Wasservergeudung und anderen Ungekörigkeiten, endlich 
Zeitersparnis beim Badegeschäft ermöglichen. Die Badeanstalten 
für Brausebäder würden billiger, besser beleuchtet und über¬ 
sichtlicher hergestellt werden können. Dadureh würde auch 
die weitere Ausbreitung des Brausebades auf dem Lande ge¬ 
fördert werden können. 

Am dritten Verhandlungstage wurde als erstes Thema Müll- 
b e8 ei t i g u n g und M tt 11 v e r w e rt u n g behandelt; Berichterstatter 
war Dr. Thiesing-Berlin. 

Die Müllbescitigung ist für alle grösseren Gemeindewesen 
Gegenstand grösster Sorge. Während die Beseitigung der flüssigen 
Abfallstoffe glücklich gelöst ist, hat die Frage der Beseitigung des 
Mülls, also der festen Abfallstoffe, lange Zeit allen Lösungsversuchen 
getrotzt. Die Anforderung nun, welche die Gesundheitspflege an 
die ordnuugsmässige Müllbeseitigung stellt, laufen darauf hinaus, 
dass verhütet werde, dass durch das Müll Krankheiten entstehen 
oder verbreitet werden. Pathogene Keime können ja gewiss durch 
das Hausmüll verschleppt werden, aber noch niemals konnte eine 
Infektion mit Sicherheit auf das Hausmüll zurückgeführt werden. 
Die theoretische Gefährlichkeit des Mülls ist praktisch durchaus 
nicht vou der Bedeutung, die man ihm in der Literatur beimisst, 
das bestätigen auch die Erfahrungen, die man mit den Berliner 
Rieselfeldern gemacht hat, wo jeder auftretende Typhusfall sorg- 
faltigst beobachtet wird. Im Jahre 1903 kamen aber auf einer 
Rieselfläche von rund 14 000 ha bei einer Bevölkerung von etwa 
50 000 Seelen nur fünf Typhusfälle vor, die alle mit Genesung 
endeten. In keinem dieser Fälle konnte der Rieselbetrieb als Ent 
ßtehungsursache nachgewiesen werden. Wenn freilich die Unter¬ 
suchung oder Erfahrung ergeben würde, dass das Müll wirklich so 
infektionsgefährlich ist, dann müsste seine sorgfältigste Vernichtung 
gefordert werden. Solange aber der Beweis nicht erbracht ist, 
erfordert die Rücksichtnahme auf die Finanzen der Kommunen, 
dass auch einfachere Methoden, sofern sie den elementaren An- 


Digitized by 


Google 



380 


forderungen der Gesundheitspflege entsprechen, als zulässig be¬ 
zeichnet werden. 

Das Müll setzt sich aus drei Hauptbestandteilen zusammen: 
erstens Asche und Kehricht, zweitens animalische und vegetabilische 
Abfälle, drittens gewerblich verwertbare Abfälle, wie Eisen, Lum¬ 
pen usw. Von diesen Bestandteilen sind die animalischen und ve¬ 
getabilischen Abfälle wegen ihrer grossen Zersetzungsfähigkeit im¬ 
stande Gesundheitsstörungen hervorzurufen. Durch eine rasche 
Abfuhr ist daher zu sorgen, dass die Abfälle aus der Nähe der 
Menschen fortgeschafft werden, ehe die Zersetzung beginnt. Die 
Abfuhr ist daher von den beiden Phasen der Müllbeseitigung: Ab¬ 
fuhr und endgültige Vernichtung die wichtigere und in gesundheit¬ 
licher Beziehung bedeutsamere. Sie soll möglichst staub- und ge¬ 
ruchfrei geschehen, ob durch die Kommune selbst oder durch Unter¬ 
nehmer, ob bei Tag oder Nacht, das wird von örtlichen Verhält¬ 
nissen abhängen. Die Mängel liegen zumeist mehr auf ästhetischem 
als auf hygienischem Gebiete, und daher sind auch einfache Ver¬ 
fahren, wenn sie den Vorschriften entsprechen, zuzulassen. Gegen 
das Aufstapeln des Mülls ist nichts einzuwenden, sofern es auf einem 
Platz geschieht, der von menschlichen Wohnungen genügend weit 
entfernt liegt und der Bebauung voraussichtlich dauernd oder doch 
noch längere Zeit entzogen bleibt. Wird die gelagerte Müllmasse 
noch mit Vegetation besiedelt, so dürfte eine Gefahr wohl gänzlich 
ausgeschlossen sein, wie z. B. der bekannte Scherbelberg in Leipzig 
zeigt. Neben der Hygiene ist aber auch die Volkswirtschaft an der 
Mtillbeseitigung interessiert, die eine rationelle Verwertung des Mülls 
fordert. 

Hier kommt in erster Linie die landwirtschaftliche Ausnutzung 
des Mülls als Dünger zur Verbesserung der Bodenbeschaffenheit in 
Frage. Der Umstand freilich, dass das Müll nur zu bestimmten 
Jahreszeiten gebraucht werden kann, erschwert ausserordentlich die 
Verwendung. Eine weitere Methode, die Sortierung des Mülls, ist 
neuerdings mehrfach in Anwendung gekommen, so in Puchheim bei 
München und zuletzt und in ausgedehntem Masse in Charlottenburg. 
Hierbei ist freilich das Separations- oder Dreiteilungs-Verfahren 
notwendig; es besteht darin, dass die einzelnen Gruppen von 
Bestandteilen: Asche, animalische und vegetabilische Abfälle und 
drittens gewerblich verwendbare Abfälle, von Anfang an getrennt 
gehalten werden. Diese Abfälle müssen in 3 Behältern gesammelt 
werden, im ersten Asche und Kehricht, die als Dünger Verwendung 
finden, im zweiten die Speisereste, die als Schweinefutter gebraucht 
werden, und im dritten die gewerblich verwendbaren Bestandteile, 
die sortiert und zur weiteren Verarbeitung an Fabriken zu verkaufen 
sind. Dazu ist freilich die Mitwirkung der Bevölkerung notwendig, 


Digitized by 


Google 



381 


aber diese verhält sich nicht so ablehnend gegen derartige Be¬ 
strebungen, wie man wohl annehmen könnte, und so hat sich dieses 
System in einer Anzahl von Städten durchaus bewährt. Das dritte 
Verfahren ist die Verbrennung, welche eine rasche und sichere 
Umwandlung des Mülls in eine ästhetisch und hygienisch völlig in¬ 
differente Masse ermöglicht. Diese Methode geht von England 
aus, wo nahezu 200 kleinere und grössere Städte das Müll auf 
diese Weise beseitigen. In Deutschland stellten sich dieser Methode 
zunächst grosse Schwierigkeiten entgegen, da das Müll nicht ohne 
erheblichen Kohlenzusatz brennen wollte. 

Im Müll zahlreicher deutscher Städte fehlen nämlich un¬ 
verbrannte Kohlenstttckchen fast gänzlich, namentlich dort, wo 
Briketts gebrannt werden. Die taube Asche macht überdies die 
Verbrennung fast ganz unmöglich, weil sie die wenigen brennbaren 
Bestandteile mit einer selbst für das Feuer undurchdringlichen 
Hülle umgibt. Dort, wo gute Steinkohle gebraucht wird, ist 
jedoch die Müllverbrennung leicht durchzuführen. Technische Ver¬ 
besserungen der letzten Zeit haben es jedoch ermöglicht, auch das 
Müll anderer Städte in einwandfreier Weise zu verbrennen, so dass 
sich für diese Art der Müll Verwertung eine günstige Perspektive 
eröffnet. Aber neben der Brennbarkeit des Mülls ist die rationelle 
Durchführbarkeit der Verbrennung auch noch von der Möglichkeit 
die Produkte der Verbrennung: Wärme und Rückstände dauernd 
nutzbringend zu verwerten, abhängig. Die Rückstände, 35—50°/ 0 
sind zu Beton und Mörtelbereitung vorzüglich geeignet. Die beste 
Art die Wärme auszunutzen, ist die Umwandlung in Elektrizität, 
die wohl in den meisten Fällen möglich sein dürfte. So sehen wir, 
dass zahlreiche Methoden für die Müllverwertung möglich sind. 
Wir müssen den Verwertungsgedanken in jeder zulässigen Form 
unterstützen, damit das Wort zur Wahrheit werde: Müll ist kein 
wertloser Abfall, sondern Materie am Unrechten Ort. 

Die Debatte wurde eingeleitet von Dozent Dr. Weyl-Char¬ 
lottenburg, der auf den Beschluss der Versammlung vom Jahre 1894 
aufmerksam machte: 

Indem der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege 
sich den von den Herren Referenten (Medizinalrat 0. Reineke 
und Oberingenieur Andr. Meyer, Hamburg) aufgestellten Leit¬ 
sätzen anschliesst, richtet er an die Stadtgemeinden die Bitte, dieser 
Angelegenheit nach den Vorgängen von Berlin und Hamburg die 
grösste Aufmerksamkeit zuzuwenden. 

Leitsätze: 

1. Gegen die landwirtschaftliche Verwertung des Kehrichts be¬ 
stehen keine hygienischen Bedenken, wenn derselbe gleich 
untergepfltigt oder bei seiner provisorischen Lagerung so ver- 

Centralblatt f. allg. Gesundtaeitspflese. XXIV. Jahrs. 26 


Digitized by 


Google 



36 2 


arbeitet oder mit Erde bedeckt wird, dass ein Verwehen oder 
Verstäuben seiner Bestandteile ausgeschlossen ist. Eine längere 
Lagerung des Kehrichts ohne landwirtschaftliche Verwendung 
und insbesondere eine Anhäufung derselben auf Plätzen, welche 
früher oder später zur städtischen Verbauung herangezogen 
werden könnten, ist unstatthaft. Auch muss sicher verhindert 
werden, dass Lumpensammler Teile derselben in die Stadt und 
in den Verkehr zurückbringen. 

2. Wo diese Bedingungen nicht erfüllt werden können, wo die 
Landwirtschaft nicht imstande ist, die Mengen des städtischen 
Kehrichts zu bewältigen, wo die landwirtschaftliche Verwertung 
für die Städte zu kostspielig wird, oder wo Gefahr besteht, 
dass zu Epidemiezeiten die Abnahme des Kehrichts auf 
Schwierigkeiten stösst, da empfiehlt sich die Verbrennung nach 
englischem Muster. 

Dieser Beschluss sei auch heute noch ebenso richtig wie im 
Jahre 1894, die Verbrennung sei die beste und sicherste Methode, 
um alle etwa im Müll vorhandenen Schädlichkeiten zu beseitigen. 
Die Landwirtschaft könne das Müll nicht verwerten, da sie' es 
im Winter nicht abnehmen könne. Er empfahl jedoch abzuwarten, 
bis die in Wiesbaden und Frankfurt eingeleiteten Verbrennungs¬ 
versuche abgeschlossen seien. 

Bauinspektor Caspersohn bezeichnete nach den guten Er¬ 
fahrungen in Hamburg die Verbrennung als die hygienisch ein¬ 
wandfreiste Methode der Müllbeseitigung. 

Fluck, Chef des Abfuhrweseiis der Stadt Zürich, berichtete 
eingehend über die Resultate der Müllverbrennung in Zürich. 
Durchschnittlich wurden in 24 Stunden 7,2 Tonnen pro Zelle im 
Horsfallofen verbrannt. 1 kg Müll verwandelte 0,63 kg Wasser von 
0° in Dampf von 100° C., an Kraft wurde pro Zelle 11,4 Kilowatt 
gewonnen, oder eine Tonne Müll leistete durchschnittlich 32,6 Kilo¬ 
wattstunden. Die Verbrennungskosten stellten sich auf 4 Mark pro 
Tonne Müll. 

Direktor der Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Grundbesitzer 
Callenbach-Berlin erklärte das vom Referenten empfohlene 
Separationsverfahren als einen Rückschritt in hygienischer und 
ästhetischer Beziehung. 

Stadtbaurat Frobenius-Wiesbaden machte Mitteilungen über 
die Müllverbrennung in Wiesbaden. Er sprach sich ebenfalls gegen 
das Separationsverfahren aus, da hierdurch die Fortschaffung des 
Mülls verzögert werde, was eine Gesundheitsgefährdung zur Folge 
haben könne. 

Prof. Dr. Eris mann-Zürich verlangte auch eine schleunige 


Digitized by 


Google 



383 


Beseitigung des Mülls, und zwar aus Gründen der Reinlichkeit, die 
-für die Gesundheitspflege die Hauptsache sei. 

In seinem Schlussworte bemerkte der Referent, dass er die 
Vorzüge der Verbrennung durchaus nicht bestritten habe, er habe 
nur hervorheben wollen, dass auch andere Beseitigungsmethoden 
nach örtlichen Verhältnissen in Frage kommen könnten. Wenn in 
Hamburg das Müll sich landwirtschaftlich nicht verwerten liess, so 
hindere das nicht, dass anderswo eine solche Verwertung möglich 
sei. Mannheim habe nicht wie Leipzig einen Scherbelberg, sondern 
ein Scherbelloch, das sogenannte Schneckenloch, in das man Jahre 
lang den Abfall hineinschütte. Die Beschlüsse der Gesellschaft im 
Jahre 1894 seien sehr gut gewesen, es war aber doch erforderlich, 
die Frage nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft und den 
seither gemachten praktischen Erfahrungen zu behandeln. 

Der Referent hatte folgende Leitsätze aufgestellt: 

1. Bei der Beseitigung des Hausmülls müssen in erster Linie die 
Forderungen der Gesundheitspflege erfüllt werden. Alle Ver¬ 
fahren, auch die einfachsten, wie Aufstapeln des Mülls oder 
Versenken desselben ins Meer, sind als zulässig für die Mtill- 
beseitigung anzusehen, wenn sie diesen Forderungen genügen. 

2 . Bei einer in jeder Beziehung vollkommenen Müllbeseitigung 
sind aber auch ästhetische und wirtschaftliche Momente zu be¬ 
rücksichtigen, und deshalb verdienen namentlich diejenigen Ver¬ 
fahren Beachtung, welche eine hygienisch nnd ästhetisch völlig 
einwandfreie Beseitigung des Mülls gewährleisten und gleich¬ 
zeitig eine möglichst hohe Verwertung desselben gestatten. 

3 . Als solche Verfahren kommen in Betracht: 

a) Die Aufbringung des Mülls auf Ödländereien, welche der 
Bebauung voraussichtlich noch längere Zeit entzogen bleiben. 
Sie ist die einfachste Art der Müllbeseitigung und dann un¬ 
bedenklich, wenn das Müll gleich untergepflügt oder so ge¬ 
lagert wird, dass die Aufstapelung keine Missstände (Staub¬ 
verwehungen, Gerüche, Insekten- und Ungezieferplage) 
herbeiführt. 

b) Die Sortierung des Mülls behufs Verwertung seiner einzelnen 
Bestandteile. Die Verwertbarkeit derselben wird durch die 
schon im Hause beginnende Trennung (Separation) in 
a) Asche und Kehricht, b) Speisereste und c) gewerbliche 
Abfälle wesentlich erhöht. In den Verkehr zurückgelangende 
Bestandteile müssen vorher einer Behandlung unterzogen 
werden, welche die Übertragung etwa vorhandener Krankheits- 
keime sicher verhütet. 

c) Die Verbrennung des Mülls. Ihre Durchführbarkeit hängt 
davon ab, dass das Müll ohne erhebliche Zuschläge (Kohlen) 


Digitized by 


Google 



384 


brennt und dass dauernder Absatz der Verbrennungsprodukte- 
(Wärme und Rückstände) gewährleistet ist. 

4. Eine universelle Bedeutung kommt keinem dieser Verfahren 
zu, vielmehr muss von Fall zu Fall entschieden werden, 
welches von ihnen unter den vorliegenden Verhältnissen dem 
Vorzug verdient, und ob nicht etwa eins der einfacheren Ver¬ 
fahren, wie Aufstapeln des Mülls oder Versenken ins Meer, in 
Betracht kommt. 

Der letzte Verhandlungsgegenstand lautete: Selbstverwaltung 
und Hygiene, worüber Regierungs- und Geh. Medizinalrat Dr. 
Roth-Potsdam referierte. 

Der weitangelegte und interessante Vortrag beleuchtete in 
fesselnder Weise die zahlreichen Aufgaben der Kommunen auf dem 
Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege. In folgenden 60 Leit¬ 
sätzen hatte der Vortragende seine Gedanken und Forderungen 
niedergelegt* 

1. Den weiteren Kommunal verbänden (Provinzen p. p.), 
denen die Fürsorge für die hilfsbedürftigen Geisteskranken, 
die Idioten, Epileptischen, Blinden und Taubstummen übertragen 
ist, liegt es ob. entsprechend der Zunahme der Bevölkerung 
für Bereitstellung ausreichender Unterkunftsräume rechtzeitig 
Sorge zu tragen. 

2. Die Abgabe hilfsbedürftiger Geisteskranker an solche Anstalten, 
in denen eine psychiatrische Leitung fehlt, liegt nicht im 
Interesse dieser Kranken. 

3. Bei Gefahr im Verzüge darf die Aufnahme in die nächste 
Anstalt nicht durch die Aufnahmeverhandlungen (Ermittelung 
des verpflichteten Armenverbandes u. a.) verzögert werden. 

4. Die Entlastung der Provinzialanstalten wird durch Ausdehnung 
der familiären Irrenpflege, wie durch Schaffung besonderer 
Trinkerheilanstalten zu erstreben sein. 

5. Die Mitwirkung der Kreise (Bezirksämter, Amtshauptmann¬ 
schaften u. s. w.) ist bei der Regelung der geschlossenem 
Krankenpflege, insbesondere bei der Schaffung von Unterkunfts¬ 
räumen für ansteckende Kranke wie bei der Regelung des 
Desinfektionswesens nicht zu entbehren. 

6. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist die Bereitstellung eines 
entsprechend ausgebildeten Pflegepersonals, namentlich auch 
soweit Gemeindepflegerinnen, Haus- und Wochenpflegerinnen 
in Frage kommen. 

7. ln allen grösseren Ortschaften sind Gemeindepflegestationen 
einzurichten, die in dünn bevölkerten Gegenden mit den not¬ 
wendigsten Krankenpflegegerätschaften auszurüsten sind. 


Digitized by 


Google 



385 


8. Auf die Bereitstellung von Armenärzten in einem der Ein¬ 
wohnerzahl und den örtlichen Verhältnissen entsprechenden 
Umfang ist seitens der Kreise und entsprechenden Verbände 
hinzuwirken. 

9. Auf dem Gebiet der geschlossenen Armen- und Siechenpflege 
ist die ergänzende Mitwirkung der Kreise und der weiteren 
Komm anal verbände gegenüber leistungsunfähigen Gemeinden 
nicht zu entbehren. 

10. Eine einheitliche Regelung der Nahrungsmittelkontrolle in den 
Kreisen und entsprechenden Verbänden, die sich auf Ver¬ 
einbarungen mit den Untersuchungsanstalten, Art und Zahl der 
Probeentnahmen, wie unter Umständen auf die Errichtung von 
L ntersuchungsanstalten zu erstrecken hat, empfiehlt sich aus 
wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen. 

11. Auf die Schaffung ausreichender und einwandsfreier Wasser¬ 
versorgungsanlagen ist überall hinzuwirken; dabei werden 
leistungsschwache Gemeinden nicht bloss durch Bereithaltung 
geeigneter Sachverständiger, sondern auch durch Gewährung 
entsprechender Beihilfen seitens der Kreise wie auch der 
weiteren Kommunalverbände zu unterstützen sein. Durch Erlass 
entsprechender Brunneuordnungen sind die wichtigsten an die 
Brunnenanlagen zu stellenden gesundheitlichen Forderungen sicher 
zu stellen. 

12. Bei der Herstellung und Unterhaltung der öffentlichen Ver¬ 
kehrsstrassen wird mit Rücksicht auf den zunehmenden 
Verkehr den auf die möglichste Verhütung der Staubgefahr 
gerichteten Bestrebungen erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden 
sein. 

13. Dankbar zu begrüssen und im gesundheitlichen Interesse ge¬ 
legen ist auch jede Anregung und Betätigung auf dem Gebiet 
des ländlichen Arbeiterwohnungswesens seitens der Kreise wie 
der weiteren Kommunalverbände. 

14. Zu den Aufgaben der Gemeindeverwaltung gehört es, die¬ 
jenigen Einrichtungen, die ganz oder hauptsächlich den Strassen- 
körper, den Öffentlichen Verkehr und die öffentliche Gesundheits¬ 
pflege betreffen, in eigener Verwaltung herzustellen und zu 
betreiben. 

Io. Grundlegend für die Kommunal-Hygiene ist die rechtzeitige 
Feststellung zweckentsprechender, den gesundheitlichen For¬ 
derungen Rechnung tragender Bebauungspläne. 

16. Neben einer zweckentsprechenden Abstufung der Bauordnung, 
der Unterscheidung von Wohn- und Verkehrsstrassen, der Fern¬ 
haltung belästigender Betriebe von den Wohnstrassen ist die 
Anlage von freien Plätzen, von Volksparks, Promenaden und 


Digitized by 


Google 



386 


namentlich von Spiel- und Erholungsplätzen von erheblichster 
Bedeutung für Gesundheit und Wohlbefinden der Bewohner, 
deren gesundheitliche Bedeutung mit der Grösse der Ort¬ 
schaften und der Dichtigkeit des Zusammenwohnens zunimmt. 

17. Auf dem Gebiet der Wohnungsfürsorge bleibt neben den Mass¬ 
nahmen zur Verbilligung des Wohnungsbaues das wichtigste 
eine regelmässige Wohnungszählung und eine fortlaufende 
Wohnungskontrolle, sei es durch amtliche oder ehrenamtliche 
Organe. Die an Räume zum Wohnen und Schlafen zu stellen¬ 
den Mindestforderungen sind durch Gesetz oder in dessen Er¬ 
mangelung durch Polizeiverordnung festzusetzen. 

18. Soweit besondere Wohnungsämter nicht errichtet werden, sind 
Wohnungskommissionen (Deputationen) unter Zuziehung von 
bautechnischen und ärztlichen Sachverständigen für die Zwecke 
der Wohnungsfürsorge nutzbar zu machen. Zu demselben 
Zweck sind auch die Gesundheitskommissionen heranzuziehen. 

19. Vom gesundheitlichen Standpunkt ist diejenige Strassen- 
befestigung die beste, die sich am wenigsten abnutzt und den 
geringsten Staub erzeugt, die ferner am wenigsten Geräusch 
verursacht und sich am schnellsten und gründlichsten reinigen 
lässt. 

20. Die kommunalen Verkehrsmittel müssen neben den sozialen 
auch den hygienischen Forderungen Rechnung tragen. 

21. Eine den gesundheitlichen Forderungen entsprechende Strassen- 
reinigung hat die Übernahme durch die Gemeinde zur Voraus¬ 
setzung, und das gleiche gilt von der Strassenbesprengung. 

22. Alle Bestrebungen und Massnahmen, die auf die Verhütung 
der Staubentwicklung, die Reinhaltung der Luft von Rauch 
und Russ, von Verbrennungsgasen u. 8. w. abzielen, verdienen 
die tatkräftigste Unterstützung und Förderung seitens der 
Gemeinden. 

23. Für die Herstellung ordnungsmässiger Entwässerungsanlagen ist 
die Bereitstellung von Höhenlageplänen eine unentbehrliche 
Voraussetzung. 

24. Die Beseitigung der festen und flüssigen Abfallstoffe hat so 
zu erfolgen, dass Verunreinigungen des Untergrunds, der 
Brunnen und der Wasserläufe sowie der Luft ausgeschlossen 
sind. 

25. Gemeinden mit dichter Bebauung haben auf die Herstellung 
einheitlicher unterirdischer Entwässerungsanlagen für die Haus¬ 
und Wirtschaftswässer, denen in der Regel auch die Fäkalien, 
zuzuftihren sind, Bedacht zu nehmen. Welches System der 
Reinigung bezw. Klärung gewählt werden soll, richtet sieb 
nach den besonderen örtlichen Verhältnissen. Soweit irgend 


Digitized by v^ooQle 



387 


möglich, empfiehlt sich die Aufnahme der Fabrikabwässer in 
die gemeinsame Entwässerungsanlage, erforderlichenfalls nach 
vorangegangener Vorklärung. 

26. Unter besonderen Voraussetzungen (einheitliche Regelung, Kon¬ 
trolle seitens der Gemeindeverwaltung u. s. w.) kann das 
Grubensystem zugelassen, das Tonnensystem als gesundheitlich 
einwandsfrei erachtet werden. 

27. Wie die Strassenreinigung und die Beseitigung des Strassen- 
kehrichts durch die Gemeinde, trägt auch die Beseitigung des 
Hausmtills durch die Gemeinde den gesundheitlichen For¬ 
derungen am vollkommensten Rechnung. Soweit eine als¬ 
baldige landwirtschaftliche Verwertung oder eine Vernichtung 
des Mülls durch Verbrennen nicht erreichbar ist, muss jede 
Gemeinde im Besitz eines geeignet gelegenen Abladeplatzes für 
Haus- und Strassenkehricht sein, dessen Betrieb den gesundheit¬ 
lichen Forderungen entsprechend zu regeln ist. 

28. Aus gesundheitlichen Rücksichten empfiehlt sich die Zwei- 
bezw. Dreiteilung des Mülls. 

29. In jeder Gemeinde muss eine der Einwohnerzahl und der 
räumlichen Ausdehnung entsprechende Anzahl ein wandsfreier 
öffentlicher Wasserentnahmestellen vorgesehen sein. 

30. Bei der ausserordentlichen Verantwortung, die mit der Er¬ 
richtung zentraler Wasserversorgungsanlagen verbunden ist, ist 
zu fordern, dass diese Anlagen von den Gemeinden oder 
Gemeindeverbänden betrieben werden, da sie nur so ihren 
Zweck voll und ganz erfüllen können. Der Betrieb ist auf 
Grund eingehender Betriebsvorschriften zu regeln. Ein 
möglichst bequemer und billiger Bezug des Trink- und Brauch¬ 
wassers liegt im allgemeinen gesundheitlichen Interesse, wie 
auch namentlich im Interesse der Bewohner von Klein¬ 
wohnungen. 

31. Der direkte Anschluss der Klosetts, Badewannen, Wasch- und 
Spülbecken u. s. w. an die Wasserleitung schliesst ebenso wie 
die Verbindung der Leer- und Überläufe der Wasserwerke 
mit Abwässerleitungen und verdächtigem Oberflächenwasser 
die Gefahr des Rücksaugens oder Rückfliessens unreiner 
Flüssigkeiten in die Reinwasserleitung in sich. Durch Anordnung 
geeigneter Zwischenschaltungen, Unterbrechungen u. a. ist 
dieser Gefahr zu begegnen. 

32. Diejenigen Einrichtungen und Massnahmen, welche die Bereit¬ 
stellung ausreichender und einwandsfreier Nahrungs- und 
Genussmittel bezwecken, sind auf alle Weise seitens der Ge¬ 
meinden zu fördern. 

33. Im Interesse der Säuglingsernährung ist zu fordern, dass eine 


Digitized by 


Google 



38 * 


sauber gewonnene lind sauber transportierte Milch von gesunden 
Kühen jederzeit zu einem Preise zur Verfügung steht, der für 
die Angehörigen der ärmeren Volksklassen nicht unerschwinglich 
ist. In grösseren Städten sind Abgabestellen für Säuglings¬ 
milch und weiterhin Fürsorgestellen für Säuglingspflege, die 
ärztlicher Leitung zu unterstellen sind, einzurichten. Diese 
Massnahmen der Säuglingsfürsorge müssen in Grossstädten ihre 
Ergänzung in der Einrichtung von Säuglingsheimen und Säug- 
lingskraukenhäusern finden. 

34. Eine gesundheitlich einwandsfreie Gestaltung des Fleisch¬ 
verkehrs hat die Zentralisierung des Schlachthausbetriebes, 
die Errichtung öffentlicher Schlachthäuser seitens der Gemeinden 
zur Voraussetzung, da nur so alle Garantien gegeben sind, 
dass die Untersuchungen mit der erforderlichen Gründlichkeit 
und Sorgfalt ausgeführt werden. Für vorschriftsmässige Be¬ 
handlung des bedingt zulässigen wie des beanstandeten Fleisches 
muss gesorgt sein. 

35. Die Förderung von Volks- und Krankenküchen, deren Er¬ 
richtung in erster Linie den privaten und Vereins-Wohlfahrts¬ 
bestrebungen zu überlassen ist, liegt im Interesse der Gemeinden 
wie auch namentlich der Krankenkassen. 

36. Die Armenverwaltungen haben ein ausserordentlich grosses, 
zablenmässig nachweisbares Interesse daran, die Trunksucht, 
als eine der häufigsten Ursachen der Verarmuug durch Unter¬ 
stützung aller hierauf gerichteten Massnahmen nach Möglichkeit 
eindämmen zu helfen 

37. Unter den Mitteln, die auf eine Hebung der Volksgesundheit 
abzielen, nimmt die regelmässige Bäderbenutzung eine der 
ersten Stellen ein. Deshalb verdienen alle auf die Errichtung 
von Volksbädern gerichteten Bestrebungen die tatkräftigste 
Förderung und Unterstützung der Gemeinden. Art und Um¬ 
fang der Badeeinrichtung richtet sich nach den örtlichen Ver¬ 
hältnissen. Die Preise der Bäder sind so zu bemessen, dass 
sie nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Familien 
der weniger bemittelten Volksklassen erschwinglich sind und 
von der Benutzung der Bäder nicht zurückhalten. 

38. Noch wichtiger wie für die Erwachsenen ist die Bereitstellung 
von Badegelegenheiten für die Schuljugend. Bei jedem Schul¬ 
neubau ist die Frage der Errichtung eines Schulbrausebades 
reiflich zu erwägen. 

39 Die Bereitstellung geeigneter und ausreichender Krauken- 
unterkunftsräume im Sinne des Reichsgesetzes über den Unter¬ 
stützungswohnsitz, des Reichsgesetzes betr. die Bekämpfung 
gemeingefährlicher Krankheiten und der einschlägigen Landes- 


Digitized by 


Google 



389 


gesetze liegt in erster Linie den Gemeinden und in Ergänzung 
den weiteren Kommunalverbänden ob. 

40. Die ärztliche Leitung in den Krankenanstalten, die Aufsicht 
über daB Warte- und Pflegepersonal wie über die hygienischen 
Einrichtungen muss eine einheitliche sein. Die leitenden Ärzte 
sind auf eine Dienstanweisung zu verpflichten, wie eine solche 
auch für das Pflegepersonal zu erlassen ist. 

41. Die Verpflegung ist auf Grund besonderer. Kostformen zu 
regeln, bei deren Aufstellung und Kontrolle in den Kranken¬ 
anstalten wie in den sonstigen Gemeindeanstalten (Waisen¬ 
häuser, Siechenhäuser u. a.) eine ärztliche Mitwirkung nicht 
zu entbehren ist. 

42. Die Wartung und Pflege in den Krankenanstalten hat durch 
ein sachgemäss ausgebildetes Pflegepersonal zu erfolgen. 

43. Zwecks Vernichtung der Ansteckungsstoffe während der 
Dauer der Krankheit wie nach Ablauf derselben müssen Des¬ 
infektionseinrichtungen, Desinfektionsmittel und amtliche Des¬ 
infektoren zur Verfügung stehen. 

44. In den grösseren Krankenanstalten sind Untersuchungsstellen 
einzurichten, die bei Verdacht einer ansteckenden Krankheit 
namentlich von Tuberkulose, Diphtherie, Typhus, Gonorrhoe 
u. a. die Ergänzung der klinischen durch die mikroskopische^ 
bezw. bakteriologische Diagnose ermöglichen. Diese Unter¬ 
suchungsstellen können für die besonderen Tuberkulose-Fttr- 
sorgestellen nutzbar gemacht werden. 

45. Das Krankentransport- und Rettungswesen ist der Grösse der 
Gemeinde entsprechend zu regeln. 

46. Zum Zwecke der Entlastung der Krankenanstalten wird auf 
die gesonderte Unterbringung der Siechen einerseits und der 
Rekonvaleszenten andererseits Bedacht zu nehmen sein. Eine 
erfolgreiche Genesendenfürsorge hat die Bereitstellung von 
Erholungsheimen zur Voraussetzung, an deren Errichtung neben 
den Gemeinden und Gemeindeverbänden die Krankenkassen, 
Landesversicherungsanstalten und für Personen, welche durch 
Unfall beschädigt sind, die Berufsgeuossenschaften zu beteiligen 
sind. Ergänzend tritt die Privat- und Vereinswohltätigkeit 
hinzu. 

47. Die Fürsorge für bedürftige Wöchnerinnen muss in höherem 
Masse als bisher Gegenstand fürsorgerischer Tätigkeit sein, an 
der sich die öffentliche Armenpflege und freie Liebestätigkeit 
zu beteiligen hat. Für bedürftige Wöchnerinnen ist neben der 
eigentlichen Geburtshülfe sachkundige Pflege durch Haus- und 
Wochenpflegerinnen sicher zu stellen. An der wichtigen Auf¬ 
gabe der Bereitstellung eines zuverlässigen Pflegepersonals, 


Digitized by 


Google 



390 


das den minderbemittelten und unbemittelten Volksklassen zu 
entsprechend ermässigten Preisen oder unentgeltlich zur Ver¬ 
fügung stehen muss, haben sich neben den Stadt- und Land¬ 
kreisen die Gemeinden, und weiterhin die kirchliche Vereins¬ 
und Privatwohltätigkeit zu beteiligen. 

48. Das Bedürfnis der Errichtung von Stadtasylen für Geistes¬ 
kranke, mit der Aufgabe, die Aufnahme von Geisteskranke» 
zu erleichtern und zu beschleunigen, muss für grössere Städte 
anerkannt werden. Diese Asyle müssen mit psychiatrisch vor¬ 
gebildeten Ärzten und entsprechend ausgebildetem Pflege¬ 
personal ausgestattet sein. 

49. Hinsichtlich der Armenhäuser ist zu fordern, dass sie bezüglich 
der baulichen und gesundheitlichen Einrichtungen den nach 
dieser Richtung zu stellenden Mindestforderungen entsprechen. 

50. In den Herbergen und Asylen ist die Beobachtung der Rein¬ 
lichkeitsmassnahmen wie die Absonderung krankheitsverdächtiger 
Personen von besonderer Wichtigkeit. Den Bade- nnd Des¬ 
infektionseinrichtungen ist deshalb besondere Aufmerksamkeit 
zuzuwenden. 

51. Auf die Anstellung entsprechend vorgebildeter Schulärzte ist 
namentlich in den Städten und den grösseren ländlichen Ge¬ 
meinden hinzuwirken. In dem schulärztlichen Programm muss 
die Tuberkulosebekämpfung eine stärkere Berücksichtigung 
finden als bisher. Den Gefahren des Schulstaubs ist wirksam 
zu begegnen; dazu gehört auch, dass die Schulräume, soweit 
irgend möglich, anderen als Schulzwecken nicht dienstbar 
gemacht werden. 

52. Die auf die Speisung und Kleidung armer Schulkinder gerichteten 
Bestrebungen, die am besten der charitativen Vereinstätigkeit 
überlassen bleiben, bedürfen nachhaltiger Förderung wie des¬ 
gleichen die auf Überweisung der Schulkinder in Ferienkolonien, 
Kinderheilstätten, Seehospizen usw. gerichteten Bestrebungen. 

53. In den grösseren Gemeinden ist auf die Anstellung besonderer 
Gemeinde-(Stadt-)Ärzte Bedacht zu nehmen, während in de» 
kleineren Gemeinden einer der Armenärzte mit den Funktionen 
des Kommunalarztes als sachverständigen Beirats der Gemeinde¬ 
verwaltung auf allen Gebieten der kommunalen Gesundheits¬ 
pflege zu betrauen ist. 

54. In den Grossstädten sind besondere Gesundheitsämter für alle 
Zweige der kommunalen Hygiene mit Einschluss der Statistik 
einzurichten. 

55. Auf die Einrichtung gesundheitlicher Kommissionen (Deputationen) 
nach Analogie der in Preussen durch das Gesetz, betr. die Dienst¬ 
stellung des Kreisarztes usw. vom 16. Sept. 1899 ins Leben 


Digitized by CsOOQle 



391 


gerufenen Gesundheitskommissionen ist in allen Bundesstaaten, 
wo eine derartige Einrichtung bisher nicht besteht, innerhalb 
der Gemeindeverfassung hinzuwirken. Ihre Errichtung ist be¬ 
sonders dringend in den Städten und den grösseren ländlichen 
Gemeinden, namentlich auch in allen Sommerfrischen, Kur- und 
Badeorten wie in den Industriebezirken und den Vororten der 
Grossstädte. Neben dem Gemeinde- und Armenarzt, dem Tech¬ 
niker und Chemiker bezw. Apotheker und Tierarzt sollten diesen 
Kommissionen Vertreter derjenigen Kommissionen (Deputationen) 
angehören, die auf dem Gebiet der kommunalen und sozialen 
Hygiene tätig sind, insbesondere Vertreter der Bau- und Wohnungs¬ 
deputation, der Armen-, Krankenhaus- usw. Deputation, der 
Innungen und Innungsverbände, der Handwerkskammern und 
sonstigen Berufs verbände, namentlich auch der Krankenkassen, 
ferner Vertreter der Schulen und der grösseren gewerblichen 
Untersuchungen. In den ländlichen Gesundheitskommissionen 
wird auf die Anteilnahme von Vertretern der landwirtschaft¬ 
lichen Vereine und der wirtschaftlichen Genossenschaften be¬ 
sonderer Wert zu legen sein. 

56. Die Mitwirkung der Krankenkassen und Land es Ver¬ 
sicherungsanstalten ist besonders erwünscht bei der Be¬ 
kämpfung der Volksseuchen, insbesondere der Tuberkulose und 
Geschlechtskrankheiten wie bei der Bekämpfung des Alkoholis¬ 
mus. Hinsichtlich der Krankenhausfürsorge ist von der im § 7 
des Krankenkassengesetzes gegebenen Befugnis in ausgedehnterem 
Masse Gebrauch zu machen. Auch liegt eine weitere Aus¬ 
gestaltung der Genesendenfürsorge im wohlverstandenen Interesse 
der Krankenkassen und Landesversicherungsanstalten. 

57. Mit Rücksicht darauf, dass ein besonderes Selbstverwaltungs¬ 
recht bisher nur einem kleinen Teil der Krankenkassen zusteht, 
sowie mit Rücksicht auf die besondere Bedeutung der Krank- 
heitsverhütung für die Wohlfahrt, würde die einheitliche Gestaltung 
der Arbeiterversicherung durch Schaffung örtlicher Wohlfahrts¬ 
ämter und die dabei vorzusehende weitere Ausdehnung der 
Krankenversicherung einen erheblichen Fortschritt in hygienischer 
Hinsicht bedeuten. 

58. Von sonstigen Organisationen mit Selbstverwaltung sind die 
Innungen und Handwerkskammern zu einer Mitbetätigung 
auf dem Gebiet der Hygiene in den handwerksmässigen Be¬ 
trieben nicht bloss befugt, sondern auch an sich geeignet; zu 
diesem Zweck würden die Beauftragten der Innungen und Hand¬ 
werkskammern ihre Kontrolle auf die Hygiene der Arbeitsstätte 
und der heranwachsenden Handwerkerjugend auszudehnen haben. 

59. Die Arbeitervertretungen (Arbeiterausschüsse) sind ein 


Digitized by 


Google 



392 


geeignetes Organ, die Arbeiter zur Mit- und Selbstkontrolle bei 
Durchführung der Massnahmen des Arbeiterschutzes, der Krank- 
heits- und Unfallverhütung heranzuziehen, 
tiu. Auch die privaten Organisationen der Wirtschafts- und Bau¬ 
genossenschaften sind ebenso wie die zahlreichen Vereine 
und Verbände, welche die Förderung der Gesundbeits- und 
Wohlfahrtspflege in ihr Programm aufgenominen haben, wertvolle 
Bundesgenossen in der Ausbreitung hygienischer und sozialer 
Erkenntnis wie bei der Durchführung hygienischer Massnahmen. 

In der anschliessenden Diskussion ging Stadtverordneter Lulay- 
Sehöneberg auf die Milchfrage näher ein. Er verlangte, dass die 
Regierung der grossen Kindersterblichkeit in Deutschland, die jähr¬ 
lich etwa 150 000 Kinder dahinraffe, grössere Aufmerksamkeit 
schenke. Das Reichsgesundheitsamt müsse feststellen, ob schlechte 
Milch oder andere Ursachen schuld an dieser grossen Sterblichkeit 
seien. Weiter forderte er einheitliche Grundsätze für den Milchverkehr, 
die aber nicht bloss für die Städte, sondern auch für das Land, der 
Produktionsstätte der Milch gelten müssen, ausserdem strenge 
Strafen für Verfälschungen dieses wichtigen Nahrungsmittels. 

Prof. Dr. Griesbach-Mülhausen verbreitete sich über die 
grosse Bedeutung der Mitwirkung des Arztes am Schulwesen und 
über die Nützlichkeit und Notwendigkeit der Schulärzte auch für 
die höheren Schulen. 

Oberbürgermeister Fuss-Kiel hätte gern vom Referenten noch 
etwas mehr Belehrung gewünscht in bezug auf das Verhältnis der 
Hygiene zur Selbstverwaltung. Er stimmte mit dem Referenten 
darin überein, dass für die Selbstverwaltung die Aufgaben der Hy¬ 
giene in den Vordergrund zu stellen seien. Die Gemeinden dürften 
keineswegs in den sozialpolitischen Aufgaben aufgehen. Die Ge¬ 
schichte habe gezeigt, dass die Selbstverwaltung befähigt war, die 
Hygiene auf den Standpunkt zu bringen, den sie nach den Postu- 
laten unseres nationalen Lebens einnehmen muss. Fast in allen 
Fragen der öffentlichen Gesundheitspflege waren die Städte bahn¬ 
brechend und es wäre nicht wünschenswert, wenn der Staat künftig 
durch bestimmte Normen den Städten auf diesem Gebiete Vor¬ 
schriften machen wolle. Wohl aber kann der Staat aus den ver¬ 
schiedenen Erfahrungen der Städte abstrahierend bestimmte For¬ 
derungen stellen und fördernd und warnend in die Selbstverwaltung 
eingreifen. Wenn wir auch aus der Wissenschaft unsere Anregungen 
beziehen, so kann praktische Hygiene doch nur die Selbstverwaltung 
treiben. 

In seinem Schlussworte bestätigte der Referent, dass die Städte 
ihre Schuldigkeit auf hygienischem Gebiet im allgemeinen getan hätten. 


Digitized by 


Google 



393 


Die fortschreitende Erkenntnis würde auch die kleinste Gemeinde 
überzeugen, dass das wertvollste Kapital die Gesundheit des Ge¬ 
meindeorganismus sei, von dessen Gesunderhaltung und Kräftigung 
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Wohlfahrt des ein¬ 
zelnen abhängt. 

Das Programm der Tagung war damit erledigt. — Eine Ab¬ 
stimmung über die aufgestellten Leitsätze fand bei keinem Refe¬ 
rate statt. 

Mit Dankesworten an die Referenten und Diskussionsredner, 
an die Behörden und besonders an die gastfreie Stadt Mannheim 
schloss der Vorsitzende die Versammlung. Oberbürgermeister Dr. 
Wilms-Posen stattete dem Vorsitzenden den Dank der Versammlung 
für die vorzügliche Leitung der Verhandlungen ab. 

Der Ausschuss des Vereins setzt sich für das Geschäftsjahr 
1905/1906 folgendermassen zusammen: Oberbürgermeister Beck- 
Mannheim, Präsident des Landesmedizinalkollegiums Geh. Med.-Rat 
Dr. Buschbeck-Dresden, Geh. San.-Rat Prof. Dr. Lent-Cöln, 
Oberbürgermeister Lentze-Barmen, Baurat Prof. Genzmer-Danzig, 
Oberbaurat Schmick-Darmstadt. Zum Vorsitzenden wurde Prof. 
Genzmer gewählt. 

Von seiten der Stadt fand ausser einer Rheinfahrt in den 
grossartigen Hafenanlagen noch eine Bewirtung in den herrlichen 
Räumen des Rosengartens statt. 

Allen Teilnehmern an dem Kongress wird noch lange die Er¬ 
innerung lebendig bleiben an das „freundliche Mannheim, das leicht 
und heiter gebaut ist“, wie es unser Dichterfürst Goethe in „Herr¬ 
mann und Dorothea“ verewigt hat. 


Digitized by 


Google 



394 


Kleine Mitteilungen. 


Die Walderholungsstätte der Stadt M.-Gladbach. 

Mit 2 Abbildungen. 

Am 1. Juli d. J. wurde in dem westlich der Stadt M.-Glad- 
baeh gelegenen grossen Kiefernwalde eine neue Walderholungs¬ 
stätte feierlich eingeweiht. Sie ist im allgemeinen ähnlich den an¬ 
deren Erholungsstätten eingerichtet, unterscheidet sich jedoch da¬ 
durch von diesen, dass sie keine eigene Küche führt, sondern ihre 
Speisen von der benachbarten Lungenheilstätte Luise Gueury- 
Stiftung mittels Speisewagen zugeführt erhält. Hierdurch wird so¬ 
wohl den Besuchern der Erholungsstätte ein ganz vorzügliches 
Essen geliefert, als auch der Betrieb wesentlich vereinfacht. Im 
übrigen ist Erholungs- und Heilstätte vollständig getrennt: jede 
Anstalt hat ihre eigenen Essgeräte, Handtücher etc. 

Die Besucher der Erholungsstätte fahren morgens mit der 
Strassenbahn aus M.-Gladbach und werden abends auf dieselbe 
Weise wieder zurückbefördert. Die Mahlzeiten bestehen aus 
2. Frühstück (belegtes Butterbrot mit Milch oder Fleischbrühe), 
Mittagessen (Suppe, Fleisch, Gemüse, Kartoffeln), Vesper (Kaffee, 
Milch, Butter, Brot). Ausser der gelieferten Milch (etwa s / 4 Liter) 
wird selbige jederzeit zu billigstem Preise abgegeben. Erstes 
Frühstück und Abendbrot werden zu Hause eingenommen. Der 
Verpflegungssatz beträgt täglich 80 Pf. für Mitglieder des Kranken¬ 
kassen verbände?: für andere Personen 1 M. Die Fahrt mit der 
Strassenbahn ist darin eingeschlossen. Die Mittel zum Bau der 
Erholungsstätte wurden zum grössten Teile von dem Kuratorium 
der Luise Gueury-Stiftung (Vorsitzender: Oberbürgermeister Piecq) 
bereitwilligst zur Verfügung gestellt, 5000 M. schenkte in hoch¬ 
herziger Weise das Zentralkomitee der Gesellschaft vom Roten 
Kreuz, Berlin. Die ganze Anlage war in etwa 6 Wochen voll¬ 
endet. Dank der verhältnismässig reichen Mittel konnte eine Ein¬ 
richtung geschaffen werden, die an Vornehmheit und Geschmack 
wohl die meisten ihrer Art übertrifft, andererseits aber überaus 
praktisch ist und im Prinzip als Vorbild genommen werden könnte. 

Etwa in der Mitte des 22 Morgen grossen umfriedigten Wald¬ 
geländes befindet sich auf einem freien Platze ein fast quadratisches 
Gebäude, dessen Seiten nach den Himmelsrichtungen liegen. Durch, 
•eine von Osten nach Westen laufende Mauer ist das Innere des 


Digitized by 


Google 



395 


Hauses in 2 Hälften geteilt. Die Mauer setzt sich nach aussen 
hin beiderseits bis zur Umzäunung fort, so dass 2 vollständig ge¬ 
trennte Abteilungen entstehen, eine für Männer, eine für Frauen. 
Ost-, Nord- und Südseite haben überdachte Vorhallen, bei schlechtem 
Wetter als Liegehallen benutzbar. Das Innere des Gebäudes besteht 
eigentlich nur aus 2 grossen Sälen. Auf der Nordseite ist ausser¬ 
dem eine kleine Anrichte eingebaut mit Gaskochherd und Spül¬ 
einrichtung, im Notfälle als Küche benutzbar. Durch je ein 
Schalter mit Schiebefenster werden von hier aus die Speisen, die 
in der Anrichte abgesetzt werden, in die Säle gereicht. Beider¬ 
seits von dieser Anrichte befindet sich noch je ein Raum mit 
Brause- und Wascheinrichtung. 

Die Wände des Hauses sind aus Zementplatten hergestellt, 
das Holzgerüst des Daches ist mit Roburoit, einer Art Asphalt¬ 
pappe, gedeckt; der Fussboden betoniert, mit Holzdielen belegt. 
Für Zutritt von Luft und Licht ist durch grosse Fenster reichlichst 
gesorgt. Diese wie die Schachtöffnungen in dem dem Dache auf¬ 
sitzenden Türmchen sorgen für die Entlüftung. Wasser und Gas, 
sowohl zur Beleuchtung als auch zum Kochen und Heizen, liefern 
die städtischen Leitungen. Die Wände sind in Kalkfarbe ge¬ 
strichen, der Sockel in Öl. 

An und für sich ist ja der Bau mit seinen glatten Wänden 
recht einfach, jedoch hat man auch hier wie in der nahen Heil¬ 
stätte durch Farben Wirkung Überraschendes erzielt: Das Balken¬ 
werk der Decke ist in Nussbraun gehalten und in bunten Farben 
.abgesetzt, die Wände mit reizenden bunten Friesen geschmückt, 
Landschaften von Gladbach und Umgebung darstellend. Zur be¬ 
sonderen Zierde gereicht den Sälen noch ein hoher Kamin nach 
holländischer Art aus bunten Ziegeln, für Gasheizung eingerichtet. 
An Mobiliar befinden sich in den Sälen Tische, Stühle und ein 
-Gestell mit Büchern und Spielen zur Unterhaltung. 

Die ganze Einrichtung ist wieder ein Beweis dafür, dass 
.auch hygienischen Zwecken dienende Bauten trotz ihrer Einfach¬ 
heit überaus hübsch und wohnlich eingerichtet werden können, 
was jedenfalls auch auf die Kranken einen wohltuenderen Einfluss 
.ausübt als die kahlen, toten Wände, die man gewöhnlich in Kranken¬ 
häusern sieht. 

Damit in möglichst bequemer Stellung die reine Waldluft 
eingeatmet werden kann, hat jeder Besucher der Erholungsstätte 
einen Triumphstuhl zur Verfügung. Bei kühlem Wetter erhält er 
noch eine Wolldecke. Der Aufenthalt in den Sälen ist nur bei 
schlechtestem Wetter gestattet. Für Unterhaltung und Bewegung 
im Freien ist auf der Frauenseite durch Krocket, Rundlauf usw. 
gesorgt; auf der Männerseite durch Turngeräte, Luftkegelbahn; 


Digitized by 


Google 
















397 


dazu ist für letztere noch ein grösseres Terrain für Luft- und 
Sonnenbäder abgegrenzt. 



Jede Abteilung hat ihre eigenen Aborte etwas abseits im 
Walde. 

Die ganze Anlage ist für etwa 200 Personen eingerichtet. 
Oentralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 27 


Digitized by v^ooQle 




398 


Vorgeschrittene Lungenkranke sind von dem Besuch der Erholungs¬ 
stätte ausgeschlossen. 

Die Beaufsichtigung liegt in den Händen der Heilstättenärzte, 
die täglich die Erholungsstätte besuchen; die ärztliche Behandlung 
bleibt jedoch den betreffenden Haus- bezw. Kassenärzten. 

Der Besuch der Erholungsstätte war bereits im ersten Monat 
ein recht reger, im ganzen 106 Personen, 38 täglich im Durch¬ 
schnitt. Allerseits hörte man nur ein Lob über die gute Ein¬ 
richtung von seiten der Besucher, und dass die kräftige Waldluft 
und das vorzügliche Essen schon nach kurzer Zeit ihre Wirkung 
taten, konnte man an den frischen fröhlichen Gesichtern und der 
guten Gewichtszunahme bemerken. 

So hat die Stadt M.-Gladbach ihren mustergültigen sozial¬ 
hygienischen Einrichtungen eine neue hinzugefügt, auf die sie 
stolz sein kann und ist damit vielen grösseren Städten mit gutem 
Beispiel voran gegangen. Möge dieselbe, die sich ja mit verhältnis¬ 
mässig geringen Mitteln hersteilen lässt und die sich dort, wo sie 
besteht, als so segensreich für die minderbemittelten Erholungs¬ 
bedürftigen und Rekonvaleszenten erwiesen hat, nicht nur bei den 
grossen, sondern auch bei den kleineren Städten baldigst Nach¬ 
ahmung finden. Schaefer. 


Zur Müllbeseitigung. 

Mit Abbildung. 

Im „Deutschen Verein für öffentliche Gesundheitspflege“ sprach 
Herr Dr. Thiesing-Berlin über Müllbeseitigung und Müllver¬ 
wertung mit Bezugnahme auf das in Charlotten bürg in Prüfung 
stehende Trennungssystem. 

Unstreitig ist die Trennung der den Müll bildenden Wirtschafts¬ 
abfälle am Entstehungsort, also im Hause das einzig erfolgreiche 
Mittel einer rationellen Müllbearbeitung aber das in Charlottenburg 
geprobte Verfahren besitzt den Kardinalfehler, dass es eine Arbeits¬ 
vermehrung im Hauswirtschaftsbetriebe verursacht. Bei den heutigen 
Wohnungs- und Dienstboten Verhältnissen wird aber dann die not¬ 
wendige exakte Durchführung des Verfahrens in den meisten Fällen 
an der Überlastung oder dem Übelwollen der damit Betrauten 
scheitern. Glücklicherweise sind wir nicht allein auf diese Methode 
angewiesen, und jeder Menschenkenner weiss, dass da, wo oft der 
Zwang versagt, wie im Haushalt, durch geschickte Ausnützung 
menschlicher Schwächen dennoch vieles zu erreichen ist. Wird 
z. B. den Hausfrauen und Dienstboten das Herumstehen der 
Kehrichteimer mit den bekannten Begleiterscheinungen, als starken 


Digitized by t^ooQle 



399 


Düften, Ungeziefer usw., das für die vielen 
kranken und schwächlichen Frauen bedenkliche 
Treppabschleppen der Eimer und namentlich die 
höchst unangenehme Staubentwicklung beim 
Umfüllen der Aschekasten erspart, dann wird 
nuch die widerwilligste derselben geeignete 
Abführungseinrichtungen, wie dies der pat. 
Asche- und Kehricht-Schlucker mit seinem 
Fallschlot ist, gern vorschriftsgemäss benützen. 
Wird nun im unteren Teil dieses Fallschlots 
-ein schräg liegender Hohlrost angebracht, so 
werden die oben im Asche- und Kehricht- 
Schlucker ein geschütteten Stoffe unten ohne 
weiteres Zutun in klare Stoffe, die durch die 
Roststäbe hindurchfallen, und gröbere, die 
über den Rost nach vorn rutschen, geschieden. 
In dieser automatischen Scheidung liegt der 
grosse Vorteil für die Müllverwertung, denn 
der bedeutende Wert der den sogenannten 
Abfällen eines modernen, grossen Hauses inne¬ 
wohnt, wird dadurch voll erhalten, weil die 
Abfälle nicht in Asche und Müll eingebettet 
und eben dadurch entwertet werden. Durch 
Ausnutzung der unverbrannten Holz- und 
Kohlenteile zu Heizzwecken, der anderen Be¬ 
standteile durch Verkauf, wird nicht nur die 
Abfuhr vermindert, die Kosten derselben ge¬ 
deckt, sondern auch der Hausmann oder sonst 
zuverlässige Personen für die Überwachung 
interessiert. Speziell der Hausbesitzer zieht 
sus der Einrichtung grosse Vorteile, seine 




rn? 


Wohnungen werden wegen ihrer Bequemlichkeit und leichten Rein¬ 
haltung bevorzugt und die Kosten für Abfuhr des Mülls, für Rein¬ 
haltung des Hauses, für Reparatur beschädigter Wände und ver¬ 
stopfter Klosetts werden stark vermindert. 

Poppe (Kirchberg i. Sachsen). 


Digitized by 


Google 








400 


Literaturbericht. 


Weyl, Zur Geschichte der sozialen Hygiene. (Handb. d. Hyg., 1904,* 
4. Suppl.-Bd.) 

Verf. selbst bezeichnet in der Einleitung seine Arbeit als¬ 
einen Versuch, „einige der wichtigsten Abschnitte der sozialen 
Hygiene in ihrer historischen Entwicklung darzustellen“. Dieser 
Versuch muss als ein höchst gelungener bezeichnet werden. Auf 
Grund eines sehr umfangreichen und eingehenden Quellenstudiums¬ 
lässt Weyl die Bestrebungen vergangener Jahrhunderte — bis 
weit in die vorchristliche Zeit hinein — auf dem Gebiet der öffentr 
liehen Gesundheitspflege an dem Blick des Lesers vorüberziehn 
Der Gediegenheit des Inhalts passt sich die Form der Darstellung 
würdig an. Letztere erhält dadurch einen besonderen Reiz, dass- 
zahlreiche Literaturquellen im Urtext abgedruckt sind. 

Folgende Kapitel der sozialen Hygiene sind in der Weylschen 
Arbeit behandelt: Wasserversorgung, Strassenhygiene, Wohnungs- 
hygiene, Bäder, Abwehr der ansteckenden Krankheiten (Aussatz, 
Pest), Krankenhäuser, Geschlechtsbeziehungen und Geschlechts¬ 
krankheiten. 

Es ist selbstverständlich nicht möglich, im Rahmen eines Refe¬ 
rats eine auch nur einigermassen eingehende Schilderung dea 
Inhalts der annähernd 300 Druckseiten starken Arbeit zu geben- 
Ich beschränke mich deshalb darauf, aus einem der interessan¬ 
testen Kapitel — Krankenhäuser — einzelne bemerkenswerte^ 
Angaben zu zitieren. 

Nach Einführung des Christentums übernahm dieses die Für¬ 
sorge für Kranke, und zwar waren es besonders die Klöster, welche 
sich diese Aufgabe angelegen sein Hessen, indem sie Klöster¬ 
krankenhäuser errichteten, die zunächst allerdings nur für Kleriker- 
und ihre Gäste bestimmt waren, bald aber auch den Umwohnern 
und andern Hilfsbedürftigen zugängUch wurden. Allerdings war* 
die von den Mönchsärzten angewandte Therapie infolge ihrer 
mangelhaften Ausbildung eine wenig erfolgreiche. An die Stelle¬ 
wirklicher Heilerfolge mussten allerlei Wunderkuren treten, welche* 
„an die blühendsten Leistungen moderner Kurpfuscher erinnern“. 
Dieses änderte sich zwar später, als die ärztliche Kunst an den. 
Universitäten gelehrt wurde (12.—14. Jahrhundert), dafür machten 
sich aber mit der zunehmenden moralischen Verwahrlosung der* 
Geistlichkeit andere erhebliche Missstände in der Verwaltung der- 


Digitized by t^ooQle 



401 


ausschliesslich von Geistlichen geleiteten Krankenhäuser geltend. 
So wird von dem berühmten Hötel-Dieu in Paris aus dem Anfang 
des 16. Jahrhunderts berichtet, dass die Krankenpfleger die Patienten 
dn grober Weisse vernachlässigten, mit den Schwestern geschlecht¬ 
lichen Verkehr unterhielten und anderes mehr. Unterschleife und 
Betrügereien waren an der Tagesordnung. Wie es dabei den 
Kranken erging, erhellt aus einem Aktenstück vom Jahre 1525, 
wonach mitunter 12—15 Kranke in einem gemeinsamen Bett liegen 
mussten, und zwar Pest* und Pockenkranke mit anderen Patienten 
zusammen. 

Nach einem durch die Reformation gezeitigten kurzen Auf¬ 
blühen des Krankenhauswesens erfolgte während und nach dem 
•dreissigjährigen Kriege ein starker Rückschlag, so dass noch im 
18. Jahrhundert von der Berliner Charite Zustände geschildert 
werden, die nahezu unglaublich klingen. So wird erzählt, dass 
im Hause sehr grosse Unsauberkeit geherrscht habe; Läuse, Flöhe 
und Wanzen wären so verbreitet gewesen, dass viele Personen 
nur durch Ausräuchern davon befreit werden konnten, u. s. w. 

Das vortreffliche Buch Weyls bietet nicht allein ein speziell 
medizinisches, sondern auch ein erhebliches allgemein-historisches 
Interesse, so dass jeder, der an dem Leben und Streben unserer 
Vorfahren Anteil nimmt, es mit hohem Genüsse lesen wird. 

Herbst (Barmen). 

IVeyl, Assanierung. (Handb. d. Hyg. 1904, 4. Suppl.-Bd.) 

In dem ersten Teil seiner Arbeit bespricht der Verf. in acht 
kurzen Abschnitten diejenigen hygienischen Massnahmen, welche 
man unter der Bezeichnung „Städteassanierung a zu verstehen 
pflegt. Die Überschriften der einzelnen Abschnitte kennzeichnen 
ihren Inhalt: 1. Wasserversorgung. 2. Reinhaltung der Luft. 
3. Beseitigung der Meteorwässer. 4. Beseitigung der Fäkalien. 
5. Beseitigung der festen Abfälle. 6. Strassenhygiene. 7. Be¬ 
seitigung der Menschenleichen. 8. Beseitigung der Tierleichen. 

Der zweite, weitaus wichtigere und interessantere Teil handelt 
“von den Erfolgen der Assanierung. Letztere, so führt Weyl aus, 
würden sich am sichersten durch die Abnahme der Krankheits¬ 
und Todesfälle an Infektionskrankheiten in einer assanierten Stadt 
messen lassen. Dem stehen aber sehr grosse Schwierigkeiten ent¬ 
gegen; denn vollständige Krankheitsstatistiken lassen sich über¬ 
haupt nicht herstellen, und brauchbare, lückenlose, über einen 
-grösseren Zeitraum sich erstreckende Statistiken von Todesfällen 
besitzen nur wenige Städte. Dazu kommt, wie die Arbeiten von 
Ollendorff, Altschul und Gottstein dargetan haben, dass es 


Digitized by t^ooQle 



402 


sogenannte säkuläre Schwankungen der Sterblichkeit gibt, und dass 
wir z. Z. in einer Periode niederer Sterblichkeit uns befinden. 

Unter diesen Verhältnissen kann man nur dann von einem 
Erfolg der Assanierung sprechen, wenn unmittelbar an diese ein 
auffallendes Absinken der Sterblichkeit sich anschliesst, wenn 
ferner ein ähnlicher Abfall in nicht assanierten Städten zur gleichen 
Zeit nicht eintrat, und wenn drittens durch zahlreiche Einzel-Be¬ 
obachtungen bewiesen wurde, dass nach gleichartigen Assanierungs¬ 
arbeiten jedesmal ein Abfall der Sterblichkeit erfolgt ist. 

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sucht Verf. an den 
Beispielen der Städte Berlin, München, Wien, Zürich den Nach¬ 
weis zu führen, dass tatsächlich die Assanierung einen Einfluss 
auf die Sterblichkeit hat. Er hat das in der Weise gemacht, dass 
er eine grössere Anzahl von anschaulichen Tafeln und Tabellen 
aufgestellt hat, in denen er graphisch und zahlenmässig die ein¬ 
schlägigen Verhältnisse in den betreffenden Städten vor und nach 
der Einführung gewisser Assanierungsmassnahmen — es kommen 
vornehmlich Kanalisation und Wasserversorgung in Frage — dar¬ 
stellt und dazu einen kurzen erläuternden Text geschrieben hat. 

Verf. hat auf diese Weise mit grossem Fleiss und Sachkenntnis 
ein umfangreiches Material kritisch verarbeitet und in instruktiver 
Form dem Leser zugänglich gemacht. 

Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auf Einzelheiten 
einzugehen. Das Ergebnis der Arbeit lässt sich dahin zusammen¬ 
fassen: Die Assanierung, insonderheit die Einführung der Kanali¬ 
sation und die Versorgung mit einwandfreiem Wasser, hat eine er¬ 
hebliche Herabsetzung der Sterblichkeit zur Folge, insofern, als 
die genannten Massnahmen die Erkrankungen und Todesfälle an 
Infektionskrankheiten, besonders Typhus, und an Krankheiten des 
ersten Lebensjahres vermindert haben. Der in den letzten De¬ 
zennien konstatierte Rückgang der Tuberkulose ist weniger auf die 
Assanierung zurückzuführen; vielmehr ist er als eine erfreuliche 
Wirkung der sozialpolitischen Gesetzgebung anzusehen. 

Nach dem Gesagten erübrigt es sich, die Weylsche Arbeit 
noch besonders zu empfehlen. Jeder, der für das behandelte 
Thema Interesse hat, wird sie sicher mit Vorteil lesen. 

Herbst (Barmen). 

Schmedding, Die Gesetze betreffend Bekämpfung ansteckender 
Krankheiten, und zwar: 1. Reichsgesetz betr. die Bekämpfung gemein¬ 
gefährlicher Krankheiten vom 30. Juni 1900; 2. Preussisches Gesetz betr. 
die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 28. August 1905, nebst 
Ausführungsbestimmungen, erläutert für Preussen. (Münster i/W. 1905. 
Aschendorfsche Buchhdlg.) 

Der Verf., Landesrat und Mitglied des Abgeordnetenhauses^ 


Digitized by Google 



403 


hat mit der Gründlichkeit des erfahrenen Verwaltungsbeamten und 
mit der Sachkenntnis, welche ihm als Referenten im preussischen 
Landtage zur Seite stehen musste, jene beiden Gesetze erläutert, 
die für Deutschland und Preussen einen Markstein in der Geschichte 
der öffentlichen Gesundheitspflege bilden. Die Arbeit ist um so ver¬ 
dienstlicher, als es keineswegs leicht ist, sich in beiden Gesetzen, 
welche sich einerseits ergänzen, andrerseits die eng zusammen¬ 
gehörigen Gebiete der sog. gemeingefährlichen und der sog. 
übertragbaren Krankheiten doch sehr verschieden behandeln, 
zurechtzufinden. Durch die klare Hervorhebung der Verschieden¬ 
heiten, z. B. in der Anzeigepflicht bei den verschiedenen Krank¬ 
heiten, in dem Ermittelungsverfahren usw. wird das Verständnis 
und, was wichtig genug ist, das Behalten der Bestimmungen sehr 
erleichtert. Fix r die Staats- und Kommunalbehörden sind die Er¬ 
läuterungen zu den sehr verwickelten Bestimmungen über die 
Kostendeckung besonders wertvoll. Auch die medizinischen Ge¬ 
sichtspunkte kommen in der Darstellung nicht zu kurz, und zahl¬ 
reiche kritische Bemerkungen zeigen, dass der Verf. sich mit Liebe 
in die Fragen der Seuchenbekämpfung vertieft hat. 

Nicht nur die Behörden und die beamteten Ärzte, auch die 
praktischen Arzte haben durch die genannten neuen Gesetze eine 
Aufgabe erhalten, deren Erfüllung ihnen durch die Benutzung des 
Büchleins erleichtert werden wird. Sch. 

Weyl, Die Abwehr gemeingefährlicher Krankheiten. (Handb. der 
Hyg. 1904, 4. Suppl.-Bd.) 

Anschliessend an die „Assanierung“ hat Weyl eine Arbeit 
veröffentlicht „die Abwehr der gemeingefährlichen Krankheiten“, 
welche aus zwei Teilen, einem allgemeinen und einem speziellen 
besteht, ln dem ersten will er, wie er selbst sagt, an der Hand 
der in Deutschland gültigen Gesetze, namentlich des Reichsgesetzes 
vom 30. Juni 1900 betreffend die „Bekämpfung der gemeingefähr¬ 
lichen Krankheiten**, alle die Massnahmen besprechen, durch welche 
die Bekämpfung derselben erfolgt. Anscheinend hat Verf. ausser¬ 
dem die Bestimmungen des neuen Gesetzes ,,Bekämpfung über¬ 
tragbarer Krankheiten**, die ihm wohl bekannt waren, obgleich das 
Gesetz auch jetzt noch nicht in Kraft ist 1 ), seiner Arbeit zugrunde 
gelegt; wenigstens werden unter dieser Annahme die folgenden 
Ausführungen verständlicher. 

Leider sind diese z. T. etwas zu summarisch ausgefallen, in 
einigen Punkten entsprechen sie nicht völlig den tatsächlichen 


1) Das Gesetz ist inzwischen am 20. Oktober er. in Kraft getreten. 


Digitized by 


Google 



404 


Verhältnissen, so dass ein mit diesen nicht Vertrauter aus der 
Wey Ischen Darstellung kein ganz richtiges Bild erhält. 

Schon die Bezeichnung „gemeingefährliche Krankheiten“ kann 
in dem Sinne, wie der Verf. sie versteht, irre führen. Während 
das zitierte Reichsgesetz unter ,,gemeingefährlichen Krankheiten“ 
nur Aussatz (Lepra), Cholera, Fleckfieber (Flecktyphus), Gelbfieber, 
Pest (orientalische Beulenpest) und Pocken aufführt und die anderen 
Infektionskrankheiten im Gegensatz dazu als übertragbare bezeichnet 
— auch das neue Gesetz wählt diesen Ausdruck —, behandelt We yl 
unter dem ersten Titel beide Gruppen. Dagegen wäre ja vom rein 
medizinischen Standpunkt nicht viel zu sagen; wenn er sich aber 
ausdrücklich auf das Reichsgesetz bezieht, so hätte er die dort 
durchgeführte Trennung wenigstens erwähnen müssen. 

In dem speziellen Teil hat der Verf. die Tuberkulose, Pocken 
und Geschlechtskrankheiten ausführlich behandelt. Bei den beiden 
ersteren hat er wieder eine Anzahl von instruktiven statistischen 
Tabellen und kartographischen Aufzeichnungen über die Verbreitung, 
bei den Pocken speziell über die Ausbreitung vor und nach Ein¬ 
führung der Schutzimpfung, zur Illustration seiner Ausführungen 
hinzugefügt. Im Anschluss an die Tuberkulose hat ausserdem 
das vom kaiserlichen Gesundheitsamt herausgegebene „Tuberkulose- 
merkblatt“, bei den Pocken das deutsche Impfgesetz Erwähnung 
gefunden. 

Sehr lesenswert sind die im Zusammenhang mit den Ge¬ 
schlechtskrankheiten befindlichen Bemerkungen über die Prostitution. 
Weyl spricht sich hier für Reglementierung der Dirnen, Ver¬ 
besserung der ärztlichen Kontrolle, Absonderung der Anfängerinnen 
von älteren Prostituierten, um zu vermeiden, dass Mädchen, welche 
sich vielleicht nur einmal aus Not vergangen haben, nicht sofort 
der kaum mehr zu verwischende Stempel der Prostitution auf¬ 
geprägt wird, ferner für Beaufsichtigung der Wohnungen, um zu 
verhindern, dass Personen beiderlei Geschlechts zu eng nebenein¬ 
ander wohnen, wodurch ihnen, namentlich den Kindern, das Gefühl 
für Scham und Schicklichkeit abhanden kommen muss, und für 
Zwangserziehung von Kindern aus Verbrecher- und Säuferehen aus. 

Herbst (Barmen.) 

Nussbaum, Auf welche Weise lässt sich rasche Austrocknung und 
dauernde Trockenerhaltung der Gebäude erzielen? (Hygienische 

Rundschau 1905, Nr. 10.) 

Der Verf. hat über den Gegenstand seit 20 Jahren Unter- 
suahungen und Beobachtungen angestellt. Er fand, dass bei Ziegel¬ 
mauerwerk die Ziegel das Wasser rasch wieder abgeben, dass aber 
die Trocknung der Mörtelbänder wesentlich langsamer erfolgt. 


Digitized by 


Google 



405 


Rasches Austrocknen wird nun durch sandreiche Mörtelgemenge 
sehr gefördert, besonders ist für diesen Zweck, um dem Binde¬ 
mittel eine rasche und vollkommene Erhärtung zu geben, die Ver¬ 
wendung von reinem Portlandzement zu empfehlen. Eine Beschleu¬ 
nigung der Austrocknung von Gebäuden erreicht man durch künst¬ 
lich durchlässig gemachte Steine, rheinische Schwemmsteine. Die 
Mehrzahl der Natursteine mit Ausnahme der Kalktuffe eignet sich 
zur Wandbildung in hygienischer Beziehung weit weniger gut als 
Ziegel, am wenigsten undurchlässige Steine, bei denen Schwitz¬ 
wasserbildung stattfindet. Bei mässig durchlässigen Steinen (Sand-, 
Kalksteine und Dolomit) gelingt es nach den im grossen und kleinen 
gemachten Versuchen des Verf. durch Verwendung von Milch- 
kalkmörtel das Haus wohnlich zu machen. Dieser aus Ätzkalk¬ 
brei, Sand und Magermilch, Buttermilch, entrahmter saurer Milch 
oder Milchgerinnsel hergestellte Mörtel besitzt die Eigenschaft der 
Abweisung von Flüssigkeiten und der Undurchlässigkeit für Aus¬ 
witterungen und andere Salze, hindert aber nicht die Austrock¬ 
nung. Dieser Mörtel gewährt hinreichenden Schutz gegen die Neu¬ 
baufeuchtigkeit, gestattet rasches Hochführen und Inbenutzung- 
nähme der Bauten ohne technischen oder gesundheitlichen Nachteil 
und hat besondere Vorzüge mit Bezug auf Festigkeit, Zähigkeit 
und Eignung für Malgrund. 

Die weiter aufgeführten Schutzmittel gegen aufsteigende 
Feuchtigkeit und gegen Schlagregen sind bereits in einer beson¬ 
deren Besprechung Seite 139 dieses Jahrgangs erwähnt worden. 

Von Bedeutung für die Trockenheit und Dauerhaftigkeit der 
Gebäude ist die Jahreszeit, in der ihre Herstellung und lnbe- 
nutzungnahme erfolgt. Schädlich ist das „Überwintern“ der Roh¬ 
bauten, grössere Gebäude sollten im Spätherbst mit Sicherheit unter 
Dach gebracht werden. Die Inbenutzungnahme der Gebäude erfolgt 
besser im Herbst als im Frühling. Für wasserreiches, kaltes Mauer¬ 
werk vermag ausschliesslich strahlende Wärme eine belangreiche 
Austrocknung zu bewirken, daher ist die Verwendung von Koks¬ 
körben für diesen Zweck sehr nützlich. Schultze (Bonn). 

Krüss, Beleuchtungsmesser. (Joum. für Gasbeleuchtung und Wasser¬ 
versorgung, 1904, Nr, 41.) 

Der angegebene Apparat stellt eine Modifikation des Wingen- 
schen Beleuchtungsmessers dar. Eine weisse Messfläche, welche 
auf die zu messende Stelle eines Arbeitsplatzes gestellt wird, soll 
mit einer durch eine feststehende Benzinlampe beleuchteten, dreh¬ 
baren Fläche verglichen werden. Die beiden zu vergleichenden 
Flächen nehmen je einen Teil eines Gesichtsfeldes ein. Durch 
eine Zeigervorrichtung können die durch die verschiedenen Neigungen 


Digitized by t^ooQle 



406 


hervorgerufenen Helligkeiten der Vergleichsfläche in Meterkerzen 
von 10—50 abgelesen werden. Um den Messbereich des Apparates 
zu erhöhen, können graue Absorptionsgläser vor die Messplatte 
geschoben werden, die von dem Licht der Messplatte nur J / 2 , V 5 
bezw. *l 10 hindurchlassen, so dass bis zu 500 Meterkerzen gemessen 
werden kann. Der kleine und leicht zu handhabende Apparat 
leistet bei der Lichtmessung gute Dienste ; die durch ihn gefundenen 
Resultate sind, wenn auch nicht so sicher wie die des Weber sehen 
Photometers, doch für die Praxis vollkommen ausreichend. Seine 
Anwendung kann vor allem in Schulen nur empfohlen werden. 

Selter (Bonn). 

Schneider, Zur Schulbankfrage. (Zeitschr. f. Med.-Beamte, 1904, Nr. 22.) 

Die Schulbank frage kann trotz der grossen Fortschritte der 
Technik auf diesem Gebiete noch lange nicht als gelöst betrachtet 
werden. Die erste Forderung bei dieser Frage ist, dass die Bank¬ 
grössen den Körpergrössen der Kinder entsprechen. In jedem 
Schulhalbjahr müssen deshalb die Schulkinder gemessen und hier¬ 
nach auf die Bänke verteilt werden. Für abnorm grosse und ab¬ 
norm kleine Kinder müssen Reservebänke in jeder Klasse bereit¬ 
gestellt werden. Für abnorm gestaltete, z. B. rhachitische Kinder 
sollen Bänke mit verstellbaren Teilen angeschafft werden. Eine 
Vergleichung der verschiedenen in letzter Zeit konstruierten Schul¬ 
bänke lässt dem Verf. keine einzige als zur Anschaffung empfehlens¬ 
wert erscheinen. Bei dem Hochstand unserer Technik glaubt er 
aber, wenn auch nicht auf eine endgültige Lösung, so doch auf 
weitere Fortschritte der Schulbankfrage rechnen zu können. 

Selter (Bonn). 

Seiffert, Säuglingssterblichkeit, Volkskonstitution und National¬ 
vermögen. (Klin. Jahrb. 1905, Bd. 14.) 

Seiffert fordert nach Biederts Vorgang die Schaffung einer 
staatlichen „Versuchs- und Prüfungsanstalt für Kindermilchversorgung 
und zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit“, die auf Grund ihrer 
Organisation und Dotation in der Lage ist, die neuesten und besten 
Verfahren zur Milchversorgung zu prüfen und zu finden. Von der 
ethischen Seite des Problems ganz abstrahierend, zeigt er uns in 
deutlich sprechenden Zahlen an der Hand graphischer Darstellungen, 
dass die Säuglingssterblichkeit in Deutschland die von Irland und 
Norwegen, wo das Selbststillen noch die Regel ist, um das Doppelte 
bis fast das Dreifache übersteigt; jedoch kommt er zu dem Schluss, 
dass die Säuglingssterblichkeit für sich allein einen kausalen Ein¬ 
fluss auf die allgemeine Sterblichkeit nicht äussert. Er wendet sich 
mit überzeugenden Gründen gegen diejenigen, die in dem Absterben 


Digitized by 


Google 



407 


der Säuglinge eine natürliche Auslese sehen, welche die Volks¬ 
gesundheit heben soll, erkennt vielmehr die hohe Todesziffer als 
die Folge eines sich mit „grauenhafter Monotonie wiederholenden 
mechanischen Vernichtungsprozesses . u 

Bei Durchsicht der Aushebungslisten findet er, dass der Pro¬ 
zentsatz der zur Ersatzreserve Überwiesenen im Steigen begriffen 
ist. Er führt die Unfähigkeit zum aktiven Dienst auf Erkrankungen 
wie Rachitis, Anämie, Skrofulöse zurück, die als Folge einer ver¬ 
fehlten Säuglingsernährung zu betrachten sind. Infolge der für die 
Mutter in der Schwangerschaft, bei der Entbindung und im Wochen¬ 
bett aufgewandten Kosten, infolge der entstandenen Einbusse an 
Arbeitsleistung der Mutter während dieses Zeitraums, stellt jeder 
Neugeborene einen gewissen Wert im Nationalvermögen dar, den 
Seiffert mit 100 Mk. eher zu niedrig als zu hoch angibt. Im 
Jahre 1900 gingen 383836 künstlich ernährte Säuglinge zugrunde 
(Statistik des k. Gesundheitsamts), das bedeutet einen Verlust von 
38^3 Mill. Nationalvermögen, die dem oft unvermeidlichen Experi¬ 
ment der künstlichen Ernährung zur Last fallen. 

Die Arbeit eignet sich wegen der nicht sehr klaren Dar- 
stellungs- und Schreibweise nicht zur Propaganda für die Be¬ 
kämpfung der Säuglingssterblichkeit, wozu sie dem Inhalt nach 
sehr geeignet wäre. Spiegel (Solingen-Haan). 

v. Ohlen, Die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit durch öffent¬ 
liche Organe und private Wohltätigkeit mittels Beschaffung 
einwandfreier Kindermilch unter spezieller Berücksichtigung 
Hamburger Verhältnisse. (Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., 49. Bd., 2. Heft, 
S. 199—282.) 

Verf. zieht aus seinen umfangreichen Zusammenstellungen 
ungefähr folgende Schlussfolgerungen: 

Durch Darreichung einer einwandfrei gewonnenen, sorgfältig 
behandelten und schliesslich keimfrei gemachten Kuhmilch ist eine 
Abnahme der Säuglingsmortalität zu erzielen; wenn auch als sicher 
feststeht, dass keine Kost die Muttermilch zu ersetzen vermag. 
Am besten ist, wenn die fertig bereitete Milch aus solchen In¬ 
stituten stammt, welche unter ärztlicher Aufsicht stehend ihre Milch 
selbst sterilisieren und ihren Diätvorschriften einen ziemlich weiten 
Spielraum lassen und dadurch individualisieren. 

Mastbaum (Cöln). 

Seligmann, Das Verhalten der Kuhmilch zu fuchsinschwefliger 
Säure und ein Nachweis des Formalins in der Milch. (Zeitschr. 
f. Hyg. u. Inf., 49. Bd., 2. Heft, S. 324—328.) 

Eine vielgeübte Methode des Formalinnachweises in Milch 
ist die folgende: Man destilliert ca. 100 ccm Milch über und setzt 


Digitized by 


Google 



408 


•dem Destillat eine Fuchsinlösung zu, die durch schweflige Säure 
entfärbt ist. Bei Gegenwart von Formalin wird die Lösung vio¬ 
lett-rot. 

Bei der Prüfung der Reaktion stellte S. fest, dass die Eiweiss¬ 
körper die „Fuchsinschwefligsäurereaktion a der Milch bedingen. 
Sie werden schon durch geringen Zusatz von Säuren oder konzen¬ 
trierter Natronlauge dahin modifiziert, dass sie die Reaktion nicht 
mehr geben. 

Es ist also möglich, die Reaktion auch an roher Milch an¬ 
zustellen, wenn vorher ein kleiner Säurezusatz gemacht wird. Da¬ 
durch ist die Probe sehr vereinfacht. Mastbaum (Cöln). 

Beerwald u. Brauer, Das Turnen im Hause. (München, R. Oldenbourg.) 

Eine Sammlung von Übungen aktiver Gymnastik für Gesunde 
und mit gewissen körperlichen Schwächen Belastete (Hämorrhoiden, 
Lungenschrumpfungen, rheumatischen Schmerzen etc.). Von grosser 
Abweclisefung und Vielseitigkeit, die ohne Turngeräte ausgeführt 
werden. Der Nutzen für das körperliche Wohlbefinden, resp. die 
Elastizität und Leistungsfähigkeit des Körpers ist ohne weiteres 
augenfällig. Cramer (Cöln). 

Hermann, Handbuch der Bewegungsspiele für Mädchen. 

Der Zentralausschuss zur Förderung von Volks- und Jugend¬ 
spielen in Deutschland hat bisher drei derartige kleine Schriften 
herausgegeben. Der dritte vorliegende Band gibt ausführliche 
Regeln der mannigfachsten Spiele. Betont wird der Wert der 
frischen Luft im Freien bei derartiger körperlicher Arbeit. Ein 
Eltern und Pädagogen sehr zu empfehlendes kleines Werk; beson¬ 
ders in unserer Zeit, wo die heranwachsenden Mädchen, sowohl 
die der ärmeren als auch der wohlhabenderen Klassen — die 
ersteren nicht selten mit Fabrikarbeit, die letzteren mit Handarbeit, 
übermässiger geistiger Dressur, Klavierspielen etc. — gequält werden. 

Cramer (Cöln). 

Maroinowski, Im Kampf um gesunde Nerven. (Berlin 1905. 0. Salle.) 

Ein fiott, angenehm und gut geschriebenes Buch, das einen 
nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Zwar ist der Stil nicht immer 
auch für Laien leicht fassbar und stellenweise nur für die engeren 
Fachgenossen prima vista verständlich, doch wird dieser Fehler 
dadurch wieder ausgeglichen, dass dem Laien niemals verwirrende 
oder gar falsche Begriffe vorgetragen werden, und dass es keinen 
Schaden bringt, wenn er die ihm etwas dunklen Stellen über¬ 
schlägt. Auch in allgemein gesundheitlicher Beziehung ist das 


Digitized by 


Google 



409 


Buch von wesentlicher Bedeutung; M. wendet sich, da die Ner¬ 
vosität immer mehr zunimmt, zunächst an die Kranken selbst und 
in zweiter Linie an deren Angehörige und Freunde, die, da sie 
von jenen stets dieselben Klagen hören, mit der Zeit sicher gegen 
die aus der Nervosität erwachsende Gefahr abgestumpft werden. 
Er will durch Unterricht und Erziehung die Patienten über ihr 
Leiden aufklären, indem er den Zusammenhang aller nervösen Er¬ 
scheinungen und ihre Abhängigkeit von cerebralen Reguliervor¬ 
richtungen klar zu machen versucht. 

Der Gesamtinhalt des Buches ist so umfangreich, dass er am 
besten mit den eigenen Worten des Verfassers wiedergegeben 
wird; M. sagt: 

„Ich habe zeigen wollen, dass die Nervosität auf einer 
Schwächung des Gehirns und des gesamten Nervensystems beruht, 
welche dadurch zustande kommt, dass uns wichtige Reizwellen für 
das Zentralorgan fehlen (Hautreize, Muskelarbeit), welches dadurch 
in seiner Ernährung und in seiner Entwicklung, in seinem ana¬ 
tomischen Aufbau und in seiner Leistungsfähigkeit leidet, d. h. 
verkümmert. 

Ich habe ferner gezeigt, dass dieser Schwächung auf der 
einen Seite eine übermässige Anforderung auf der anderen gegen¬ 
übersteht und den Schaden verdoppelt; die reizbare Schwäche 
wächst sich so zu Erschöpfungszuständen aus. Das Übermass der 
Nahrungsmenge, die zu starke, zu konzentrierte Kraftnahrung und 
die Reizmittel schädigen eben die Nervenzentren der Verdauungs¬ 
organe, nicht bloss die Organe selber. Dauernde und ungelöste 
Erregungszustände erschöpfen die seelische Spannkraft, und das 
Übermass der Eindrücke züchtet eine mangelnde Tiefe, die Ober¬ 
flächlichkeit unseres Gehirnlebens. Das waren die körperlichen und 
seelischen Grundlagen der Nervosität. 

Die reine Erschöpfung bedarf nach dem Zuviel nur der Ruhe, 
die irre geleitete Energie dagegen der Ablenkung ins rechte Fahr¬ 
wasser, sei es für einzelne Vorstellungen, sei es für die ganze 
Breite des Seelenlebens. Das Ziel ist eine starke, in sich ge¬ 
fertigte Persönlichkeit, die voll innerer Freiheit und äusserer Un¬ 
abhängigkeit über ihr Geschick erhaben ist. Dass wir das meist 
selbst in der Hand haben, wird wohl jedem klar geworden sein. 
Wir sind nicht bloss das unweigerliche Produkt unserer Um¬ 
gebung, sondern die Reaktion des Individuellen auf dieses Milieu. 
Alles Reagieren ist aber kein von aussen aufgezwungenes. Ge¬ 
schehen, sondern die persönliche Tat des Individuums selbst. 4 

Von einzelnen Teilen des Buches sind besonders beachtens¬ 
wert die Kapitel „Die mangelnden Hautreize“, Regulationsstörungen 
durch die Art der Nahrung“, „Die Rolle des Alkohols und der nar- 


Digitized by 


Google 



410 


kotischen Gifte“, „Die falsche Blutverteilung der Nervösen“, 
„Schulsünden“. 

Die „Skizzen aus dem Berufsleben und der Geselligkeit“ 
enthalten eine bittere Kritik der Torheiten, wie sie heutzutage be¬ 
liebt sind und zugleich Leitpunkte für die Einrichtung des täg* 
liehen Lebens. 

Der erste Teil behandelt die Frage: „Warum sind wir ner¬ 
vös?“, der zweite gibt den Weg an: „Wie werden wir gesund?“ 
In diesem letzteren sind in der Tat die beherzigenswertesten Aus¬ 
führungen, Belehrungen und Nachweise zusammengestellt, die 
sämtlich ein eingehendes Studium verlangen, die aber unmöglich 
hier alle angeführt werden können. Hingewiesen sei jedoch auf 
„Die Erschöpfungszustände“, den „Umgang mit Nervösen“, „Psy¬ 
chogene Störungen“, die „Ablenkung“, allwo sich die köstlichen 
Worte finden: „Die beste Psychotherapie ist eben die, von der 
der Behandelte gar nicht merkt, dass er überhaupt behandelt 
wird.“ Sehr wichtig für Arzt und besonders für Laien ist die 
Aufforderung: „Aber noch einmal warne ich vor dem schwersten 
aller Fehler, die Symptome und Klagen der Nervenleidenden nicht 
ernst zu nehmen. Sie sind qualvoller als alle körperlichen Leiden 
und trotz aller seelischen Bedingtheit niemals Einbildungen.“ 

Interessant sind auch M.’s Ansichten über die Suggestion; 
die sog. Autosuggestion verwirft er vollständig, was in uns zur 
Geltung kommen soll, muss von selbst, d. h. unwillkürlich ge¬ 
schehen. Das Verhältnis des Arztes zum Neurastheniker ist von 
ganz besonderer Wichtigkeit; ersterer hüte sich vor allem vor zu 
grosser Intimität und bleibe stets über dem letzteren stehen. 
Einen charakteristischen Einblick in die erziehende Behandlung, 
die M. zur Beseitigung der vermeintlichen Willensschwäche aus¬ 
übt, gibt die Aufstellung von fünf Punkten, die zur Erreichung 
des genannten Zieles unerlässlich sind: 1. Der Kranke soll einen 
gewissen Frieden mit seinem Kranksein schliessen, also eine „aktive 
Resignation“ zu erlangen versuchen. 2. Die falschen Richtungen 
•des Wollens sind zu beseitigen. 3. Die Gedankenlosigkeit und 
Zerstreutheit müssen bekämpft werden. 4. Das Selbstvertrauen 
muss dem Kranken wiedergegeben und in ihm 5. echter, sittlicher* 
Ernst und eine ebensolche Weltanschauung erweckt werden. 

Grade die beiden ersten Punkte, die hohe Beachtung ver¬ 
dienen, sind in einem Stil abgehandelt, der für Laien etwas sehr 
schwer verständlich ist. 

Die Anforderungen, die M. überhaupt an den Arzt und 
speziell den Nervenarzt stellt, sind durchaus nicht niedrig be¬ 
messen. Nur derjenige kann eine ganze Heilung erstreben, der 
seinen Kranken mit der Vorstellung zu erfüllen imstande ist, dass 


Digitized by 


Google 



411 


das Ziel der Behandlung in der Erlangung einer starken, in sich 
gefestigten Persönlichkeit besteht, die voll hoher Ziele, reiner 
Ideale und sittlichen Ernstes ist. Eine solche Vorstellung vermag 
aber anderen Menschen für die Dauer nur der einzuflössen, wer 
selbst den „inneren Frieden“ besitzt. 

Ais Schluss des Werkes folgt ein Anhang über die Lebens¬ 
weise der Nervösen, welcher Heilmittel aus dem Gebiete der Hy¬ 
giene, der physikalischen Therapie und der Diätetik enthält. Be¬ 
züglich der Einzelheiten sei auf die Angaben an Ort und Stelle 
hingewiesen. 

Zweifellos wird man das Werk von M. nicht nur mit steigen¬ 
dem Interesse lesen, sondern auch stets gern aufs neue wieder 
einmal zur Hand nehmen. Bei den zu erwartenden Resultaten 
der empfohlenen Behandlung wird man sich allerdings vor Augen 
halten müssen, dass die Therapie des Verfassers in einem Sana¬ 
torium ganz andere und bessere Chancen hat, als wenn der Spezia¬ 
list auf eine ambulante Behandlung beschränkt ist. 

Schliesslich sei der Verfasser auf einige Ausdrücke aufmerk¬ 
sam gemacht, die nicht gerade dem klassischen Stil zueigen sind 
und bei einer neuen Auflage wohl vermieden werden könnten; so 
finden sich die Bezeichnungen: „höllisch gesund“ (pg. 101), 
„Schlappier u (pg. 103) und „Schlappheit“. Dies sind aber auch 
die einzigen Aussetzungen, die ich an dem vorzüglichen Buche 
zu machen wüsste. Die buchhändlerische Ausstattung ist tadellos. 

Küh lwetter. 

Schale, Über die Frage des Heiratens von früher Geisteskranken. 

(Berlin, G. Reimer.) 

Die vorliegende Schrift soll eine Anleitung geben zur metho¬ 
dischen Erforschung der Erblichkeitsgesetze der Geisteskrankheiten, 
besonders mit Rücksicht auf die Frage des Heiratens von Geistes¬ 
kranken und Belasteten. 

Verf. legt zunächst einen umfangreichen, mehrere Tabellen um¬ 
fassenden Fragebogen vor, dessen Hauptinhalt etwa folgender ist: 

I. In der Haupttabelle soll bei der Aufnahme jedes Geistes¬ 
kranken der diagnostische Befund eingetragen werden in bezug 
auf klinische Form der Geisteskrankheit, die mutmassliche Ursache 
derselben, der Gesundheitszustand bei der Entlassung des Kran¬ 
ken — ob geheilt, gebessert, ungeheilt — sowie endlich die even¬ 
tuell vorhandene erbliche Belastung. 

II. In Nebentabellen sollen dann die Fragen beantwortet 
werden, 

1. ob Geisteskrankheit bei den Geschwistern und in den Seiten¬ 
linien vorhanden waren; 


Digitized by 


Google 



412 


2. ferner bei in der Ehe Erkrankten 

a) ob Erblichkeit auch bei dem andern Ehegatten vorhanden 
und in welcher Form, 

b) ob der Erkrankte schon vor der Ehe geisteskrank war 
sowie 

c) ob ursächliche Momente für die Erkrankung in den 
äusseren ehelichen Verhältnissen liegen. 

3. Eine letzte Tabelle würde sich dann mit dem Geisteszustand 
der Nachkommen zu beschäftigen haben. 

An die Darstellung dieses Schemas schliesst Verf. dann eine 
Reihe erläuternder Bemerkungen, die die einzelnen vorgeschlagenen 
Fragen näher begründen sollen. 

Die vorgeschlagenen Bezeichnungen der klinischen Form der 
Geistesstörung sind von ihm nur gewählt in praktischer Rücksicht 
auf die Vererbungsfrage. Verf. hält in der Beziehung eine mög¬ 
lichste klinische Individualisierung für notwendig, wie sie sein Ein¬ 
teilungsprinzip gestattet, ein Eingehen auf die Einzelheiten und 
speziellen Symptomenzüge des vorliegenden Falles. Denn in diesen 
Einzelheiten spiegelt sich nach Ansicht des Verf. der anthropologi¬ 
sche Charakter des Falles und — sofern er nicht erworben wurde — 
die Schwere der hereditären Belastung. „Wir wollen Einzelschick¬ 
sale kennen lernen in Form von konkreten Anfangsbildem, kon¬ 
kreten Verläufen und Endzuständen, so kann uns auch nur streng¬ 
stes Individualisieren frommen, ein Trennen, soweit nur immer 
möglich.“ 

Das Endziel unserer ganzen Bestrebungen bleibt allerdings 
immer, für jeden Einzelfall in möglichst eindeutiger statistischer 
Form festzustellen, 

a) ob es sich um eine leichte Erkrankung handelt oder um 
einen zu progressivem Zerfall sich neigenden Prozess; 

b) ferner welche ätiologischen Momente den Endausgang des 
Einzelfalles bestimmen, ob wesentlich die klinischen Symptome 
oder mehr die Familienanlage für den Endausgang verantwort¬ 
lich waren; 

c) sowie endlich, ob die Krankheit voraussichtlich mit dem 
Individualleben des Betroffenen abschliesst oder sich auf seine 
Nachkommen vererbt. 

Durch die zusammenfassende Betrachtung einer grossen Zahl 
so behandelter Einzelfälle können wir dann hoffen, allmählich zur 
Beantwortung der Hauptfragen zu kommen, die darin gipfeln: 

a) lassen sich die psychopathischen Zustandsformen erkennen 
als möglicherweise bezw. wahrscheinlich vererb bar; 

b) gibt die Psychosenform an sich diesen Indikator ab oder 
erst unter Rückbeziehung auf die unterliegende Konstitution; 


Digitized by v^ooQle 



413 


c) gibt es endlich Zustandsbilder, welche mali ominis sind, 
m. a. W.: solche, die nur zustande kommen auf Grund einer 
schlimmen Konstitution. 

Verf. behandelt dann eine Reihe von Fragen, die seiner An¬ 
sicht nach die nächste Aufgabe für unsere statistischen Bestrebungen 
sein sollen und geht dann zu der Frage über, was vererbt wird. 
Resümierend bemerkt er dazu: 

Veranlagt zur Vererbung sind a) Keimerkrankungen als kon¬ 
stitutionelle Psychopathien, sowie Intoxikationen, welche zu tiefen 
und dauernden neuro- und psychopathischen Folgen geführt haben: 
Alkoholepilepsie, luetische Cerebropathien, eingewurzelte alkoholi- 
stische Charakteranlagen; 

b) handelt es sich um Kandidaten, welche bereits Psychosen 
überstanden haben, so bleibt die Beurteilung in erster Linie von den 
unter a aufgeführten Faktoren abhängig, im speziellen entscheidet 
aber dann weiter die Verlaufstendenz und der klinische Charakter 
der durchgemachten Psychose. Bei einmaligen und ersten Er¬ 
krankungen, die lange Zeit geheilt sind, hält Verf. ein direktes 
Abraten von der Heirat nicht für geboten, der Arzt soll aber auch 
nie Zuraten. Je mehr Anfälle dagegen schon vorhergegangen, 
desto weniger ist die Verheiratung ratsam. 

Mit Rücksicht auf die Nachkommenschaft kommt dann ferner 
noch in Betracht der Einfluss des andern Ehegatten, der nach den¬ 
selben Grundsätzen zu beurteilen ist, doch muss hier beachtet 
werden, dass wir noch in keiner Weise über die Vorgänge orien¬ 
tiert sind, in welcher Weise der Einfluss der Eltern auf das Kind 
sich gestaltet, ob und event. welcher Einfluss — väterlicher oder 
mütterlicher — der vorherrschende ist, und ob bestimmte Gesetz¬ 
mässigkeiten dabei bestehen. 

Aber trotz all dieser noch der Lösung harrender Fragen ist 
eine Vererbbarkeit der Geisteskrankheiten sicher, und wir müssen 
daher jetzt schon auf Mittel und Wege sinnen, wie den schädlichen 
Wirkungen vorgebeugt werden kann. Nach Verf. Ansicht ist die 
Beihülfe des Staates dabei nicht zu entbehren, die Aufklärung 
allein über die Gefahr, die ja gewiss in immer weitere Kreise ge¬ 
tragen werden muss, ist nicht genügend. 

Verf. empfiehlt als gesetzliche Massnahmen a) die möglichste 
Verhütung der jugendlichen Heiraten durch Heraufrücken der 
untersten Grenze des Heiratsalters bei Männern auf 23—25 Jahre, 
bei Mädchen auf 18 Jahre; 

b) die Berechtigung des Ehepartners, ein Gesundheitszeugnis 
des andern Teiles zu verlangen, das von einem staatlich ein¬ 
gesetzten und in seinen Befugnissen geschützten Gesundheitsrate 
auszustellen wäre. 

Centralblatt f. allg. Gesundheitspflege. XXIV. Jahrg. 28 


Digitized by 


Google 



414 


Beigegeben sind der Schrift noch die genealogischen Stamm¬ 
bäume von 20 periodischen resp. zirkulären Psychosen mit den 
aus denselben vorläufig abzuleitenden Gesetzen. Fuchs iCöln). 

Stier, Die Bedeutung der Nerven- und Geisteskrankheiten in der 
Armee im Lichte der Sanitätsstatistik. (Deutsche militärärztliche 
Ztschr. 1905, Heft 8/9.) 

Wie die alljährlich erscheinenden Sanitätsberichte über die 
preußische Armee zeigen, geht die Zahl der Kranken in erfreu¬ 
licher Weise von Jahr zu Jahr zurück. Nur die Erkrankungen 
des Nervensystems, besonders aber die Geisteskrankheiten, Neura¬ 
sthenie und Hysterie zeigen eine deutliche und dauernde Ver¬ 
mehrung. Stier weist in seiner Arbeit nach, dass es sich nur um 
eine scheinbare Zunahme handelt, dass dieselbe vor allem auf einer 
besseren Erkennung dieser Krankheiten beruht. Er - glaubt, dass 
die Zahl dieser Fälle, welche eine genaue Kenntnis der Neurologie 
und Psychiatrie vom Militärarzt verlangen, noch grösser ist. Dass 
die Heeresverwaltung bemüht ist, die psychiatrische Ausbildung 
der Sanitätsoffiziere zu fördern und damit ein frühes Erkennen der 
Geisteskrankheiten zu ermöglichen, beweist die Tatsache einer wei¬ 
teren Ausdehnung der Kommandierungen jüngerer Sanitätsoffiziere 
an psychiatrische Kliniken, ferner der Aufnahme der Psychiatrie 
als Lehrgegenstand in die Fortbildungskurse. Graessner (Cöln). 

Grotjahn, Der Alkoholismus. (Handb. d. Hyg. 1904, 4. Suppl.-Bd.) 

Der Verf. bringt zunächst einige statistische Angaben über 
Produktion und Konsum von alkoholhaltigen Getränken in Deutsch¬ 
land und geht dann zur Besprechung des akuten und chronischen 
Alkoholismus sowie dessen Beziehungen zur Kriminalität, Selbst 
mord und Geisteskrankheiten über. Er tritt hier den Über¬ 
treibungen fanatischer Abstinenzler entgegen, welche bei jedem 
trunksüchtigen Verbrecher, Selbstmörder, Geisteskranken den Al¬ 
koholismus als Ursache für seine Neigung zum Verbrechen etc. 
ansehen, während in Wirklichkeit bei vielen derartigen Personen 
die Trunksucht als begleitende Erscheinung aufzufassen ist, welche 
auf der nämlichen psychopathischen Anlage beruht, durch die das 
betreffende Individuum zum Verbrecher etc. wurde. 

Höher veranschlagt Grotjahn den schädigenden Einfluss des 
Alkohols auf Leben und Gesundheit der Trinker selbst sowie auf 
deren Nachkommen, und zwar legt er in dieser Hinsicht das 
Hauptgewicht nicht auf die Trunksucht im engeren Sinne, sondern 
auf den gewohnheitsmässigen Genuss alkolischer Getränke. 

In einem weiteren Abschnitt „Die Bekämpfung der Trink¬ 
sitten“ bespricht er die Bestrebungen der Enthaltsamkeits- und 


Digitized by 


Google 



415 


Mässigkeitsbewegung, wobei er sich selbst zu der letzteren be¬ 
kennt. Die praktische Konsequenz seines Standpunktes ist die, 
dass er 1 1 Bier oder J / 2 1 Landwein für einen gesunden er¬ 
wachsenen Mann als das Höchstmass des Zulässigen bezeichnet. 

Zu den wesentlichsten Ursachen der Trinkunsitten bei den 
unteren Ständen — für die wohlhabenden Bevölkerungsschichten 
erkennt er überhaupt keine mildernde Umstände an — rechnet 
Verf. eine Reihe von sozialen Misständen (schlechte Ernährung, 
Kälte, Ermüdung, Mangel an sonstigen Freudenquellen etc.), deren 
Beseitigung das erstrebenswerte Ziel der Sozialpolitik sein muss. 
Bevor dieses erreicht ist, kann die Mässigkeitspropaganda nicht 
auf dauernden Erfolg rechnen. Unter den gesetzgeberischen und 
polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung des Alkoholismus er¬ 
wartet er von der Besteuerung gewisser Getränke (Schnaps) und 
von einer Verminderung der Verkaufsstellen bezw. Verleihung der 
Konzessionen an gemeinnützige Gesellschaften (Gothenburger Aus- 
•schanksystem) Erspriessliches. Für ganz zwecklos dagegen hält er 
strafgesetzliche Bestimmungen. 

Zum Schlüsse gibt Grotjahn eine statistische Übersicht der 
Alkohol frage in den einzelnen europäischen Ländern. 

Die Arbeit kann, obwohl sie nichts besonderes Neues bringt, 
•doch als ein lesenswerter Beitrag zur Alkoholfrage bezeichnet 
werden, da sie mit deutlichen Worten den Standpunkt einer ge¬ 
sunden Mässigkeitsbewegung kennzeichnet, die Schwierigkeiten, 
welche den diesbezüglichen Bestrebungen entgegenstehen, klar be¬ 
leuchtet und den exzessiven Forderungen und Übertreibungen fa¬ 
natischer Alkoholgegner gegenüber die Dinge so darstellt, wie sie 
in Wirklichkeit liegen. Herbst (Barmen). 

v. Schnitzer, Beitrage zur Zahnfrage in der Armee. (Deutsche mi- 
litäriirztliche Ztschr. 1905, Heft 7.) 

Verf. hat an den Heerespflichtigen in einem Musterungsbezirk 
W 7 estpreussens und an Kranken im Lazarett Danzig Untersuchungen 
über die Häufigkeit des Auftretens der Zahnkaries angestellt. Die 
Ergebnisse aus dem Musterungsbezirk zeigen, dass dieser bezüg¬ 
lich gesunder Zähne zu den allerbesten des ganzen Landes gehört, 
bieten sonst nichts Besonderes. Interessant ist aber an den Unter¬ 
suchungen der Lazarettkranken, dass von sämtlichen an akutem 
Bronchialkatarrh Erkrankten beinahe 2 / s , von den an Mandel¬ 
entzündung Erkrankten beinahe 7 / 9 und von den an' Gelenk¬ 
rheumatismus Leidenden 5 / 7 schadhafte Zähne aufwiesen. Bei 
Mittelohrerkrankungen fand Verf. die schon von anderer Seite er¬ 
wähnten Beziehungen zwischen diesen Erkrankungen und Zahn¬ 
karies bestätigt. Übrigens ist er der Ansicht, dass der Zahnfrage 


Digitized by 


Google 



416 


in gewissen Fachkreisen eine übergrosse Bedeutung bezüglich des 
Militärdienstes beigelegt wird. Graessner (Cöln), 

Engels, Einige Versuche zur Wohnungsdesinfektion für statio¬ 
nären und transportabeln Gebrauch. (Zeitschr. f. Med.-Beamte, 1905, 
Nr. 7.) 

Verf. empfiehlt einen von Roepke, Chefarzt der Heilstätte 
Stadtwald zu Melsungen bei Kassel, konstruierten Formalindesinfek- 
tionsapparat, der vor anderen den Vorzug der Billigkeit haben soll. 
Ein weiterer Vorzug besteht darin, dass der Formalinapparat und 
Ammoniakentwickler in einer über die Schulter tragbaren Segeltuch* 
tasche untergebracht werden können, und die übrigen erforderlichen 
Sachen, Spirituslampe, Chemikalien usw. in einer HandtrommeU 
Segeltuchtasche und Handtrommel lassen sich bequem von einem 
Mann transportieren und handhaben. Der Apparat kostet komplett 
109 Mk. und ist vom Medizinischen Warenhaus in Berlin zu be¬ 
ziehen. Desinfektionsversuche mit Typhusbazillen, Choleravibrionen. 
Staphylokokken Diphtheriebazillen, sporenhaltigen Heubazillen usw. 
ergaben bezüglich der Desinfektionskraft dieselben Resultate wie 
der Flüggesche und Schneidersche Apparat. Selter (Bonn). 

Prinzing, Die Verbreitung der Tuberkulose in den europ&iscben 
Staaten. (Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., 46. Bd., 3. Heft, S. 517—546.) 

Ein grosser Wert kommt der Kenntnis der Verbreitung der 
Tuberkulose zu, denn diese gibt viele Fingerzeige dafür, unter 
welchen äusseren Verhältnissen sich die Krankheit mit Vorliebe 
entwickelt. 

Verf. gibt eine genaue Statistik der folgenden Staaten r 
Deutschland, Österreich-Ungarn, Schweiz, Italien, Spanien, Frank¬ 
reich, Belgien, Holland, Grossbritannien, Russland, Rumänien. 

Die Zusammenfassung der Resultate ergibt, dass die Tuber¬ 
kulosesterblichkeit Europas ganz eigentümliche Verhältnisse zeigt. 
Wir sehen zwei grosse Gebiete mit niederen Zahlen. Das eine um¬ 
fasst den Norden Deutschlands, Dänemark, die Niederlande und 
England, das andere die apenninische Halbinsel. Nördlich vom 
erstgenannten Gebiet nimmt die Zahl der Todesfälle zu, in Irland, 
Schottland, Norwegen und Schweden. Sehr häufig ist die Tuber¬ 
kulose in Spanien und Frankreich, von mittlerer Höhe sind die 
Ziffern in Westdeutschland, in der Schweiz, in den österreichischen 
Alpenländern; die Hauptherde der Tuberkulose sind das Gross¬ 
herzogtum Hessen, Bayern, ganz besonders aber Nieder- und Ober¬ 
österreich, Böhmen, Mähren und Schlesien, in welch letzteren 
Landesteilen die Tuberkulosesterbeziffern die grösste Höhe in 
Europa erreichen. Im ganzen Osten Europas, in Ungarn, Galizien, 


Digitized by 


Google 



417 


Rumänien, Russland fordert die Tuberkulose viel mehr Opfer als 
in Deutschland. Mast bäum (Cöln). 

Brault, Gontribution ä l’Etude de la Tuberculose chez les Indi- 
gönes, Musulmans d’Algörie. (Annales d’Hygiene Publique et de 
Medecine legale Mai 1905.) 

Entgegen der vielverbreiteten Anschauung ist die Tuberkulose 
in den nördlichen Gebieten Nordafrikas sehr verbreitet. Trotz des 
günstigen Klimas stellen die Eingeborenen infolge vieler ungünstig 
wirkender Ursachen (mangelhafte Hygiene, Alkohol, Krankheiten) 
ein grosses Kontingent zur Tuberkulosemortalität. Das Klima, dass 
torpiden Tuberkulosen günstig, wirkt ausserordentlich nachteilig 
auf die massenhaft vorkommenden akuten und subakuten Tuber¬ 
kulosen der Eingeborenen, welche verhältnismässig von derselben 
Krankheit viel stärker dahingerafft werden, wie die Europäer. Alle 
nur denkbaren Formen der Tuberkulose werden bei den Ein¬ 
geborenen beobachtet und sehr oft vergesellschaftet mit der enorm 
verbreiteten Syphilis. Weischer (Rosbach-Sieg). 

Thorn, Betrachtungen und Beiträge zur Frage der Tuberkulose¬ 
ansteckung unter Eheleuten. (Zeitschr. f. Tub. u. Heilst., Bd. VII. 
Heft 1. 1906.) 

Die allgemein ärztlichen Erfahrungen lehren, dass bei der 
Tuberkulose trotz der grossen Infektionsgelegenheit die Gefahr der 
Ansteckung und Erkrankung eine recht minimale ist, und dass da¬ 
her die seit Bekanntwerden der Infektionsgefahr sich geltend 
machende Phthiseophobie vollständig unbegründet ist. Dies gilt 
auch für die Infektionsgefahr in der Ehe, die naturgemäss je nach 
der klinischen Form bezw. dem Stadium der Erkrankung, der Dis¬ 
position der Individuen und den durch die Ehe geschaffenen ver¬ 
änderten Verhältnissen verschieden sein muss. Die Gefahr der 
Übertragung durch Kuss und geschlechtlichen Verkehr ist gering; 
die gewöhnlichen Infektionsgelegenheiten (Sputum etc.) kommen in 
der Ehe auch in Betracht und spielen wahrscheinlich die Haupt¬ 
rolle, Der bestimmte Nachweis der Infektion ist sehr schwer; 
bestenfalls kann nur die Wahrscheinlichkeit derselben bewiesen 
werden. 

Unter 402 Fällen der Heilstätte Hohenhonnef ist nur in 7 = 
1,7 °/ 0 eine Übertragung der Tuberkulose vom kranken auf den bis¬ 
her gesunden Ehepartner wahrscheinlich. Die Frau erscheint auch 
nach dieser Statistik gefährdeter wie der Mann (7 :4). 

Aus allen bisher gemachten Erhebungen folgt also, dass eine 
sicher zu eruierende Ansteckung eines Ehegatten durch den andern 
nur sehr selten vorkommt, und dass „trotz vorgeschrittener und 


Digitized by 


Google 



418 


jahrelanger Erkrankung eines Ehepartners und trotz ständigen in¬ 
timen Zusammenseins und aufreibender Pflege im Gegensatz zu der 
landläufigen Ansicht und Vermutung ein Ausbleiben der Infektion 
die Kegel ist“. Weischer (Rosbach/Sieg). 

Boeg, Über erbliche Disposition zur Lungenphthisis. (Zeitschr. f. 
Hyg. u. Inf., 49. Bd., 2. Heft, S. 161—196.) 

Nachdem durch Entdeckung des Tuberkelbazillus der Beweis- 
für die bazilläre Natur der Phthise durch Koch geliefert war, 
wurden die Reihen derer gelichtet, die die Anschauung festhielten r 
dass die Lungenphthisis eine gewissen Geschlechtern anhaftende 
Konstitutionsanomalie sei. Trotzdem hat die Hypothese der erb¬ 
lichen Disposition auch unter denen, die die Infektiosität der Krank¬ 
heit einräumen, immer noch ihre Anhänger, und die meisten Ärzte 
halten sie noch für eine Tatsache. 

Schon vor der Entdeckung des Kochschen Bazillus w*ar die 
Behauptung aufgestellt worden, dass die Ursache zur grösseren 
Häufigkeit der Lungenphthise in gewissen Familien nicht, wie 
früher angenommen, erbliche Disposition sei, sondern die reich¬ 
lichere Gelegenheit zur Infektion. Wer jetzt noch bei der Hypo¬ 
these bestehen bleibt, dass die in einigen Familien häufigere 
Lungenphthisis durch erbliche Disposition verursacht sei, muss den 
Beweis auf klinisch-epidemiologischem Wege führen. Dieser Nach¬ 
weis lässt sich aber nur in dünnbevölkerten, abseits vom Verkehr 
liegenden Bezirken erbringen, und das stellte sich der Verf. ala 
Amtsarzt der Faroerinseln zur Aufgabe. Dort ist die Lungen¬ 
phthisis eine verbreitete Krankheit. Auf Grund seiner umfang¬ 
reichen Untersuchungen zieht Verf. den Schluss, dass die Hypo¬ 
these der erblichen Disposition zur Lungenphthise nicht haltbar ist. 

Mastbaum (Göln). 

Huss, Die desinfektorische Wirkung des Formalins auf tuberkel¬ 
bazillenhaltigen Lungenauswurf. [Versuche mit dem Roepkeschen 
Apparat zur Wohnungsdesinfektion.] (Zeitschr. f. Med.-Beamte, 1905 r 
Nr. 7.) 

Leinwandläppchen, die in mässig dicker Schicht mit frischem 
tuberkelbazillenhaltigem Sputum bestrichen und in einem Kranken¬ 
zimmer in verschiedener Höhe aufgehängt waren, wurden nach 
östtindiger Formalineinwirkung mittels des Roepkeschen Appa¬ 
rates steril befunden. Bei Desinfektionsversuchen in Zimmern mit 
verschiedenem Rauminhalt Hessen sich bei 50 ebm Rauminhalt und 
4,5 g Formalinverbrauch pro cbm in 100 °/ 0 der Untersuchungen 
eine volle desinfektorische Wirkung nachweisen. 

Selter (Bonn). 


Digitized by v^ooQle 



419 


Lembke, Eine Typhusepidemie im Kreise Kreuznach. (Zeitschr. f. 

Med.-Beamte, 1905, Nr. 8.) 

Im September und Oktober 1904 konnte Verf. in den Dörfern 
Sobernheim und Argenschwang eine Paratyphusepidemie beobachten, 
bei welcher innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen vier 
Erkrankungsfälle zur Behandlung kamen. Bei diesen Fällen liess 
sich vorderhand keine Verbindung untereinander nachweisen. Die 
Diagnose wurde durch die Agglutinationsprobe sichergestellt. 
Durch letztere gelang es auch noch neun weitere Erkrankungen 
festzustellen, welche schon in Heilung tibergegangen waren. Betreffs 
der Frage des Ursprungs dieser Epidemien teilt Verf. nicht den 
Standpunkt Trautmanns, dass eine Paratyphusepidemie sich zu¬ 
nächst unter dem Bilde einer Fleischvergiftung abspiele, aus welcher 
die subakute Form der Krankheit hervorgehe. Durch Nachfragen 
konnte er feststellen, dass die ersten Kranken teils überhaupt kein 
Rindfleisch gegessen hatten, oder Fleisch von verschiedenen Metzgern 
geholt hatten. Bei den Fällen in Argenschwang konnte man 
Kontaktinfektion annehmen, da die Erkrankten alle zu einer Familie 
gehörten. Nach Sobernheim müsste dagegen der Infektionsstoff 
von aussen hineingetragen worden sein. Für die weitere Verbreitung 
hier werden die mangelhafte Durchspülung der Strassen gossen, in 
welche sämtliche Haus-, Küchen- und Schmutzwässer von den Höfen 
geleitet werden, verantwortlich gemacht. Man muss sich nur wundern, 
dass trotz dieser unhygienischen Verhältnisse die Epidemie keine 
weitere Verbreitung genommen hat. Selter (Bonn). 

Richter, Etwas über „Typhushäuser* und „Typhushöfe*. (Zeitschr. 

f. Med.-Beamte, 1904, Nr. 24.) 

Verf. hält noch an der, man sollte meinen nach dem Gelsen- 
kirchener Wasserwerksprozess endlich überwundenen, Ansicht fest, 
dass dem Boden bei der Typhusübertragung eine Hauptrolle zu¬ 
komme. Die Typhusbazillen sollen von den Erkrankten in den 
Boden gelangen, sich dort Jahre und Jahrzehnte lebend und 
virulent erhalten und beim Aufgraben der Erde oder durch Auf- 
und Absteigen der Bodenluft mit den Menschen in Berührung 
kommen. Richter stützt sich einmal auf die Untersuchungen von 
Ru 11 mann, der feststellte, dass die Typhusbazillen sich unter 
günstigen Umständen im Boden vermehren und bis zu 16 Monaten 
lebensfähig bleiben können, ferner auf die Beobachtungen Renks* 
dass mit der aufsteigenden Grundluft Staub und hiermit lebende 
Bakterien in die Wohnung dringen können. Eine Bestätigung 
seiner Ansicht glaubt er in einem von R. Koch 1903 gehaltenen 
Vortrag finden zu können, nach unserer Meinung aber mit Unrecht. 
Denn Koch sagt gerade in diesem Vortrag, dass die meisten Typhus- 


Digitized by 


Google 



420 


erkrankungen direkte Kontaktinfektionen seien, dass allerdings 
auch der Boden bei der Uebertragung der Typhuskeime eine ge¬ 
wisse Rolle spielen könne, aber nur insoweit, als die Kinder, die 
ja bekanntlich an leichten, oft nicht diagnostizierten Typhus¬ 
erkrankungen leiden können und gerade auf den Dörfern mit Vor¬ 
liebe ihre Fäkalien im Freien absetzen, den Infektionsstoff mit 
ihren Schuhen und Händen in die Wohnungen tragen. Ob über¬ 
haupt den sogenannten Typhushäusern und Typhushöfen eine so 
grosse Wichtigkeit bei den Typhuserkrankungen beizumessen ist, muss 
doch nach den neueren Untersuchungen dahingestellt bleiben. Aller¬ 
dings muss man zugeben, dass es oft ausserordentlich schwer ist, 
die Ätiologie einer vereinzelt auftretenden Erkrankung festzustellen. 
Auch werden wir zweifellos den Typhus ausrotten können, wenn 
es uns gelingt, durch Befolgung der genauesten Desinfektions- 
Vorschriften den Infektionsstoff unschädlich zu machen. 

Selter (Bonn). 

Friedei, Typhushäuser. (Zeitschr. f. Med.-Beamte, 1905, Nr. 2.) 

Der vorerwähnten Ansicht Richters tritt Verf. entgegen. 
Dass „Typhushäuser“, in denen fast alle zuziehenden Personen, vor 
allem die Dienstboten an Typhus erkranken, Vorkommen, gibt er 
zu; jedoch sind für diese Erkrankungen nicht die von früheren 
Fällen im Boden aufbewahrten Typhusbazillen verantwortlich zu 
machen; hierfür kommen fast stets die sogenannten Bazillenträger, 
welche nach überstandenem Typhus noch lange Zeit die Typhus¬ 
bazillen im Stuhl und Urin beherbergen können, in Frage. In 
einem der „Typhushäuser“, in dem der Knecht eines Bauern er¬ 
krankte, konnte Friedei bei der Frau des Bauern noch 6 Monate 
nach einem überstandenen Typhus Typhusbazillen in Reinkultur 
im Stuhl nachweisen. In anderen Fällen gelang es ihm, Typhus¬ 
bazillen im Stuhl zu finden, bei denen die Erkrankung 4—16 
Monate zurücklag. Selter (Bonn). 

\ 

Richter, Erwiderung. (Zeitschr. f. Med.-Beamte, 1905, Nr. 2.) 

Verf. bestreitet nicht das Vorkommen genesener Bazillen¬ 
träger, doch hält er die von diesen ausgeschiedenen Bazillen für 
nicht so infektiös und geeignet, neue Erkrankungen hervorzurufen, 
wie die auf der Höhe der Erkrankung abgesonderten Typhus¬ 
bazillen. Diese Infektiosität dürfte nach den neueren Unter¬ 
suchungen von Lentz als bewiesen gelten. Richter sieht die 
versteckten Krankheitskeime und die undesinfiziert vergrabenen 
Typhusstühle als Ursache späterer Erkrankungen an und ist der 
Meinung, dass „im Freien abgelegte Stühle sehr bald ihre an- 


Digitized by 


Google 



421 


steckende Wirksamkeit verlieren, indem die in ihnen haftenden 
Bazillen durch die Sonnenstrahlen unbedingt vernichtet werden“ 
und „der Urin, der einzeln im Freien abgesetzt wird, durch Fäulnis 
und eventuelle Einwirkung der Sonnenstrahlen seine Infektiosität 
verliert. 44 Im allgemeinen werden aber Stuhl und Urin nicht 
immer an den von der Sonne zumeist beschienenen Orten abgesetzt, 
und könnten doch die Typhusbazillen vielleicht länger lebend 
bleiben, als der Verf. glaubt. Und dann, unterliegen die ein¬ 
gegrabenen Typhusstühle etwa keiner Fäulnis ? 

Selter (Bonn). 

Dührssen, Influenza und Handkuss. (Deutsche med. Woch., 1905, Nr. 8.) 

Dührssen ist der Ansicht, dass die Gesellschaftssitte des 
Handkusses eine hygienische Unsitte sei, da sie mit Leichtigkeit 
Krankheitserreger zu übertragen vermag. Es braucht nur ein an 
Influenza Erkrankter oder von ihr eben Genesener der Hausfrau 
die Hand geküsst zu haben, um alle spätem Gäste, die der Haus¬ 
frau die gleiche Höflichkeit bezeugen, in die grösste Ansteckungs¬ 
gefahr hineinzubringen. Die Gefahr besteht auch gegenüber andern 
Infektionskrankheiten, zumal gegenüber der Tuberkulose. Die Ge¬ 
fahr ist für jeden Einsichtigen so einleuchtend, dass positive Ex¬ 
perimente gar nicht nötig sind, zumal im Hinblick auf die Unter¬ 
suchungen von Roepke und Huss, welche die Möglichkeit der 
Übertragung von Krankheitserregern durch den gemeinsamen Abend¬ 
mahlkelch dargetan haben. An der Hand haften gewiss Krankheits¬ 
keime viel eher, als an dem glatten Metall. 

Möge demnach Dührssen mit seiner Annahme recht be¬ 
halten, dass gewiss jeder vernünftige Mensch eine ganz überflüssige 
Höflichkeitsbezeugung unterlassen wird, wenn er weiss, dass er 
durch diese sich und anderen Personen unter Umständen lebens¬ 
gefährliche Krankheiten bringen kann. Krautwig (Cöln). 

Georgii, Über die vermeidbaren Impfschäden. (Zeitschr. f. Med.-Be¬ 
amte, 1905, Nr. 9.) 

Veranlasst durch ein Buch des Tübinger Zoologen Bloch¬ 
mann „Ist die Schutzpockenimpfung mit allen notwendigen Kau- 
telen umgeben?“ erörtert Verf. die Frage, welche Impfschäden als 
vermeidbar anzusehen sind und wie sie vermieden werden können« 
Alle Impfunfälle, die irgendwie durch eine Schuld des Arztes 
zustande kommen, sind vermeidbar, wie Nichtbeachtung der Regeln 
der Anti- und Asepsis, Übertragung der Lymphe von der Impfstelle 
auf andere Körperstellen usw. Hierfür müssen jedoch verschiedene 
Forderungen erfüllt sein. Der impfende Arzt muss ein geeignetes 


Digitized by 


Google 



422 


Impf lokal mit dem nötigen Material, Tisch zum Aufstellen des* 
Spiritusbrenners sowie des Impfmesserträgers, Waschbecken mit 
reinem Wasser, gute Seife und mindestens zwei Handtücher haben. 
Zur Schreibhilfe würde am besten ein Lehrer mit besonderer Be¬ 
soldung zugezogen, welcher auch die erforderlichen Assistenz¬ 
leistungen ausführen könnte. Die Massenprivatimpfungen sind mög¬ 
lichst einzuschränken, da in dem Sprechzimmer vielbeschäftigter 
Land- und Kassenärzte die beste Gelegenheit zur Entstehung von. 
Impfschäden gegeben ist. Die Impfärzte sollen vor Beginn der ein¬ 
zelnen Impftermine die den Müttern auszuhändigenden Verhaltungs¬ 
vorschriften durchsprechen und erläutern. Der Arzt hat seine Hände 
möglichst rein zu halten und dieselben im Laufe des Termins mehr¬ 
mals gründlich mit Wasser und Seife zu reinigen. Von einer Des¬ 
infektion im streng chirurgischen Sinne kann abgesehen werden. Un¬ 
rein zum Impftermin kommende Kinder sind abzuweisen. Als Impf- 
instrumente sind die Platiniridiumlanzetten am empfehlenswertesten. 
In jedem Impftermine von etwa 2ständiger Dauer sollen nicht mehr 
als 60 Kinder geimpft werden, da sonst eine exakte Ausführung des 
Impfgeschäftes, verbunden mit der Prüfung des Gesundheitszustandes 
des Impflings, nicht gewährleistet ist. Letztere Untersuchung müsste 
eine recht gründliche sein und sich nicht nur auf Betrachtung des 
Gesichtes und der Arme beschränken. Bei der Nachschau ist ausser 
der Impfstelle und der Zahl der Pusteln auch der ganze Gesundheits¬ 
zustand des Kindes zu berücksichtigen, wobei die Mütter nochmals 
auf etwaige Abweichungen vom normalen Impfverlauf aufmerksam, 
zu machen sind. Selter (Bonn). 

Hermanides, Bekämpfung der ansteckenden Geschlechtskranke 
heiten als Volksseuche. (Jena. G. Fischer.) 

Die Ausführungen des Verf. gipfeln in dem Satze „die Mo¬ 
ralität ist die Mutter der Hygiene“, und er sieht deshalb in einer 
Besserung der Moral das Hauptmittel für die Bekämpfung der Ge¬ 
schlechtskrankheiten. Von diesem theoretisch gewiss nicht un¬ 
richtigen Standpunkte aus empfiehlt er, nachdem er die Unzulänglich¬ 
keit der bestehenden Reglementierungs- und Untersuchungsmethoden 
dargetan hat, vor allem die Bekämpfung der Prostitution. Als 
Hauptwaffe in diesem Kampfe möchte er sich der Gesetzgebung 
bedienen, und gerade das scheint der schwächste Punkt seiner 
VerbesserungsVorschläge zu sein. Aus den von ihm empfohlenen 
Massregeln hebe ich hervor: Verbot der öffentlichen Prostitution. 
Verbot der clandestinen Prostitution durch Bestrafung der Besitzer 
von Caf^-chantants und anderen Lokalitäten, wo Musikaufführungen 
stattfinden und Trinkgelage gehalten werden, wenn diese Etablisse¬ 
ments die öffentliche Ordnung, den öffentlichen Anstand oder die- 


Digitized by 


Google 



423 


allgemeine Gesundheit gefährden. Strafbarkeit des Besuchs von 
Häusern, in denen, im Widerspruch mit den Bestimmungen dieses 
Gesetzes, Gelegenheit zu unzüchtigen Handlungen gegeben wird, 
mit der zutage liegenden Absicht, von dieser Gelegenheit Ge¬ 
brauch zu machen. Strengere Anwendung der bestehenden straf¬ 
gesetzlichen Bestimmungen über das Ausstellen und Verkaufen von 
pornographischen Abbildungen. Verbot unsittlicher Lektüre. Ver¬ 
bot unsittlicher Theaterstücke und der unsittlichen Ballette. Neben 
diesen wohl ziemlich aussichtslosen Verboten steht eine Anzahl 
guter, aber nicht neuer Vorschläge wie: Verbesserung des Unter¬ 
richts in den venerischen Krankheiten, unentgeltliche Behandlung, 
Belehrung der Jugend usw. Zinsser (Cöln). 

Bettmann, Die ärztliche Überwachung der Prostituierten. (Jena r 

G. Fischer.) 

Eine sehr gründliche und gewissenhafte Arbeit über das 
schwierige Thema, die besonders allen mit der Untersuchung, Be¬ 
handlung und Überwachung der Prostituierten beschäftigten Ärzten 
und Beamten und auch den sich für die Frage interessierenden 
Laien zum Studium angelegentlich empfohlen werden kann. 
Der grösste Teil des Werkes gibt referierend einen Überblick über 
den Stand der Überwachungsfrage in den verschiedenen Ländern, 
über die Krankheiten der Prostituierten und über die Technik der 
Kontrolle und der ärztlichen Untersuchung. Die letzten Kapitel 
behandeln die Inskription, die Wohnungsfrage, die Ergebnisse der 
Reglementierung und Ersatzmittel der Reglementierung und schliess¬ 
lich die Prostituierten selbst. Dass das Resultat der kritischen 
Besprechung aller für und wider die Zwangsuntersuchung, die 
Reglementierung und die Kasernierung der Prostituierten an¬ 
geführten Gründe insofern kein besonders erfreuliches ist, als Verf- 
auch keinen rechten Weg zur Besserung der Verhältnisse sicht,, 
liegt leider in der Natur der Sache. Gerade der gutunterrichtete 
Beurteiler, der frei von Sentimentalität und Voreingenommenheit 
auf der einen und von blindem Optimismus auf der anderen Seite 
an die Aufgabe herangeht, muss zu dem traurigen und entmutigen¬ 
den Resultat kommen, dass wir bei der Prostitutionsfrage schier 
unüberwindlichen Schwierigkeiten gegentiberstehen. 

Zinsser (Cöln). 

Grosse, Schutzmittel gegen Geschlechtskrankheiten. (Münch. Med. 

Woch„ 1905, Nr. 21.) 

Empfehlung eines neuen Prophylacticums „Selbstschutz 44 , 
welches in einem 1 pro mille Hydrang. oxycyanat. enthaltenden 
Gelatine-Glyceringelee und in einer Tube Lanolin-Vaselin besteht. 

Zinsser (Cöln). 


Digitized by v^ooQle 



424 


Kirchner, Die Verbreitung der Lepra in Deutschland und den 
deutschen Schutzgebieten. (Klin. Jahrb., 14. Bd. Jena 1905. G. Fi¬ 
scher.) 

Das Auftreten eines Lepraherdes Mitte der 80er Jahre des 
vorigen Jahrhunderts in dem preussischen Kreise Memel gab der 
preussischen Regierung Veranlassung, die grösste Aufmerksamkeit 
auf dieses Vorkommen zu richten und auf Mittel und Wege zu 
sinnen, der weiteren Ausbreitung dieser Erkrankung, die im Mittel- 
alter so grosse Verheerungen anrichtete, Einhalt zu tun. Um die 
Bekämpfung der Krankheit und die Feststellung des Herdes haben 
sich neben Kirchner besonders Schmidtmann, Koch, Kubier 
und Kreisphysikus Urbanowicz grosse Verdienste erworben. Ne¬ 
ben dem Herde im Kreise Memel (68 Fälle seit dem Jahre 1848) 
haben sich vereinzelte Leprakranke vorübergehend in verschiedenen 
Teilen Deutschlands gezeigt. 

Nach Mitteilungen des Kaiserl. Gesundheitsamtes waren im 
Deutschen Reiche im ganzen an Leprakranken vorhanden: 

Ende 1900: 32, davon in Preussen 20, Mecklenburg-Schwerin 1, 
Hamburg 11; 

1901: 37, davon in Preussen 25, Bayern 2, Mecklenburg- 
Schwerin 1, Elsass-Lothringen 1, Hamburg 8; 

1902: 32, davon in Preussen 21, Bayern 2, Mecklenburg- 
Schwerin 1, Elsass-Lothringen 1, Hamburg 7; 

1903: 25, davon in Preussen 20, Mecklenburg*Schwerin 1. 
Elsass-Lothringen 1, Hamburg 3. 

Besonders wertvoll für die Bekämpfung der Lepra ist das 
nach den Plänen von Kirchner erbaute Lepraheim in der Plan¬ 
tage bei Memel, welches im Pavillonstil erbaut ist und für 16 Kranke 
Aufnahme gewähren kann. Der Arzt der Anstalt ist Kreisarzt 
Medizinalrat Dr. Urbanowicz. Das Personal besteht aus zwei 
Diakonissen, einer Magd, einem Hausdiener und einem Pförtner. 

Zum Schlüsse der Abhandlung werden dann noch kurze Mit¬ 
teilungen über die Verbreitung der Lepra in den deutschen Schutz¬ 
gebieten, soweit man über dieselbe unterrichtet ist, gemacht. 

Bleibtreu (Cöln). 

Dieminger, Beiträge zur Bekämpfung der Ankylostomiasis. (Klin. 

Jahrb., 12. Bd. Jena 1904. G. Fischer.) 

Aus den Mitteilungen von Dieminger seien hier zwei Be¬ 
obachtungen hervorgehoben. Einmal, dass übermässiger Genuss 
von Alkohol die Zahl der Eier in den Entleerungen herabmindert. 
Die an Montagen oder an dem nach einem Feiertag folgenden Unter¬ 
suchungstage ausgeführten Untersuchungen der Stuhlgänge zeigten 
eine auffallend geringe Anzahl positiver Resultate. Von 17 Montags 


Digitized by 


Google 



425 


negativ befundenen Leuten ergaben die an anderen Wochentagen 
nochmals vorgenommene Untersuchung 11 mit reichlicher Abson¬ 
derung von Ankylostomaeiern. 

Ferner beobachtete D., dass von 941 Personen, die mit wurm¬ 
behafteten Bergleuten in inniger Berührung wohnen (Frauen, Kin¬ 
der, Tagesarbeiter), die aber selbst niemals die Grube betreten 
haben, nur ein Junge von neun Jahren mit Ankylostomaeiern be¬ 
haftet war. Es geht daraus hervor, dass eine Ansteckung ausser¬ 
halb der Grube zwar möglich ist, jedoch nur in so vereinzelten 
Fällen vorzukommen scheint, dass hieraus eine allgemeine Gefahr 
nicht abgeleitet werden dürfte. Bleib treu (Cöln). 

Schaudinn, Über die Einwanderung der Ankylostomalarven von 
der Haut aus. (Deutsche med. Woch. 1901, Nr. 37, S. 1338.) 

Durch Versuche an Affen konnte Schaudinn eine Be¬ 
stätigung der Looss sehen Anschauung erbringen, dass nämlich 
eingekapselte Ankylostomalarven durch die unverletzte Haut dringen, 
auf dem Blut- oder Lymphwege zum Darm wandern und hier sich 
weiter entwickeln können. Zwei Affen der Gattung Inuus brachte 
er eine grosse Anzahl menschlicher Ankylostomalarven auf die 
Rückenhaut, wo er die Flüssigkeit eintrocknen liess. Nach 14 
Tagen starb der eine Affe unter Krämpfen, im ersten Drittel des 
Dünndarms fanden sich 36 lebende junge Ankylostomen im so¬ 
genannten „dritten Larvenstadium noch mit provisorischer Mund¬ 
kapsel“. Der zweite Affe, der mehrfach infiziert war und 20 Tage 
nach der ersten Infektion getötet wurde, zeigte im Dünndarm nur 
2 Würmer, die ebenfalls nicht über das Stadium mit der provi¬ 
sorischen Mundkapsel hinausgekommen waren. Im Coecum fanden 
sich 12 abgestorbene und angedaute Würmer des gleichen Stadiums. 
Schaudinn hat ausserdem noch im Herzblut und in der Lunge des 
Affen Ankylostomalarven auffinden können. 

Durch anderweitige Versuche an Menschen ist die Loosssche 
Behauptung, dass die Ankylostomiasis auch durch die Ein¬ 
wanderung der Larven in die unverletzte Haut zustande kommen 
könne, vollinhaltlich inzwischen bestätigt. 

Bruns (Gelsenkirchen). 

Thorn, Vorschläge zur Besserung der Frühdiagnose des Krebses 
im Regierungsbezirk Magdeburg. (M. M. W. Nr. 15. 1905.) 

Die auch für weitere Kreise beachtenswerten Vorschläge des 
Verf., mit allen angängigen Mitteln in intensiverer Weise gegen 
den Krebs vorzugehen durch die Ermöglichung der frühesten Er¬ 
kenntnis der Krankheit, gipfeln dann, das Publikum durch popu¬ 
lär gehaltene Artikel über die Krebsfrage, speziell die operativ 


Digitized by 


Google 



426 


heilbaren Formen auffcuklären, auf den verderblichen Einfluss der 
Kurpfuscherei gerade auf diesem Gebiet nachdrücklichst hinzu¬ 
weisen, eine Sammlung dieser Aufsätze dem gesamten niederen 
Heilpersonal (Hebammen usw.) zuzusenden; dem praktischen Arzte 
eine Anweisung über die Hülfsmittel zur Frühdiagnose, speziell 
über die Gewinnung zur mikroskopischen Untersuchung geeigneter 
Partikel zu geben, die Behörden auf die Notwendigkeit und Dring¬ 
lichkeit der Schaffung eines pathologisch-anatomischen und bakte¬ 
riologischen Instituts aufmerksam zu machen und im Anschluss an 
die Fortbildungskurse kurze unentgeltliche Kurse zur Erlernung 
aller für die Frühdiagnose des Krebses nötigen Encheiresen ein¬ 
zurichten. We i s che r (Rosbach/Sieg). 


Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neuen 

Bücher etc. 

Baur, Dr. Alfred, Das Samariterbtichlein. Ein schneller Ratgeber bei 
Hilfeleistung in Unglücksfällen. Für jedermann insbesondere für Mit¬ 
glieder freiwilliger Sanitätskolonnen. Mit 33 Abbild. 11.-12. Aufl. 
Stuttgart 1905. Muth. Preis 40 Pfg. 

Bircher-Benner, Dr. M., Grundzüge der Ernährungs-Therapie auf 
Grund der Energie-Spannung der Nahrung. 2. Aufl. Berlin 1906. 
Otto Salle. Preis 3 Mk. 

Bonne, Dr. Georg, Über die Notwendigkeit einer internationalen Regelung 
zum Schutze der Gewässer gegen Verunreinigung. Referat zum inter¬ 
national. Fischereikongress in Wien 1905. Hamburg, Gebr. Lüdeking. 
Preis 30 Pfg. 

Dietz, Ludwig, Ingenieur, Über Heizung und Lüftung der Schulräume, 
Mit 7 Abbild. Charlottenburg 1905. Müller & Co. Preis 50 Pfg. 

Elsaesser, Dr.,Über die sogenannten Bergmanns-Krankheiten. Abzehrung 
und Wurmkrankheit unter den Bergleuten auch mit Rücksicht auf ihre 
Gefahren für die Allgemeinheit. Arnsberg 1905. F. W. Becker. Preis 
60 Pfg. 

Emmel, Dr. Eduard, Das Wasserheilverfahren. Hydrotherapeutische 
Mitteilungen [zum Studium des Wasserheilverfahrens für Ärzte und 
Gebildete. Leipzig 1905. C. F. W. Fest. Preis 2 Mk. 

Grube, Dr. H., Der vordere Scheidenleibschnitt, seine Technik und 
Indikation mit inter operationem aufgenommenen Siiuationsbildern. 
Mit lllustrat. im Text u. 11 Tafeln. Halle 1905. Karl Marhold. Preis 
3 Mk. 

Franze, Dr. Paul C.. Technik, Wirkungen und Indikationen der Hydro- 
Elektrotherapie bei Anomalien des Kreislaufs. München, Verlag der 
Ärztlichen Rundschau (Otto Gmelin). Preis 1,60 Mk. 

Heepke, Wilhelm, Die Kadaver-Vernichtungsanlagen. Mit 55 Abbild, im 
Text und 3 Tafeln. Halle 1905. Carl Marhold. Preis 3 Mk. 


Digitized by 


Google 



427 


Hinterberger, Dr. Alexander, Ist unser Gymnasium eine zweckmässige 
Institution zu nennen? Wien 1905. W. Braumüller. Preis 1,50 Mk. 

Hölscher, Dr., Die otogenen Erkrankungen der Hirnhäute. II. Die Er. 
krankungen im Subduralraum und die eitrige Entzündung der weichen 
Hirnhäute. Mit einer Tabelle. Halle 1905. Carl Marhold. Preis 3 Mk. 

iKlinger, H. J., Oberingenieur, Kalender für Heizungs-, Lüftungs- u. Bade¬ 
techniker. 11. Jahrg. 1906. Halle, Carl Marhold. Preis 3,20 Mk. 

Klose, Bernh., Starke Nerven, Frischer Geist, Überströmende Lebens¬ 
freude durch Willensübungen. Magdeburg, R. Zacharias. Preis 1 Mk. 

v. Körösy, Dr. Joseph, Die Sterblichkeit der Haupt- und Residenzstadt 
Budapest in den Jahren 1901—1903 und deren Ursachen. II. Ta¬ 
bellarischer Teil. 3. Heft 1003. Budapest 1905. Karl Grill. Preis 1 Mk. 

»Kühner, Dr. A., Bluterneuerungskuren durch natürliche Mittel. Mit einer 
Einleitung von Prof. Dr. E. Schweninger. Leipzig 1905. Krüger & Co. 
Preis 1,50 Mk. 

Lauterborn, Prof. Dr. R., Die Ergebnisse einer biologischen Probe¬ 
untersuchung des Rheins. Berlin, Julius Springer. 

Lischnewska, Maria, Die geschlechtliche Belehrung der Kinder. Zur 
Geschichte und Methodik des Gedankens. Frankfurt 1905. J. D. Sauer- 
lftnders Verlag. Preis 50 Pfg. 

Lussingrande, Lussinpiccolo. Lussin und die Inseln des Quarnero. Ein 
Wegweiser für Kurgäste und Ferienreisende. Mit 50 Abbild, u. 3 Karten. 
Wien, A. Hartlebens Verlag. Preis 1,80 Mk. 

Maack, Dr. Ferdinand, Polarchemiatrie. Ein Beitrag zur Einigung alter 
und neuer Heilkunst. Mit Figuren. Leipzig 1905. Max Altmann. Preis 
1,20 Mk. 

Maennel, Dr. B., Vom Hilfsschulwesen. Sechs Vorträge. Leipzig 1905. 
B. G. Teubner. Preis 1 Mk. 

Mittel hä us er, Dr. E. Unfall und Nervenerkrankung. Eine sozial-medi¬ 
zinische Studie. Halle 1905. Carl Marhold. Preis 1,50 Mk. 

Munk, Dr. Maxim., Die Hygiene des Schulgebäudes. Mit 16 Illustrationen. 
Brünn 1905. Karafiat &. Sohn. Preis 2,15 Mk. 

Rambousek, Dr. Josef, Lehrbuch der Gewerbehygiene. Mit 64 Abb. und 
3 Tafeln. 8 Bogen gr. 8°. Wien, A. Hartleben. Preis 5 Mk. 

Schmedding, A., Die Gesetze, betreffend Bekämpfung ansteckender 
Krankheiten, und zwar 1. Reichsgesetz, betreffend die Bekämpfung 
gemeingefährlicher Krankheiten vom 30. Juni 1900. 2. Preussisches Ge¬ 
setz, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 
28. August 1905 nebst Ausführungsbestimmungen erläutert für Preussen. 
Münster i. W. 1905. Aschendorl'fsche Buchhdlg. Preis gebd. 2,60 Mk. 

Stadel mann, Dr. Heinrich, Geisteskrankheit und Naturwissenschaft. 
Geisteskrankheit und Sitte. Geisteskrankheit und Genialität. Geistes¬ 
krankheit und Schicksal. München 1905. Ärztliche Rundschau (Otto 
Gmelin). Preis 1 Mk. 

-Das Wesen der Psychose auf Grundlage moderner naturwissen¬ 
schaftlicher Anschauung. Heft V. Die Paranoia. Heft VI. Die Epi¬ 
lepsie. München 1905. Verlag der Ärztlichen Rundschau (Otto Gmelin). 
Preis 3,50 Mk. 

Steckei, Dr. W., Wie beuge ich einer Blinddarmentzündung vor? Wien 
1906. Paul Knepler. Preis 1 Mk. 


Digitized by 


Google 



428 


Verhandlungen des internationalen Vereines zur Reinhaltung der 
Flüsse, des Bodens und der Luft auf der 27. Generalversammlung am 
17. u. 18. Juni 1905 in Frankfurt a. M. Hamburg, Gebr. Lüdeking. Preis 
1,20 Mk. 

Weber, Dr. Hugo, Die Heilung der Lungenschwindsucht durch Be¬ 
förderung der Kohlensäurebildung im Körper. Halle 1906. Carl Mar- 
hold. Preis 1. Mk. 

NB. Die für die Leser des „Centralblattes für allgemeine Gesundheits¬ 
pflege“ interessanten Bücher werden seitens der Redaktion zur Besprechung 
an die Herren Mitarbeiter versandt und Referate darüber, soweit der be¬ 
schränkte Raum dieser Zeitschrift es gestattet, zum Abdruck gebracht. Eine 
Verpflichtung zur Besprechung oder Rücksendung nicht besprochener Werke 
wird in keinem Falle übernommen; es muss in Fällen, wo aus besonderen 
Gründen keine Besprechung erfolgt, die Aufnahme des ausführlichen Titels, 
Angabe des Umfanges, Verlegers und Preises an dieser Stelle den Herren 
Einsendern genügen. Dje VerlaflShandlung. 


In meinem Verlage erschien: 

Mitteilungen ans Dr. Schmidts Laboratorium 
fnr Krebsforschung. 

I. Heft. Dr. O. Schmidt: Über das Vorkommen eines proto¬ 

zoonartigen Parasiten in den malignen Tumoren und seine 
Kultur ausserhalb des Tierkörpers. Weitere Resultate einer 
spezifischen Therapie des Karzinoms. 73 Seiten. Mit drei Tafeln. 
Preis Mk. 4.—. 

II. Heft. Dr. O. Schmidt: Einige Dauerresultate nach Behandlung 

Krebskranker mit Kankroidin Schmidt. — 

Dr. O. Prof6: Übertragbare Neubildungen bei weissen Mäusen 
nach Impfung mit Reinkulturen des Schmidtsehen Parasiten. — 
Vorläufige Mitteilung über Immunisierungsversuche bei Mäusen, 
welche durch Tumor-Transplantation infiziert wurden. — Über 
das Vorkommen eines Mikrokokken in Tumoren. 36 Seiten. 
Mit 1 Doppeltafel und 3 Textfiguren. Preis Mk. 2.—. 

Martin Hager, Verlagsbuchhandlung, Bonn a. Rh. 


Verlag von Martin Hager, Bonn. 

In meinem Verlage erschien: 

Der Alkohol als Nahrungsstoff. 

Nach einem Vortrag in der VIII. Jahresversammlung des Vereins 
abstinenter Ärzte des deutschen Sprachgebietes auf der 75. Ver¬ 
sammlung deutscherNaturforscher u. Ärzte in Kassel am 25.Sept. 1903 

von 

Professor Dr. Rudolf Rosemann, 

Privatdozent und Assistent am physiologischen Institut in Bonn, 
gr. 8°. 21 S. Preis 80 Pfg. 


Digitized by Google 







Naohwelsung über Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 47 Städten 

der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat Januar 1905. 


eitsformen der Aufgenommei 



Münster 
Bielefeld . . 

Minden 
Herford . . 

Dortmund. 
Hagen i. W. . 
Witten . 
Hamm . . . 

Iserlohn 
Siegen . . . 

Gelsenkirchen 
Altena . . . 

Schwelm . 

Düsseldorf 


Essen a. d. Ruhr 
Elberfeld . . . 

T» ... 

Barmen . . . 

Crefeld . . . 

Remscheid . . 

M.-Gladbach . . 

Solingen 

Viersen 

Rheydt.... 
Meiderich . 

Neuss .... 
Mülheim-Styrum 
Ruhrort . . . 

Odenkiruheu . 

Aachen . . . 

Aachen-Burtscheid 
Düren .... 
Eschweiler . . 

Eüpen .... 
Stolberg . . . 

Cöln .... 
Cöln-Deutz . . 

Oöln-Ehrenfeld . 
Mülheim a. Rh. . 
Kalk .... 

Trier .... 
Saarbrücken . . 

Koblenz . . . 

Kreuznach . . 

Neuwied . . . 

Wiesbaden . . 

Kassel .... 
Fulda .... 
Eschwege . . . 

Rinteln . . . 

Schmalkalden . 


Clemenshosp. u. Johannisstift 285 862 £ 
städt. Krankenhaus .... 144 134 I 
städtisches Krankenhaus . . 43 65 

Friedrich Wilhelm-Hospital . 63 62 

Luisenhospital. 384 391 4 

städtisches Hospital.111 132 1 

Diakonissenhaus u.Marienhosp 399 472 4 
städtisches Krankenhaus . . 66 88 1 

Bethanien-Krankenhaus . . 89 103 1 

städt. Hospital.71 95 1 

Marienhosp. u. ev. Krankenh. 478 536 ( 
Johanniter- u. kath. Krankenh. 47 49 
städtisches Krankenhaus . . 55 54 

evangelisches Krankenhaus . 199 209 1 

Marienhospital. 314 846 2 

Huyssenstift und Krupp’sches 

Krankenhaus. 471 526 8 

St. Josephshospital . . .184 202 1 

städtisches Krankenhaus . 350 433 4 
* * • . 263 313 3 

„ „ . .225 280 2 

„ . . . 92 102 1 


Bethesda u.Mariahilf-Kranken- 

haus. 

städtisches Krankenhaus . 


Elisabeth- und Kais. Wilh.- 

Krankenhaus . 

städtisches Krankenhaus . 

v n • 

Hanielstiftung. 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 

Mariahilf-Krankenhaii8 . 

St Marienhospital . . . . 

städtisches Hospital . 

St. Antoniushospital . 

St. Nikolaus-Krankenhaus . 
Bethlehemhospital . . . . 

Bürger- u. Augustahospital 
städtisches Hospital .... 
St. Franziskushospital . 
städt. u. Dreikönigenhospital . 
St. Josephshospital . 

städt. Hospital u. Stadtlazarett 
Bürgerhospital. 


städtisches Krankenhaus 
Landkrankenhaus 


208|260 2 
126 140 1 
81 72 
74 78 

161 171 1 

78 82 
76 102 
62 63 
10 13 

349 410 4 
142 149 l 
1051112 1 
95' 93 
41 43 
103 96 

850 900 
129 135 1 
141 181 1 
256 265 2 
155 169 1 

129 129 
53 107 1 


173 193 2 
541 54 
98|127 1 

297 344 4 


U'iUilÜi 


I XJ I « t, 

I ü l ta sc 



4 26 4 .| l!.. 3 27 

.. 2 4 .. i r. |;!!;;j! .* L 7 
.. 3 . 1 . . 1 ... . 1 .. 2 2 


2 3,43 
.. 14.. 


1 2 40 
.. .. 4 
. 1 . . 


5 6 2 5 


1 2 29 .. 2 . 2 .. 6 44 

. . 1 3 . . 1.j.. 216 

3 3 111 1 . .L 3 27 


6 .... 2 
1 1 .. . 


4 ... . 

2.... 

.. 2 5 .. ..; 

. . 2 3 . . 1 


. 7 6 5 10 II 

• ••(••!•■[ 1 
6 1 11 
. .. 1 .. 


2115 24 44 6 2 

..LI ii 3 .. 

.......... i 

..11 2 .. II 
3 2 .... 


9 .. 2 


2 10 2 , 


3 11 . 1 


319 331 336 . . .. 
191 213 178 .. 

34 52 59 .. j.. 
24 39 38 .. .. 
461 53 36 .. i. . 


Digitized by 


Google 


i) Hier unter 23 muaenza. 


1 







































































































Bterbliohkeita-Statbitik von 53 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau 

pro Monat Januar 1905. 


Mouat 

Januar 

1905 


Münster 

Bielefeld . . . 

Paderborn . 
Minden 

Dortmund . 
Gelsenkirchen 
Bochum . . . 

Hagen .... 
Witten .... 
Hamm .... 
Iserlohn 

Siegen .... 
Schwelm . 
Lippstadt . 

Altena .... 

Düsseldorf. . . 

Essen a. d. Ruhr 
Elberfeld . . . 

Bannen. . . . 

Crefeld 

Duisburg . . . 

Mülheim a. d. R. 
Remscheid. 

M.-Gladbach . 
Oberhausen . 
Solingen 
Meiderich . . 

Rheydt .... 
Ruhrort. . . . 

Neuss . . . . 

Viersen .... 
Wesel . . . \ 

Wermelskirchen . 
Ronsdorf . . . 

Lennep . . . . 

Aachen. . . . 

Düren . 

Esch weiler. 

Eupen . . . 

Stolberg 

Cöln. 

Bonn 1 . 

Mülheim a. Rh. . 
Kalk. 

Trier . . . . 

Malstatt-Burbach 
Saarbrücken . 

St. Johann . 

Koblenz 
Kreuznach. 
Neuwied . . 

Wiesbaden 
Kassel . . . . 



Todesursachen 

Infektions-Krankheiten 


Gewaltsamer 
Tod durch 


- ~ 'S S Ja t ~ X -5 553 

sc^'-co « rt £ -c 

-a % SöLg !* | i !-sg 2l tili 
- £ z ll I ff.- = |s 1-g üÜS» 

X hr s ! £ - * £ so *4 a» ® * o 

r i* S 5 


78449 

77337 

26089 

25766 

171608 

153935 

122674 

77973 

36921 

36646 

29089 

24766 

18449 

13876 

13187 

242833 
223621 
169606 
153400 
111590 
110550 
91375 
68021 
62020 
53143 
49307 
41713 
38407 
37810 
30941 
26169 
22749 
16917 I 
13750 
9704 

147282 

29568 

23670 

14297 

14249 

420347 

80978 

53367 

24211 


öl,» 

174 26,5 I 
94 42,4 
45 20,6 

584 40,0 
646 49,4 
444 42,6 
228 34,4 
114 36,3 
114 36,6 
79 32,0 
66 31,4 
52 33,3 
45 38,2 
37 33,0 

702 34,0 
707 37,2 
420 29,2 
386 29,6 
233 24,6 
400 42,6 
349 45,0 
194 33,6 
187 35,5 
205 45.4 
131 31,3 
143 40,4 
129 39,6 
147 45,8 
109 41,5 
96 43,2 
52 26,9 
41 28,5 
32 27,4 
23 27,9 

393 31,4 
84 33,4 
69 34,3 
32 26,4 
45 37,2 

1319 36,9 
264 38,4 
151 33,3 
77 37,4 


\öi i< i»,< 

77 17 11,7 

40 4 18,1 

51 16 23,3 

>62 86 18,0 
>06 60 15,8 
171 45 16,4 

108 31 16,3 
73 13 23,3 

68 22 21,8 

53 9 21,5 

55 16 26,2 

21 5 13,4 

20 5 17,0 

23 6 20,5 

361 115 17,5 
294 81 15,5 


46696 114 28,7 

36584 146 47,0 

27648 74 31,5 

24484 55 28,4 

53484 107 23,6 

22736 46 23,8 

16679 47 33,2 

96304 208 25,4 
120554 281 27,3 


93 

19 

83 

47 

93 

26 

72 

34 

55 

17 

68 

25 

48 

12 

42 

11 

41 

12 

28 

8 

18 


17 

1 

237 

52 

64 

18 

57 

7 

25 

4 

26 

8 

736 

221 

172 

41 

86 

25 

43 

17 

84 

7 

65 

27 

47 

13 

37 

10 

86 

23 

38 

7 

33 

9 

167 

20 

170 

30 


ö ö o 
. . 4 . . 


13 3 13 

.13 2].. 

3 . . 4 .... 1 

. . . . 3 . . 1 


2 2 1 


115 3 1 

6 5i 11 1 1 

1 3| 6 4 2 

6 ..! 01 1 1 

3 2i . 

34... 1 

.. 31 5 1 1 


1 2 

; 5!..1 


2 . 1 


. 1 . . 5 . 

...... I 1| 1 

l . . 2 !.. .. 

.. i. .1 .. 1 .. 
1 . .1. 


13 4 8 9 2 
5 . . 2 4 ■ . . 

5 o 


. . 3 . . 

1 4 1 


2 3 18 

1 8 12 
1 19 6 

13 15 


4| 47 28 
.. .. 4 

.... S 
..2 1 


3 1 


1) Bonn: darunter 5,2°/oo Geburten, 5.5'»/oo Sterbefftlle Auswärtiger in Anstalten. 

Digitized by 


8) Influenza. 



Google 





































































NaohweUung über Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 47 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat Februar 1905. 


Städte 

Krankenhäuser 

Bestand 

am 

Schlüsse 

* 

Sa 3 
o § s 
*2 » 

•8 1 

z 

-e = 

2 5 
£ ~ 

3 Z 

3 bt 

X 3 
< 

Krankheitsformeu der Aufgent 

immenen 

Pocken 

Varizellen 

Masern u. Röteln 

Scharlach 

Diphtherit.u.Croup 

Keuchhusten 

Unterleibstyphus 

Epid. Genickstarre 

t. 

JS 

3 

« 

Brechdurchfall 

Kindbettfleber 

71 

0 

1 

"3 

«3 

32 
ö 
y I 

Q> 

00 

0 

GS 

Münster . . . 

Clemenshosp. u. Johannisstift 

362 331 

270 


.. .. 66 



.. .. 

1 

|f 


1 



134 132 

113 


.. . 4 .. 







1 



65 59 

54 


1 0 


1 







Herford . . . 

F riedrich-Wilhelm-Hospital 

62 60 

39 


.... 1 1 

.. 1 


• • 

.. 

“ 1 



.. 

Dortmund. 

Luisenhospital. 

391 410 

479 


1 1 3 10 


6 .. 





5 

Hagen i. W. . 

städtisches Hospital .... 

132 133 

117 


. 1 

.. 1 

.. i 


.. 



1 



472 456 

334 


.. 1 3 10 


2 I 






5 



88 89 

95 


1 9 i 


7 


•• 




2 



103 96 

73 


1 .. 2 




.. 





Siegen .... 

städt. Hospital. 

95 91 

112 


.. 2 113 

.. | 

.. 1 

.. 





1 

Gelsenkirchen . 

Marienhosp. u. ev. Krankenh. 

536 480 

416 


.. .11 9 

1 

1 



0 

6 


5 



49 53 

-H) 

.. .. 1 








1 



54 58 

34 

2 


1 

.. 






Düsseldorf 

evangelisches Krankenhaus 

209 228 

181 

.. .. .. 8 I 8 



** 


1 




n 

Marienhospital. 

316 325 

229 

.•• 3! 

.. 

.. 

• 


.. 


.. 

i 

Essen a. d. Ruhr 

Huyssenstift und Krupp sches 













Krankenhaus . 

526 530 

761 

.9 23 

• • 

3 

.. 


.. 

2 


7 

Elberfeld . 

St. Josephhospital .... 

202 178 

137 

.* i 

.. 



.. 

.. 



2 

. 

städtisches Krankenhaus . 

433 393 

321 


.. 2 6 8 

.. 




.. 

i 


2 



313 299 

261 


.. 2 .. 6 


6 








rt n 

280 254 

182 


1 1 2 

.. 

1 




4 


2 



102 111 

94 


.. 1 1 









M.Gladbach . . 

Bethesda- und Mariahilf-Kran- 













kenhaus 

260 273 

199 

. 1 5 








9 

Solingen 

städtisches Krankenhaus . 

140 124 

108 

2 


:: 



.. 

1 



2 

Viersen . . 

72 75 

34 

,. 1.. .. 








1 

Rheydt 

V V 

r? n 

78 751 

60 



.. 



.. 

.. 



Meiderieh . 

Elisabeth- und Kais. Wilh.- 



1 










Krankenhaus . 

171 145 

129 

1 .. 1 3 








2 

\’p|i qq 

städtisches Krankenhaus . 

82 70 

35 

1 








1 

v Uön .... 

Mülheim "Styrum 

102 83 

52 

1 1 








1 

Ruhrort 

rt n 

Ha malst.ift.il 11 g. 

63 62 

63 

.. .. 1 2 .. 


l 







Odenkircheu • • 

Kaiser W"i 1 hei in - Krankenhaus 

13 12 

9 










Aachen 

Mariahilf-Krankenliaus . . 

410 434 

418 

. 9 5 3 

25 

2 




•• 


20 

Aachen-Burtscheid 

St. Marienhospital .... 

149 142 

96 



.. 




1 



Düren .... 

städtisches Hospital .... 

112 109 

84 

:: ::':: 1 i |:: 



** 



:: 



Eschweiler 

St. Antoniushospital .... 

93- 82 

32 

.. .... -1 •• 


. 



.. 

1 


.. 

Eupen .... 

St. Nikolaus-Krankenhaus. . 

43 54 

32 

.. •• 



.. 

i “ 

.. 

.. 


.. 

Stolberg . . . 

Bethlehemhospital .... 

96 86 

24 


. 1 





•• 

- 

•• 

- 

Cöln .... 

Bürger- u. Augustahospital . 

900 862 

898 


.. 12 22 44 

4 




.. 

1 

„ 

5 

Cöln-Deutz . 

städtisches Hospital. 

135 113 

80 


.. 1 .... I .. 

•• 




1 

.. 

.. 

.. 

Cöln-Ehrenfeld . 

St. Franziskushospital . 

181 161 

111 


.. i .... 1 .. 


1 *• 



.. 

.. 


2 

Mülheim a. Rh.. 

städt. u.Dreikünigenhospital . 

265 242 

225 


••••6 3 

r 


1 .. 

.. 

.. 

.. 


1 

Kalk . . . . 

St. Josephhospital .... 

169 166 

124 

.. ~ •• 2 | 5 

.. 




•• 

- 


2 

Trier 

ufSjilf lliwnif !ll 11 fttiLfltblZMrP.tt 

129 141 

35 

.. 1 .. I .. 






1 .. 



Saarbrücken . 

olutl t. I i * 1 ) 11«11 II* kj t/ill 

Bürgerhospital. 

107 99 

103 

.. .... i .. 

1 1 ' 

5 



.. 



2 

Koblenz . . . 

Bürgerhospital. 

193 182 

225 


..215 

3 

.. 




1 


1 

Kreuznach . . 


54 65 

65 



1 







1 •• 

Neuwied . 

n .... 

127 131 

131 


.. .. •• 15 


.. 

! •• 


*• 

.. 



Wiesbaden 

städtisches Krankenhaus . . 

344 319 

332 


..; 7 |27 .. 

.. 

.. 


1 .. 

.. 

r 


3 

Kassel . . . . 

Landkrankenhaus . 

331,324 

324 


....3 9 

M 

2 

1 ” 


.. 

1 


.. 

Fulda . . . . 


213 227 

182 


. 1 .. 1 .. ! 2 


1 







Eschwege . 

V .... 

52 51 

51 


....... 11 


.. 

1 •• 



•• 


.. 

Rinteln . . 


39 22 

21 











Schmalkalden . 


53 5£ 

34 


•. .. 1 .. 1 3 


I 




1 .! 


1 


1) Darunter 19 Influenzafälle. 


Digitized by 


Google 






































Sterbliohkeita-Statiatik von 53 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassa 

nro Monat Februar 1905. 


4 


1) Bonn: darunter <>,6 p /oo Geburten und 6,9°/oo 9terbefälle Auswärtiger in Anstalten. 


Digitized by 


Google 



Nachweisung 1 über Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 47 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat März 1905. 


I Be am nd I -1 Krankheitaformen der Aufgenommenen 


Städte 


Krankenhäuser 


ei OS 

= £ c 

5 : 5 3 


Münster . . . Clemenshosp. u. Johannisstift 331 294 305 

Bielefeld . . . städt. Krankenhaus .... 132 99 94 

Minden . . . städtisches Krankenhaus . 59 55 53 

Herford . . . Friedrich-Wilhelm-Hospital . 60 55 45 

Dortmund . . . Luisenhospital. 410 369 231 

Hagen i. W. . . städtisches Hospital. . . . 133 118 118 

Witten. . . . Diakonissenhaus u.Marienhosp. 456 424 379 

Hamm .... städtisches Krankenhaus . . 89 77 85 

Iserlohn . . . Bethanien-Krankenhaus . . 96 94 78 

Siegen .... städt. Hospital. 91 85 97 

Gelsenkirch eil . Marienhosp. u. ev. Krankenh. 480 430 497 

Altena. . . . Johanniter-u. kath. Krankenh. 53 58 42 

Schwelm . . . städtisches Krankenhaus . . 58 51 35 

Düsseldorf . . evangelisches Krankenhaus . 228 220 180 

» • • Marienhospital..325 285 241 

Essen a. d. Ruhr Huyssenstift und Kruppsches 

Krankenhaus. 530 516 798 

Elberfeld ... St. Josephhospital .... 178 184 197 
„ » ... städtisches Krankenhaus . . 393 334 307 


.. 2 2 


Elberfeld . 


Barmen 

Crefeld 

Remscheid 

M.-Gladbach 

Solingen . 
Viersen 
Rheydt 
Meiderich . 


Neuss . . . . 

Mülheim-Styrum 
Ruhrort . . . 

Odenkirchen . . 1 


| Bethesda- und Mariahilf-Kr 

kenhaus . 

städtisches Krankenhaus . 


Elisabeth- und Kais. Wilh.- 

Krankenhaus . 

städtisches Krankenhaus . . 


Hanielstiftung. 62 46 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 12 10 

Mariahilf-Krankenhaus ... 434 398 


530 516 798 
178 184 197 
3931334 307 
299 255 272 
254 289 249 
111 91 85 

273, 252 206 
124 133 118 
75 82 40 
75 60 50 

145 169 161 
70 73 40 
83 76 76 
62 46 44 
12 10 6 


Aachen-Burtscheid St. Marienhospital 
Düren .... städtisches Hospital . . 

Eschweiler . . St. Antoniushospital . . 

Eupen .... St. Nikolaus-Krankenhaus 

Stolberg . . . Bethlehemhospital . . 

Cöln . . . 

!Cöln-Deutz . 

^Cöln-Ehrenfeld 


Mülheim a. Rh.. I städt. u. Dreikönigeuhospital 


Trier . . 
Saarbrücken 

Koblenz . 
Kreuznach 
Neuwied . 

Wiesbaden 

Kassel . . 
Fulda . . 
Esehwege. 
Rinteln . . 
Schmalkalden 


Bürger- u. Augustahospital 
städtisches Hospital. . . 

St. Franziskushospital . . 


St. Josephhospital 

städt. Hospital . 
Bürgerhospital , 

Bürgerhospital 


städtisches Krankenhaus 
Landkrankenhaus . . 


. 434 398 425 .. .. 

. 142 173 127 . . 

. 109 115 100 .. .. 

. 82 84 49 .. .. 

. 54 32 17 .. .. 

. 861 68 19 .. .. 

, 862(836 914 .. : .. 
113 99 101 .. 

161 177 103 .. .. 

232 216 206 .. I 
166:146 109 .. .. 

141 1 156 62 .. .. 

99 107 123 .. .. 

182 182 210 .. 

65 57 61 .. .. 

131 136 141 .. .. ! 

319 316 390 .. . 

324 327 336 .. 

227 190 181 . 

51 53 44 .. 

22 20 23 
53 54 33 .. 

Digitized by 


.. l .. 7 

!. 8 .. .. 

.. 7 6 .. .. 

2 8 8 3 1 

. 1 . 

.. 1 2 . 


11 . 1 .. .. 2 12 


1 7 21 .. 3 

3 6 26 i 4 

2 1 6 .. 6 

.. .. 1 2 ' 

211 i 3 l. ;; 


1 2 2 


4 4 7,18 3.......... , 


5 17 40 3 

.. 1,21.. 


1 1«; 2 1 ..j.. ..!.. ij 3 


1 .. .. .. .. .. 1 34 




5 




































































Sterbliohkeits-Statistik von 53 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau 

pro Monat März 1905. 



Todesursachen 

Infektions-Krankheiten 


Gewaltsamer 
Tod durch 


£ -e G, 
- - 
Ü'.S i ’S 

3Ü US C <5 


Münster . . • 

Bielefeld . . . 

Paderborn 
Minden • . • 

Dortmund . . 

Gelsenkirchen . 
Bochum . . . 

Hagen .... 
Witten .... 
liamm .... 
Iserlohn . . . 

Siegen .... 
Schwelm . 
Lippstadt . . • 

Altena .... 

Düsseldorf 
Essen a. d. Ruhr 
Elberfeld . . . 

Barmen . . • 

Cret’old . . 

Duisburg . 
Mülheim a. d. R. 
Remscheid 
M.-Gladbach . . 

Oberhausen . . 

Solingen . . . 

Meiderich . . . 

Rheydt.... 
Ruhrort . . • 

Neuss .... 
Viersen . . . 

Wesel .... 
Wermelskirchen 
Ronsdorf . . . 

Lennep . . . 

Aachen . . . 

Düren .... 
Eschweilor . . 

Eupen .... 
Stolberg . . . 

Cöln .... 
Bonn 1 .... 
Mülheim a. Rh. . 
Kalk .... 

Trier .... 
Malstatt-Burbach 
Saarbrücken . . 

St. Johann 

Koblenz . . . 

Kreuznach . . 

Neuwied . . . 

Wiesbaden . . 

Kassel .... 


78000 222 33,5 

169 

77337 208 31,7 

85 

20089 94 42,4 

37 

25766 53 24,2 

27 

171608 595 40.8 

247 

160813 687 50,3 

180 

122674 438 42,0 

213 

77973 232 35,0 

95 

36921 109 34,8 

71 

36779 112 35,9 

42 

29089 83 33,6 

34 

24766 72 34,2 

31 

18449 61 38.9 

34 

13876 53 45,0 

28 

13187 34 30,4 

15 

242833 760 36,8 

349 

223621 738 38,9 

248 

173127 449 30,5 

241 

153700 452 34.6 

181 

111590 269 28,4 

161 

115117 389 39,8 

153 

92406 359 45.7 

129 

68021 215 37,2 

65 

62020 219 41,6 

103 

53143 217 48,1 

86 

49307 126 30,1 

63 

41413 162 46,1 

62 

38507 124 37,9 

45 

37810 148 46,1 

43 

30941 115 43,7 

53 

26169 82 36,9 

62 

22749 55 28,5 

33 

16917 50 34,8 

12 

13750 29 24,8 

12 

9704 28 34,0 

10 

147378 394 31,5 

249 

29568 76 30,3 

61 

23670 76 37,8 

52 

14297 29 23,9 

21 

14249 47 38,8 

24 

422411 m 37,3 

658 

80978 262 38,1 

184 

53367 141 31.1 

63 

24211 85 41,3 

39 

46696 128 32,3 

71 

36584 185 59,5 

56 

27648 76 32,4 

41 

24484 71 34,1 

32 

53484 115 25,3 

70 

22736 56 29,0 

43 

16679 48 33,9 

37 

96304 224 27,4 

154 

120554 263 25,7 

166 


1 2 3 II 

2 .. . . I 1 

. o 


.4111 
. 1 4 |. . 1 

1 I 1 1 . . . . 

, ! 1 . . .. 


.. •• 8 

12 .. 

.. 1 .. ' 


2TV1 II 
.. |.. 


3 5 5.. 
5 7.. 1 

2 5 3 3 
2 2 1 


3 3 1 

1 2 1 


14 7 . . .5 25 
.. 4 .. . 1 .. 


6 l) Bonn: darunter 5,5%o Geburten und 6,8°/oo Sterbefälle Auswärtiger in Anstalten. 


Digitized by 


Google 















































































Naohweüuwg aber Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 47 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat April 1905. 


Städte 

Krankenhäuser 

Bestand 

am 

Schlüsse 

T. 

s ~ 

■H i 

o = *5 

►ol X 

V * 

-3 3 

s 

- 

3 2 
v s 
= z 

X r 

< 

K ra 

s 

JtA 

O 

nk 

p 

> 

hei 

1 3i 

1 ? 

~ 

r. 

1 sS 

tsformen der Aufg 

ja !§ | ftj | 

j* 5 1 ?. % J= 

1 ’£ *§ % 1 « 

« 15 a u ® 

X lö 1© _, 1 

5 1 i 

Brechdurchfall § 

Kindbettfieber I S 

neuen 

Im 1 

Ci 1 

’S , 

Ä 3J 

« * 
» £ 

Ci 

Ci 

£ 

Zahl der Bestorbenen 

Münster . . . 

Clemenshosp. u. Johannisstift 

294 

268 

250 



1 

i 

6 






1 


3 

32 



99 

100 

112 



9 

1 

1 


1 







11 

Minden . . . 

städtisches Krankenhaus . . 

55 

52 

36 




1 

1 




l 





2 



55 

1 63 

40 





1 








•> 

3 

Dortmund. . . 

# 

369 

339 

396 




9 

9 








5 

16 



















Hagen i. W. . . 

städtisches Hospital .... 

118 101 

88 




2 










15 



4*>4 370 

281 




6 

4 








9 

17 



77 

70 

79 


■ • 



o 









5 



94 

90 

67 














5 

Siegen .... 

städt. Hospital. 

85 

65 

70 




3 

3 








1 

8 

Gelsenkirchen . 

Marienhosp. u. ev. Krankenh. 

430 

430 

432 


1 


12 

3 


6 


i 

6 

9 


4 

27 



58 

49 

9,S 






. . 








Schwelm 


51 

49 

32 



1 

1 









4 



220 

198 

166 



6 

6 

9 







1 

16 



285 

240 

176 




7 

4 

•) 

3 

1 






23 

r* 



















Essen a. d. Kuhr 

Huvssenstift und Krupp’sches 



















Krankenhaus . 

516 

479 

689 


1 


2 

22 

1 

3 




1 


5 

32 

Elberfeld . . . 

St. Josephshospital .... 

184 

152 

138 







2 




• • 


1 

8 


städtisches Krankenhaus 

334 

315 

307 




5 

10 

3 




1 


I 

9 

18 



255 

253 

202 





6 


9 






4 

18 

Crefeld 

V v • 

289 

209 

146 





3 


2 






1 

16 



91 

82 

98 





1 









5 

M.-Gladbach . 

Bethesda u.Mariahilf-Kranken- 











• • 








haus. 

252 

216 

166 



1 

5 

3 








1 

11 

Solingen . . . 

städtisches Krankenhaus . . 

133 

111 

85 






2 

1 




1 



12 

Viersen 

82 

78 

42 





2 









4 

Rheydt. . . . 

V V • • 

60 

52 

31 








1 





1 

4 

Meiderich. . . 

Elisabeth- und Kais. Willi.- 





* 














Krankenhaus . 

169 

136 

111 



1 

. 

8 








1 

4 

Neuss .... 

städtisches Krankenhaus . 

73 

62 

itf 

:: 













3 

i Mülheim-Styrum 


76 

61 

50 


. . 


1 

1 









8 

Ruhrort . . 

* V • • 

Hanielstiftnng. 

46 

42 

38 




1 


1 








2 












.... 



Odenkirchen . 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 

10 

12 

9 




.. 











Aachen 

Mariahilf-Krankenhaus . . 

398 320 

342 



4 

5 

10 

17 

5 







31 

; Aachen-Burtscheid 

St. Marienhospital .... 

173 

156 

97 







1 1 


• • 





6 

Dtlren .... 

städtisches Hospital .... 

115 

100 

LD 




2 

9 

1 







5 

8 

Escliweiler 

St. Antoniushospital .... 

84 

71 

30 





1 


j’i 







2 

Eupen .... 

St. Nikolaus-Krankenhaus . . 

32 


16 














3 

Stolberg . . . 

Bethlehemhospital .... 

68 

67 

77 




’• 

9 

• ' 

r 







3 

Cöln .... 

Bürger- u. Augustahospital . 

836 

944 

812 



8 

18 

32 

6 

2 






6 


Cöln-Deutz 

städtisches Hospital .... 

99 

108 

84 











2 



9 

Cöln-Ehrenfeld . 

St. Franziskushospital . . 

177 

157 

86 














8 

Mülheim a. Rh. . 

städt. u. Dreikonigenhospital . 

216 

220 

174 

• • 


6 

*3 

3 







• * 

9 

11 

Kalk . . . . 

St. Josephshospital . . . 

146 

125 

100 

.. 


■ 



2 

1 







6 

Trier .... 

städt. Hospital. 

156 

141 

50 




■ 







1 



8 

Saarbrücken . 

Bürgerhospital. 

107 

122 

12° 





1 


1 







8 

Koblenz . . . 

B . 

182 

154 

180 



1 

1 

1 

• • 





i 



14 

Kreuznach 


57 

54 

40 














4 

Neuwied . 


136 

121 

121 




3 12 








1 

5 

Wiesbaden . 

städtisches Krankenhaus . . 

316 

300 

318 



5 

13 

0 


9 

■ ■ 





9 

31 

Kassel .... 

Landkraukenhatis .... 

327 

302 

304 



3 

1 

11 


9 


2 



2 

23 

Fulda .... 


190 

149 

E£3] 





5 







1 

7 

Eschwege . 

r .... 

B .... 

53 

39 

ü 





6 



:::: 


1 



3 

Hinteln 


20 

13 

■t? 




1 










Schmalkalden . 

r . • • . 

r • • * • 

54 

52 

34| 





1 .. 

21..^ 

.. 

. 

• T 


2 


Digitized by Google 























































































Sterblichkeits-Statistik von 53 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nass 

pro Monat April 1905. 



Münster . . 

Bielefeld . . 

Paderborn. . 

Minden . . 

Dortmund . . 

Gelsenkirchen 
Bochum . . 

Hagen . . . 

Witten . . . 

Hamm . . . 

Iserlohn . . 

Siegen . . . 

Schwelm . . 

Lippstadt . . 

Altena . . . 

Düsseldorf. . 
Essen a. d. Ru 
Elberfeld . . 

Barmen. . . 

Crefeld . . 

Duisburg . . 

Mülheim a. d. 
Remscheid. . 

M.-Gladbach . 
Oberhausen . 
Solingen . . 

Meiderich . . 

Rheydt . . . 

Ruhrort. . . 

Neu9s . . . 

Viersen. . . 

Wesel . . . 

Wermelskirche; 
Ronsdorf . . 

Lennep. . . 

Aachen. . . 

Düren . . . 

Esch weil er. 
Eupen . . . 

Stolberg . . 

Cöln .... 
Bonn 2 . . 

Mülheim a. Rh 
Kalk. . . . 

Trier . . . 

Malstatt-Burba 
Saarbrücken . 
St. Johann. . 

Koblenz . . 

Kreuznach. . 

Neuwied • . 

Wiesbaden 
Kassel . . . 


JS ’S 

st - 

S! ® £ 



171608 
160843 
122674 
77973 
37871 
37205 
29598 
24766 
18449 
13876 
13187 

248292 
223621 
173127 
153700 
111590 
115117 
93074 
68021 
62020 
53143 
49307 
41413 
38603 
39191 
31630 
26562 
22806 
17321 
13750 

9704 20 25,1 

147438 330 27.2 254 
29583 90 37,0 48 

24163 87 43,8 47 

14297 24 20,4 27 

14249 48 41,0 18 

423190 1221 35,1 555 

80978 268 40,2 123 

53367 142 32,4 65 

25217 76 36,7 30 

46696 98 25,5 64 

38088 141 45,0 47 

28879 75 31,6 48 

25382 58 27,8 34 

53484 111 25,2 70 

23131 70 36,8 35 

16679 50 36,5 28 

97093 194 24,3 141 

120554 264 26,6 157 


30,9 127 

27.8 78 

45.8 36 

23.7 28 

38.7 236 

49.2 188 

42.9 164 

37.4 90 

34,0 52 

59.5 45 

32.9 39 

31.9 30 

32.3 30 

43.8 25 

39.7 20 

46.3 313 

38.9 229 

31.8 207 

30.9 177 

26.9 134 

42.4 149 

39.5 130 

30,2 76 

31.4 93 

43.7 72 

28.1 70 

38.2 57 

37.8 49 

49.3 32 

34.6 39 

31.6 38 

33.6 27 

22.5 21 

22,1 12 


19 17,7 

35 1:>,8 


Todesursachen 

Infektions- 

Krankheitei 


Pocken 

Masern und 
Röteln 

Scharlach 

Diphtheritis 
und Croup 

Stickhusten 

Unterleibstyphus, 
gastr. Fieber 

f- 

« 

Kindbettfieber 

Andere Infck- 
tionskrankh. 

Darmkatarrh 

Brechdurchfall 



i 

iL 




4 


3 

o 

1 .. 

.. 



« 





'l 


.... 

o 



3 

1 3 



. . 4 

5 



12 

6 2 

1 


.. 8 

14 

• • 

2 

3 

3!.. 

1 


1 . . 

14 

.. 



1 1 




2 



1 

1 .. 



1 . 

1 





3 



2 




3 . . 






•• 

1 

1 .. 








• • 

i 


’i !! 






l 





1 

1 

1 1 

3 


i i 

18 


2 

4 

8 .. 

i 


1 H 

11 


1 

3 

3 1 



.. 4 

11 


6 

2 

2 1 


1 

.. 10 

4 




1 .. 




7 



1 

2 i 1 

i 1 



9 


2 

1 

2 1 

i 

" 

.. i 

12 


2 


i L 



.. .. 

2 




1 J 




9 


*2 

*3 

.. 4 



.. .. 

4 


1 2 14 1 

. . 212.. 


2 8 1 . .. 2J12 

.. 2 .... L ..I .. 

1 1 .. ..!.. .. .. 
.. .. 8 ., ..J.. 

1.. 1.. .. .... 1 


. ..U 1 .. 


2 .. .. 1 . .. 1 

.. 4 ....... J .. 


Gewaltsamer 
Tod durch 


l) 1 Hinrichtung. 2) Bon»: darunter G,r,%c Geburten, 4,8°/^ Sterbefälle 




























































































N&ohweisong Ober Krankenaufnahme und 

der Provinzen Westfalen, Rheinland 


Bestand in den Krankenhäusern aus 47 Städten 

und Hessen-Nassau pro Monat Mai 1905. 


iKrankheitsformen der Aufgenommenen 

Pocken 

Varizellen 

Masern u. Köteln 

3 

! ° 

Tl 

5 | ’C 

© 3 : 
/. - 

Sl 

Q 

Keuchhusten 

Unterleibstyphus 

Epid. Genickstarre 

Ruhr 

Brechdurchfall 

Kindbettfieber 

Wechsel fle her 

Rose 



1 

3 1 








E 




2 1 


1 






1 




4 . 


2 










. . 1 







1 




. . 2 






1 


3 




.. 2 






1 


1 




7 1 6 

9 

1 

1 





3 

9 



.. 3 











. 1 3 





:: 







1 2 








1 




19 6 

2 

1 



5 

9 


7 






1 






1 




. . 6 











1 

1310 

2 




1 



5 



1 

2 10 

1 

4 






4 






1 


. . 







5 

4 9 

2 

1 



2 


■■ 4i 




10 2 


3 


• • 

• • 

.. 


4 




1 


6 






3 



1 

1 . . 








i 



9 

4 3 












1 3 

9 







1 




. . 1 












. . 1 












1 2 


* ■ 





1 



* * 


2 



2 


. . 







1 3 

. . 

.. 









• 

2 


2 




• • 


1 



5 

6 5 

11 

2 






5 1 




1 3 


■; 






r 





. . 

i 











. . 












1 


* * I 








19 

22 38 

10 

3 






9 




2 


1 




* ’ 







1 

" 








3 

6 4 


1 .. 


’i 



1 




2 






















1 • • 


1 







' 


1 

2 7 





• • 

1 

! . 

1 



* 

5 17 

1 







3 



1 

17 4 


2 

.. 





4 


. . 1 

.. 4 


2 



l] 


i 

1 




1 2 


2 










.. 1 








m 




1 1 




[' * 




fl 


r 

> 

L' 


9 






m 


üii 

Städte 


Krankenhäuser 


Bestand 

am 

Schlüsse) 

* 

© «3 

« [ — 


«OÄ % 

•s 3 


, V 4> 

b= s 
2 s 
s © 

£S 

iS*! 


^ Münster . 

• Bielefeld . 

' Minden 
1 Herford 

?'• Dortmund. 

^ Hagen i. W. 
Witten. . 

Hamm . . 

1 Iserlohn . 
Siegen . . 

Gelsenkirchen 
Altena . 
Sclnvelm . 

Düsseldorf 


I» ; ^ * * 

0 * Essen a. d. Ruhr 

4 . 

1 Elberfeld . 

' » 

1 ■ Barmen 
Crefeld 
• Remscheid 
^ M.-Gladbach 

Solingen . 

- Viersen 
Rheydt. 
Meiderich . 

Neuss . 
Mülheim-Styrum 
Ruhrort 
Odenkirchen 


Aachen 
Aachen-Burtsch 
Düren . 
Eschweiler 
Eupen . 
Stolberg 

Cöln . . 

Cöln-Deutz 
Oöln-Ehrenfeld 
Mülheim a. Rh. 
Kalk . . 

Trier . . 

Saarbrücken 

Koblenz 
Kreuznach 
Neuwied . 

Wiesbaden 

Kassel . . 

Fulda . . 

Eschweg'e . 
Rinteln 
Schmalkalden 


eid 


Clemcnshosp. u. Johannisstift 
städt. Krankenhaus . 
städtisches Krankenhaus . 
Friedrich Wilhelm-Hospital 

Luisenhospital. 

städtisches Hospital . 
Diakonissenhaus u.Marienhosp 
städtisches Krankenhaus . 
Bethanien-Krankenhaus 

städt. Hospital. 

Marienhosp. u. ev. Krankenh. 
Johanniter- u. kath. Krankenh. 
städtisches Krankenhaus 

evangelisches Krankenhaus 
Marienhospital .... 
Huysseustift und Krupp’sches 
Krankenhaus . . . 

St. Josephshospital . 
städtisches Krankenhaus 


Bethesda u.Mariahilf-Krank 

haus. 

städtisches Krankenhaus 


ilh. 


Elisabeth- und Kais. W 
Krankenhaus 
städtisches Krankenhaus 


Hanielstiftung 
Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 

Mariahilf-Krankenhaus 
St. Marienhospital 
städtisches Hospital 
St. Antoniushospital 
St. Nikolaushospital 
Bethlehemhospital 

Bürger- u. Augustahospital 
städtisches Hospital. 

St. Franziskushospital 
städt. u. Dreikünigenhospital 
St. Josephshospital 

städt. Hospital 
Bürgerhospital. 


städtisches Krankenhaus 
Land k rankenhaus 


*268 

100 

52 

63 

339 

101 

|370 

70 

90 

65 

430 

49 

49 


258 

87 

50 

64 

496 

110 

386 

67 

80 

86 

450 

49 

45 


198 205 
240 263 

479 493 
152 156 
315 332 
253 285 
209 237 
821 72 

216 199 
111 126 
8 72 




63 


136 127 
62 65 
61 66 
42 51 
12 13 

320 368 

156 166 
1001108 

71 75 

37 35 
78 76 

944 852 
108 118 

157 139 

220i211 

1*25 148 

141 139 
122 124 

154 155 
54 49 
121 103 


|300 294 

3021307 
149 179 
39 48 
13 15 
52, 58, 


116 

336] 

89] 

71 

13t 

568| 

30| 

34 


154 

228| 

797 

1581 

)65, 

>99 

250 

95 

237 

142 

31 

49) 


127 

48 

63 

50 

12 

|434 

151 

110 | 

31 

20 | 

271 

|940| 

91 

891 

210 

153 


50| 

124 

194 

51 

1251 


1) darunter 1 Influenza. 


271 

1241 

188| 

41 

B 

Digitizf 


ecl *by* 




2 

4 

26 

12 

25 

2 

3 

4 

29 

2 

3 

8 

17 

132 

11 

1*27 

18 
17 

6 

12 

11 

2 

4 

4 

3 

2 


21 

5 

5 
4 
2 
4 

2 

6 

8 

13 

7 

8 
9 

7 
o 

4 

60 

27 

11 

8 


cn oc 































































































Sterbliohkelta-Statbitik von 53 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau 

pro Monat Mai 1905. 


Monat 

M a i 

1905 

Einwohner-Zahl 

T3 

C 

© „ 
S! 

w © 

3 

® Sc 
c c 

^5 ci 

*?S3 
Sc! 
£ s e 

f. g = 

« o 
>& 

Zahl der SterbeftUle 
ausschl. Totgeborenen 

© 

5 

.2 ei 

u — 1 
© 

3 

1» 

eö 

Verhältn.-Zahl der Ge¬ 
storbenen auf 1000 Ein¬ 
wohner u.auf lJahr 

Todesursachen 

Infektions-Krankheiten 

Gewaltsamer 
Tod durch 

Pocken 

Masern und 
Röteln 

Scharlach 

Diphtheritis 
und Croup 

Stickhusten 

3 u 

-o 8 
-- 

J 5 : 

& ^ 

u 

D 

Ruhr 

Kindbettfieber 

Andere Infek- 
tionskrankh. 

Darmkatarrii 

Brechdurchfall 

Verunglückung 
oder nicht nSher 
konstatierte Ein¬ 
wirkung 

Selbstmord 

Totschlag 

Münster 



78000 

2o8 

31,4 

107 

15 

16,1 

J 1 

1 

1 i. . 

2 




6 


3 


Bielefeld 



77337 

190 

28,9 

84 

19 

12,8 

. . 3 


1 





1 


1 


Paderborn . 



26801 

85 

37^3 

32 

9 

14'l 









1 



Minden 



26171 

58 

26,1 

29 

1 

13,0 









4 

2 


Dortmund . 



171608 

598 

41,0 

200 

58 

13.7 


i 


1 


2 

2 

9 

7 

3 


Gelsenkirchen 


160843 

634 

46,4 

179 

72 

13,1 


10 

4 2 

i 



1 

15 

7 

3 


Bochum 



122674 


44,1 

169 

51 

16,2 


2 

3 1 





8 

4 



Hagen . . 



77973 

232 

35,0 

99 

24 

14,9 

.. 1 


21.. 

i 




6 

2 

4 


Witten . . 



37871 

90 

ESKI 

68 

18 

21,1 


o 

2 1.. 





1 

2 



Hamm . . 



37370 

99 

31,2 

48 

11 

15,1 



.. 1 





3 

1 



Iserlohn 



29598 

66 

26,8 

34 

9 

13,5 



1 • ■ 





2 

1 



Siegen . . 



24766 

74 

35,2 

32 

8 

15,2 

.. 1 

1 

.. .. 






1 



Schwelm . 



18884 

57 

35,5 

24 

5 

15,0 



i.. 






1 

1 


Lippstadt . 



14128 

50 

41,7 

15 

3 

12,5 


1 








.. 


Altena . . 



13187 

25 

22,3 

18 

4 

16,1 

.. .. 








i 



Düsseldorf. 



242833 

704 

34,1 

305 

83 

14,7 

.. 5 


1 7 



2 

2 

27 

li 

6 


Essen a. d. 

Ruhr 

223621 

667 

35,1 

263 

72 

13,8 

•• 1 

4 

11 2 

l 

.. 


11 

11 

10 

1 


Elberfeld . 

. 


173124 

456 

31,0 

219 

61 

14,9 

.. 2 


2 I 2 




5 

20 

6 

6 

.. 

Barmen. 

, 



418 

31,9 

173 

38 

13,2 

. . 1 

1 

i i 




9 

7 

7 

5 


Crefeld 



111590 

210 

22.2 

113 

22 

11,9 


. . 

.. 3 



1 


6 

6 

1 





115117 

BTSTI 

rtVSl 

117 

33 

12 0 


3 

. . 1 2 

2 

• • 


] 

5 

6 

2 


Mülheim a. 

d. R. 

93677 

281 

35,3 

101 

33 

12,7 

. . 3 


1 1 



1 


9 

4 

1 


Remscheid. 

. 


68201 

164 

28,3 

91 

18 

15,7 



21 1 



1 


2 

4 

1 


M.-Gladbach . 


62020 

191 

36,3 

93 

31 

17,7 



1 .. 





7 

2 



Oberhausen 



53143 

221 

49,0 

93 

38 

20,6 

. . 1 

4 




i 


3 

8 

i 


Solingen . 



49307 

139 

33,2 

72 

23 

17,2 

.. 1 

.. 

•• 5 





2 




Meiderich . 



41413 

163 

46,3 

58 

16 

16,5 



2 




1 

2 

3 

i 


Rheydt . . 



38647 

108 

32,9 

48 

14 

14,6 








2 

3 



Ruhrort. . 



37810 

148 

46,1 

83 

35 

25,8 

.. 3 


i 4 





3 

2 

i 


Neuss . . 



31630 

95 

35,4 

31 

10 

11,5 



1 .. 




1 

2 




Viersen. . 



26562 

69 

30,6 

27 

7 

12,0 



.. 3 









Wesel . . 



22806 

44 

22,7 

32 

6 

16,5 








1 

1 



Wermelskirchen 


17321 

37 

25,1 

20 


13,6 



i .. 









Ronsdorf . 



13750 

26 

22,3 

14 

3 

12,0 

’ * 




■* 



2 

i 



Lennep. . 

. 


9704 

14 

15,0 

12 

1 

14,6 

. . 

' 

* * | 






.. 



Aachen . . 

# 


147661 

346 

27,6 

218 

67 

17,4 


1 

2 23 





4 

2 

2 


Düren . . 



29583 

79 

31,4 

41 

8 

16,3 

. . . . 

* • 

. . .. 





4 




Esch weder. 



24163 

65 

32,5 

41 

14 

20,5 


• • 

. . 6 



i 






Eupen . . 



14297 

30 

24,7 

29 

6 

23,9 

. . 

• • 

.. 1 









Stolberg . 

. 


14249 

42 

34,7 

29 

16 

24,0 

II 

1 

.. 1 









Cöln . . . 




1310 

36,3 

548 

163 

15,2 

.. 3 

2 

41 9 

3 


l 

11 

55 

15 

10 

1 

Bonn 1 . . 




269 

39,1 

170 

50 

24,7 

.. .. 

2 

2 1 

* 




9 

5 

1 


Mülheim a. 

Rh. 


53367 

152 

23,5 

61 

14 

13,5 

.. 5 

1 

1 .. 

j . • 




3 

4 



Kalk. . . 



25217 

90 

42,0 

31 

9 

14,5 



.... 





2 

2 



Trier . . 

. 


47103 

96 

24,0 

71 

10 

17,7 




1 




1 

1 


1 

Malstatt-Burbach 

38088 

151 

46,7 

61 

Eil 

18,9 

* * | 

i 

*2 L J 

1 


’i 

1 

6 

2 

i 


Saarbrücken . 


28879 

70 

28,6 

39 

8 

15,9 


1 

.. 1 





1 


2 


St. Johann. 


. 

25382 


32,5 

33 

4 

15,3 

• • 

1 

1 .. 






2 

j 2 


Koblenz 



53484 

124 

27,3 

61 

19 

13,4 



1 • * 

1 


i 


5 

2 

1 


Kreuznach. 


. 

23300 

63 

31,8 

40 

8 

20,2 


* 

.. L.l 





2 


3 

1 * * 

Neuwied . 



16679 

54 

38,1 

28 

10 

19,8 

1 


.... 



• • 


1 

i 



Wiesbaden 


. 

97093 

205 

24,8 

152 

23 

18,4 

.. 1 


2 .. 



* * 


j 1 

3 

4 


Kassel . . 



120554 

300 

29,3 

165 

36 

16,1 

•• •• 

" 

2 1 

1 * 



i 


4 

3 

1 3 



l) Bonn: darunter G,&5° /fl0 Geburten, G,39°/oo Sterbef&lle Auswärtiger in Anstalten. 


io 























































































N&ohweisung aber Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 47 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat Juni 1905. 



Münster . . . 

Bielefeld . . . 

Minden . . . 

Herford . . . 

Dortmnnd. . . 

Hagen i. W. . . 

Witten.... 
Hamm .... 
Iserlohn . . . 

Siegen .... 
Gelsenkirchen . 
Altena .... 
Schwelm . 

Düsseldorf . . 

. • • M 

Essen a. d. Ruhr H 

Elberfeld ... St 


Barmen 

Crefeld 

Remscheid 

M.-Gladbach 


Solingen , 
Viersen 
Rheydt 
Meiderich 


Neuss , 

Mülheim-Styrum 
Ruhrort . . . 

Odenkirchen. . 

Aachen . . . 

Aachen-Burtscheid 
Düren . . . . 

Esch weiler . . 


Stolberg 


Cö ln-Deutz . 
Cöln-Ehrenfeld 
Mülheim a. Rh 
Kalk . . 

Trier . . 

Saarbrücken 

Koblenz 
Kreuznach 
Neuwied . 

Wiesbaden 

Kassel . . 

Fulda . . 

Eschwege. 
Rinteln 



Hanielstiftung. 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 

Mariahilf-Krankenhaus . . . 

St. Marienhospital . . . . 

städtisches Hospital. . . . 

St. Antoniushospital. • . . 

St. Nikolaus-Krankenhaus. . 
Bethlehemhospital . . . . 

Bürger- u. Augustahospital . 
städtisches Hospital. . . . 

St. Franziskushospital . . . 

städt. u.Dreikünigenhospital . 
St. Josephhospital . . . . 

städt. Hospital. 

Bürgerhospital . . • . . 

Bürgerhospital. 


städtisches Krankenhaus 
Lnndkrankenhau8 . . 


258 259 
87 97 
50 52 
641 68 
496 445 
110jl09 
386,376 
671 55 
80; 73 
86] 83 
450 482 
49! 45 
45! 39 

205I190 
263,266 


)8 

9! 

5 

8: 

5 

21 

r 6 

7! 

>2 

841 


Krankheitsformen der Aufgenommenen 


493 519 708 
156! 132 115 
332'309 285 
285|297 270 
237,246 184 
72 60 59 

1991214 186 
126 121 95 

72 66 33 
63; 50 57 

127, 146 121 
43 
47 
41 
13 


1 ! ® i o | c 

mmn 


,<* I ® I <y ! 
S *2 *9 I 


» 3 2 Ja 2 S 2 
•9 & a a s rS ® 


\ ei j- u ,fl p -T ü 

j > s 00 s ä 5 kj 
& » ! = rs 


g 3 « 

'S o 
a 


.. .. ] 6 3 .. ; 1 

5 ::l!| 

-j- *i- -i’l 

1 .. 1,3 
.. .. .. .. ..II 
.. .. 4 10 2 1 ! 


15! 6 i.. 1 .. .. 
!!: :!':: 


..3 7 
3 6 | 7 


1 .. .. 1 1 I 
1 . .. ! . 


.. 1 1 7 .. 13 .. .. 1 .. .. 

.|. 1 .. 

1 2 4 5 .. .. |„ .. 1 .. .. 

.. .. 8 4 1 3 .. j 8 . 

.. •• I •• 3 .. 3 .. . 


11 ..11 


.. 2 6 5 
1 .. .. 1 


.. | .. .. | 1 | 
iii " äj 


.. |8 2 4 11 2 |.. 1 .. .. 1 

•• 1 •• 1 .. 

. 1 -.1 . 1 

. 1 ... 


1 - 8 , 


2 18 l 37 1 23 7 3 .. .. 1 3 1 .. 5 

!: :: :|J:: ;li::!:::: :: 

!.. .. 1 ! 6 .. I.. |. 1 

.. 9 .. ;4 .. .. . i 


.. .. 1 

2 .. 4 


! i i 


I.. i 5 I 8 1 i .. | 3 , 


13 7 .. 2 1 

!i i . 

I .. i 2 . 


1 .. 1 

.. .. 3 


Digitized’by Vj’Ö 


Lj-oögle • 


Zahl der Gestorbenen 












































































































Sterblichkeits-Statistik von 53 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau 

pro Monat Juni 1905._J 


Monat 

Juni 

1905 

Einwohner-Zahl 

Zahl der Lebend¬ 
geborenen 

Verhältn.-Zalil der Ge-I 
borenen auf 1000 Einw.l 
und auf 1 Jahr 

Zahl der Sterbettllle 
ausschl. Totgeborenen 

Im 

O 

Im 

V 

T3 «- 

ae 

ü 

3 

d 

Verhilltn.-Zahl der Ge¬ 
storbenen auf 1000 Ein-; 
wohner u. auf 1 Jahr 

Todesursachen 

Gewaltsame! 
Tod durch 

Infek tions- 

Krankheiten 

Pocken 

Masern und 
Röteln 

Scharlach 

Diphtheritis 
und Croup 

Stickhusten 

—* S: 
ü ® 

I ^ 
5 ü 
£ ■ 
a S> 

D 

u 

Ä 

3 

CS 

Kiudbettfieber 

Andere Infek- 
tionskrankh. 

Darmkatarrh 

Brechdurchfall 

Verunglllckung 
oder nicht näher 
konstatierte Kin- 
wirkuug 

Selbstmord 

dC 

* 

• iS 

0 

j » 

: 0 


78000 

196 

30 6 

99 

94 

15 4 









2 

9 

9 


. | 


77337 

159 

25 0 

56 

11 

8 8 


4 




1 




4 

1 



DIOIüUMU • • • 

26801 

94 

42,7 

30 

3 

13,6 










1 

2 



Minden . . . 

26171 

53 

24,6 

12 

3 

5,6 



L 


1 





1 

. • 



Dortmund . . 

171608 

613 

43,5 

242 

95 

17,2 



1 


1 



2 

2 

34 

7 

5 

2 

Golsenkirchen . 

160843 

582 

44,0 

183 

77 

13,8 



3 

2 

1 




3 

28 

9 

1 

.. 1 

Bochum . . . 

122674 

395 

39,2 

156 

46 

15,5 


1 

3 


1 

.. 


i 


17 

6 


.. j 

Hagon .... 

77973 

236 

36,8 

84 

29 

13,1 




i 




1 


9 

4 

1 



37871 

93 

29 9 

51 

L 6 

16 4 




1 






1 

1 

3 



37309 

97 

31 6 

38 

11 

12 4 




1 






4 

1 

1 



29598 

67 

97 5 

30 


12 3 









1 

1 

1 





59 

99 0 


q 

23,1 





1 





1 

1 

1 


Schwelm . . . 

18884 

52 

33 5 

18 

3 

11,6 








1 



2 

1 


14128 

54 

46 5 

9 0 

7 

17,2 









2 


I 




13187 

36 

332 

14 

3 

l 9 9 






1 








Düsseldorf 

248292 

682 

33,4 

286 

105 

14,0 


7 

2 

1 

3 

1 




47 

5 

4 

2 

Essen a. d. Ruhr 

223621 

616 

33,5 

259 

100 

14,1 


2 

4 

6 

3 


1 

•• 

6 

36 

7 

2 

1 

VIlmrfnM 

1731^7 

416 

29 2 

1*7 

54 

13 1 


3 


1 

2 




2 

27 

4 

2 



154709 

411 

32 3 

146 

44 

115 


5 

9 

3 





1 

12 

r 



C'.VCktck lil 

111590 

241 

26 3 

100 

94 

11 ,«1 

10 9 





1 





3 

1 

2 


Duisburg . . . 

115117 

388 

41,0 

181 

83 

19,1 



1 


3 



1 

1 

43 

5 

1 

1 

Mülheim a. d. R. 

93725 

294 

38,2 

108 

51 

14,0 



2 


1 



1 


11 

4 

3 

.. 

Remscheid . . 

68021 

191 

34,1 

96 

21 

17,2 


7 

1 



i 


1 

1 

10 

1 

. .1 

.. | 

VI - ft 151 «11 151 oh 

6 9 0°0 

177 

34 7 

71 

25 

13 9 




1 






10 

9 



jyi. UulULIrlGU * • 

53143 

9J6 

49 4 

61 

29 

140 




1 


1 




7 

2 i 



UUÖI IlaUSüll • • 

Sin 1 in iran 

49307 

116 

28 6 

56 

13 

13,8 




1 

1 





4 




OUIlllplU • • • 

\f p|/l nrirh 

41413 

158 


6 o 

31 

18 2 










13 

3 



lUulUul 1L>1I • « • 

38670 

113 

35 5 

45 

16 

14 l 










7 

1 



IVllC > 111» • • • • 

Pu Virnrt 

39191 

149 

462 

70 

23 

21,7 





4 

1 




6 

4 



itUlll Ui 

Neuss .... 

31630 

85 

32,3 

38 

13 

14,6 






1 



1 


•• 


.. 

V i ofun n 

26562 

67 

30 7 

33 

11 

15 1 





1 





3 


1 


T ICIÖv 11 • • • 

Wesel 

22806 

50 

267 

25 

8 

13,3 




1 






1 




\\ r Armplttlc irrh Ali 

17321 

37 

26^0 

21 

6 

14.7 










3 




M C! lllviniVil l/llvll 

Rnimflnrf 

13750 

29 

25 7 

12 

5 

10,6 


;; 








2 




llUll.lUUI 1 • • • 

Lennep . . . 

9704 

31 

38,8 

12 

4 

15,0 














A Q oll Dn 

147645 

385 

31,7 

204 

54 

16,8 


1 


1 

16 





17 


1 

2 

AdUlcU • • • 

Düren .... 

29583 

61 

251 

63 

20 

25,9 










7 

2 

1 


Esch>veilor . . 

24163 

59 

29,7 

42 

20 

21,1 


1 



4 





8 

• • 




14297 

39 

33,2 

20 

9 

17,0 










1 




JuUUull • • • • 

Stolberg . . . 

14249 

40 

34^1 

17 

3 

14,5 


’i 1 









. . 

1 



Cdln .... 

425900 

1250 

35,7 

634 

236 

18,1 


6 

8 

4 

8 

3 


2 

9 

109 

15 

11 

2 

Bonn ^ • . . 

80978 

256 

38,4 

180 

57 

27,0 





2 




1 

20 

2 



14 ill lioim n 1?H 

53367 

135 

30,8 

56 

10 

12,8 


1 


1 




1 


5 

5 

:: 


iu U llltlllll ii. JVIl. . 

Kalk 

25217 

76 

36J 

48 

25 

23,2 




1 

3 



.. 


1 4 

1 



Triftr 

47107 

86 

22,2 

65 

12 

16,8 





1 





1 

3 


1 

1 

K IIC1 .... 

Malstatt "Bürbach 

38088 

138 

44 ’1 

53 

19 

16,9 










8 

i 



Saarbrücken . . 

28879 

69 

29,1 

31 

10 

13,1 





i 





9 

3 

’i 


St. Johann . . 

25382 

75 

35,9 

50 

18 

24,0 




2 




’i 

1 

7 

1 

3 


Koblenz . . 

53484 

108 

24 6 

59 

15 

13,4 




1 






1 

7 


3 


Kreuznach 

24000 

67 

34,0 

31 

4 

15,7 











2 1 



Neuwied . . . 

16679 

31 

22.6 

19 

4 

13,9 










i 




Wiesbaden . . 

97093 

182 

22 8 

130 

26 

16,3 



1 



1 




10 

1 

1 


Kassel .... 

120554 

266 

26,8 

141 

34 

14,2 




2 



* * 

1 


14 

5 

5 

•• 


IS 


\) Bonn: darunter 5, Ti«/«, Geburten und 4,80%* Slerbfcfftlls Auswärtiger tu Anstalten. 

























































































Nachweisung über Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 47 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat Juli 1905. 































































Sterbllohkelta-Statistik von 53 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau 

pro Monat Juli 1905 


Monat 

Juli 

1905 

Einwohner-Zahl 

Zahl der Lebend- 
geborenen 

Verhältn.-Zahl der Ge¬ 
borenen auf 1000 Einw. 
und auf l Jahr 

~ c 

£ £ 
o o 

C/3 O 

Ö*! 

72 o 
rt r. 

N 5 

o 

5 

1 b 

5 75 

’-S 

8-. *“• 
a> 

3 

s— 

rt 

Verhältn.-Zahl der Ge-j 
storbenen auf 1000 Ein¬ 
wohner u.auf l Jahr 

Münster . . . 

78000 

176 

26,6 

162 

79 

24,4 

Bielefeld . . . 

77337 

170 

25,9 

62 

23 

9,4 

Paderborn . . . 

26801 

83 

36,5 

33 

11 

14,5 

Minden . . . 

26171 

39 

17,5 

33 

13 

14,8 

Dortmund . . . 

171608 


41,2 

353 

•220 

24 2 

Gelsenkirchen 

100*43 

636 

46,6 

290 

171 

21,2 

Bochum . . . 

122674 

414 

39,7 

287 

143 

27,5 

Hagen .... 

77973 

215 

82,5 

102 

57 

15,4 

Witten .... 

37871 

86 

26,7 

57 

18 

17,7 

Hamm .... 

37491 

137 

43,0 

52 

18 

16,3 

Iserlohn . . . 

29598 

67 

26,7 

32 

7 

12,7 

Siegen .... 

24766 

77 

36,6 

31 

5 

14,7 

Schwelm . . . 

18884 

51 

31,8 

15 

9 

9,4 

Lippstadt . . . 

14128 

45 

37,5 

18 

6 

15,0 

Altena .... 

13187 

35 

31,2 

8 

2 

7,2 

Düsseldorf. . . 

248292 

796 

37,7 

461 

254 

21,9 

Essen a. d. Ruhr 

228900 

791 

40,7 

396 

236 

20,4 

Elberfeld . . . 

173127 

446 

30,3 

177 

72 

12,0 

Barmen. . . . 

154700 

376 

28,6 

193 

76 

14,7 

Crefeld . . . 

111590 

179 

18,9 

96 

27 

10,1 

Duisburg . . . 

115117 

380 

38,8 

263 

164 

26,9 

Mülheim a. d. R. 

93875 

282 

35,4 

102 

52 

12,8 

Remscheid. . . 

68021 

179 

30,9 

92 

29 

15,9 

M.-Gladbach . 

62020 

160 

30,4 

115 


m I 

Oborhausen . . 

53143 

231 

51,1 

80 


Sa 

Solingen . . . 

49307 

114 

27,2 

63 

■El 


Meiderich . 

41413 

152 

43,2 

73 

41 

20,8 

Rheydt .... 

38782 

127 

38,5 

63 

31 

19,1 

Ruhrort. . . . 

39191 

152 

45,7 

98 

54 

29,4 

Neuss .... 

31630 

88 

32,8 

39 

17 

14 5 

Viersen .... 

26562 

84 

37,2 

47 

17 

20,8 

Wesel .... 

22806 

49 

25,3 

25 

8 

12,9 

Wermelskirchen . 

17321 

31 

21,1 

18 

6 

12,2 

Ronsdorf . . . 

13750 

25 

21,4 

12 

5 

10,3 

Lennep .... 

9704 

27 

32,8 

17 

3 

20,6 

Aachen .... 

147577 

361 

28,8 

226 

95 

18,0 

Düren .... 

29583 

93 

37,0 

48 

23 

19,1 

Esch weil er. . . 

24163 

60 

30,0 

35 

13 

17,5 

Eupen .... 

14297 

28 

23,1 

9‘> 

8 

18,1 

Stolberg . . . 

14249 

44 

36,4 

m 

9 

14,9 

Cöln ..... 

426245 

1215 

33,6 

958 

574 

26,5 

Bonn 1 .... 

80978 

226 

32,8 

205 

116 

29,8 

Mülheim a. Rh. 

53367 

161 

35,5 

ES 

77 

22,9 

Kalk. . . . 

25217 

73 

34,9 

88 

55 

42,1 

Trier .... 

47103 

101 

25,2 

81 

30 

20,3 

Malstatt-Burbach 

38088 

149 

46,0 

74 

48 

22,9 

Saarbrücken . 

28879 

61 

24,9 

53 

20 

21,7 

St. Johann. . . 

25382 

7C 

32,5 

31 

20 

14,4 

Koblenz . . . 

53484 

124 

27,3 

75 

37 

16,5 

Kreuznach. . . 

mm 

5£ 

28,2 

41 

11 

20,0 

Neuwied . . 

16679 

44 

t 31,1 

16 

5 

11,3 

Wiesbaden 

97093 

221 

f 27,5 

214 

m 

25,9 

Kassel .... 

Bi 

26t 

> 25,9 

177 

61 

17,3 


Todesursachen 
Infektions - Krankheiten 


Gewaltsamer 
Tod durch 


Pocken 

Masern und 
Röteln 

Scharlach 

z £- 

u o 

|o 

fij 

Stickhusten 

Li 

O.J3 

0» 

« t 
? s 1 

g* 

Ruhr 

Ul 

0 

.3 

5 1 

o> 1 

1 

5 

Andere Intck-. 
tionskrankh. 

Darmkatarrb 

Brechdurchfall 

VerunglUckung 
oder nicht nÄher 
konstatierte Ein¬ 
wirkung 

Selbstmord 

1 Totschlag 




1 1 






57 

3 i 












16 

1 

2 

.. 










3 

9 




.. 1 

. .1 


. .1 




. . 1 

11 

1 






1 1 

2 

1 



3 

152 

12 

5 

9 



51 

2 



4 

1 

2 1 

119 

6 

9 

1 


i 

6 

4 

i 

1 




107 

10 1 

1 



l 




1 ! 




36 

3 


1 




1 1 


1 




13 

2 

1 







1 




9 

1 

9 



•• 








3 


1 

, , 




i i 


•• 



1 


1 

1 


' • 1 









3 

1 


;; 


* 



.. 





1 





5 

1 

i 1 

8 



3 


1«3 

9 

5 



i 

1 

5 , 

2 


1 


6 

173 

5 

3 

1 


3 

2 


4 



1 


30 

9 

3 

.. 


3 | 


3 l 

1 




3 

49 

5 

4 



1 








16 

2 




2 


1 

4 

1 




138 

15 

1 



1 



4 



1 


26 

10 

1 



4 


3 

2 





5 

3 

1 

,. 




1 

3 

1 



1 

41 

1 


., 





2 

1 




23 

1 

1 






3 





2 

4 

1 




1 

'5 1 

3 

1 

. . 



16 

8 



.. 

o 



. 





8 

2 

1 



9 



4 

2 




99 

6 

9 





1 






m 

1 







4 





15 

1 





1 







3 

3 


# Ä 





'2 1 





1 


1 






§ . 



* * 


3 

i 

1 

# m 










1 

1 




1 

1 


33 

1 




51 

4 







1 





17 

2 

i 




•• 


2 





4 



9 m 



. 







1 



# 9 






1 




1 6 

i 




8 

3 

4 

14 

2 


5 

8 

448 

31 

9 











82 

4 

5 

9 # 


2 








ES 

1 


, 9 


5 



' 7 





35 

1 


.. 





2 




7 

16 

3 






1 




1 


33 

3 

3 

i 





. 



! . . 

1 

16 

2 

2 

. , 






. 




1 









^ r ***- 






1 

1 






27 

3 

1 







1 




4 



1 




’i 








.. 



i 


1 






1 84 

1 

1 

.. 


i 



1 

1 


1 


32 

2 

1 

•• 


14 


1) Bonn: darunter 4,94°/,«, Geburten, 5,23 ft ow> Sterbefälle Auswärtiger in Anstalten. 2) Hinrichtung. 
































































Naohweümng Ober Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 47 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat August 1905. 


Städte 

Krankenhäuser 

Bestand 

am 

Schlüsse 

S 

5-c £ 
•8| 

« £ 

£ o 

= g 

= 5* 
J. r 

< 

K rank heitsformen der Aufgenommenenj 

Zahl der Gestorbenen || 

a 

9 

X 

9 

O 

X | 

e 

9 

I 

- 

► 

B 

$ 

o 

X 

3 

2 

00 

Ci 

S 

o 

ja 

TT 

ei 

Ä 

9 

r/i 

Diphtherit.u.Croup 

Keuchhusten 

Unterleibstyphus 

Epid. Genickstarre 

Ruhr 

Brechdurchfall 

9 

9 

'S 

= 

5 

Wechselfleber 

9 

9Q 

O 

X 

■fi 

S £ 

■CS 1 

OS *5 

.g 1 | 

Münster . . . 

Clemenshosp. u. Johannisstift 

225 220 

216 





1 


2 



3 



2 

25 

Bielefeld 

st.ädt. Krankenhaus .... 

105 80 

80 



1 

1 









1 

2 



57 57 

49 



1 




3 










73 55 

39 




.. 

■* 

. . 

2 


1 






1 

2 

Dortmund. . . 

Luisenhospital. 

332 307 

1 


3 

2 

4 

7i 


6 


2' 

1 

1 


15 

29 



112 100 

112 




1 

2 


1 



1 



1 

17 



357 372 

343 




2 

4 


8 






1 

20 



71 1 ? 

9 

















611 74 

74 














4 

Siegen .... 


87 70 

07 





1 

*> 








8 




















452 466 

512 




14 



0 


38 

1 



2 

18 

Altena .... 


39 49 

32 














2 

Schwelm 


321 50 

27 







1 


2 





4 

Düsseldorf 

evangelisches Krankenhaus 

184193 

175 



5 

5 

4 I 

T 

2 







9 

r 

Marienhospital. 

2621296 

253 




14 

4 


2 


., 

6 

1 


1 

17 

Essen a. d. Ruhr 

Huyssenstift und Krupp’sches 


















Krankenhaus . 

487 476 

791 




1 

.9 


8 



1 

,, 


3 

36 

Elberfeld . . . 

St. Josephshospital .... 

151 i 141 

151 




•• 




. . 



.. 


1 

17 

V ... 

städtisches Krankenhaus . . 

319 319 

310 



2 

6 

2 

8 

1 



1 


. , 

3 

20 

Barmen . . . 


261 225 

316 



4 


2 

., 

6 


23 





20 



*>42 228 

197 







8 


1 

3 

1 



14 

Remscheid 

J? v • 

70 82 

113 





1 


1 







9 

M.-Gladbach . . 

Bethesda u.Mariahilf-Kranken- 


















haus. 

212 198 




2 

2 


2 

3 







12 

Solingen . . 

städtisches Krankenhaus . . 

105 139 

135 


1 




2 

3 







9 

Viersen 


74 74 

30 




1 










5 

Rheydt. . 

w v • • 

50 51 

56 






• ■ 

1 







4 

Meiderich . . . 

Elisabeth* und Kais. Willi.- 










• * 








Krankenhaus . 

138 120 

122 




i 

2 




8 



1 


7 

Neuss .... 

städtisches Krankenhaus . 

651 71 

45 














5 

Mülheim-Styrum 


70 1 60 

55 




.. 

1 

1 









3 

Ruhrort 

Hanielstiftung. 

50 1 45 

44 





9 


1 







1 

Odenkirchen . 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 

8, 10 

7 















Aachen . . . 

Elisabeth- u. M&riahilf-Krkhs. 

383 413 

423 


"1 

7 

5 

4 

6 

19 



5 



1 

37 

Aachen-Burtscheid 

St. Marienhospital .... 

151 147 

123 




1 



2 







4 

Düren .... 

städtisches Hospital .... 

88, 98 

98 




’l 



1 3 



• • 

* * 

• • 


10 

Eschweiler 

St. Antoniushospital .... 

851103 

44 





9 


2 

‘ 1 






1 

Eupen .... 

St. Nikolaushospital .... 

32 32 

16 



;; 




1 




• • 

. , 


1 

Stolberg . . . 

Bethlehemhospital .... 

87! sg 

30 






1.. 


• • 







Cöln .... 

Bürger- u. Augustahospital . 

845 875 

1062 



17 

25 

31 

21 

14 

1 


1 

1 


1 

71 

Cöln-Deutz . 

städtisches Hospital .... 

115 111 

86 




1 

1 


1 1 



1 




6 

Cöln-Ehrenfeld . 

St. Franziskushospital . 

130 129 

97 







1 

• ‘ 






11 

Mülheim a. Rh. . 

städt. u. Dreikönigenhospital . 

200 220 

230 



’ ‘ 

3 

9 



r 






20 

Kalk . . . . 

St. Josephshospital . . . 

137 121 

133 



5 

1 

4 

•• 

r 



2 


.. 

.. 

17 

Trier .... 

städt. Hospital. 

132 139 

59 



9 

I, 

1 1 

1 2 

! 3 







6 

Saarbrücken . . 

Bürgerhospital. 

99 ; 96 

97 




' 

| 1 


2 



’s 



.. 

9 

Koblenz . . . 

V •••••• 

177 172 

253 




1 3 

6 

1 

1 



3 




16 

Kreuznach . . 


48 42 

56 


1 ‘ ’ 





1 







1 

Neuwied . . . 


117 102 






9 

3 








5 

Wiesbaden . . 

städtisches Krankenhaus . . 

284 287 

331 



i 1 

12 

1 


8 

' 

1 * * 

9 


1 

.. 


29 

Kassel . . . . 

Landkrankenhaus . . . . 

305 324 

274 





6 


12 





.. 

1 

22 

Fulda . . . . 


171 180 

ISO 




1 

1 


3 







10 

Eschwege . 

» .... 

38 j 39 

m 





1 2 


6 

•• 





,, 


Rinteln . . . 


10 18 

16 







5 


1 






Schmalkalden . 

n .... 

391 44 

1 33 



D 

gitized 

bV H 

öb 

CP 

4 

k 

k m 

’i 


4 


15 



































































































Sterbllohkelta-St&tlstik von 53 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nass 

pro Monat August 1905. 





Todesursachen 

Infektions-Krankheiten 


i« ® p.i a La u\ 

c ^2 ^ t S , P.6 

§ ~ ® « ’E o ! &!§ ir 

§!■§ £ i«|!ki | l! * 

«o| S | CD Q§03j{§‘ B 


Münster . . . 

Bielefeld . . . 

Paderborn . . 

Minden . . 

Dortmund . . 

Gelsen kirchen . 
Bochum . . . 

Hagen .... 
Witten .... 
Hamm .... 
Iserlohn . . . 

Siegen .... 
Schwelm . . . 

Lippstadt . . . 

Altena .... 

Düsseldorf 
Essen a. d. Ruhr 
Elberfeld . . . 

Barmen . . . 

Crefehl . . . 

Duisburg . . . 

Mülheim a. d. R. 
Remscheid 
M.-Gladbach . 
Oberhausen . . 

Solingen . . . 

Meiderich . . . 

Rheydt.... 
Ruhrort . . . 

Neuss .... 
Viersen . *. . 

Wesel .... 
W ermelskirchen 
Ronsdorf . . . 

Lennep . . . 

Aachen . . . 

Düren .... 
Eschweilor . . 

Eupen .... 
Stolberg . . . 

Cöln .... 
Bonn 1 . . . . 

Mülheim a. Rh. . 
Kalk .... 

Trier .... 
Malstatt -Burbach 
Saarbrücken . . 

St. Johann . . 

Koblenz . . . 

Kreuznach . . 

Neuwied . . . 

Wiesbaden . . 


78000 180 27.2 192 107 29,0 

77337 152 23,1 63 28 9,6 

26801 72 31,6 43 17 18,9 

26171 37 16,6 34 13 15,3 


171608 590 
160843 624 
122674 381 
77973 217 
37871 95 

37494 116 
29598 83 

24766 64 

18884 45 

14701 38 

13187 36 

248292 744 
228400 789 
173127 369 
154400 373 
111590 215 
115117 382 
93666 339 
68021 161 
62020 200 
53143 180 
49307 113 
41413 178 
38827 118 
39191 151 
31630 91 

26562 75 

22806 49 
17321 33 

13750 20 

9704 23 

147355 356 
29583 68 

24163 63 

14297 
142491 


368 218 
371 227 
258 130 
166 84 
52 15 
61 33 
36 16 
34 8 

26 11 
32 24 
15 5 

586 399 
414 250 

297 147 
271 126 
169 85 

298 184 
177 107 

71 32 
143 89 
140 105 

72 24 
90 59 
86 52 

112 74 
112 83 


425819! 
| 80978 
53367 
25217 


356 28,4 
68 27,1 
63 31,5 
15 12,3 
33 27,3 

1263 34,9 
214 31,1 
152 33,5 
85 40,6 


352 200 
72 40 
47 23 
16 6 
37 12 

1021 613 
187 110 
126 71 
93 62 

100 44 
95 57 
53 28 
50 25 


47103 112 28,0 

38088 150 46,4 

28879 83 33,9 

25382 62 28,7 

53484 121 26,6 

24000 56 27,5 

16679 38 26,8 23 9 

97093 224 27,1 178 70 

120554 271 26,5 160 63 


1 ..! 6 2 21.. .. 1 

. I 4 1 3 2 7 1 1 2 

. I 2 3 2 2 .. j.. .. 


1 1 .. 1 
...... 1 


.. .. .. .. 2 1, .. 
.. .. .. .. ..J l|.. 

1 3 71.. 1 .. 

1 5 lj 1 . . .. 8 

1 2 6 .. .. .. 6 

5 .. .. 1 5. 2 

.. .. 2 1 .... 1 

7152 .... .. 

.. 2 4 . . ...... 

....II 1 .... .. 


1 14.. 

.. 1 6| 1 


1 , 3 1 ! 


1 .. 23 1 


14 4 3 38 5 .. 4 9 477 

1 .. 1. 1 .. 78 

2 2 4. 60 

12 1. 41 


. . . 1 
. 1 1 


1 1 5 2 .. 2 1 40 
. 1 3 1. 40 



1« i) Bonn: darunter 2,62o/oo Geburten und 5^2 0/«, Sterbefttlle Auswärtiger ii| z 4j»fttj»lt|ejpQ 






















































































N&ohweisunff Ober Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 48 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat September 1905. 


I Krankheitsformeii der Aufge 


Städte 


Münster 
Bielefeld . . 

Minden . . 

Herford . . 

Dortmund. 
Hagen i. W. . 
Witten . . . 

Hamm . . . 

Iserlohn 
Siegen . 
Gelsenkirchen 
Altena . . . 

Schwelm . . 

Düsseldorf 


Essen a. d. Ruhr 
Elberfeld . 

V ... 

Barmen . . . 

Crefeld . . . 

Remscheid . . 

M.-Gladbach . 

Solingen . 
Viersen . . . 

Rheydt. . . . 

Meid eri ch . . 

Neuss .... 
Mülheim-Styrum 
Ruhrort . . . 

Odenkirchen . . 

Atrop. Kr. Mürs 

Aachen . . 

Aachen-Burtscheid 
Düren .... 
Eschweiler . . 

Eupen .... 
Stolberg . . . 

Cöln .... 
Cöln-Deutz . . 

Cöln-Ehrenfeld . 
Mülheim a. Kh. . 
Kalk .... 

Trier .... 
Saarbrücken . 

Koblenz . . . 

Kreuznach . . 

Neuwied . . . 

Wiesbaden . . 

Kassel .... 
Fulda .... 
Eschwege . . . 

Rinteln . . . 

Schmalkalden 


Kranke n h äuser 


Clemenshosp. u. Johannisstift *220 20b L 
städt. Krankenhaus . ... 86 84 

städtisches Krankenhaus . . f>7 50 l 

Friedrich Wilhelm-Hospital . 55 41 



Luisenhospital. 

städtisches Hospital . 
Diakonissenhaus u.Marienhosj 
städtisches Krankenhaus . 
Bethanien-Krankenhaus 
städt. Hospital .... 
Marienhosp. u. ev. Krankenh 
Johanniter- u. kath. Krankenh 
städtisches Krankenhaus . 

evangelisches Krankenhaus 

Marienhospital. 

Huysseustift und Krupp’sches 
Krankenhaus .... 

8t. Josephshospital . 
städtisches Krankenhaus 


Bethesda u.Mariahilf-Kranken 

haus. 

städtisches Krankenhaus . 


Elisabeth- und Kais. Willi.- 

Krankenhaus . 

städtisches Krankenhaus . . 

« n • • 

Hanielstiftung. 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 
Friedr. Kruppsches Krkhs. 

Elisabeth- u. Mariahilf-Krkhs. 
8t. Marienhospital . 

städtisches Hospital . . 

St. Antoniushospital . . . . 

St. Nikolaushospital . . . . 

Bethlehemhospital . . . . 

Bürger- u. Augustahospital . 
städtisches Hospital .... 
St. Franziskushospital . 
städt. u. Dreikonigenhospital . 
8t. Josephshospital . . . . 

städt. Hospital. 

Bürgerhospital. 


städtisches Krankenhaus 
Landkrankenhaus . . 


307 337 4; 
103,101 ! 

372 326 2! 
74 46 * 
74 77 ' 
76 65 < 
466 440 4 

49 53 

50 49 

193 190 1( 
296 289 2: 


476 475 7; 
141 140 IS 

319 283 2' 
225 210 2i 
228 219 11 
82 86 ' 


198 186 H 
139 123 1 
74 67 4 
51 38 S 


120 136 IS 
71 70 4 
60 49 4 
45 47 
10 13 1 
19 15 i 


e IM i » 

i) —. —■ :5 -- 3 

Zi • T _=• 


1 S ä 2 S iS • 
| SIS I 2 \$\£ 


12 18 
1 . . 

3 

6 


.. 7 



3 

i. 

23 

4 

4 8i 


6 


., 

2 




22 


8 3 7 
2 13 3 

.. 3 17 
.. 1 . . 
..31 
12.. 


..' 4 7 
.. 1 1 
1 1 1 

o 


_ _ l.2 2 

Hi!! 16 '.'XU !| 2 34 


5 1.1 8 .. 3 


. 16 .. 8 4 9... 4 .... 1 29 

. . . 1 .. .. 4 

. 3 1 II.. 2 ! .. .. .. .. .. .. 9 
. 1 1 .... •• •• 6 


,. .16 18 24 9 11 .... .. 1 .. 2 63 

• 1 .. .. .!.... •• 2 . 3 

. 19 ... 4 8 

... 4. 1 . 9 

. . 1 1 1 .. i . 10 


,10 .. .. .. .. .. 421 

10 ..'.. 3.31 

1 .. .. . 11 

1. 

. 1 


Digitized 


dbyGöbgle' 





































































































Sterbliohkeita-St&tistik von 53 Städten dar Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassao 

pro Monat September 1905. 



Todesursachen 


| Gewaltsamer 

; Infektions 

Krankheiten 

Tod 

durch 

Pocken 

Masern und 
Röteln 

Scharlach 

Diphtlieritis 
und Croup 

Stickhusten 

| r 

JZ u 

■ fcü 

Z' v 

« 'S 
ci 

Ruhr 

Kindbettfieber 

Andere Infek- 
tionskrankh. 

Darinkatarrh 

Brechdurchfall 

Y'erungllickung 
uder nicht näher 
konstatierte Kin- 
wirkuug 

Selbstmord 

ec 

2 

I 

S 




3 






21 

_9 





( 1 







25 



1 .• 






l 




13 


1 




1 


1.. 




1 


1.. 




1 5 

1 


3 



3 

51 

5 

2 




6 

4 

1 

3 

L 

; 2 

2 

79 

7 

9 

3 


3 

1 2 

4 

2 




1 31 

G 




1 3 

2 



1 




24 

5 

1 



1 . . 


2 






1 3 

3 


.. 










12 






. . 


1 





6 

1 







1 





3 

9 

, # 

,, 


1 








1 



.. 










4 


. . 

.. 










2 


. . 

I * * 


1 


1 

5 

3 



1 

117 

G 

3 

.. 



1 

5 

1 

5 

i 


6 


10 

1 

1 


4 


1 

7 

1 


2 

3 

49 

9 

2 

1 . - 



1 


9 


4 


4 

37 

4 

3 

.. 


1 

1 


1 

_2 




33 

2 

1 

# . 


1 


1 

2 

1 


3 


51 

5 

.. 

., 


5 

1 


3 

1 




33 

3 


.. 





1 





11 

3 

3 






<; 





30 

1 

2 




2 


1 

6 





23 


.. 





9 





8 

2 

1 

,, 



i 

i 

1 





IG 

2 


., 


i 


l 

2 





33 

# 9 


., 


4 



9 

1 




99 

7 







1 



2 


20 

2 


,. 



■ 


1 





17 

1 

•• 

•• 




:: 






6 


• * 

;; 


. . 



1 



.. i 


l 

# # 


., 


1 








1 

. . 

. • 

. . 


8 

■■ 


1 ! 

11 

4 




42 

4 

3 




9 

1 

1 




13 





9 


1 

5 





11 

i 








.. 




3 

# # 

# 

., 





2 

1 




8 

1 




13 

4 

5 

28 

1 

• • 

li 

2 

179 

25 

5 

i 





2 


• • 



26 

# # 

i 

i 



1 


1 





18 

2 

i 

,, 


4 


1 

3 



1 

* * 

15 

1 

.. 



4 

1 







8 

1 











• • 

11 

1 


, , 




1 


•• 




3 

3 

i 

,, 




1 


2 



* * 

3 

1 

.. 

. . 




3 


1 




14 

3 




• • 

'l 







5 







.. 






2 


.. 

.. 


1 

1 



.. 




7 

1 

2 

.. 

•• 


1 

1 

3 

3 



•• 

23 

2 

1 

•• 


Monat 

Se ptemher 

1905 

Einwohner-Zahl 

Zahl der Lebend- 
geborenen 

11 

Hj 

1 

Zahl der Sterbefälle 
ausschl. Totgeborenen 

Im 

1) 

3 

3 

U 

Z ) 

rz t- 
3 Ä 
— Ä 

O) 

t_ 

6 c u 

®a-s 

S©~5 

- 3 

- 3 

N « • 

'• 3 3 
3 u 
~ 3 4» 
=- O 3 
JZ ~ — 
s- ^ O 

ü O ^ 

Münster . . . 

78000 

179 

27,9 

109 

43 

17,0 

Bielefeld . . . 

77337 

133 

20,9 

76 

31 

12,0 

Paderborn 

2G801 

88 

39,9 

46 

15 

20,9 

Minden . . . 

2G171 

48 

22.3 

16 

4 

7,4 

Dortmund 

171608 

563 

40,0 

238 

125 

16,9 

Gelsenkirchen 

1G0S43 

595 

45,0 

231 

109 

17,5 

Bochum . . . 

122G74 

427 

42,3 

141 

54 

14,0 

Hagen .... 

77973 

231 

36,0 

92 

45 

14,4 

Witten .... 

37871 

93 

30,0 

40 

7 

12,8 

Hamm .... 

37352 

116 

37,8 

43 

22 

14,0 

Iserlohn 

29598 

76 

31,2 

35 

11 

14,4 

Siegen .... 

2476G 

53 

26,0 

16 

5 

7,9 

Schwelin 

18884 

44 

28,3 

17 

10 

10,9 

Lippstadt. . . . 

11701 

47 

38,9 

21 

9 

17,4 

Altena .... 

13187 

22 

20,3 

11 

5 

10,1 

Düsseldorf 

248292 

380 

33,3 

364 

178 

17,8 

Essen a. d. Ruhr 

2460GI 

837 

41,4 

250 

129 

12,4 

Elberfold . . . 

173124 

379 

26,6 

198 

73 

13,9 

Barmen 

154700 

343 

27,0 

169 

67 

13,3 

Crefeld . . . 

111590 

224 

24,4 

115 

42 

12,5 

Duisburg . 

115117 

369 

39,0 

135 

65 

14,3 

Mülheim a. d. R. 

93621 

288 

37,4 

117 

62 

15,2 

Remscheid 

G8021 

132 

23,6 

66 

28 

11,8 

M.-Gladbach . . 

62020 

196 

38,4 

100 

47 

19,6 

Oberhausen . . 

53143 

225 

51,5 

90 

55 

20,6 

Solingen . . . 

49307 

109 

26,9 

62 

16 

15,3 

Meiderich . 

41413 

159 

46,7 

48 

26 

14,1 

Rheydt. . . . 

38948 

127 

30,7 

66 

36 

20,6 

Ruhrort . . . 

39191 

168 

52,1 

79 

38 

24,5 

Neuss .... 

31630 

74 

28,5 

52 

31 

20,0 

Viersen . . . 

26562 

66 

30,2 

50 

31 

22,9 

Wesel .... 

22806 

43 

22.9 

20 

3 

10,7 

W ermelskirchen 

17321 

34 

23,9 

12 

4 

8,4 

Ronsdorf . . . 

13750 

30 

26,5 

7 

4 

6,2 

Lennep . . . 

9704 

22 

27,6 

8 

3 

10,0 

Aachen . . . 

147284 

340 

28,1 

203 

87 

16,8 

Düren .... 

29583 

64 

26,3 

55 

23 

22,6 

Eschweiler . . 

24163 

72 

36,3 

35 

21 

17,6 

Eupen .... 

14297 

33 

28,1 

28 

6 

23,8 

Stolberg . . . 

14249 

55 

47,0 

39 

17 

33,3 

Cüln .... 

425560 

nu 

34,7 

655 

313 

18,7 

Bonn 1 .... 

80978 

233 

35,0 

125 

43 

18,8 

Mülheim a. Rh. . 

53367 

134 

30,5 

66 

28 

15,0 

Kalk .... 

25217 

76 

36,7 

47 

19 

22,7 

Trier .... 

47103 

99 

25,5 

74 

21 

19,1 

Malstatt -Burbach 

38088 

139 

44,4 

45 

17 

14,4 

Saarbrücken . . 

28879 

57 

24,0 

28 

7 

11,8 

St. Johann . . 

25382 

57 

27,3 

25 

10 

12,0 

Koblenz . . . 

53484 

108 

24,6 

74 

21 

16,8 

Kreuznach . . 

23600 

50 

25,8 

32 

12 

16,5 

Neuwied . . . 

16679 

32 

23,3 

19 

o 

13,9 

Wiesbaden . . 

97093 

174 

21,8 

109 

22 

13,7 

Kassel .... 

120554 

241 

24,3 

148 

36 

14,9 


1) Bonn 


darunter 6,61 %o Geburten und 8.7t;»/oo Sterbefälle Auswärtiger in Anstalten. 

Digitized by Google 






















































































Naohweisung über Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 48 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat Oktober 1905. 


Städte 


Krankenhäuser 


Bestand K 

am c = 
Schlüsse u g 

- -- -- v « 

» "O £ 

* o § I ^ 


Krankheitsformen der Aufgen« 


' S £ S , ■ ej 1 

so Ä 5,2 1 ft * 

S e> 1 ^4 ta , 

2 I 'S . B 3 = % « £ 

W 2 ; 3 i Ä r ! S 5 s i 3 

_° 2 fl I JS ! « ü J) f n « 

a« «! C i s: i s t: ^ 

* .g * I« £ 2 Ti 


SS 2, 


Münster 
Bielefeld . 
Minden 
Herford . 

Dortmund . 
Hagen i. W. 
Witten . 
Hamm . 
Iserlohn . 
Siegen . . 

Geisenkirchei 
Altena . . 

Schwelm . 

Düsseldorf 


Essen a. d. Ruhr 
Elberfeld . . . 

V ... 

Barmen 

Crefeld . . 

Remscheid 
M.*Gladbach . 

Solingen . . . 

Viersen . . . 

Rheydt . . . 

Weiderich . . • 

Neuss .... 
Mülheim-Styrum 
Ruhrort . . . 

Odenkiichen . 
Atrop, Kr. Mörs 

Aachen . . . 

Aachen-Burtscheid 
Düren .... 
Eschweiler 
Eupen .... 
Stolberg . . . 

Cöln .... 
Cöln-Deutz . . 

Cöln-Ehrenfeld . 
Mülheim a. Rh.. 
Kalk .... 

Trier .... 
Saarbrücken . 

Koblenz 

Kreuznach . . 

Neuwied . . . 

Wiesbaden . . 

Kassel .... 
Fulda .... 
Eschwege . 
Rinteln . . . 

Schmalkalden . 


Clemenshosp. u. .Johannisstift 
städt. Krankenhaus . 
städtisches Krankenhaus . 
Friedrich-Wilhelm-Hospital 

Luisenhospital. 

städtisches Hospital 
Diakonissenhaus u.Marienhosp 
städtisches Krankenhaus . 
Bethanien-Krankenhaus 

städt. Hospital. 

Marienhosp. u. ev. Krankenh. 
Johanniter- u. kath. Krankenh. 
städtisches Krankenhaus . 

evangelisches Krankenhaus 

Marienhospital. 

lluyssenstift und Krupp’sches 

Krankenhaus . 

St. Josephhospital . . . . 

städtisches Krankenhaus . 


Bethesda- und Mariahilf-Kran 

kenhaus . 

städtisches Krankenhaus . 


Elisabeth- und Kais. Willi 
Krankenhaus .... 
städtisches Krankenhaus . 


Hanielstiftung. 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 
Friedr. Kruppsches Krkhs. . 

Elisabeth- u. Mariahilf-Krkhs. 
St. Marienhospital . 
städtisches Hospital . . . . 

St. Antoniushospital . . . . 

St. Nikolaus-Krankenhaus. . 

Bethlehemhospital . . . . 

Bürger- u. Augustahospital . 
städtisches Hospital. 

St. Franziskushospital . . . 

städt. u.Dreikönigenhospital . 
St. .Josephhospital . . . . 


städt. Hospital 
Bürgerhospital 

Bürgerhospital 


städtisches Krankenhaus 
Landkrankenhaus . . 


206 226 106 
84 9b 81 
50 57 48 
41 51 30 


337 356 425 
101 96 94 
326 347 303 

46 71 64 
77 91 82 
65 83 90 

440 458 442 
53 51 20 
49 51 40 

190 184 159 
289 312 229 

475 497 754 
140 155 140 
283 318 290 
210 220 251 
219 232 190 
86 94 102 

186 199 192 
123 144 97 
67 69 27 
38 57 52 

136 119 117 
70 72 42 
49 70 61 

47 47 30 


15 16 32 

371 411 426 
157 153 113 
102 99 98 
78 84 38 
34 47 26 
86 90 27 

795 883 968 
127 110 95 
144 143 101 
205 237 223 
117 141 151 

143 147 73 
97 126 126 

159 166 186 
44 53 54 
99 115 119 


302 309 261 
137 156 125 
43 44 42 
10 5 8 

43 37 19 

Digitized by 


5 6 .. 1 

3 1 .. .. 

1 2 .. 4 


6 6 5 3 1 

.. 1 1 .. 1 

. 2 5 .. 4 

.. L L .. 4 


1 12 . 2 2 i .. 


1 3 ..;. 

.. 1 .. .. .. .. 

4 4 .... 1 .. 

2 2 . . 1 

.... :. ll i 


23 18 22 2 6 .. 1 


19... 1 2 3 3 . 
.. .. 1 .. 4 


6 1!.. .. 3 .. .. 2 


.. ..12 


Rose 











































































Sterbliohkelta-Statistlk von 53 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau 

pro Monat Oktober 1905. 



Bochum 
Hagen . . . 

Witten . 

Hamm . 
Iseilohn . . 

Siegen . . . 

Schwelm . . 

Lippstadt . . 

Altena . . . 

Düsseldorf. . 
Essen a. d. Ru 
Elberfeld . . 

Barmen. . . 

Crefeld . . 

Duisburg 1 
Mülheim a. d. 
Remscheid. . 

M. Gladbach . 
Oberhausen . 
Solingen . 
Rheydt . . . 

Neuss . . . 

Viersen . . . 

Wesel . . . 

Wermelskirchei 
Ronsdorf . . 

Lennep. . . 

Aachen . 

Diiren . . . 

Eschweiler. . 
Eu pen . 
Stolberg . . 

Cöln .... 
Bonn 3 . . . 

Mülheim a. Rh 
Kalk. . . . 

Trier . . . 

Malstatt-Bur ba< 
Saa rbrücken . 
St. Johann . 

Koblenz . . 

Kreuznach. . 

Neuwied . . 

Wiesbaden 
Kassel . . . 


173124 

154700 

111590 

189651 

93709 

68021 

62020 

53143 

49307 

•39743 

31630 

26562 

22806 

17321 

13750 

9704 

148069 

29583 

24163 

14297 

14249 

427815 

80978 

53367 

25217 


Todesursachen 

1 ii l'e k t i o li s - K r a n k h ei teil 

Pocken 

Masern und 
Köteln 

Scharlach 

* o, C a „ 

_ — a> «s « 

— £ -m —- 

O » >-> i- 

J js 

3 s i s 4 6 

O cn l c 

Ruhr 

Kindbettfieber 

Andere Infek- 
tionskrankh. 

Darinkatarrh 

Brechdurclifall 

. . 1 1 


'. 9 



. 1 


.. 1. J 3 

8 . . 


iL i 

1 o 

..12 

6 2 2 

.. 2 3 28 

.. .. 1 

3 3.. 

.. 2 1 33 

2 2 

2 3 2 

...... 13 


i L. .. 

...... 7 

. . | . . 1 . . 

1 .. .. 

...... 2 


... i 

S 

. 


1 

’. i 

l .. .. 

. ’ 1 .. . ’ 



1 

..13 

2 2 1 

.. ! 1 1 32 


11 6 1 

.. 1 4 39 

.. i i 

i 1 10 3 

. . 1 3 23 

..1 3 .. 

1 2' 7 .. 

2 .. 4 11 



...... 8 

.... 4 

3 4 3 

.. .. 1 37 


1 3 4 

22 

. . 1 . . 

1 .. .. 

. J . . . . 2 



8 


! 4 7 .. 

. 14 

! !l i 

1 1 1 

. 4 

.. i .. 

2 . . 1 

...... 10 

.. i . 


..i.... 7 



...... 7 


.14 

! . 3 



.. 3 



. ! 1 . 9 



......; . . 


6 . . . . 6 4 

3 !.. 1 .. .. 

4 .. .. 3 1 


6,7 ..19 7 2 30 3 .. 1! 4 


1 i 

2 2 1 . 


..3-21 

1 , 2 .. .. 

. 1 


97093 

120554 


2 2 .. 

3 2 4 


Gewaltsamer 
Tod durch 


2 .. .. 


1) Die Stadt* 

i>uibi)urK 
-') durch Ert: 


; Beek) sind vorq^l. Oktober 1905 ab in die 
“'ÖidBöiStbyi^'/o.i Sterbfeßlle Auswärtig 



























































































Naohweisung Ober Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 48 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat November 1905. 



Münster . 
Bielefeld . 
Minden 
Herford 

Dortmund. 
Hagen i. W. 
Witten. . 

Hamm . . 

Iserlohn . 
Siegen . . 

Geisenkirchei 
Altena . 
Schwelm . 

Düsseldorf 


Essen a. d. Ruhr 

Elberfeld . . . 

« ... 

Barmen 

Crefeld . . . 

Remscheid 

M.-Gladbach . . 

Solingen . 
Viersen . . . 

Rheydt . . . 

Duisburg-Meide- 
[rich 

Neuss .... 
Mülheim-Styrum 
Ruhrort . . . 

Odenkirchen . 
Atrop, Kr. Mörs 

Aachen . . . 

Aachen-Burtscheid 
Düren .... 
Eschweiler 
Eupen .... 
Stolberg . . . 

Cöln .... 
Cöln-Deutz 
Cöln-Ehrenfeld . 
Mülheim a. Rh.. 
Kalk .... 

Trier .... 
Saarbrücken . 

Koblenz 

K reuznach . . 

Neuwied . . . 

Wiesbaden . . 

Kassel .... 
Fulda .... 
Eschwege . 
Kinteln . . . 

Schmalkalden 


Kranke nhäuser 


Clemenshosp. u. .Johannisstift 
städt. Krankenhaus . . . 

städtisches Krankenhaus . 
Friedrich-Wilhelm-Hospital 

Luisenhospital. 

städtisches Hospital 
Diakonissenhaus u.Marienhosp 
städtisches Krankenhaus . 
Bethanien-Krankenhaus 

städt. Hospital. 

Marienhosp. u. ev. Krankenh 
Johaniter- u. kath. Krankenh 
städtisches Krankenhaus . 


evangelisches Krankenhaus . 

Marienhospital. 

Huyssenstift und Krupp’sches 

Krankenhaus . 

St. Josephhospital . 
städtisches Krankenhaus . 


Bethesda- und Mariahilf-Kran 

kenhaus . 

städtisches Krankenhaus . 


Elisabeth- und Kais. Willi, 
Krankenhaus .... 
städtisches Krankenhaus . 


Hanielstiftung. 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 
Friedr. Kruppsches Krkhs. . 

Elisabeth- u. Mariahilf-Krkhs. 
St. Marienhospital . 
städtisches Hospital . . . . 

St. Antoniushospital. . . . 

St. Nikolaus-Krankenhaus . 
Bethlehemhospital . . . . 

Bürger- u. Augustahospital . 
städtisches Hospital. 

St. Franziskushospital . . 

städt. u. Dreikönigenhospital . 
St. Josephhospital . . . . 

städt. Hospital. 

Neues Krankenhaus . . . 

Bürgerhospital. 


städtisches Krankenhaus 
Landkrankenhaus . . 



226 258 214 

95 107 89 
57 52 46 
51 42 26 

356 352 415 

96 119 1*19 
347 341 278 

71 85 86 
91 95 75 
83 87 78 
458 463 407 
51 53 33 
51 52 35 

183 216 217 
312 351 261 

497 524 760 
155 169 161 
318 302 289 
220 236 21 1 
232 224 172 
94 UMi 111 


199,203 185 
144 145 111 
69, 71 1 
57 85 

119 154 1 


411 411 3 
150j 145 1 
99 107 
84 90 . 
471 48 
90 88 : 


Krankheitsformen der Aufgenommenen 


= s x j j|. 5.3 I -g , ® 

■ä S 3 1 I z i 2 in •§ ; |; I ~ 1 1 j 

p «- r; — O) ü ® r h W I ^ I 10 Ä 


4 7..., 
3 1 .. 1 


883 913 9 

110 119 ! 
143 140 1 
237 24.' 2 
141 133 1 

147 136 
126 116 1 

166 203 2 
53: 53 
115 106 112 

257 285 311 

309 321 294 
156 168 156 
44 53 39 
5 11 21 
37, 52 35 


9 3 5 .. 2 .. .. | .. 1 .. 

.. . 1 .. 1 .. |.. 1 .. .. 

2 3 7 .. 4 .. .. . 

. 1 .. .. 3 .. .. . 

.. 1 .I .. !. 

..11 .2 .. 

.. 4 3 .. 6 . .. 2. 


. 5 6 .. I 

.. 9 4 .. 5 

2 4 13 .. 2 

.. 2 1 .. .. 

2 10 2 5 2 

2 3 5 13 

.. .. 3 I .. 1 


| 2 , .. , 1 
! o 


8 11 4 2 1 

. i : .. ' .. .. 

6 .. .. .. 1 


1,20 42 43 5 1 .. .. 1 1 .. 4 
.. L !.. 3 .. ..!. .. .. 


12 2 15 
.. 1 .. .. 15 


l .. .. 


.. 3 3 .. 9. .. .. 

. .. 1 . 

.. .. 6 . 


.. 3 .. 1 4 .... 1 .. .. j .. 

.. 1 6 .. 7 .. | .. 3 .. .. .. 

.. ..1 .. 2 

.. . .. .. 1 | .. . 2 


Digitized by 


Google 


21 




















































































Sterblichkeits-Statistik von 51 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau 

pro Monat November 1905. 


Monat 

November 

1905 

Einwohner-Zahl 

Zahl der Lebend- 
geborenen 

Verhältn.-Zahl der Ge¬ 
borenen auf iooo Einw. 
und auf 1 Jahr 

© © 

g E 

© o 

-3 .2 
u © 

© tc 

OG O 

JV . 

2 g 

ci » 
S2 3 
sä 

- 

3 

U 

» ^ 
2 -2 
.3 ei 

m 1-5 

© 

t- 

eö 

© 3 u 

®s-s 

■g|- 

“ci 3 3 
^*3 

.5 © - 

ü 3 © 

«r o 
© © > 

Münster 



177 

27,3 

104 

22 

16,0 

Bielefeld . • 


77337 

183 

28,8 

60 

16 

9,4 

Paderborn . 


mm 

89 

40,4 

28 

7 

1-2,7 

Minden 


2G1T1 

49 

22,8 

32 

6 

14,9 

Dortmund . 


171608 

570 

40,4 

199 

64 

14,1 

Gelsenkirchen 


160843 

585 

44,2 

182 

65 

13,8 

Bochum 


122674 

420 

41,7 

193 

55 

19,1 

Hagen . 


77943 

251 

39,1 

109 

35 

17,0 

Witten . 


37871 

98 

31,5 

48 

li 

15,4 

Hamm . 


38341 

130 

41,2 

41 

10 

13,0 

Iserlohn 


29598 

73 

30,0 

40 

3 

16,4 

Siegen . . . 


24766 

67 

32,9 

24 

3 

11,8 

Schwelm 


18884 

41 

26,4 

21 

4 

13,5 

Lippstadt . 


15987 

27 

20,5 

22 

8 

16,7 

Altena . . 


13187 

34 

31,4 

10 

4 

9,2 

Düsseldorf. 


252630 

679 

32,7 

284 

78 

13,7 

Essen a. d. liuhr 

229270 

766 

42,6 

260 

84 

13,8 

Elberfeld . . 


162752 

343 

25,6 

177 

50 

13,2 

Barmen. . . 


155974 

370 

28,8 

193 

34 

15,1 

Crefeld . . 


110410 

200 

22,0 

120 

23 

13,2 

Duisburg 


191551 

650 

41,3 

211 

68 

13,4 

Mülheim a. d. 

K. 

94079 

308 

39,8 

108 

30 

14,0 

Remscheid. . 


68021 

133 

23,8 

72 

15 

12,9 

M. Gladbach . 


60313 

187 

37,7 

101 

28 

20,4 

Oberhausen . 


52035 

208 

48.6 

74 

34 

17.3 

Solingen 


49307 

90 

22,2 

46 


11,3 

Rheydt . 


39964 

111 

33,8 

50 


15,2 

Neuss 


30749 

78 

30,9 

60 


23,7 

Viersen . . . 


27589 

73 

32,2 

28 


12,3 

Wesel . 


22806 

57 

30,4 

31 

3 

16,5 

Wermelskirche 

n . 

17321 

20 

14,0 

11 

1 

7,7 

Ronsdorf . 


13750 

23 

20,4 

8 


7,1 

Lennep . 


9704 

17 

21,3 

12 


15,0 

Aachen . 


148-214 

349 

28,6 

191 

53 

15,7 

Düren . . . 


30303 

80 

32,1 

36 

7 

14,5 

Esch weil er. . 


23624 

67 

34,5 

27 

9 

13,9 

Enpen . . . 


14297 

28 

23,8 

12 

3 

10,2 

Stolberg 


14249 

35 

29,9 

17 

3 

14,5 

€öln .... 


425944 

1277 

36,5 

567 

180 

16,2 

Bonn 1 . 


81906 

222 

33,0 

125 

36 

18,5 

Mülheim a. Rh 


50738 

153 

36,7 

59 

19 

14,1 

Kalk. . . . 


25553 

100 

47,6 

28 

7 

13,3 

Trier . . . 


47103 

119 

30,7 

74 

9 

19,1 

Malstatt- B urbach 

38445 

132 

41,8 

44 


13,9 

Saarbrücken . 

, 

26824 

74 

33,6 

30 


13,6 

St. Johann . . 


24300 

74 

37.0 

22 


11,0 

Koblenz 


53484 

124 

28,2 

54 


12,3 

Kreuznach 2 . 


23131 

50 

26,3 

29 2 


15,3 

Neuwied 


18173 

36 

24,1 

~3l 

2 

20,8 

Wiesbaden 


97093 

195 

21,4 

109 

13 

13,6 

Kassel . . . 


120554 

255 

25,7 

125 

28 

12,6 


Todesursachen 

Gewaltsamer 
Tod durch 

Infektions - Krankheiten 

Pocken 

Masern und 
Röteln 

Scharlach 

Diphtheritis 
und Croup 

Stickhusten 

Unterleibstyphus, 
gastr. Fieber 

Ruhr 

Kindbettfieber 

Andere Infek- 
tionskrankh. 

Darmkatarrh 

Brechdurchfall 

VerunglUckung 
oder nicht näher 
konstatierte Ein¬ 
wirkung 

Selbstmord 

1 

JS 

V 

r. 

O 

h 

.... 1 3 . 

. 1 . . 

2 

1 

i 


... 1 i ... 


5 

1 

2 

,, 

.... 1 . 

. . 3 . . 

2 

1 

I 




3 

1 

1 

• • 

.. 6 5 3 1.. 

..17 

11 

10 

2 


.. .. 3, 1 2 1 

.. 1 l 

17 

8 

2 

2 

. . 3 3 1 5 1 5 


7 

5 


# , 

..4 1. 

.. 3 . . 

5 

1 

i 

1. 

. 2 . . 1 


3 

1 



. 1 


3 

9 

i 

,, 



1 

3 

i 


. . 1 



2 

•• 



. . 1 . . 

2 




. 1 . . 

. 



.. 


. 1 2 1 

..13 

14 

12 

7 

2 

. . 6 1 6 2 2 

.... 4 

15 

12 

1 

1 

..2 4 4 7 1 

2 

10 

5 

3 

.1 

. . 4 2 2 5 . . 

.... 4 

5 

4 

1 


... 1. 


2 

3 


• ■ 

4 6 4 2 1 

. . 1 . 

21 

14 


.. 

114 2 1 

. .! 1 . . 

5 

5 


:i 

... 1 34.. 

. . 1 . . 

2 

2 

4 


. 2 3.. 

. . 1 . . 1 . . 

3 




3 . *> 

1 

7 

3 



. 1 . . 1 


3 




. . 6 . . 1 2 1 


4 



’ ’ 

. . 6 . . 3 1 . . 


2 

1 



... 11 


2 




ll 1 


1 

1 





1 


1 


. 1 



9 

• ■ 


. . 5 1 2 3 .. 

. 2 1 

17 

5 

9 

1 

.. 3. 


1 

.. 



. . 1.1.. 


1 



• 


j:::::: 



1 1 

* 

.. 20 5 11 28, .. 

. . 5 6 

39 

9 

7 


. . 3 ........ 1 

.. ..1 .. 

4 


1 


.. r 3i i i .. 


1 

9 

• • 


. i i .. 



1 

1 


. . 1 ! .. | 2 ! 2 2 


4 

1 



. 2 . . 1 .1 . . 


9 

3 


i 

. J 1 


3 

1 



. . 1.. . 1 

|. J'l 

2 




. 1 . . I 

. . ll . . 

2 

2 





1 




. i. 


1 



. 

: 1 1 . 

. 15 4 


9 

1 

3 


...... 3 3.. 

! 11 11 

. . . . ■ • 

<; 

1 

1 



1) Bonn: darunter 4.90°/or» Geburten, 5,94°/oo Sterbefälle Auswärtiger in Anstalten. 

2) Kreuznach: darunter 3 Auswärtige in Krankenhäusern Gestorbene. 


Digitized by 


Google 











































































Naohwelsung Ober Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 48 Städten 
der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat Dezember 1905. 


Städte 

Krankenhäuser 

Bestand 

am 

Schlüsse 

X 

gl » E 

*3 § 

o G ^ 

> o * 

*^ ! ? 

^ 

o 

u — 

y y 
~ £ 

£ = 
£ o 
- = 

3 V 

3 M 
I -Z 

< 

Münster . . . 

Clemenshosp. u. Johannisstift 

258 

297 

254 

Bielefeld . . . 

städt. Krankenhaus .... 

107 

114 

97 

Minden . . 

städtisches Krankenhaus . 

52 

43 

37 

Herford . . . 

Friedrich Wilhelm-Hospital . 

42 

1 50 

33 

Dortmund. 

Luisenhospital. 

352 340 

410 

Hagen i. W. . 

städtisches Hospital .... 

119,106 

91 

Witten .... 

Diakonissenhaus u.Marienhosp. 

341 

365 

29S 

Hamm .... 

städtisches Krankenhaus . 

85 

79 

72 

Iserlohn . . . 

Bethanien-Krankenhaus 

95 

95 

67 

Siegen .... 

städt. Hospital. 

87 

74 

73 

Gelsenkirchen . 

Marienhosp. u. ev. Krankenh. 

463 

394 

344 

Altena .... 

Johanniter- u. kath. Krankenh. 

53 

51 

27 

Schwelm . . . 

städtisches Krankenhaus . . 

52 

60 

48 

Düsseldorf . . 

evangelisches Krankenhaus . 

216 

216 

ISO 

V 

Marienhospital . 

351 

350 

247 

Essen a. d. Ruhr 

Huy88eustift und Kruppsches 
Krankenhaus . 

524 

497 

764 

Elberfeld . . . 

St. Josephshospital .... 

169 

190 

171 

V ... 

städtisches Krankenhaus . . 

302 

323 

318 

Barmen . . . 


236 

211 

233 

Crefeld . . . 


224 

206 

191 

Remscheid . . 


10« 

92 

105 

M.-Gladbach . 

Bethesda u.Mariahilf-Kranken- 
haus . 

208 

224 

185 

Solingen . . 

städtisches Krankenhaus . . 

145 

135 

88 

Viersen . . . 

w n • 

71 

69 

38 

Rheydt. . . . 


85 

73 

60 

Duisburg-Meide- 
rich 

Elisabeth- und Kais. Wilh.- 
Krankenhaus . 

154 

146 

141 

Neuss .... 

städtisches Krankenhaus . . 

73 

89 

49 

Mülheim-Styrum 

V V • 

65 

64 

74 

Ruhrort . . . 

Hanielstiftung . 

47 

50 

45 

Odenkirchen . . 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 

18 

15 

8 

Atrop, Kr. Mürs 

Friedr. Kruppsches Krkhs. 

16 

14 

27 

Aachen . . . 

Elisabeth- u. Mariahilf-Krkhs. 

411 

372 

379 

Aachen-Burtscheid 

St. Marienhospital .... 

145 

163 

126 

Düren .... 

städtisches Hospital .... 

107 

96 

90 

Eschweiler . . 

St. Antoniushospital .... 

90 

96 

57 

Eupen .... 

St. Nikolaushospital .... 

48 

43 

22 

Stolberg . . . 

Bethlehemhospital .... 

88 

96 

32 

Cöln .... 

Bürger- u. Augustahospital . 

913 

920 

1037 

Cöln-Deutz . . 

städtisches Hospital .... 

119 

131 

103 

Oöln-Ehrenfeld . 

St. Franziskushospital . . . 

140 

174 

101 

Mülheim a. Rh. . 

städt. u. Dreikönigenhospital . 

242 

258 

216 

Kalk .... 

St. Josephshospital .... 

133 

125 

111 

Trier .... 

städt. Hospital . 

136 

125 

36 

Saarbrücken . . 

Neues Krankenhaus . . . 

116 

139 

149 

Koblenz . . . 

Bürgerhospital . 

203 

186 

198 

Kreuznach . . 

fj •••••. 

53 

61 

58 

Neuwied . . . 

r . 

106 

104 

129 

Wiesbaden . . 

städtisches Krankenhaus . . 

285 1 

269 

287 

Kassel .... 

Landkrankenhaus .... 

321 

297 

262 

Fulda .... 

n .... 

1681 

145 

146 

Eschwege . . . 

n .... 

53 

39 

46 

Rinteln . . . 


11 

23 

29 

Schmalkalden 

r .... 

52 

44 

22 


Krankheitsformen der Aufgenommenen 


B g i «g ölale- 

ZZ 22 I ej 


,eä ' 0> 1 « | 


Z O ■ x >>3 «fl ® I «I 

~ 1 - I* ! 's s IJS 2 2 2 S 

K 5 £ r i - 1 *2 C ; 2 = üi»|o 

— _ 3 - — T. Cj n» TJ Z 


'« '2 i£ 15 

u w o 'S ® 

« _J © fl ® 

c ; *s o bd £ 

I D i W , 


6 2 3 1 
2 3 ....j 
. . 1 . 1 
o 


3 


4 4 5 
1 


2 .. 

4 4 

2 1 


3 1 1 


6 7 12 1 3 


.18 1.1..,. 

. 2.. 

1 6 7 10 1 2 . . . 
.3 6 4 4 3... 

.... 1 3 . 

.... 1 2 . . 1 . . . 

...I 2 .. 2 ...... . 


1 


1 






1 9. 

• 4 . 1 ..| | 

1 2 ..! 1. 

... 1 . . 


1 . 


1 5 14 8 . 1 


1 


2 . . 2 
. 3 . . 

1 


2 11 34 53 11 1 

.I *1- 1 


• • ••*••••• 

. . 2 10 .. 2 

. . 4 1 

11.. 

.43 

. . 1 . . 


4 1 6 

.. 3 .. 

. . 3 14 
. . .. 2, 
1 . . 5 


1 


. 1 1 

1 ’ Digitlzed by 


7 . . 

1 . 

1 . . 


fcoögle : I 

*3 


14 

7 

3 
1 

22 

6 

25 

6 

8 
6 

14 
1 

4 

12 

35 

34 

18 

30 

21 

21 

4 

15 

5 
2 
1 

3 

7 

8 

8 


[26 

4 

15 

9 

2 


8|99 
6 
12 
13 
9 

4 

8 

15 
3 
9 

120 

|26 
7 























































Sterblichkeits-Statistik von 51 Städten der Provinzen West- 


Städte 

et 

X 

u 

© 

'O 

w 

Zahl der Lebend¬ 
geborenen 

4> > 

O c 

«Hjs 
•o o ~ 

_ © “5 

^ «M 

J: « ä 

— 

® o 
a 

Z 

0> « 

13 o 

—— 

* tL 

M — 

Ui 

Ȥ 

sE 

o o 
4= A 
»- © 

£ © 
u H 
o . 
— 

— « 
— X 

«S * 

Verhältn.-Zahl der Ge¬ 

storbenen auf 1000 Ein¬ 
wohner und auf 1 Jahr 

1 Lebensalter d. Gestorbenen 

sj 

“5 

ao 

a 

© 

43 

eS 

•o 

* 

V 

über 5 bis 20 Jahre 

über 20 bis 40 Jahre 

über 40 bis 00 Jahre 

über G0 Jahre alt 

Alter unbekannt 

Münster 

79000 

2349 

29,7 

52 

1539 

19.4 

459 

177 

101(189 225 

388 


Bielefeld . . 

72000 

2005 

27,8 

55 

836 

11,6 

243 

77 

53| 91 162 

210 


Paderborn . 

26801 

1070 

39,9 

29 

421 

15,6 

90 

22 

28 72 82 

127 


Minden .... 

26171 

579 

22,1 

17 

347 

13.2 

79 

33 

38 33 65 

109 


Dortmund . 

175000 

3948 

39,7 

123 

3115 

17,8 

1279 

287 

180 385 4641 

420 


Gelsenkirehen 

160848 

7548 

48,9 

195 

2545 

15,8 

1117 

443 

185 245 294 

261 


Bochum 

122674 


41,3 

14 v 

2292 

18,6 

767 

343 

174 370 357 

281 


Hagen .... 

77973 

2803 

35,9 

70 

1220 

15,6 

454 

131 

89 161 173 

212 


Witten .... 

37871 

1188 

31,3 

47 

679 

17,9 

156 

69 

54 111 140 

147 

o 

Hamm .... 

3823-2 

1407 

36,8 

40 

584 

15,2 

200 

50 

85 75 92 

132 


Iserlohn 

29398 


28,8 

22 

412 

13,9 

94 

51 

18 56 62 

131 


Siegen .... 

25199 


31,4 

20 

376 

15,7 

85 

46 

80 50 70 

95 


Schwelm 

18884 

601 

31,8 

24 

267 

14,1 

70 

28 

20 35 36 

78 


Lippstadt . 

15788 

563 

35,6 

19 

257 

16.2 

94 

35 

18 24 29 

57 


Altena .... 

13187 

390 

29,5 

13 

164 

12,4 

46 

17 

3j 25 27 

46 


Düsseldorf. . . 

252630 

8901 

35,2 

233 

1203 

16,6 

1661 

485 

206 494 604 

754 

2 

Essen a. d. Ruhr 

230000 

8844 

38,4 

22 s 

3401 

14,8 

1329 

518 

185 402 461 

506 

.. 

Elberfeld . . . 

163040 

4967 

30,5 

174 

2568 

15,8 

799 

270 

155 274 428 

642 


Barmen.... 

154500 

4893 

30,4 

126 

2314 

15,0 

674 

277 

154 249 352 

608 


Krefeld .... 

111590 

2736 

24,5 

85 

1540 

13,8 

373 

130 

HO 161 290 

506 


Duisburg 1 . 

189651 

8318 

43.3 

202 

3383 

18,8 

1546 

515 

219,407 399 

497 


Mülheim a. d. K. 

93793 

3768 

40,1 

72 

1445 

15,4 

610 

138 

98 151 192 

256 


Remscheid. 

68621 


30,2 

60 

976 

14,3 

279 

121 

76 129 150 

221 


M.-Gladbach . 

60313 

2191 

36,3 

53 

1197 

19,8 

453 

179 

62 114 152 

230 

7 

Oberhausen . . 

52035 

2505 

48,1 

49 

1005 

19,3 

529 

91 

68 99 111 

107 


Solingen . . . 

49307 

1411 

28,6 

37 

775 

15,7 

191 

82 

61 117 132 

192 


Rheydt .... 

40015 

1424 

35,5 

36 

690 

17,2 

272 

95 

44 63 87 

129 


Neuss .... 

30749 

1085 

35.2 

22 

630 

20,4 

260 

82 

25 46 77 

140 


Viersen .... 

27589 

928 

33,6 

25 

521 

18,8 

184 

54 

24 49 66 

144 


Wesel .... 

23200 

588 

25,3 

14 

357 

15,3 

91! 

29 

19 47 56 

115 


Wermelskirchen . 

17321 


23,6 

22 

216 

12,4 

66| 

12 

11 31 28 

68 


Ronsdorf 

13750 

K £i 

23,6 

~5 

160 

11,6 

36 

9 

12 19 31 

53 


Lennep .... 

9704 

284 

29,2 

15 

160 

16,5 

31 

14 

16 19 28 

52 


Aachen .... 

148296 

4287 

28,9 

110 

2734 

18,4 

925 

325 

113 234 424 

713 


Düren .... 

297 ro 


31,4 

25 

639 

21,4 

219 

81 

29 53 98 

159 


Eschweiler . . 

23630 

K21 

34.8 

24 

493 

20,8 

164 

76 

20 41 62 

130 


Eupen .... 

13600 

336 

24,7 

9 

255 

18.7 

64 

12 

14 34 33 

97 

1 

Stolberg . . . 

14965 

532 

35,5 

22 

284 

18,9 

97 

45 

12 23 39 

68 


Cöln. 

125000 

15198 

35,7 

432 

8225 

19,4 

3270; 

973 

385 890 1137: 

1570 


Bonn- .... 

81906 

2952 

36,0 

110 

1908 

23,2 

649 

135 

71 255 341 

456 

1 

Mülheim a. Rh. . 

50807 

1759 

34,6 

50 

876 

17,2 

340 

133 

49 85 120 

148 

1 

Kalk. 

25477 

956 

37,5 

26 

553 

21,7 

248 

80 

33 58 72 

62 


Trier .... 

46703 

1259 

27,0 

33 

866 

18,5 

189 

97 

49 117 163 

251 


Malstatt-Burbach 

38445 

1743 

45,3 

40 

671 

17,4 

286 

109 

47 63 65 

101 


Saarbrücken . 

26824 

834 

31.1 

30 

475 

17,7 

122 

10 

35 87 89 

102 


St. Johann . . 

24300 

782 

32,2 

24 

410 

16,8 

136 

48 

41 44 62' 

79 


Coblenz. . . . 

53885 

1429 

26,5 

41 

819 

15,2 

262 

67 

49 106 147 

188 


Kreuznach. 

23131 

681 

29.4 

22 

420 

18,1 

92 

60 

39 47 65 

117 


Neuwied . 

18177 

484 

26,6 

13 

318 

17,5 

78 

30 

19 36 50 

105 


Wiesbaden . . 

100955 

2431 

24,0 

88 

1706 

16,8 

382 

162 

93 218 321 

530; 


Kassel .... 

120554 

3193 

26,4 

101 

1832 

15,1 

429 

178 

120 258 328 

516 

3 


1) Duisburg mit Ruhrort und Meiderich für das ganze Jahr 1905. 

2) Bonn: darunter 5,4of» Geburten und 5,6®/oo 8terbefälle Auswärtiger in Anstalten. 

Digitized by Google 






























falen, Rheinland und Hessen-Nassau während des Jahres 1905. 


Todesursache n 


Infektions - Krankheiten 


® 


a 

a a 1 


pC u3 2* 

o 't 


3« 

a 


, «l»c 

1 * 5° 

•ö I-Sfö 
y I Äö 

co •- 5 

iQ 3 


: i *5^ 

l ii n 




Andere verschied. Krankheiten 


Sl gg>2S>2 

I y .2 C I 3-3 2 

=Il=c=|£ §9 
Sl 


•gS* 

® s, 


5jS : 

*< m 


fl d 

© © 
6p 2 

*E*© 

.oä 

® § 
<& 


[Gewaltsamer 
Tod durch 


8 11 

25 

9 

2 . 

1 

2 

1210 

5 

6 

9 

.. 1 .. 


. i 2 

3 


6 

.. 4 

8 

■■ 11 

2 

8 

5 

.. 1 


11 28 

43 

20 

19 

Jl2 

48 

3 66 

35 

23 

9 

12 

9 

18 

25 34 

37 

11 18 

3 


17| 7 

15, 7 

4 


4 


6 6 

18 


4L. 

2: .. 

,.| 2. 

6 

2 

9 



i 3 

8 

2 


1 

1 

U . . 

3 6 

7 

6 

1 

. . .. 


l 1 1 

3 



9 

i 

... 1 



1 

2 

5 

2 


1 

i 

4 

. . 1 


37:17 

30 

47 

11 

<13 

13 

29,39 

90 

26 

13 

3 

6 

90 

1 33,16 

33 

54 

12.. 

5 

55 

49 14 

26 

24 

5 

11 

3 

69 

61 4 

4 

7 

3 

3 

1 

44 [38 

52 

54 21 

1,10 

9 

, 13 16 

21 

22 

9 

. . 5 

4 

21 3 

10 

16 

2 

.. 5 

1 

1 ..! li 

10 

19 

1 


1 

; 14111 

10 

28 

4 

... 2 .. 

1 5 2 

8 

24 

4 

.. 1 


; 12!.. 

5 

7 

3 



, io .. 

11 

4 

1 

.. 3 

2 

1 

2 

15 

2 



1 3 

1 

3 

8 

••1 1 


1 

1 

6 




ll 

1 

1 

1 


1 

v- 

/ 2 


1 

.... 


41: 7 

10 

162 

13 

J 5 

1 

7 2 

5 

11 

3 

..1 1 


10 . 

8 

32 

2 


1 


1 1 


4 





1 iL 

i 

5 

2 




il40<54' 

94 

213 21 


34 

178 

12j 3 

11 

15 .. 

,.i 2 

1 

1913 

14 

7 

1 

2 

22 4| 

7 

22 


1 

2 

8 1 

13 

11 

7 



7 

7 3 

12 

1 

2 


2 

2 

2; 2; 

5 

3 

5:.. 


2 

' Vi 

7 

1 

2 1 .. 

2; .. 

9 2i 

12 

4 

4L 

3 

4 


10 27 
1 5 


6 6 3}. 

9 .. 1 |. 

13' 11 . 
271 14| 12 |. 

i 



153 


28 

8 

67 137 

894 

114 

149 

30 



51 

37 

402 

36 

36 

34 


2 

ED 

23 

246 

44 

24 


5 


7 

29 

194 

212! 437 

82 

52 

2 


1503 

153 

286 

167 

15 

3 

376 166 

1090 

250 


416 



255 

66 

1100 

139 

121 

Hl 

32 

4 

81 

85 

572 

66 

73 

5 

22 


mm 

18 

406 

51 

2 

85 



43 

33 

326 

37 

43 

34 


1 

14 

12 

243 

35 

68 

14 

6 

1 

5 

4 

202 

22 

29 

7 



2 

4 

184 

24 

30 

27 


4 

25 

3 

129 

22 

22 

18 


2 

2 

3 

84 

387 

375 

189 

153 

2 

463335 

1971 

323 

350 

167 

121 

7 


1407 

273 

322 

18 

111 

7 


1213 

265 

361 

28 

83 

6 

267 

.. 

1037 

174 

146 

71 

1 

9 


910 

240 

460 

251 

51 

9 

391,359 

1416 

137 

137 

35 

35 

3 

148 

80 

708 

134 

133 

111 


3 

21 

41 

426 

135 


42 

24 

2 

Eil 

111 

553 

82 

192 

32 

28 

1 

114 

52 

401 

124 

98 

26 

35 

1 

33 

12 

380 

78 

74 

16 

24 


37 

74 

343 

62 

89 

22 

23 


75 

EE 

276 

66 

47 

9 

20 

i 

16 

71 

263 

46 

36 

17 

35 


6 

17 

164 

31 

28 

14 

6 


20 

6 

101 

17 

19 

6 

8 

2 1 

8 

8 

76 

18 

24 


5 

1 * • 1 

2 

3 

97 


358 

41 

32 



1458 

55 

63 

29 1 


j • • 1 

45 

4 » 

357 

47 

67 

6 

iö 


17 

37 

236 

28 

29 

3 

15 


5 

3 

164 

17 

44 

15 

20 


20 

m 

128 

820 

E! 

61 

249 

üa 

932 613 

3712 

244 

272 

6 

11 


162 

83 

1058 

87 

84 

28 

22 


68 

96 

407 

52 

35 

24 

19 


59 

51 

237 

um 

93 

14 

38 

7 

43 

26 

470 

66 

75 

27 

19 


46 

70 

316 

86 

49 

3 

22 

i 

28 

32 

204 

44 


1 



23 

33 

274 

109 

114 

i 

38 


83 

26 

382 

53 

48 

; 15 

47 


13 

6 

203 

30 

33 

17 

35 


7 

5 

177 


119 141 2 
83 ,21 10 


15510» 


7,1 3 
6 1 


2 

2 


1036 

1070 


21 

28 




































Ha oh Weisung Über Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 48 


Städte 

Krankenhäuser 

Bestand 

am 

Schlüsse 

CO 

c f 

ai ’z 

fcD co '*■; 

*r ^ a 
o= ^ 

►’S; s 
® * 

~ 1 ^ 

Summa der 
Aufgenominenen 

Pocken 

Varicellen 

trankheits- 

c 

, L, 

2 "-*■» 2* 
K 1 o T = 
* 1 £ 2 

£ "5 a’g 
% : * 'öS 
1 ' 

Keuchhusten 

Unterleibstyphus || 

Münster . . 

Clemenshosp. u. Johannisstift 

285 

297 

2974 


6 

72 

42 

3 

9 

Bielefeld . . . 

städtisches Krankenhaus . 

144 

114 

1101 


4 

19 

13 


6 

Minden . . • 


43 

43 

560 


1 

10 

15 


21 

Herford 

Friedrich-Wilhelm-Hospital . 

63 

50 

469 


1 

8 

9 


18 

Dortmund. . . 

Louisenhospital. 

384 

340 

5117 

5 

21 

35 

62 

12 

26 

Hagen i. W. . . 

städtisches Hospital .... 

111 

106 

1284 


2 

10 

12 


6 

Witten .... 

Diakonissenhaus u. Marienhosp. 

399 

365 

3905 


7 

48 

84 

4 

36 

Hannn .... 

städtisches Krankenhaus . 

36 

79 

945 

2 .. 


4 

13 


33 

Iserlohn 

Bethanien- „ 

89 

95 

871 


1 

1 

14 

3 

1 

Siegen .... 

städtisches Hospital .... 

71 

74 

1091 


2 

28 

22 

2 


Gelsenkirehen . 

Marienhosp. u. ev. Krankenh. 

478 

394 

5748 

1 

2 

130 

56 

9 

5£> 

Altena .... 

Johanniter- u. kath. Krankenh. 

47 

51 

345 



3 

1 


4 

Schwelm . . . 

städtisches Krankenhaus . 

00 

60 

436 



9 

6 


8 

Düsseldorf . . 

evangelisches Krankenhaus . 

199 

216 

2076 


18 

50 

89 

4 

8 

V 

Marienhospital. 

314 

350 

2749 


14 

95 

85 

5 

27 

Essen a. d. Ruhr 

Huyssenstift und Kruppsches 











Krankenhaus . 

471 

497 

9179 

.. 1 3 

8 

32 

202 

4 

44 

Elberfeld . . . 

St. Josephhospital .... 

184 

190 

1847 



4 

12 


7 

* ^ # # 

städtisches Krankenhaus . . 

350 

323 

3838 

3 

26 

67 

89 

28 

24 

Barmen 


203 

211 

3156 


18 

32 

44 

12 

52 

Krefeld . . . 


*>25 

206 

2391 



6 

21 


25 

Remscheid 


92 

92 

1153 


6 

7 

19 


a 

M.-Gladbach . . 

Bethesda- und Mariahilf-Kran- 











kenhaus . 

208 

224 

2397 


12 

28 

38 

3 

12 

Solingen . . 

städtisches Krankenhaus . 

126 

135 

1306 

2 


6 

16 

6 

18 

Viersen . . . 

* n . . 

81 

69 

408 



8 

6 

1 

4 

Rheydt. . . . 

v n 

74 

73 

631 


1 

1 

10 

. . 

5 

Duisb.-Meiderich 

Elisab.- u. Kaiser Wilh -Krkbs. 

161 

146 

1577 


3 

13 

54 


8 

Neuss .... 

städtisches Krankenhaus . . 

78 

89 

537 


5 

3 

11 

3 

4 

Mülheim-Styrum 

r> v * * 

76 

64 

758 


2 

10 

22 


7 

Ruhrort . . . 

Hanielstiftung. 

62 

50 

544 



7 

14 

1 

15 

Odenkirchen . . 

Kaiser Wilhelm-Krankenhaus 

10 

15 

107 




2 


2 

Atrop, Kr. Moers 1 

Friedr. Kruppsches Krankenh. 

14 

14 

288 







Aachen. . . . 

Elisabeth- u. Mariahilf-Krkhs. 

349 

372 

4846 

.. 3 

93 

74 

62 

124 

75 

Aachen-Burtscheid 

St. Marienhospital .... 

142 

163 

1402 


; i 

1 

1 


8 

Düren .... 

städtisches Hospital .... 

105 

96 

1121 


1 19 

14 

10 

2 

17 

Eschweiler . . 

St. Antoniushospital .... 

95 

| 96 

483 


2 

2 

17 


5 

Eupen .... 

St. Nicolaushospital .... 

41 

43 

240 



1 3 



5 

Stolberg . . . 

Bethlehemhospital .... 

103 

j 96 

435 




7 


4 

Köln .... 

Bürger- u. Augustahospital . 

850 

920 

11569 

7 

177 

299 

423 

100 

50 

Köln-Deutz . . 

städtisches Hospital .... 

129 

131 

1110 


1 

4 

14 


3 

Köln-Ehrenfeld . 

St. Franziskushospital . 

141 

174 

1215 





29 

6 

Mülheim a. Rh. . 

städt. u. Dreikönigenhospital . 

256 

258 

2525 


14 

38 

48 


8 

Kalk .... 

St. Josephhospital .... 

155 

125 

1575 


19 

11 

35 

3 

1 

Trier .... 

städtisches Hospital .... 

129 

125 

626 


31 

5 

5 

7 

24 

Saarbrücken . . 

Neues Krankenhaus .... 

53 

139 

1428 


2 

11 

12 

1 

55 

Coblenz . . . 

Bürgerhospital. 

173 

186 

2544 


15 

14 

38 

5 

15 

Kreuznach . . 

n .... 

54 

61 

666 

.. .. 




1 

3 

Neuwied . . . 

n .... 

98 

104 

1508 


4 

21 

CM 

CO 

r-H 

8 

12 

Wiesbaden . . 

städtisches Krankenhaus . . 

297 

'269 

3917 


39 

127 

10 

2 

43 

Kassel .... 

Landkrankenhaus .... 

319 

1297 

3499 


11 

191 

97 


54 

Fulda .... 

n • • • 

191 

145 

1949 


1 

4 

18 


9 

Eschwege. . . 

V .... 

34 

! 39 

496 


1 


31 

L. 

9 

Rinteln . . . 

JJ ... 

24 

! 23 

213 

i ! 


*3 

4 


12 

Schmalkalden 

n • • • • 

46 

44 

377 

.. |.. 



5 


11 


1) Umfasst den Zeitraum Mai bis Dezember. 

26 


Digitized by 


Google 








































Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau während des Jahres 1905 







formen 

der 

Aufgenommenen 






Zahl der 
Gestorbenen 

Epidemische 

Genickstarre 

Ruhr 

Brechdurchfall 

Kindbettfieber 

Wechselfieber 

Rose 

Syphilis 

einschliesslich 

Gonorrhöe 

Lungen- und 
Brustfell- 
Entzündung 

Akuter 

Bronchial- Katarrh 

Lungen¬ 

schwindsucht 

,•§§ 

S-gs 

<3 «ö jjj 

s< 

Akuter Darm¬ 
katarrh 

Gehirn- 

Schlagfluss 

Säuferwahnsinn 
und chron. 
Alkoholismus 

Akuter Gelenk¬ 
rheumatismus 

Andere 

rheumatische 

Krankheiten 

Verletzungen 

Alle übrigen 
Krankheiten 



7 5 


21 

42 

62 

49 

66 

157 

631 12 

40 

21 

142 

474 

1681 

303 

1 


. . 1 


11 

22 

41 

36 

34 

34 

25 

1 

13 

23 

36 

123 

658 

88 


1 



2 

13 

10 

21 

22 

i 

12 

2 


18 

1 

56 

354 

43 



. . 1 

‘ 

11 

9 

12 

9 

23 

20 

8 

4 

7 

5 

15 

31 

278 

33 

1 

6 22 4 

1 

50 

452 

151 

100 I 186 

165 

171 

5 

58 

106 

145 

828,2505 

322 



2 1 


5 

17 

39 

u 

23 

36 

11 

4 

8 

20 

38 

151 

888 

97 

1 


3 1 


27 

27 

120 

134 

147 

108 

92 

3 

5 

91 

325 

7161926 

■248 



. . 1 


5 

14 

24 

21 

20 

15 

6 

1 

12 

28 

4 

151 

591 

54 

i 


2 .. 


3 

9 

16 

9 

21 

23 

10 

1 

1 

22 

29 

153 

551 

51 



..' 2 


10 

13 

48 

20 

24 

18 

10 

5 

5 

8 

22 

270 

582 

72 

1 

72 25 21 


46 

105 

182 

167 

104 

130 

127 

13 

76 

116 

188 

14372681 

292 





6 


9 

i 

64 

15 

1 


i 

14 

11 

68 

147 

15 

1 


2 . 


3 

3 

17 

3 

15 

20 

i 

•• 

i 

7 

20 

80 

240 

34 



5 2 


6 

32 

54 

37 

41 

74 

22 

14 

5 

35 

38 

2291313 

153 

1 


11 2 


20 

122 

104 

87 

161 

57 

145] 18 

5 

60 

111 

402; 1217 

211 



3 7 . . 

57 

244 

293 

157 

418 

221 

133 13 

31 

177 

384 

24524296 

430 



9 


14 

12 

54 

65 

98 

51 

96 

15 

24 

19 

216 

435 

723 

145 



ii i 

1 

25 

247 

98 

49 

173 

97 

35 

12 

59 

41 

175 

40712167 

251 


76 

.. 1.. 

13 

102 

172 

46 

367 

64 

88 

4 

6 

59 

80 

40411519 

237 


1 

5 7 


14 

87 

65 

20 

232 

51 

23 

5 

29 

38 

65 

1991498 

205 

1 

1 . . 1 


13 

24 

51 

19 

47 

30 

11 

3 

9 

18 

13 

208 

669 

73 



i 

.. r.. 

5 

80 

84 

47 

146 | 297 

311 4 

8 

56 

92 

259 1194 

154 



1 3 


4 

15 

48 

52 

57 

32 

3 

4 

6 

17 

46 

226 

749 

92 





3 

2 

10 


201 1 

5 

5 

i 

6 

4 

42 

290 

40 

1 




6 

22 

8 

9 

59 

61 

10 

1 

2 

17 

42 

64 

312 

41 


3 


3 

5 

17 

53 

100 

19 

101 

28 

i 

7 

41 

167 

358 601 

43 

2 


l l 


3 

6 

20 

15 

25 

27 

8' 2 

9 

40 

3 

87 

262 

53 





1 

16 

25 

14 

5 

22 

U 


3 

12 

44 

234 

330 

36 




1 

1 

24 

27 

9 

13 

41 

19 

i 

6 

5 

27 

132 

201 

23 

1 





2 

i 

4 

3 

6 

3 


2 

1 


18 

63 

16 






1 

4 

2 

3 


15 



2 

8 

230 

23 

9 



15 . . 

1 

1 66 2 

209 

161 

45 

213 

56 

40 

30 

55 

1 64 

91 

3872982 

382 





I 

11 

- 22 

33 

16 

15 

27 

4 

1 6 

6; 

265 

223 

763 

47 



. . 1 


ii 

17 

21 

30 

19 

9 

18 


1 17 

i n : 

15 

100 

790 

95 



1, 1 



5 

42 

92 

2 

3 

13 

3 

1 4 

i 4 ! 

40 

97 

220 

59 



i 




1 13 

7 

9 

3 


1 

1 5 

1 1 1 

17 

25 

151 

22 



i 


I" 1 

’i 

1 15 

27 

13 

7 

19 

9 


1 16 

I 7 

90 

208 

20 

1 

1 

9 6'.. 

68 

62 

1 412 

| 298 

584 

326 

111 

59 

142 

151 

327 ! 

151116445 

899 



7, 2 . 

1 

48 

1 35 

[ 82 

20 

28 

36 10 

3 , 

1 10 

66 ' 

310 

430 

75 

1 


6' 1 


15 


1 67 

77 

99 

40» 

23 21 

2 

, 721 

4 I 

189 

563 

115 



1 .. 


9 

131 

61 

75 

108 

74 

29 

12 

27 

42i 

97 1 

5671181 

130 



4 . . 


6 

88 

1 35 

1 65 

i 

41 

73 

89 

A 

* 

31 

24 | 

70 | 

430 

546 

113 


3 

•1 1 



37 

28 

j 13 

34 

46 

8 

6 

26 

1 6 

3 

43 

300 

85 


1 

3 2 

i 

*2 

t 

149 

45 

22 

47 

47 

39 

3 

14 

22 i 

56 1 

218 

676 

97 



4 3 


i io 

133 

57 

1 49 

73 

118 

35 

6 

21 1 

32 

64 1 

241 1611 

148 



1|.. 


1 • • 

11 

13 

5j 

17 

26 

3 

1 

6 

26, 

9 1 

81 

463 

36 



..{ 3 


13 

12 

46 

66 

41 

120 

4 

4 

2 | 

52 

112 

198 

658 

94 


1 

5| 1 


20 

210 j 

82 j 

137 

207 

68 

64 

15 

48 | 

571 

80 

235 

2466 

334 

2 

.. 

131 1 

i 

8 

123 

80 

58 

190 

130 

74 

13 

5 

117 

130 ! 

344 

2029 

292 



1 


5 

18 

24 

36 

50 

30 

26 

2 

5 1 

44 

58 I 

211 

1407 

118 



•• 1 


3 

4 

19 

27 

14 


1 

1 

1 

20 

3 

98 

263 

31 


1 

1 



2 

17 

6 

16 

i3 



4 

1 

10 

13 

110 

3 

„, 


::i:: 

i 

's 

8 

9 

4 

19 

20 

7 

3 

7 

10 

9 

57 

204 

26 


8) Aachen hierunter 58 Influenza. 

3) Ehrenfeld hierunter 83 Influenza. 


Digitized by 


Google 



























Sterbliohkeits-St&tiatlk von 51 Stfidten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau 

pro Monat Dezember 1905. 


Monat 

Dezember 

1905 

Einwohner-Zahl 

Zahl der Lebend¬ 
geborenen 

Verhältn.-Zahl der Ge¬ 
borenen auf 1000 Einw. 
und auf 1 Jahr 

Zahl der Sterhefälle j 
ansschl. Totgeborenen 

O) 

s 

u 

<u 

'S *- 

— £ 
X -7 

t~ — 

<D 

s 

t- 

0 

Verhältn.-Zahl der Ge¬ 
storbenen auf 1000 Ein-! 
wohner u. auf 1 Jahr 



fodesursachen 


Gewaltsamer 
Tod durch 

Infektions 

• Krankheiten 

Pocken 

Masern und 
Röteln 

Scharlach 

Diphtheritis 
und Croup 

Stickhusten 

i# 

1 ~ .£ 
j £ 

12 u 

U 4* 

v m 

Ruhr 

Kindbettfieber 

Andere Infek- 
tionskrankh. 

Darinkatarrh 

Brechdurchfall 

VerunglUcltung 
oder nicht nkher 
konstatierte Ein¬ 
wirkung 

Selbstmord 

if 

•8 

Oi 

•ü 

O 


79000 

183 

27 3 

122 

46 

18,2 



1 

8 



. . | . . 

5 

9 

1 



79000 

159 

26,0 

69 

‘>4 

11,3 


! O 

2 

1 1 




1 

1 

1 



26801 

82 

36,0 

28 

3 

12,3 



1 










20171 

54 

24,3 

20 

0 

9,0 





! 1 



1 


2 


Dortmund 

175221 

594 

89,9 

273 

100 

18,3 

. . 1 

1 

7 

8 



1 5 

6 

12 

2 


Gelsenkirch (ui . 

160843 

620 

45,4 

180 

67 

13,2 

. . 2 

3 


8 



12 

7 

.. 

. . 


122674 

4>2 

40,5 

193 

61 

18,5 

. .1 9 

1 

4 


1 


6 

2 

1 



77973 

234 

35,3 

106 

40 

16,0 

1 ^ 

1 

1 




1 

5 



Witten .... 

37871 

104 

32^3 

62 

9 

19,3 

2 

1 

1 


1 


1 

1 

# # 

# # 


38232 

122 

37,6 

50 

13 

15,4 


1 

1 




2 

3 



Iserlohn 

29598 

62 

24,7 

28 

7 

n,i 




1 



1 

1 

# # 

# # 

Siegen .... 

25199 

61 

28,5 

27 

7 

12,6 








1 

.. 

• • 


18884 

50 

31,2 

04 

7 

15,0 







1 




Lippstadt . . . 

15788 

43 

32^1 

22 

7 

16,4 







2 

1 

.. 

. . 

Altena .... 

13187 

26 

23,2 

13 

5 

11,8 








1 


• • 

Düsseldorf 

252630 

754 

35,1 

323 

91 

15,1 

. .1 10 

5 

4 

4 


..11 

25 

9 

4 

, , 

Essen «. d. Ruhr 

230050 

800 

40,9 

2 48 

84 

12,7 

. .1 3 

1 

7 

4 


. . . 8 

7 

9 



Elberfeld . . . 

163040 

413 

29^8 

214 

55 

15,5 

.. 6 


1 

6 

2 


2 

4 

7 

3 

* # 

Barmen . . . 

156148 

403 

30,4 

195 

50 

14,7 

.. 12 

1 

2 

3 

I 


.. 5 

5 

4 

1 

, . 


111590 

253 

26,7 

135 

21 

14,2 

. . 1 


1 






1 

2 

1 

Duisburg . . 

189651 

713 

44,3 

301 

87 

18,7 

.. 8 

0 

12 

3 

2 


1 1 

15 

15 

1 


Mülheim a. d. R. 

93793 

318 

39,9 

108 

37 

13,6 

1 

9 

2 

1 



. .1 1 

4 

1 

2 

i 

Remscheid 

68021 

172 

29,8 

89 

29 

15,4 

•• 1 



6 



2 

2 

6 

1 

1 

M.-Gladbach . 

60313 

170 

33,2 

107 

32 

20,9 



1 

3 




4 




Oberhausen 

52035 

207 

4(5,8 

66 

25 

14,9 

. 2 

2 

9 

4 

• • 

1 


5 


m 

,, 

Solingen . . . 

49307 

130 

31,0 

63 

10 

15,0 



3 




1 

1 

.. 

.. 

Rheydt.... 

40015 

93 

•27,4 

58 

19 

17.1 

.. 1 



3 



1 



.. 

Neuss .... 

30749 

85 

32,5 

68 

15 

26,0 

• 1 ^ 

• • 

6 

1 



1 


.. 

.. 

Viersen 

27589 

85 

36,3 

36 

10 

15,4 







3 


., 

.. 

Wesel .... 

23200 

45 

22,8 

32 

l 

16,2 





2 1 



1 

1 


W ermelskirchen 

17321 

35 

23,8 

12 

3 

8,2 




2 



1 




Ronsdorf . . 

13750 

30 

25,7 

9 

1 

7,7 



1 







Lennep . . . 

9704 

31 

37,6 

21 

4 

25,5 




■ 





. • 

. • 

Aachen . . . 

148296 

322 

25,6 

186 

42 

14,8 

.. 4 

1 

, 1 

4 


1 . . 

4 

4 

4 

,. 

Dürep .... 

29770 

90 

35,6 

52 

12 

20,6 

1 1 



1 



2 

2 



Eschweilor 

23630 

70 

34,9 

41 

10 

20,4 

1 


2 ! 





1 

5 



Eupeu .... 

13600 

22 

19,0 

20 

4 

17*3 


1 






2 


.. 


Stolberg . . . 

14965 

47 

36,8 

16 

5 

12,5 








I 



• • 

Cöln .... 

429200 

1510 

36,3 

700 

217 

19,2 

. . 25 

12 

14 

41 

1 


3 15 

39 

9 

2 

.. 

Bonn 1 . 

81906 

234 

33,6 

151 

30 

21,7 

.. 3 

1 

2 





3 


2 

,, 

Mülheim a. Rh. . 

50807 

162 

37,5 

63 

19 

14,6 



2 1 

3 




5 

i 



Kalk 2 .... 

25477 

77 

35,6 

39 

11 

18,0 2 



1 

1 




1 

2 



Trier .... 

46703 

107 

27,0 

52 

6 

13,1 

1 


1 


1 



1 

1 


1 

Malstatt-Burbach 

38445 

145 

44,4 

63 

10 

19,3 

5 


3 





1 


# # 

., 

Saarbrücken . 

26824 

61 

26,8 

43 

7 

18,9 

.. 2 1 


2 


2 



3 

2 

2 


St. Johann . 

24300 

67 

32,5 

27 

8 

13,1 


■ • 

1 

. . 




3 

2 



Koblenz 

53885 

133 

29,1 

68 

18 

14,9 


1 

1 


1 



4 

3 



Kreuznach 

23131 

58 

29,5 

29 

10 

14,8 









4 



Neuwied . 

18177 

26 

16,8 

28 

6 

18,1 

.. .. 







1 




Wiesbaden 

100955 

194 

22,6 

113 

23 

13,2 




1 

9 


1 . . 


1 

5 


Kassel .... 

120554 

276 

27,0 

154 

35 

15,0 

.. .. 

1 I 

1 

. 

5 

1 

1 



6 

3 

1 

• - 


1) Bonn: darunter 5,03%o Geburten und 4,45°/oo Sterbefälle Auswärtiger in Anstalten. 

2) Kalk: darunter 6,«4 u /oi, Sterbefälle Auswärtiger in den hiesigen Krankenhäusern. 








































































Digitized by 


Google 




Digitized by v^ooQle 









Digitized by Google